Kitabı oku: «Die Entdeckung Alaskas mit Kapitän Bering», sayfa 2
Karte des französischen Astronomen und Geographen Delisle, die Bering auf seiner Reise 1741 vermutlich dabeihatte
Wie bereits auf der »Ersten Kamtschatka-Expedition« mussten auch auf der »Großen Nordischen Expedition« gewaltige Entfernungen bewältigt und große logistische Probleme gemeistert werden. Während der ersten Reise war der Transport des zum Bau des Expeditionsschiffs »St. Gabriel« notwendigen Materials das Hauptproblem gewesen: »Schiffsanker, Takelage und Ketten waren anderthalbtausend Meilen durch Sibirien geschleppt worden, und das Tauwerk, das jeder Unbill der Witterung ausgesetzt gewesen war, war stark mitgenommen … Vitus Bering musste einer Spur folgen, die durch keine gebahnten Wege gekennzeichnet war, sondern über reißende Flüsse und unwegsame Schluchten, über wegsperrende Felsen und steinige Hochflächen führte. Bering und seine Männer sollten sich einen Weg bahnen, indem sie je nach den Umständen zu Fuß marschierten, ritten, im Hundeschlitten fuhren, auf behelfsmäßigen Flößen über tosende Flussläufe setzten oder in selbstgebauten Booten stromaufwärts segelten. In den langen, dunklen Wintermonaten mussten sie sich nachts in mannshohe Schneewehen eingraben oder, wenn es sich um längeren Aufenthalt handelte, Bäume fällen und Hütten bauen« (Petersen).
Bildnis Fedor M. Apraksins, Präsident des Admiralitätskollegiums
Während der zweiten Expedition wuchsen wegen der Größe der Teilnehmerschaft die Logistik- und Transportprobleme noch an: »Tief in den Sümpfen, Steppen und wilden Schluchten Sibiriens konnte das Menschen-material, das verlorenging, nicht ersetzt werden. Hier, weit entfernt von der Zivilisation, war alles unbezahlbar – die festgestampften Mehlvorräte in den Ledersäcken, das Baumaterial für die Schiffe … Es waren gefahrvolle Wege, die Vitus Berings Heer beschritt, wenn man auch nicht gerade viel von Wilden oder Wölfen zu befürchten hatte. Aber auf gewissen Strecken – z. B. von Jakutsk nach Ochotsk – konnte die Temperatur zur Winterzeit bis auf minus fünfzig Grad sinken. Und in dem beißenden Frost musste man oft nachts unter freiem Himmel kampieren … Von besonderen Delikatessen war keine Rede: Getrocknete Erbsen und Salzfleisch bildeten neben Mehl die einzigen Gerichte, die der Speisezettel aufwies – Tag für Tag« (Petersen).
Der Reisehistoriker Hanno Beck hat denn auch die Bewältigung all dieser Probleme durch Bering entsprechend gewürdigt: »Keine Expedition war bis dahin von einem vergleichbaren Transportproblem bedroht worden wie die beiden Unternehmungen Berings; selbst die Schwierigkeiten späterer Polarreisen lassen sich – wenn überhaupt – nur annähernd mit diesen vergleichen … Reisegeschichtlich ist diese ›Große Nordische Expedition‹ bis dahin das größte explorative Unternehmen der Geschichte gewesen.«
Faksimile der Paragraphen 3 und 4 der Order Zar Peters des Großen vom 23. Dezember 1724 für Berings erste Expedition
Doch hatte Bering auch noch andere Probleme zu meistern. Immer wieder musste er sich auf seiner Reise mit unfähigen, unwilligen und korrupten russischen Beamten auseinandersetzen, die ihm und seinen Reisegefährten das Leben schwer machten oder gar Intrigen gegen ihn einfädelten. Doch auch in seinen eigenen Reihen musste sich Bering gegen missgünstige und illoyale Untergebene und Mitarbeiter wappnen. Der wissenschaftliche Begleiterstab, dem gegenüber er keine Befehlsgewalt hatte, wirkte, namentlich durch den Professor der Sternenkunde, Delisle de la Croyère, einen Bruder des Kartographen Joseph Nicolas Delisle, oftmals als eine die Handlungsfähigkeit Berings lähmende Kontrollinstanz.
