Kitabı oku: «Hegels »Phänomenologie des Geistes«. Ein systematischer Kommentar», sayfa 5
In der damit variierten Konzeption treten jedoch aufs Neue die Widersprüche auf, die wir bereits kennengelernt haben. Sie realisieren sich hier durch den Bezug auf das wahrnehmende Ich. Das Ich ist die Bestimmung, die festgehalten wird, wenn man unmittelbar auf das eigene Wahrnehmen Bezug nimmt. Dies können wir mit dem Begriff eines (kognitiv verstandenen28) Selbstgefühls erläutern: Das Wissen, das ich direkt durch mein Wahrnehmen habe, kommt durch dieses Selbstgefühl zustande. Ein solches Selbstgefühl habe ich unabhängig davon, ob ich gerade sehe oder höre oder ob ich ein Haus sehe oder Buchstaben auf Papier. Jeweils weiß ich um das eigene Wahrnehmen aufgrund des Selbstgefühls, das ich habe. Aus diesem Grund weiß ich nicht ein spezifisches Sehen oder Hören oder etwas Ähnliches, sondern ich weiß mein allgemeines Ich, das sich über alle Unterschiede solcher spezifischen Formen der Wahrnehmung hinweg durchhält – als ein jeweiliges Beispiel von Ich-Sein. Damit zeigen sich erneut die beiden Widersprüche, die wir bereits geklärt haben: Das Wissen ist nicht konkret, und es kommt nicht unmittelbar, also ohne Negationen zustande.
Die Widersprüche, die auch in dieser zweiten Form der Wissenskonzeption der sinnlichen Gewissheit auftreten, motivieren ihrerseits aus Hegels Perspektive noch eine dritte Form, in der das Wissen weder auf Seiten des Gegenstands noch auf Seiten des Ichs, sondern in einer Verbindung beider Seiten gesucht wird. »Wir kommen hiedurch dahin, das Ganze der sinnlichen Gewissheit selbst als ihr Wesen zu setzen […].« (90/87) Dieser Form gemäß hat ein einfaches Wissen immer die Form »Ich Jetzt Tag« oder »Ich Hier Baum«. Gewusst wird immer der einzelne Zusammenhang, der zwischen einem wahrnehmenden Bewusstsein und einem bestimmten von diesem Bewusstsein wahrgenommenen Gegenstand besteht. Der Zusammenhang ist jeweils ein anderer, so dass der Eindruck entsteht, die sinnliche Gewissheit könne in dieser Art und Weise ihren Anspruch auf Konkretheit doch noch realisieren.
Wir haben damit hier eine Form der Wissenskonzeption vor uns, die ihre Widersprüche nicht so einfach offenbart wie die anderen beiden schon betrachteten Formen. Aus diesem Grund sagt Hegel, dass er sich die Spezifik des jeweiligen Zusammenhangs zeigen lassen will. Er will erläutern, wie aus der Perspektive der Bewusstseinsgestalt die Spezifik des jeweils Gewussten zustande kommt. Er kommentiert wieder die Struktur des einfachen zeitlichen indexikalischen Ausdrucks »jetzt« und legt wiederum dar, dass es sich um etwas Allgemeines handelt. Auch wenn die sinnliche Gewissheit immer spezifische Zusammenhänge des direkten Bezugs von Subjekten auf Gegenstände als Ganze fasst, kann sie die Spezifik dieser Zusammenhänge nur dadurch klären, dass sie zum Beispiel ein Jetzt, in dem ein spezifischer Zusammenhang besteht, als unterschieden von anderen Jetzt, in denen andere entsprechende Zusammenhänge bestehen, zur Geltung bringt. Das aber bedeutet, dass sich von neuem die alten Widersprüche ergeben. Das Wissen ist nicht konkret, sondern abstrakt; und es kommt nicht unmittelbar, sondern aus Beziehungen zu anderem heraus zustande.
Das grundlegende Problem von Konzeptionen, die den direkten Kontakt als Basis des primären und allerkonkretesten Wissens zu fassen suchen, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Ein direkter Kontakt führt nur insofern zu Wissen, als er sich von anderen Momenten direkten Kontakts unterscheidet. So ist die Konzeption nicht, was sie ihrem Anspruch nach zu sein verspricht: Sie erklärt Wissen nicht als ein solches, das allein vom Gegenstand selbst ausgeht und das dabei darauf beruht, dass dieser sich direkt dem Bewusstsein offenbart. Vielmehr erklärt sie Wissen durch die Unterscheidungsleistungen, die das Bewusstsein vornimmt, wenn es zum Beispiel unterschiedliche Momente des Jetzt voneinander trennt.
