Kitabı oku: «Die Entdeckung Alaskas mit Kapitän Bering», sayfa 3
Die Fahrten Berings und Tschirikows
Im Jahre 1867 verkaufte Russland Alaska und die Aleuten an die Vereinigten Staaten von Amerika. Nun jagten amerikanische Pelzgesellschaften in der Beringsee. Erst als die Ausrottung der Pelzrobben und Seeotter drohte, verhandelten die USA und Sowjetrussland im Jahre 1937 über eine Konvention zum Schutz dieser Tiere.
Doch nach diesem Ausblick in die jüngste Vergangenheit wieder zurück zu Steller und dessen weiterem Lebensweg nach seiner glücklichen Rückkehr von der Beringinsel. Von seinem Standquartier Bolscherjetsk aus führte er seine Forschungen zur Geschichte, Bevölkerung und Natur der Halbinsel Kamtschatka fort. Dabei scheint er offen Partei für die von den Russen unterdrückten Kamtschadalen oder Itelmenen ergriffen und sich hierdurch die Feindschaft russischer Verwaltungsbeamter zugezogen zu haben, was ihm später noch zu schaffen machen sollte. Nachdem Steller (zusammen mit dem Maler Berckhan) Kamtschatka insgesamt etwa drei Jahre lang durchforscht hatte, glaubte er, seinen ihm von der Akademie erteilten Auftrag im Rahmen der »Großen Nordischen Expedition« nun endlich erfüllt zu haben. Am 3. August 1744 verließ er Kamtschatka mit sechzehn Kisten wertvoller Sammlungen, um nach Petersburg zurückzukehren und der Akademie Bericht zu erstatten. Nachdem er in Jakutsk überwintert hatte, reiste er im Frühjahr 1745 weiter nach Irkutsk, wo er unter Anklage gestellt wurde. Wahrscheinlich hatten ihn seine Feinde verleumdet und beschuldigt, die Völker des äußersten Asiens rebellisch gemacht und Pulver unter sie verteilt zu haben. Doch aus Mangel an Beweisen wurde Steller freigesprochen, sodass er Weihnachten 1745 endlich die Weiterreise antreten konnte. Obwohl er von den Strapazen der jahrelangen Reisen schon gezeichnet und während des Reisens im kalten Winter ernstlich erkrankt war, setzte er seine Reise dennoch fort und gelangte halb tot nach Tjumen, wo er am 12. November 1746 starb.
Über die Abenteuer Stellers auf der Beringinsel, seine letzten Lebensjahre und insbesondere über die näheren Umstände seines Todes ist schon bald nach seinem Ableben viel Zweifelhaftes (u. a. über die angebliche Trunksucht Stellers) geschrieben und in Umlauf gebracht worden; doch trat solchen Berichten und Verzeichnungen schon bald eine anonyme Biographie Stellers entgegen (»Leben Herrn Georg Wilhelm Stellers, gewesnen Adiuncti der Kayserl. Academie der Wissenschaften zu St. Petersburg: worinnen die bißher bekannt gemachte Nachrichten von Desselben Reisen, Entdeckungen, und Tode, Theils wiederleget/theils ergänzet und verbeßert werden.« Franckfurt 1748).