Hauptziele der »Großen Nordischen Expedition« waren »die Vermessung und Kartierung der russischen Nordmeerküste von Archangelsk bis Ostsibirien, die wissenschaftliche Erforschung und die Kartierung des nordpazifischen Raumes zwischen Kamtschatka, Nordamerika und Japan und die Erkundung von Handelsmöglichkeiten mit Amerika und Japan. Gleichzeitig betrieben Mitglieder der Akademie der Wissenschaften in Sibirien, Transbaikalien und auf Kamtschatka naturwissenschaftliche, ethnographische und historische Studien« (Scheidegger).
Bering und Tschirikow hatten den Auftrag, in Ochotsk oder auf Kamtschatka Schiffe zu bauen und dann auf zwei Schiffen an die Küste Amerikas zu segeln, um festzustellen, »was für Völker dort wohnen, wie diese Gegenden genannt werden und ob es wirklich die amerikanische Küste sei«. Spangberg erhielt die Anweisung, mit drei Schiffen die Kurileninseln zu erforschen, nach Japan zu fahren und dort freundschaftliche Beziehungen mit den Japanern anzuknüpfen. Verschiedene Teilexpeditionen sollten darüber hinaus in mehreren Abschnitten eine genaue Untersuchung der sibirischen Eismeerküste vornehmen. Die wichtigsten wissenschaftlichen Teilnehmer der »Großen Nordischen Expedition« waren die Deutschen Gerhard Friedrich Müller, Johann Georg Gmelin und Georg Wilhelm Steller, der Franzose Delisle de la Croyère und der Russe Krascheninnikow. »Reisegeschichtlich« – so lässt sich mit Hanno Beck festhalten – »haben die einzelnen Abteilungen, die aber doch einer einzigen Expedition angehörten, erstmals Teamwork verwirklicht.«
Ausschnitt der Karte der »Ersten Kamtschatka-Expedition«
Als wichtigste Ergebnisse hatte die Expedition zu verzeichnen: die Entdeckung Nordwestamerikas (Alaskas) durch Bering und Tschirikow, die Erforschung der Kurilen und die Herstellung der Verbindung zu Japan durch Spangberg, die genaue Beschreibung der Nordküste Sibiriens und die historische, ethnographische und naturwissenschaftliche Erforschung Kamtschatkas durch Krascheninnikow und Steller sowie anderer Regionen Sibiriens durch Müller und Gmelin.
Bering konnte sein Lebenswerk nicht mehr vollenden. Er starb im Jahre 1741 während der Rückreise von Amerika auf der später so genannten »Beringinsel«. Sein Schicksal entbehrt nicht einer gewissen Tragik: »Er hatte seine Energie verbraucht, indem er das alles voraussetzende Transportproblem zwar in jahrelanger Arbeit gelöst und die Schiffe am fernsten Gestade des Russischen Reichs gebaut hatte … Bering hatte etwas Großes geleistet, noch ehe die eigentliche Aufgabe für ihn begann, der er kaum noch gewachsen war« (Beck).