Hegels These lautet somit, dass die Konzeption der sinnlichen Gewissheit von einer grundsätzlich falschen Idee dessen ausgeht, was Wissen ist. Wissen kommt dieser falschen Idee zufolge dort zustande, wo das Bewusstsein sich enthält, wo es die Welt bloß aufnimmt, wie sie ist. Das Gegenteil aber ist, wie sich ansatzweise in den Widersprüchen der Konzeption bereits gezeigt hat, der Fall: Wissen kommt nur dadurch zustande, dass das Bewusstsein – zum Beispiel durch Akte des Unterscheidens – auch aktiv wird, indem es in die Welt eingreift. Das gilt auch für Erfahrungen: Erfahrungen kann man nicht dadurch machen, dass man die Welt einfach auf sich wirken lässt. Sie erfordern immer auch Tätigkeit. Erst dort, wo man Gegenstände negiert – und dies zum Beispiel dadurch, dass man sie zu anderen Gegenständen in Beziehung setzt und dadurch von anderen Gegenständen unterscheidet –, kann man zu Wissen gelangen.
Dies wird auch in den Bewegungen zwischen den unterschiedlichen Realisierungen der sinnlichen Gewissheit indirekt deutlich: Auch wenn die Konzeption nicht selbst ihre Widersprüche bemerkt, so gehen die unterschiedlichen Realisierungen (vom direkten Gegenstandskontakt zum direkten Selbstkontakt, zum direkten Kontakt zu einem Gegenstand-Bewusstsein-Konglomerat) doch aus einer Aktivität des Bewusstseins hervor. Das Bewusstsein reagiert auf die Widersprüche in der Realisierung seines Anspruchs, indem es erste Realisierungen negiert. Schon in frühesten kulturellen Praktiken ist, so Hegel in einer unnachahmlichen Polemik, die Bedeutung der Negation, die hier am Beispiel des Verzehrs illustriert ist, für die menschliche Auseinandersetzung mit der Welt reflektiert worden:
In dieser Rücksicht kann denjenigen, welche jene Wahrheit und Gewissheit der Realität der sinnlichen Gegenstände behaupten, gesagt werden, dass sie in die unterste Schule der Weisheit, nämlich in die alten Eleusischen Mysterien der Ceres und des Bacchus zurückzuweisen sind, und das Geheimnis des Essens des Brotes und des Trinkens des Weines erst zu lernen haben […]. (94/91)
II. Die Wahrnehmung oder das Ding und die Täuschung
Die Widersprüche, die sich in der Wissenskonzeption der sinnlichen Gewissheit zeigen, werden von einer Wissenskonzeption aufgehoben, die Hegel als Wahrnehmung bezeichnet. Die Grundidee dieser Konzeption besagt, dass Wissen durch ein wahrnehmendes Erfassen von Eigenschaften an Gegenständen zustande kommt. Anders als die sinnliche Gewissheit wird damit dezidiert der Anspruch verfolgt, Wissen aufgrund von Allgemeinbestimmungen (im Sinne von Eigenschaften) zu gewinnen.
In der Diskussion des vorigen Abschnitts hatte sich gezeigt, dass die dort verfolgte Wissenskonzeption entgegen ihrem Anspruch, das konkrete Einzelne durch einen unmittelbaren Bezug auf den Gegenstand zu wissen, nur abstrakte Allgemeinheiten weiß. Die Wahrnehmung hebt diesen Widerspruch auf, indem sie ihn für den Begriff des Wissens fruchtbar macht: Allgemeinbestimmungen sollen es ermöglichen, Einzelgegenstände in ihrer Konkretheit zu wissen.
Hegels Erläuterung der entsprechenden Wissenskonzeption gliedert sich in drei Teile:
In einem ersten Teil wird die Wissenskonzeption in ihren Grundzügen entfaltet (96–100/93–97):
In einem zweiten Teil werden die Widersprüche der Konzeption in den unterschiedlichen Formen, in denen sie im Rahmen der Konzeption entwickelt werden können, verfolgt (100–107/97–103).