Was ist Georg Wilhelm Steller für ein Mensch gewesen? Der Nachwelt sind kein Bild und kein Bericht über seine äußere Erscheinung überliefert. Umso deutlicher tritt aus seinen eigenen und aus fremden Niederschriften sein Wesen hervor: »… sein lebhaftes Temperament, sein Frohsinn, sein scharfer Spott, seine Ungeduld gegenüber Trägheit und Lauheit, seine Abneigung gegen alles Gezierte, Eitle, Unechte, seine Anspruchslosigkeit, sein Fleiß, sein Mut« (Wotte). Sein Vorgesetzter Gmelin schrieb in seiner »Reise durch Sibirien« über ihn: »Er war mit keinen Kleidern beschwert. Weil man die Haushaltung durch Sibirien mit sich führen muss, so hatte er sie so klein als immer möglich eingerichtet. Sein Trinkgefäß zum Bier war eines mit dem Trinkgefäß zum Met oder Branntwein. Wein verlangte er nicht. Er hatte nur eine Schüssel, daraus er speiste und in welcher er alle seine Speisen anrichtete. Zu diesen gebrauchte er keinen Koch. Er kochte alles selber, und dieses auch wieder mit so wenigen Umständen, daß Suppe, Gemüse und Fleisch in einem Topfe zugleich angesetzt und gekocht wurden. Er konnte den Qualm davon in der Stube, da er arbeitete, gar leicht ertragen. Er brauchte keine Perücke und keinen Puder, ein jeder Schuh und ein jeder Stiefel war ihm recht; er hatte bei all diesem keinen Verdruß über die elende Lebensart; er war immer guten Mutes, und je unordentlicher alles bei ihm zuging, desto fröhlicher war er … Dabei merkten wir, dass ungeachtet all der Unordnung, die er in seiner Lebensart von sich blicken ließ, er doch in Anstellung seiner Wahrnehmungen überaus pünktlich und in allen seinen Unternehmungen unermüdet war, sodass wir deswegen nicht die geringste Sorge tragen durften. Es war ihm nicht schwer, einen ganzen Tag zu hungern und zu dursten, wenn er etwas den Wissenschaften Ersprießliches ins Werk richten konnte.«
Trotz dieser allgemeinen Wertschätzung Stellers durch Gmelin gerieten die beiden Männer zeitweilig in Gegensatz zueinander. Gmelin und Müller führten auch auf ihren Reisen durch Sibirien im Unterschied zu Steller einen gepflegten Lebensstil; als »Professoren« hielten sie eine gewisse Distanz zu dem »Adjunkten«. Beide waren, wie Hanno Beck treffend bemerkt hat, »eher Gelehrte als Reisende«, während Steller beides zugleich war. Als Steller einmal Sammlungen direkt an die Akademie senden wollte, hielten Gmelin und Müller die Sendung an, kontrollierten sie und machten dem Adjunkten den Vorwurf, er habe sie übergehen wollen und damit sozusagen den »Dienstweg« missachtet. Doch zeugt der intensive Briefwechsel zwischen Gmelin und Steller von ihrem tiefen Vertrauensverhältnis. Hanno Beck zufolge besaß Steller »stets einflussreiche Freunde und Gönner und muss wie Georg Förster, mit dem ihn manches verbindet, und Alexander von Humboldt die Gabe besessen haben, Menschen für sich zu gewinnen …«; doch wies Golder auch darauf hin, dass es dem jungen Deutschen vielleicht hin und wieder an Takt und Nachsicht gegenüber Andersdenkenden mangelte.
Übereinstimmend heben jedoch alle Biographen Stellers hervor, dass mit ihm ein großer Wissenschaftler und Forschungsreisender allzu früh gestorben ist: »Denn mögen die Verfasser die Akzente verschieden gesetzt haben, sie alle betonen seinen leidenschaftlichen Forschungsdrang, seine unbestechliche Wahrheitsliebe und seinen wissenschaftlichen Heroismus. Das aber war das Größte an ihm und wird ihm immer einen endgültigen Platz in der Geschichte der Wissenschaften sichern« (Hünefeld).