Immer wieder – zu seinen Lebzeiten wie nach seinem Tod – wurden Berings Leistungen in Zweifel gezogen oder schlicht vergessen; auch warf man ihm Führungsschwäche oder gar Unfähigkeit vor. Selbst Steller hebt diesen Schwachpunkt der Persönlichkeit Berings bei aller sonstigen Würdigung hervor: »Die einzige Schuld, die man dem wackeren Manne beimessen kann, ist, dass er durch eine allzu gelinde Kommandoführung ebenso viel geschadet hat wie seine Untergebenen durch allzu feuriges und oft unbesonnenes Verhalten.« Doch Petersen, ein dänischer Biograph Berings, wendet diesen Vorwurf gegen jene, die ihn vorbringen: »Seine Gegner haben ihm Weichheit vorgeworfen … Aber der Vorwurf der Weichheit gegen Bering ist nur ein Beweis der oberflächlichen Urteilskraft bei denen, die diesen Vorwurf erheben. Sein Wesen war … von einer organischen Geschmeidigkeit und einer geduldigen Unermüdlichkeit geprägt, die es ihm ermöglichten, den stärksten Widerstand zu überwinden.«
Ausschnitt der Karte der »Ersten Kamtschatka-Expedition«
Doch Kurt Lütgen zufolge war Bering »nun einmal nicht dazu geschaffen, sich durch Erfolg oder zwingende Persönlichkeit dem Gedächtnis von Völkern einzuprägen wie etwa Columbus, Cook oder Alexander von Humboldt. Da menschliche Größe sich unter anderem aber auch darin ausdrückt, wie tief und lange jemand auszuharren und zu leiden vermag um einer Sache oder eines Zieles willen … darf man Vitus Bering getrost zu den Großen der Menschheit zählen.«
In Russland wurde lange Zeit bestritten, dass Bering die amerikanische Küste überhaupt erreicht habe; die Entdeckung Alaskas sei vielmehr dem russischen Kapitän Tschirikow zu verdanken. Erst im 19. Jahrhundert wurde Bering durch den russischen Naturforscher Baer rehabilitiert, der in einem jahrelangen Kampf zwischen 1848 und 1872 in einer Serie von Streitschriften die historischen Leistungen Berings zu würdigen suchte. Baer schrieb, dass »kein geographisches Unternehmen, nicht einmal die Kartenaufnahme Chinas durch die Jesuiten, die Wanderungen MacKenzies oder die Franklin-Expeditionen, in Größe und Opferwillen sich mit dem gigantischen Werk vergleichen ließe, das auf die Schultern Berings gelegt wurde und das er zum Siege führte«.
In Dänemark gilt Bering als »der Dänische Columbus« (so eine dänische Publikation): »Die Tragödie Vitus Berings steht ebenso wie diejenige des Columbus als eine düstere Anklage in der Geschichte. Keiner der beiden Pioniere wurde nach Verdienst belohnt, während sie am Leben waren, und nicht einmal in der nächstfolgenden Zeitperiode. Der Bahnbrecher Columbus starb in Valladolid als ein alter, vergessener Mann, dem es nicht einmal vergönnt war, der Neuen Welt den Namen zu geben. Berings Name und Seefahrerruf war im ersten Jahrhundert nach seinem Tode eine leichte Beute für die Windhunde einer oberflächlichen Kritik. Aber während Columbus, der strahlende Atlantikgaukler, wenigstens den Triumph und die Ovationen nach seiner ersten Reise erlebte, war das Resultat für den einsamen Eismeerfahrer Vitus Bering lediglich eine laue und bedingte Anerkennung von einigen wenigen – Spott und Ablehnung von vielen« (Petersen).
Seine Heimatstadt Horsens setzte Bering in ihrem »Vitus-Bering-Park« ein bleibendes Denkmal; zwei Kanonen von dem gestrandeten Schiff Berings, die später auf der Beringinsel gefunden wurden, steuerte die Sowjetunion 1957 zu diesem Denkmal bei. Das Horsens-Museum widmet dem berühmten Sohn der Stadt eine Dauerausstellung, in der auch Befunde und Exponate der neueren archäologischen Untersuchungen auf der Bering-Insel sowie eine Rekonstruktion der Büste Berings präsentiert werden. Auch in der UdSSR stehen heute allerorten Denkmäler, die an Bering als einen großen russischen Entdecker und Seefahrer erinnern.
Wissenschaftlich wurden die Leistungen Berings von anderen großen Entdeckern und Seefahrern gewürdigt. So schrieb James Cook, als er auf seiner letzten Weltreise (1776–1779) Alaska, das Beringmeer und Kamtschatka aufsuchte: »Berings Andenken recht zu ehren, muss ich sagen, dass er diese Küste gar wohl beschrieben und gezeichnet und ihre Längen und Breiten besser dargelegt hat, denn man bei den Methoden, welche ihm zur Verfügung gestanden, erwarten durfte« (nach: James Cook, Entdeckungsfahrten im Pazifik. Die Logbücher der Reisen 1768–1779, hrsg. v. A. Grenfell Price. Edition Erdmann in der marixverlag GmbH, Wiesbaden 2011).