Ein dritter Teil resümiert schließlich diese Widersprüche und gibt einen Ausblick auf das Folgende (107–111/103–107).
Die Einleitung beleuchtet die zentralen Aspekte, die für die Wissenskonzeption relevant sind. Dabei lassen sich fünf solcher Aspekte unterscheiden:
Anspruch der Konzeption ist es zu erklären, wie man sich auf einen spezifischen Gegenstand wissend beziehen kann. In diesem Anspruch hält die Wahrnehmung an dem in der sinnlichen Gewissheit erhobenen Anspruch fest, die Welt in ihrer Konkretheit zu wissen. Entsprechend charakterisiert Hegel die Wahrnehmung, indem er sagt: »[Ihr] Kriterium der Wahrheit ist […] die Sichselbstgleichheit, […].« (100/97) Anders ist aber nun, dass dieses Kriterium durch einen Rekurs auf Bestimmungen eingelöst werden soll, die den Gegenstand dem Bewusstsein vermitteln.
Entsprechend soll der bestimmte Gegenstand durch Eigenschaften gefasst werden. Der Gegenstand ist dabei als dasjenige gedacht, was die Eigenschaften zusammenhält. Die Eigenschaften wiederum können allerdings nicht vom Gegenstand her begriffen werden, sondern müssen als solche verstanden werden, die von anderen Eigenschaften abgegrenzt sind (wie das Rote vom Blauen) beziehungsweise mit anderen Eigenschaften systematisch verknüpft sind (wie das Rote mit dem Farbigen).
Eigenschaften sind also solche, die sich wechselseitig ausschließen und genau dadurch bestimmt sind. Dies wiederum macht allerdings nicht verständlich, inwiefern Eigenschaften einen Gegenstand ausmachen.
Viele Eigenschaften bestehen gemeinschaftlich an einem Gegenstand, so dass das Zugleichbestehen (das »Auch«) der Eigenschaften und nicht ihr wechselseitiger Ausschluss den Gegenstand charakterisiert.
In diesem Aspekt aber kommt ein Moment nicht zum Tragen, von dem wir ausgegangen sind. Der Gegenstand ist in seiner Spezifik eine Einheit. Er ist nicht ein Zugleichbestehen von Eigenschaften, sondern ist die Einheit, die die unterschiedlichen Eigenschaften zusammenhält.
Mit diesen unterschiedlichen Aspekten zeichnen sich folgende grundlegende Widersprüche der Wahrnehmung ab: Eigenschaften sollen einerseits gleichgültig nebeneinander bestehen; andererseits sollen sie einander ausschließen. Der Gegenstand soll zum einen eine Einheit sein, und zum anderen soll er durch mehrere Eigenschaften in seiner Identität bestimmt werden. Diese beiden grundlegenden Widersprüche prägen die Erfahrungen, die die Bewusstseinsgestalt der Wahrnehmung macht.
Diese Erfahrungen kommentiert Hegel im zweiten Teil des Abschnitts. Zuerst durchläuft das Bewusstsein die fünf Aspekte, die Hegel bereits in seinem einleitenden Kommentar zu der Wissenskonzeption voneinander unterschieden hat. Dabei schwankt das Bewusstsein zwischen der Auffassung des Gegenstands als einer ausschließenden Einheit und der Auffassung des Gegenstands, der zufolge dieser durch mehrere zugleich an ihm bestehende Eigenschaften konstituiert ist. Wir können dieses Schwanken artikulieren, indem wir sagen, dass das Bewusstsein zwischen einer substantiellen und einer phänomenalen, also an seinen Erscheinungsformen orientierten Auffassung von Gegenständen hin- und hergerissen ist.29 Aus der Erfahrung dieses Hin-und-her-Gerissenseins kommt es dann zu einer entscheidenden Transformation der Bewusstseinsgestalt. Das Bewusstsein unterscheidet jetzt die Seite des Gegenstands als die eigentliche Wahrheit davon, wie es diesen Gegenstand auffasst. Es trennt zwischen der eigenen Tätigkeit und dem, womit der Gegenstand das Bewusstsein konfrontiert.