Er war einer der besten Kenner der Geographie, Ethnographie und Geschichte Kamtschatkas, der einzige wissenschaftliche Chronist der Beringschen Amerikareise, auf der er die Flora und Fauna der besuchten Inseln beschrieb, darunter namentlich die später ausgerottete große nordische Seekuh (»Stellersche Seekuh«), und zum »Pionier der Naturgeschichte Alaskas« (Stejneger) wurde. Dem Reise-Historiker Dietmar Henze zufolge beginnt mit Steller »die Natur- und ethnographische Forschung im aleutisch-alaskischen Raum. Erst siebenunddreißig Jahre später folgen ihm hier James Cook und seine Begleiter. Wenn auch deren Berichte früher herauskamen als die seinen, so blieben diese doch noch lange Zeit darüber hinaus die geistvollsten, reichhaltigsten und anregendsten, die man über jenes Insel- und Litoralgebiet besaß.« Robert Huxley und Robert Press vom Natural History Museum in London stellen Georg Wilhelm Steller in die Reihe der »Grossen Naturforscher von Aristoteles bis Darwin«: »Seine Beschreibungen und Illustrationen sind Musterbeispiele präziser Beobachtung und Aufzeichnung; sie versetzen uns in die Lage, noch heute viele Organismen zu studieren – ganz besonders diejenigen, die bald nach ihrer Entdeckung durch Einwirkung des Menschen ausstarben.« Als Arzt war Steller bei der Bekämpfung des Skorbuts ein »Vitamin-Vorkämpfer« (Wendt), anderthalb Jahrhunderte vor der »Entdeckung« der Vitamine; seine Beobachtungen der Heilkunde unter den eingeborenen Völkern Sibiriens kamen ihm hierbei sicherlich zustatten.
Aus dem Brief Stellers an Gmelin vom 4. November 1742
Steller als Naturforscher und Reiseschriftsteller
Georg Wilhelm Steller war ein außergewöhnlich produktiver und vielseitiger Wissenschaftler; neben seiner Feldforschungstätigkeit hat er zahlreiche Schriften zu den verschiedensten Wissensgebieten verfasst (u. a. zur Tierkunde, Fisch-, Vogel- und Mineralienkunde, zur Pflanzenkunde, zur Geschichte, Sprache und Heilkunde der sibirischen Völker). Sein Kollege Krascheninnikow zählte insgesamt zweiundsechzig Abhandlungen, von denen jedoch nur ein kleiner Teil nach Stellers Tod gedruckt wurde. Stellers Manuskripte und Berichte, die er im Juli 1743 per Schiff von Bolscherjetsk abgesandt hatte, erreichten die Akademie in Petersburg erst im Februar 1746; das Inhaltsverzeichnis wies dreiundzwanzig Schriften auf, darunter den Bericht über die Reise nach Amerika. Steller starb mit seinen siebenunddreißig Jahren zu früh, um noch genügend Zeit für die wissenschaftliche Bearbeitung und Edition seiner meist direkt »vor Ort« und unter schwierigsten Bedingungen geschriebenen Werke zu haben. Keine seiner Schriften hat Steller jemals gedruckt gesehen. Seine »Beschreibung der Meerthiere« (De bestiis marinis) erschien 1751 (dt. 1753), seine »Beschreibung von Kamtschatka« erst 1774, seine »Beschreibung der Beringinsel« 1781 und seine »Reise nach Amerika« erst im Jahre 1793. Doch war Steller nicht nur ein hervorragender und fleißiger Wissenschaftler, sondern auch ein ausgezeichneter Schriftsteller. Man kann zwar nicht gerade behaupten, Steller habe sich bewusst um einen gepflegten Stil bemüht. Vieles hat er, wie Hünefeld bemerkt, ohne am Ausdruck zu feilen, einfach niedergeschrieben, um die Fülle seiner Gedanken und des Erforschten schnell zu Papier zu bringen. Angesichts der schwierigen Umstände seines Schreibens ist seine schriftstellerische Leistung jedoch gar nicht hoch genug zu bewerten: »Der gelegentliche Vorwurf, seinen Schriften fehle der letzte Schliff, kann ebenso gut als Vorteil ausgelegt werden: Gerade dieses Drauflosschreiben bedingt eben jene Ursprünglichkeit und damit jene Lebhaftigkeit und Anschaulichkeit seiner Sprache, die der antiken Komödie gleicht: derb und realistisch, aber auch durch die köstliche Situationskomik und die Kunst der Charakteristik in den Bereich des Künstlerischen gehoben« (Hünefeld). Stellers Sprache ist teils wissenschaftlich sachlich und nüchtern (besonders bei seinen naturwissenschaftlichen Darstellungen), teils vermittelt sie echte Erlebnisnähe, besonders in seinem Bericht über die Reise nach Amerika, in dem sich hier und da kräftiger Humor, feine Ironie und beißender Sarkasmus finden. Trotz ihres Alters sind Stellers Werke von einer erstaunlichen Gegenwärtigkeit: »Wir können uns dem Zauber jener streng sachlichen Darstellung von De bestiis marinis ebenso wenig entziehen wie der farbigen Schilderung der Beschreibung von Kamtschatka, ganz zu schweigen vom ›Tagebuch‹ über jene Unglücksexpedition ins Beringmeer, das mit seiner verhaltenen Dramatik voll menschlichen Leids und Elends, aber auch voll Heldentum noch in unseren Tagen zu dichterischer Gestaltung anregen konnte« (Hünefeld).