Auch der spätere Bezwinger der Nordostpassage, der schwedische Forscher Adolf Erik Nordenskiöld, der mit seinem Schiff »Vega« von 1878 bis 1880 den nordsibirischen Seeweg entlangfuhr, bestätigte vollauf und anerkennend die Ergebnisse Berings. Doch kam es zu einer umfassenden internationalen Rehabilitierung Berings erst im 20. Jahrhundert, als der amerikanische Wissenschaftler Golder nach umfangreichen Quellenstudien das Werk des Sibirienforschers und Amerikafahrers vor der Weltöffentlichkeit ausbreitete und dessen Bedeutung mit den knappen Worten zusammenfasste: »Es wurde einhundertfünfzig Jahre vor Nordenskiöld bewiesen, dass die Nordostpassage ohne praktische Bedeutung war, dass Nowaja Semlja eine Insel ist, dass sich die asiatische Küste viel weiter nach Osten erstreckte, als früher angenommen wurde, und dass Japan eine Insel ist. Hierzu kommt schließlich das Hauptergebnis – die Entdeckung Alaskas.«
Georg Wilhelm Steller und die Reise nach Amerika
Georg Wilhelm Steller (der deutsche Name lautete eigentlich »Stöller« bzw. »Stöhler«, wurde jedoch infolge der schwierigen Transkription in Russland abgewandelt) wurde am 10. März 1709 in der kleinen freien Reichsstadt Windsheim in Franken geboren. Sein Vater, Johann Jakob Stöller, der aus Nürnberg stammte, war seit 1702 in Windsheim ansässig und wirkte dort als Kantor des Gymnasiums und Organist der Stadtkirche. Nach dem Besuch des traditionsreichen Windsheimer Gymnasiums nahm Georg Wilhelm Steller mit einem Stipendium seiner Vaterstadt das Studium der Theologie in Wittenberg auf, studierte dann auch in Leipzig, Jena und schließlich in Halle, dem damaligen Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde. Hier widmete sich Steller intensiv dem Studium der Medizin und Naturwissenschaften (der Arznei- und Kräuterwissenschaft); sein Examen als Arzt legte er 1734 in Berlin ab.
Da sich ihm in Preußen jedoch keine Aussicht auf eine akademische Laufbahn oder eine andere angemessene Anstellung eröffnete, beschloss er, sein Glück in Russland zu versuchen. Er schloss sich dem russischen Heer an, das damals (1734) im polnischen Erbfolgekrieg zur Unterstützung des Thronkandidaten August II. von Sachsen vor Danzig lag, und begleitete, um kostenlos nach Petersburg zu gelangen, als Arzt einen Verwundetentransport. Hier trat er als Hausarzt in die Dienste des Erzbischofs von Nowgorod, Feofan Prokopowitsch, der zu den Günstlingen Zar Peters des Großen gehörte und der ihn der Petersburger Akademie der Wissenschaften empfahl. Im Jahre 1737 wurde Steller zum Adjunkten der Naturwissenschaften an der Akademie ernannt und als Mitglied des wissenschaftlichen Stabes der »Großen Nordischen Expedition« auf die Reise geschickt.
Für ein Jahresgehalt von sechshundert Rubel sollte er als Gehilfe von Professor Gmelin tätig sein und sich insbesondere der Erforschung Kamtschatkas widmen. Vor seiner Abreise von Petersburg erlebte Steller noch eine herbe persönliche Enttäuschung. Er hatte die Witwe des verdienten deutschen Sibirienforschers Daniel Gottlieb Messerschmidt geheiratet, Helene Messerschmidt, geb. von Böckler, und gehofft, in ihr nicht nur eine Lebens-, sondern auch eine Reisegefährtin gefunden zu haben. Auch andere Mitglieder der Expedition, wie z. B. Bering oder Müller, wurden von ihren Ehefrauen auf den beschwerlichen Reisen durch Sibirien begleitet. Doch im letzten Augenblick entschied sich die junge, lebenslustige Frau, in Petersburg zu bleiben, wo sie in vollen Zügen das gesellschaftliche Leben genoss und sich später – nach Stellers Tod – wieder verheiratete. Doch unterließ sie es nicht, ihren abwesenden Gatten immer wieder mit Geldforderungen zu belästigen. Der junge Deutsche schrieb später, er habe seine Frau vergessen und sich mittlerweile »in die Natur verliebt«.