Mit dieser Transformation wird ein entscheidender Unterschied eingeführt, der mit der Trennung zwischen einer substantiellen und einer phänomenalen Auffassung an sich bereits etabliert ist, nämlich derjenige zwischen der Wahrheit des Gegenstands und den Täuschungen des Bewusstseins:
Es hat sich hiemit für das Bewusstsein bestimmt, wie sein Wahrnehmen wesentlich beschaffen ist, nämlich nicht ein einfaches reines Auffassen, sondern in seinem Auffassen zugleich aus dem Wahren heraus in sich reflektiert zu sein. […] – Es ist hiemit itzt, wie es bei der sinnlichen Gewissheit geschah, an dem Wahrnehmen die Seite vorhanden, dass das Bewusstsein in sich zurückgedrängt wird, aber zunächst nicht in dem Sinne, in welchem dies bei jener der Fall war; als ob in es die Wahrheit des Wahrnehmens fiele, sondern vielmehr erkennt es, dass die Unwahrheit, die darin vorkömmt, in es fällt. (102/98 f.)
In zweifacher Weise kann das Bewusstsein als Quelle der Unwahrheit verstanden werden: Entweder führt es das Zustandekommen von Allgemeinheiten auf seine eigene Tätigkeit zurück, so dass die Allgemeinheiten nicht in den Gegenständen begründet sind und es entsprechend möglich ist, die Gegenstände als bloße Einheit zu fassen. Oder es begreift sich als Quelle der Einheit des Gegenstands, die es dadurch herstellt, dass es die in der Welt bestehenden Eigenschaften zusammenfasst und so Gegenstände bildet.
Im ersten Fall ist die Einheit des Gegenstands substantiell, im zweiten Fall ist sie eine Konstruktion des Bewusstseins. Es werden also Hinsichten voneinander unterschieden, in denen das Bewusstsein tätig ist und den Gegenstand als Gegenüber und damit Maßstab seiner Tätigkeit weiß. Dieses Unterscheiden aber beendet die Täuschung nicht: Dem Bewusstsein gelingt es nicht, die Einheit des Gegenstands mit der Vielheit der an ihm vorkommenden Eigenschaften zu versöhnen.
Aus der Erfahrung des Fortbestands dieser Widersprüche entwickelt sich eine dritte Form, in der die Wissenskonzeption auftritt: Die Unterscheidung zwischen dem, was das Bewusstsein auffasst, und dem, was der Gegenstand unabhängig von dieser Auffassung ist, wird dabei in die Konzeption des Gegenstands selbst eingetragen. An ihm werden dementsprechend Momente, die den Gegenstand für sich ausmachen, von solchen Momenten unterschieden, die konstitutiv darauf bezogen sind, dass der Gegenstand wahrgenommen wird: »Das Ding ist hienach für sich, und auch für ein Anderes, ein gedoppeltes verschiedenes Sein […].« (105/102)
Aber auch diese interne Aufteilung des Gegenstands (die an Lockes Unterscheidung von primären und sekundären Qualitäten erinnert30) lässt sich nicht stabilisieren. Die Unterscheidung selbst besagt, dass der Gegenstand insgesamt nur von dem her verstanden werden kann, wie er für andere ist. Wenn man im Gegenstand das, was er für sich ist, und das, was er für andere (wahrnehmende Subjekte) ist, voneinander unterscheidet, dann wird der Gegenstand in seiner Konzeption auf das hin angelegt, wie er zu anderem in Beziehung steht. In Hegels Worten:
Durch den absoluten Charakter gerade und seine Entgegensetzung verhält es sich zu andern, und ist wesentlich nur dies Verhalten; das Verhältnis aber ist die Negation seiner Selbstständigkeit, und das Ding geht vielmehr durch seine wesentliche Eigenschaft zugrunde. (107/103)
Die Wissenskonzeption der Wahrnehmung erweist sich damit als eine solche, die ihren wesentlichen Anspruch, den Gegenstand in seiner Sichselbstgleichheit zu fassen, nicht einlöst.