Ende 1737 verließ Steller Petersburg, erreichte jedoch erst im Herbst 1738 Tomsk und im Januar 1739 die Professoren Gmelin und Müller, die mit ihrem Stab in Jenisseisk überwinterten. Steller bot an, anstelle der beiden durch die schon mehrjährigen Ärgernisse und Strapazen der Expedition recht erschöpften älteren Kollegen nach Ochotsk und Kamtschatka zu reisen, um dort die bereits von dem vor Jahren vorausgeschickten russischen Studenten Krascheninnikow begonnenen Forschungsarbeiten auszuweiten. Im März 1739 reiste Steller ab und gelangte zunächst bis Irkutsk, wo er Sommer und Herbst verbrachte, Abstecher zum Baikalsee und den mongolischen Grenzgebirgen machte und zoologische sowie botanische Sammlungen anlegte. Begleitet wurde er neben anderen von dem Maler Johann Christian Berckhan (Zeichenmeister bei der kaiserlichen Kunstkammer), nach dessen Zeichnungen später die Stiche in den Werken Stellers angefertigt wurden. Im März 1740 wurde die Reise über Jakutsk nach Ochotsk fortgesetzt, von wo aus Steller per Schiff nach Kamtschatka fuhr und am 21. September des Jahres Bolscherjetsk erreichte. Dort traf er mit Krascheninnikow zusammen, der bereits seit 1737 auf Kamtschatka selbständige Forschungsarbeiten durchgeführt hatte. Zu dieser Zeit trug sich Steller mit der Absicht, den Kapitän Spangberg auf einer seiner Japanfahrten zu begleiten; im Jahre 1740 hatte er eine entsprechende Bittschrift an die Regierung gerichtet. Doch erreichte ihn im Februar 1741 ein Schreiben aus dem Peter-und-Paul-Hafen (heute: Petropawlowsk-Kamtschatskij), in dem ihn Bering ersuchte, die Fahrt nach Amerika mitzumachen. Da der Expeditionsarzt kürzlich zurückgetreten war, benötigte Bering dringend einen Arzt für die Reise; ebenso, um seine Instruktion erfüllen zu können, einen Wissenschaftler zur Untersuchung der Mineralien des zu entdeckenden Landes. Nach anfänglichem Zögern erklärte sich Steller erst dann zur Mitreise bereit, als Bering die Verantwortung für diese Entscheidung voll auf sich nahm.
Erzbischof Feofan Prokopowitsch
Bildnis von Gmelin
Die Nachwelt kann Bering für diese Entscheidung nur dankbar sein, denn mit Steller hatte er sich einen Chronisten der Reise verpflichtet, der den anschaulichsten und lebendigsten Bericht über die Amerikafahrt gab. Die Schiffsjournale und Berichte der Seeoffiziere enthalten demgegenüber meist nur trockene Daten und Fakten. In Stellers Bericht offenbart sich als beständiger Grundzug die latente Spannung zwischen dem Wissenschaftler und dem See-Kommando, die sich manchmal auch offen entlud. Wenn der junge Deutsche überhaupt einmal zur Beratung hinzugezogen wurde, dann schlug man in aller Regel seine Ratschläge in den Wind.
Steller hielt nichts davon, zunächst auf Südostkurs das sagenhafte »Gama-« und »Kompanieland« zu suchen; aufgrund von mündlichen Berichten vermutete er die kürzeste Verbindung nach Amerika gegenüber der Tschuktschenhalbinsel und schlug daher Nordostkurs vor. Als er während der Seereise treibende Pflanzen und Tiere beobachtete und daraus auf die Nähe von Land schloss, glaubte man ihm nicht; vergeblich empfahl er auch »antiskorbutische Kräuter« zur Heilung der gefährlichen (Vitamin-C-)Mangelkrankheit Skorbut und warnte vor der Aufnahme brackigen Trinkwassers. Insbesondere zu den beiden Offizieren Berings, dem schwedischen Leutnant Sven Waxell und dem russischen Schiffsmeister Kitrow, geriet Steller immer wieder in Gegensatz. Demgegenüber schien sich Bering oftmals der Meinung Stellers anzuschließen, vermochte sich jedoch – geschwächt durch Alter und Krankheit – offensichtlich im Schiffsrat nicht mehr durchzusetzen.
Am 29. Mai 1741 legten sich die beiden Schiffe »St. Peter« (mit dem Kapitän-Kommandeur Bering und mit Steller) und »St. Paul« (mit Kapitän Tschirikow und mit Delisle de la Croyère) auf die Reede des Peter-und-Paul-Hafens und liefen am 4. Juni aus der Awatscha-Bucht in die offene See aus. Bereits wenige Tage später verloren sich die Schiffe bei schlechter Sicht und fuhren nun – nachdem sie sich tagelang vergeblich gesucht hatten – getrennt nach Osten. Kapitän Tschirikow erreichte am 15./16. Juli die amerikanische Küste und lief am 9. Oktober 1741 wieder glücklich in den Peter-und-Paul-Hafen ein. Allerdings waren etliche seiner Begleiter dem Skorbut erlegen, darunter auch Delisle de la Croyère.
Nachdem Bering ohne Erfolg die »St. Paul« sowie das »Gama-« und »Kompanieland« gesucht hatte, segelte er ohne weitere Ablenkung gen Amerika. Wahrscheinlich als Erster sah Steller am 15. Juli 1741 Land, doch erst am nächsten Tag bot sich ihm und den anderen bei klarer Sicht die imposante Kordillere Alaskas dar: eine großartige Küstenlandschaft mit einem hohen schneebedeckten Berg (dem Mt. St. Elias). Am 20. Juli erreichten sie eine Insel, die sie »St.-Elias-Insel« nannten (die heutige Kayak-Insel). Während Steller hier an Land gehen und forschen wollte, war es Bering offenbar nur um die Aufnahme von Frischwasser zu tun. Es entbrannte nun ein heftiger Streit darüber, ob Steller an Land gehen dürfe oder nicht. Erst als der Letztere ein »besonderes Gebet betete«, also wohl eine Art Eid schwor, nach der Rückkehr Bering und seine Offiziere vor höherer Stelle zur Rechenschaft zu ziehen, erteilte der Kapitän-Kommandeur die Erlaubnis zum Landgang. Um den hitzigen Steller, der sich nicht der Bemerkung enthalten konnte, man sei wohl nur hierhergekommen, um »amerikanisches Wasser nach Asien zu bringen«, lächerlich zu machen, ließ Bering ihm mit Trompeten hinterherblasen. Nur wenige Stunden blieben dem eifrigen jungen Wissenschaftler, die Insel zu erkunden. Er entdeckte hier rund einhundertsechzig Pflanzenarten und sammelte etliche materielle Zeugnisse der Aleuten. Bei seiner Rückkehr an Bord behandelte man ihn jedoch wieder gütlich und bewirtete ihn zu seiner großen Überraschung mit einer Tasse heißer Schokolade. Dennoch bemerkte Steller mit Sarkasmus: »Die Zeit, welche hier zu Untersuchungen verwandt wurde, stand zu den Vorbereitungen im umgekehrten Verhältnis: Zehn Jahre währte die Vorbereitung, und zehn Stunden wurden der Sache selbst gewidmet. «
S. P. Krascheninnikow