Hegels Diagnose dafür nimmt sich erst einmal überraschend aus. Das Problem der Wahrnehmung sei, dass sie ein unzureichendes Verständnis von Allgemeinheit entwickle. Sie konzipiere Allgemeinheit als »sinnliche Allgemeinheit« (108/105). Die Idee einer in dieser Weise eingeschränkten Allgemeinheit ist, so kann man Hegel verstehen, in sich widersprüchlich. Sinnliche Allgemeinheiten sind Allgemeinheiten, die auf die Welt der Erscheinungen beschränkt sind (aus diesem Grund nennt Hegel sie »sinnlich«), nicht Allgemeinheiten, die Gegenstände als solche einbeziehen. Charakteristisch für die Wissenskonzeption der Wahrnehmung ist so, dass sie Gegenstände als solche versteht, die nicht aus sich selbst heraus in allgemeine Strukturen eingebettet sind. Die Einbettung in allgemeine Strukturen wird durch die Beziehung geleistet, in der die Gegenstände zu wahrnehmenden Subjekten stehen. Dieser Gedanke hängt in der Wissenskonzeption der Wahrnehmung damit zusammen, dass Gegenstände als solche aufgefasst werden, die aus sich heraus das sind, was sie sind. Zwar wird das Bewusstsein von dieser Konzeption als aktiv begriffen, die Aktivität erstreckt sich jedoch nicht auf die Gegenstände als solche.
Hegels Diagnose lässt sich auch noch einmal anders fassen: Die Wahrnehmung versteht Eigenschaften als solche, die im Zusammenhang vieler anderer Eigenschaften bestimmt sind. Wir können dies als ein holistisches Verständnis von Eigenschaften verstehen (als Teilaspekt des bereits angesprochenen holistischen Verständnisses von Begriffen):31 Eine Eigenschaft wie Röte ist nur im Kontext anderer Eigenschaften wie Bläue und Grünheit konstituiert. Hegel spricht in diesem Sinn von der Gesamtheit der Eigenschaften als dem »allgemeine[n] gemeinschaftliche[n] Medium« (101/98). Die Wissenskonzeption der Wahrnehmung will die Sichselbstgleichheit der Gegenstände in diesem allgemeinen Medium erfassen. Dies aber misslingt, so Hegel, da die Allgemeinheit des Mediums nicht im Sinne einer umfassend produktiven Auseinandersetzung mit Gegenständen verstanden wird. Die These lautet entsprechend, dass die Wahrnehmung gewissermaßen vor den Gegenständen haltmacht. Wer Allgemeinheit als sinnliche Allgemeinheit konzipiert, geht davon aus, dass Gegenstände unabhängig von den Strukturen der Allgemeinheit Bestand haben. Hegel macht also hier bereits implizit deutlich, dass Allgemeinheit nicht nach dem Paradigma der Allgemeinheit sinnlicher Eigenschaften gedacht werden darf.
III. Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche Welt
Die dritte Gestalt, die Hegel im Bewusstseinskapitel kommentiert, hebt die Widersprüche auf, die sich in der als Wahrnehmung bezeichneten Wissenskonzeption ergeben haben. Aufgehoben wird in erster Linie der Widerspruch zwischen der Einheit des Gegenstands (der substantiellen Auffassung) und der Vielheit der Eigenschaften (der phänomenalen Auffassung). Dies geschieht dadurch, dass die Einheit des Gegenstands mit den Eigenschaften, mit denen er erscheint, versöhnt wird. Damit kommt eine neue Wissenskonzeption ins Spiel, die Hegel als Verstand bezeichnet. Der Verstand sucht Wissen dadurch zu erlangen, dass Gegenstände als Quelle von Kräften begriffen werden, die sich in Erscheinungen zeigen. Charakteristisch für die Wissenskonzeption des Verstandes ist also, dass sie sich nicht an die Erscheinungen und Gegenstände hält, sondern eine theoretische Größe einführt, die die Einheit des Gegenstands ausmacht und die sich in seinen Erscheinungen äußert.
Aus diesem Grund charakterisiert Hegel die Wissenskonzeption mit dem Begriff der »übersinnlichen Welt«. Es handelt sich dabei um den Versuch, die Grundlage des Wissens weder im direkten Kontakt mit den Gegenständen noch in den Wahrnehmungen von Eigenschaften, sondern in hinter den Gegenständen wirksamen Kräften zu suchen, also dadurch, dass man über die sinnliche Welt hinausgeht. Der Übergang zu einer »übersinnlichen Welt« macht dabei deutlich, dass es Hegel im Bewusstseinskapitel nicht im engeren Sinn um empiristische Positionen geht. Er diskutiert nicht Konzeptionen, die Wissen in einem sinnlichen Gegenstandsbezug fundieren, sondern interessiert sich für die Fundierung von Wissen in einem Gegenstandsbezug überhaupt. Der Verstand bezieht sich auf übersinnliche Gegenstände – auf Kräfte und Gesetze – und beansprucht durch diesen Bezug Wissen zu begründen.
In seinen Darlegungen zu dieser Wissenskonzeption geht es Hegel in erster Linie um zweierlei: Zum einen legt er – negativ – dar, dass der Gedanke einer übersinnlichen Welt auch nicht zu einer plausiblen Konzeption von Allgemeinheit führt. Zum anderen klärt er, dass die Widersprüche der Wissenskonzeption zu einer Aufhebung in einer grundlegend anderen Art und Weise führen, Allgemeinheit zu fassen, nämlich im Selbstbewusstsein.
Der Abschnitt lässt sich in drei Teile teilen:
Im ersten Teil (112–125/107–120) wird mit dem Begriff der Kraft ein erster theoretischer Gegenstand kommentiert, der die Erscheinungen erklären soll.
Der zweite Teil (125–136/120–130) präsentiert dann aufgrund der Widersprüche, zu denen der Begriff der Kraft führt, den Begriff des Gesetzes und wiederum zugleich die mit diesem verbundenen Widersprüche, die Hegel mit der Rede von der »verkehrten Welt« ausweist.
Der abschließende dritte Teil (136–142/130–136) liefert eine Zusammenfassung und – dies ist besonders wichtig – den Übergang zum Selbstbewusstseinskapitel.
Der Abschnitt »Kraft und Verstand« ist einer der Abschnitte von Hegels Buch, die besonders dicht und unverständlich sind. Es ist aus diesem Grund sinnvoll, erst einmal danach zu fragen, wie wir den Grundansatz der Wissenskonzeption, die in diesem Abschnitt diskutiert wird, verstehen können. Dabei können wir uns an der Gegenstandsauffassung orientieren, die mit der Wissenskonzeption verbunden ist. Die Konzeption bezieht sich auf theoretische Gegenstände, zuerst auf Kräfte und dann auf (naturwissenschaftliche) Gesetze. Der Anspruch besteht darin, Wissen von diesen theoretischen Gegenständen dadurch zu erlangen, dass sie durch wahrnehmbare Erscheinungen erschlossen werden. Wissen soll auf diese Weise durch Erklärungen dessen, was sich in Erscheinungen zeigt, gewonnen werden. Dabei greifen diese Erklärungen auf theoretische Gegenstände zurück.
Hegel legt nun dar, dass hierbei wiederum ein grundlegender Widerspruch auftritt: der Widerspruch zwischen dem Beständigen und dem Unbeständigen. Der Anspruch der Wissenskonzeption besagt, dass theoretische Gegenstände das zum Ausdruck bringen, was beständig ist und das Wesen der Dinge ausmacht. Demgegenüber werden die Erscheinungen als unbeständig und unwesentlich verstanden.
Genau diesem Anspruch aber wird die Wissenskonzeption nicht gerecht, da sie nolens volens die theoretischen Gegenstände als genauso unbeständig wie die Erscheinungen begreift. Dieses Scheitern des Verstandes an seinem eigenen Anspruch liegt für Hegel darin begründet, dass er das Beständige weiterhin gegenständlich zu bestimmen sucht. Hegel drückt es so aus: »Dies unbedingte Allgemeine, das nunmehr der wahre Gegenstand des Bewusstseins ist, ist noch als Gegenstand desselben; es hat seinen Begriff als Begriff noch nicht erfasst.« (112/107 f.) Diese Diagnose besagt: Der Verstand denkt die Beständigkeit theoretischer Größen noch unhinterfragt als etwas, auf das man sich gegenständlich zu beziehen hat, fragt also nicht danach, worin Beständigkeit überhaupt besteht. So kann er auch keinen Sinn daraus ziehen, dass das Beständige sich nicht stabilisieren lässt, dass es sich als unbeständig erweist. Dies wird erst durch die grundlegende Umorientierung in der Explikation von Wissen möglich, die Hegel ab dem Selbstbewusstseinskapitel nachvollzieht.