Da man nicht in Amerika überwintern wollte, entschloss man sich angesichts des früh hereinbrechenden Herbstes zur Rückreise, während der zahlreiche Besatzungsmitglieder an Skorbut erkrankten. Am 29. August erreichten sie die Shumagin-Gruppe der Aleuten-Inseln, wo der erste Tote dieses Teils der Expedition, der Matrose Shumagin, beigesetzt wurde. Am 4. September hatten sie erstmals Kontakt mit »Amerikanern« (also mit Aleuten), die Steller ausführlich beschrieb. Im September und Oktober litt die Schiffsbesatzung unter dem schlechten Wetter, unter wilden Stürmen und Skorbut: »Die Not und das Sterben auf unserem Schiff«, so schrieb Steller, »nahm übrigens dergestalt überhand, dass nicht nur die Kranken dahinstarben, sondern auch Leute, die nach ihrer eigenen Meinung gesund waren, vor Mattigkeit auf dem Posten abgelöst tot niederfielen. Die geringe Wasserportion, der Mangel an Zwieback und Branntwein, die Kälte, Nässe, Blöße, das Ungeziefer, Furcht und Schrecken waren die hauptsächlichsten Ursachen dafür … Man glaube nicht, dass ich die Gefahren übertrieben hätte; auch die beredtste Feder würde zu schwach sein, unser Elend zu beschreiben.«
Der Hafen St. Peter und St. Paul
Nach einer Sturmfahrt durch die Aleuten strandete Berings Schiff schließlich am 5. November 1741 auf der später so genannten »Beringinsel«, wo der Kapitän-Kommandeur am 8. Dezember 1741 starb. Als Teil der Kommandeur-Inseln liegt die Beringinsel etwa zweihundert Kilometer von der Ostküste Kamtschatkas entfernt; doch glaubte die Mehrheit der Gestrandeten zunächst fest daran, an einem Teil Kamtschatkas gelandet zu sein (Bering und Steller hingegen waren eher skeptisch). Auf der Insel entspann sich nun ein harter Überlebenskampf gegen die Unbilden der Natur. Mit den brauchbaren Restbeständen des gestrandeten Schiffs richteten die Männer sich so gut ein, wie sie konnten, gruben sich Erdhöhlen und organisierten gemeinschaftlich das Jagd- und Arbeitsleben. Zahlreiche Seetiere (vor allem Seeotter und Seekühe) boten ihnen Nahrung. Spätere (russische und dänische) archäologische Untersuchungen (1910/11, 1979, 1991) des Winterlagers der Gestrandeten führten u. a. zur Auffindung von Grabstätten und Skelett-Teilen, darunter auch dem Grab Berings mit dessen Schädel.
Durch den Genuss von Kräutern, Beeren und frischem Fleisch gingen die Skorbuterkrankungen langsam zurück. Gegen die diebischen Steinfüchse, von denen die Insel nur so wimmelte, führten die Männer einen stetigen, grausamen »Krieg Mensch gegen Tier«. Steller und der Leutnant Waxell, der nach dem Tod Berings das Kommando übernommen hatte, waren die handfesten und moralischen Führer der verzweifelten Schar der Überlebenden. Besonders Steller erwies sich auf der Insel als Meister der improvisierten Überlebenstechnik; er organisierte die Arbeitsabläufe, versorgte die Kranken, wirkte als Seelsorger und führte darüber hinaus noch wissenschaftliche Untersuchungen durch. Als Naturforscher gewann Steller dem Leiden auf der Beringinsel auch eine positive Seite ab: »Während für die übrige Besatzung diese Expedition ins Beringmeer ein wahres Martyrium bedeutete, wurde sie für Steller zum größten Gewinn seines Lebens: ›… ich wollte die Erfahrung, so in der Natur auf dieser faulen Reise erlanget, nicht für ein großes Capital vertauschen‹ bekennt er in einem Schreiben an Gmelin als Summe seiner Erlebnisse« (Hünefeld). Im 19. Jahrhundert würdigte Adolf Erik Nordenskiöld, der berühmte Bezwinger der Nordostpassage (1878–1880), die naturwissenschaftliche Leistung Stellers auf der Bering-Insel, »welcher eine mit selten übertroffener Meisterschaft ausgeführte Schilderung der Naturverhältnisse und des Tierlebens auf dieser früher nie von Menschen besuchten Insel gegeben hat.