Das Scheitern des Verstandes an seinen eigenen Ansprüchen lässt sich erst einmal am Begriff der Kraft nachvollziehen, mittels dessen Hegel sich auf naturwissenschaftliche Theorien seiner Zeit bezieht. Wer Erscheinungen durch in den Dingen wirksame Kräfte erklärt, der geht davon aus, dass Kräfte sich in Erscheinungen ausdrücken. Der Ausdruck aber ist nicht selbst die Kraft, sondern von der Kraft verschieden. Aus diesem Grund muss er als das Wirken einer anderen Kraft erklärt werden. Hegel spricht hier von »sollizitieren« – von einem »Anreizen«: Um sich zu äußern, muss eine Kraft von einer anderen angereizt werden. Erstere ist die »sollizitierte« und letztere die »sollizitierende« Kraft (vgl. 117/112 f.). So hat eine Kraft (als Erklärung dessen, was sich ausdrückt) nur im Rahmen von mehreren Kräften Bestand.
Damit ist grundsätzlich schon absehbar, dass es mit dem Begriff der Kraft nicht gelingt, einen theoretischen Gegenstand zu fassen, der für sich Bestand hätte. Kräfte gibt es nur im Rahmen eines »Spiels der Kräfte« (121/116), innerhalb dessen keine der Kräfte aus sich heraus besteht. Keine Kraft hat aus sich heraus Realität, sondern – wenn überhaupt – hat das Realität, was die Kräfte untereinander verbindet. Aus diesem Grund sagt Hegel: »Die Realisierung der Kraft ist also zugleich Verlust der Realität […].« (120/115) Für den Wissensanspruch des Verstandes bedeutet dies: Der Verstand sieht sich gezwungen, von dem Gedanken Abstand zu nehmen, dass man von spezifischen Erscheinungen auf spezifische theoretische Gegenstände schließen kann. Die angenommenen theoretischen Gegenstände lassen sich nur dadurch fassen, dass sie unter anderen entsprechenden Gegenständen verortet werden. Es gibt also nicht einzelne Kräfte, sondern Kraft überhaupt, und zwar in unterschiedlichen Erscheinungsformen.
Man kann hier davon sprechen, dass Kräfte holistisch konstituiert sind: Eine Kraft gibt es nur dann, wenn es zugleich viele andere Kräfte gibt. Für die Erkenntnis von Kräften, auf die der Verstand aus ist, bedeutet dies, dass ich eine Kraft nur dadurch zu begreifen vermag, dass ich zugleich viele andere Kräfte begreife. Kräfte bestehen, diesem holistischen Charakter entsprechend, immer in einem Zusammenhang von Kräften. Sie haben also nicht nur für sich keine Realität, sondern genau genommen überhaupt keine Realität, wie Hegel im Weiteren darlegt:
Es ist also weder die Kraft noch das Sollizitieren und Sollizitiert-werden, noch die Bestimmtheit, bestehendes Medium und in sich reflektierte Einheit zu sein, weder einzeln für sich etwas, noch sind es verschiedene Gegensätze; sondern was in diesem absoluten Wechsel ist, ist nur der Unterschied als allgemeiner oder als ein solcher, in welchen sich die vielen Gegensätze reduziert haben. Dieser Unterschied als allgemeiner ist daher das Einfache an dem Spiele der Kraft selbst, und das Wahre desselben; er ist das Gesetz der Kraft. (125/120)
Der Verstand kommt damit zu einem neuen Verständnis der theoretischen Gegenstände, auf die er sich bezieht: Es handelt sich um Gesetze. Diese sollen das eigentlich Beständige hinter den Erscheinungen ausmachen: »Die übersinnliche Welt ist hiemit ein ruhiges Reich von Gesetzen […].« (125 f./120)
Aber auch diese neuen theoretischen Gegenstände erweisen sich als instabil. Hegel erläutert das mit dem Begriff der »verkehrte[n] Welt« (133/128). Wiederum geht es ihm um die Frage, ob die theoretischen Gegenstände aus sich heraus Bestand haben. Seine Antwort ist – plausiblerweise – ein Nein. Ein Gesetz gibt es nur durch die einzelnen Fälle, die unter dem Gesetz stehen. Für das Gesetz gilt entsprechend, was schon für die Kräfte galt: Es hat nur in seinen Erscheinungen Bestand. Nun aber sollen die Erscheinungen zugleich von dem Gesetz unterschieden werden, denn sie sind unbeständig und wechselnd, das Gesetz hingegen ist beständig und unterliegt keinem Wandel. Der Verstand ist von daher dazu verleitet, die Erscheinungen als eine Form des Seins und die Gesetze als eine andere Form des Seins zu begreifen. Mit dieser Verdopplung dessen, was ist, kommt es nun auch zu einer Verdopplung dessen, was sich zeigt. Die Erscheinungen zeigen sich in ihrem Sein genauso, wie die Gesetze sich in ihrem Sein zeigen. Dabei zeigen sich die Gesetze, die ja von den Erscheinungen her erschlossen worden sind, jetzt in ihrer Eigenart durch ein anderes Erscheinen. Da aber jegliches Erscheinen nur von den Erscheinungen her bekannt ist, lässt sich ein anderes Erscheinen in seiner Andersheit nur dadurch fassen, dass man die Erscheinungswelt verkehrt.