« (A. E. Nordenskiöld: Nordostwärts. Die erste Umsegelung Asiens und Europas 1878–1880, hrsg. v. Hans-Joachim Aubert, Edition Erdmann in der marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012). Nur noch elementare Dinge waren jetzt wichtig: »Die wertvollen Seeotterfelle wurden uns schon bald zu einer Last, die ihren Preis bei uns verloren hatte; und weil wir keine Zeit hatten, sie zu trocknen und zuzubereiten, so wurden sie einfach hingeworfen, bis sie verdarben und von den Füchsen zerfressen wurden. Dagegen begannen wir, bisher gering geachtete und kaum in die Hände genommene Dinge wie Äxte, Messer, Pfrieme, Nadeln, Zwirn, Schuhdraht, Schuhe, Hemden, Strümpfe, Stangen, Stricke und dergleichen als wertvolle Güter sehr zu schätzen. Rang, Wissenschaft und andere Verdienste gewährten bald keinen Vorzug mehr und reichten zu unserem Lebensunterhalt nicht hin; so entschlossen wir uns, mit allen noch verbliebenen Kräften zu arbeiten.« Schließlich gelang es den Männern, aus den Resten des alten Schiffs ein neues, kleines Behelfsfahrzeug zu bauen, mit dem sie am 27. August 1742 glücklich den Peter-und-Paul-Hafen in Kamtschatka erreichten, wo man sie schon lange für tot gehalten hatte.
Die Geretteten, deren auf Kamtschatka zurückgebliebene Habe man schon verkauft hatte, waren nun froh darüber, doch etliche wertvolle Seeotterfelle von der Beringinsel mitgebracht zu haben. Aber jetzt richteten sich auch die begehrlichen Blicke anderer auf diese Felle und vor allem auf die Inseln, von denen sie stammten: »Seeotterpelze waren damals bei den Petersburger Schönen wie bei den Pekinger Mandarinen schon in gleicher Weise beliebt … Nicht nur aus Sibirien, auch aus Mittelrussland zog es die Kaufleute zum Ozean des Ostens. Menschen und Kapital strömten nach Kamtschatka. Wer in der Lage war, rüstete ein eigenes Schiff aus. Wer nicht reich genug dazu war, verband sich mit anderen zu einer Gesellschaft. Fünf Jahre nach Berings Tod waren fünfzehn solcher Gesellschaften tätig, abermals nach fünf Jahren – fünfundzwanzig. Später wuchs die Zahl bis auf vierzig an« (Semjonow). Herbert Wendt zufolge begann damit der größte Pelzrausch in der Geschichte der Menschheit – nur zu vergleichen mit dem Goldrausch, der hundertfünfzig Jahre später in Alaska losbrach. Private Beuteexpeditionen dezimierten im Gebiet der Aleuten und Alaskas nicht nur die Pelztiere, vor allem die Seeotter und Seebären, sondern auch die eingeborenen Bewohner des Beringmeers. Später wurden die anfänglichen kleinen, meist von mehreren Kaufleuten finanzierten Jagdexpeditionen zunehmend von denen großer, kapitalstarker Handelsgesellschaften verdrängt. Der Kaufmann Schelikoff bemühte sich erfolgreich um die Verleihung eines Monopols für die wirtschaftliche Ausbeutung und den Handel im Nordpazifik und in Nordamerika; seine Bemühungen führten später (1799) zur Gründung der »Russisch-Amerikanischen Handelskompanie«. 1783 reiste er nach Alaska und gründete dort im Jahr darauf auf der Insel Kodiak die erste russische Siedlung. Damit begann »nach der ersten Phase einer eher ›extensiven‹ Ausbeutung (die Pelztierjäger lebten jeweils nur eine beschränkte Zeit auf den Inseln und verließen sie wieder, nachdem sie ihre Beute gemacht – d. h. den Eingeborenen abgejagt – hatten) nun eine intensivere ›Bewirtschaftung‹ der neuen Kolonien. Die Anlage fester Stützpunkte ermöglichte eine verstärkte Kontrolle und z. T. die faktische Versklavung der aleutischen Inselbewohner, die als geschickte, den Russen weit überlegene Jäger den größten Teil der Pelzausbeute einbrachten« (Scheidegger).