Eine solchermaßen verkehrte Welt aber ist für Hegel nur ein Symptom dafür, dass der Zusammenhang von Gesetz und Erscheinung nicht angemessen begriffen wird. Es handelt sich nicht um einen Unterschied zwischen verschiedenen Formen des Seins, sondern nur um einen Unterschied zwischen zwei verschiedenen Auffassungsweisen.32 Erscheinungen und Gesetze sind also ein und dasselbe. Genau dies begreift der Verstand nicht, da er Wissen durch einen Bezug auf etwas Gegenständliches, das Bestand hat, erlangen will. Der Verstand zeigt auch hier noch einmal den grundlegenden Widerspruch zwischen dem Beständigen und dem Unbeständigen. In dem Versuch, das Beständige festzuhalten, gelingt es ihm nicht, dessen Zusammenhang mit dem Unbeständigen zu denken. Aus diesem Grund setzt sich dieser Zusammenhang immer wieder gegen die Ansprüche der Wissenskonzeption durch.
Diese Diagnose Hegels gibt uns eine erste Idee davon, wie Hegel den Übergang zum Selbstbewusstseinskapitel denkt: Er wendet sich nun einer Wissenskonzeption zu, deren Anspruch es ist, der Bewegung zwischen dem Beständigen und dem Unbeständigen gerecht zu werden. Hegel charakterisiert diese Bewegung sehr abstrakt, indem er von »Unendlichkeit« (vgl. 136 f./131 f.) spricht. Diese Unendlichkeit ist aber kein Gegenstand, auf den ein Bewusstsein sich (theoretisch) bezieht. Es handelt sich um das Sein des Bewusstseins selbst, das aus einer steten Veränderung aus Bezugnahmen auf Gegenstände heraus besteht. Selbstbewusstsein ist so Hegels allgemeiner Titel dafür, dass das Bewusstsein sich in seinen eigenen Bewegungen begreift. Dieser Begriff aber ist nicht dadurch zu realisieren, dass das Bewusstsein sich zum Gegenstand macht. Zu realisieren ist er nur durch Praktiken, mittels deren das Bewusstsein seine Einheit herstellt. Sehr verkürzt gesagt: Der Übergang vom Bewusstseinskapitel zum Selbstbewusstseinskapitel ist ein Übergang von Wissenskonzeptionen, die Wissen theoretisch, zu Wissenskonzeptionen, die Wissen praktisch zu begründen suchen.
Robert Stern hat klärend dargelegt, dass die Interpretation des Übergangs vom Bewusstseinskapitel zum Selbstbewusstseinskapitel in dieser Weise von der Frage gelöst werden kann, ob Hegel es mit Kant hält oder nicht.33 Kant hat die These vertreten, dass Zusammenhänge im Wissen nur unter der Voraussetzung einer Einheit des Selbstbewusstseins (der sogenannten »transzendentalen Apperzeption«) möglich sind.34 Es sieht nun erst einmal so aus, als schließe sich Hegel hier dieser Kantischen These an, wenn er zu argumentieren scheint, dass Wissen seine Einheit nur im Selbstbewusstsein gewinnt.35 Die hier skizzierte Interpretation macht aber verständlich, dass der Übergang anders gedeutet werden muss: Es handelt sich um einen Übergang, mit dem wir zu einem ersten Verständnis davon gelangen, dass Wissensansprüche immer in praktischen Kontexten zustande kommen.
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