Das Material zu seiner »Beschreibung von dem Lande Kamtschatka« sammelte Steller nicht zuletzt auf zahlreichen Reisen kreuz und quer durch die Halbinsel, obwohl, wie er selber schrieb, die Sommer- wie auch die Winterreisen an keinem Ort im ganzen Russischen Reich so beschwerlich und gefährlich waren wie auf Kamtschatka. Im Sommer kam man wegen der vielen Moraste, Binnenseen, Flüsse, Gebirge und steilen Täler selbst mit Pferden kaum voran. Im Winter lief man ständig Gefahr, in das Eis der Flüsse einzubrechen und zu ertrinken oder sich bei rasender Schlittenfahrt durch dichte Wälder die Knochen zu brechen und vom Schlitten zu fallen.
Auf seinen Reisen lernte Steller Land und Leute bestens kennen, besonders die Kamtschadalen oder Itelmenen, die zu den Paläoasiaten gehören; wie auch die Korjaken und Tschuktschen stellen die Itelmen Reste der altasiatischen Urbevölkerung Sibiriens dar, die in Randgebiete wie Kamtschatka abgedrängt worden waren. Steller konnte die durch eigentümliche Sprache, Fischfang, Erdhaus und Hundeschlitten gekennzeichnete alte Itelmenenkultur noch relativ unverfälscht erleben, erforschen und der Nachwelt schildern. Doch zeigt Steller in seiner Beschreibung der »Okkupation des Landes Kamtschatka« zugleich auch den Prozess der Eroberung, Unterdrückung, Ausbeutung und Vernichtung der Itelmenen durch die Russen auf, den er zum Teil noch selbst miterlebte.
Von 1697 bis 1699 durchzog der Kosaken-Konquistador Atlassow die Halbinsel und verleibte sie dem Russischen Reich ein. Nun begann eine langjährige grausame Schreckensherrschaft der Kosaken auf Kamtschatka, die raubten, plünderten, töteten und die Bewohner versklavten. Um die volkreichen Itelmenen zu dezimieren und zu schwächen, gaben die Kosaken, wie Steller schreibt, »ihnen durch unüberwindliche Beleidigungen Gelegenheit, mit Streit anzufangen, schlugen dann von Alten und Erwachsenen alles tot, was ihnen vorkam, machten ihre Weiber und Kinder zu Sklaven und ihre Güter zur Beute. So haben sie binnen vierzig Jahren die Zahl der Einwohner bis auf den zwölften oder fünfzehnten Teil reduziert.«
Später pressten die Kosaken die Itelmenen mit dem »Jassak« aus, dem in Pelzwerk erhobenen Tribut. Folge dieser russischen Unterdrückung waren zahlreiche Aufstände der Itelmenen, als deren größter die Rebellion von 1731 gilt, an die zu Stellers Zeiten die Erinnerung noch wach war. Es kam daher nicht von ungefähr, dass, wie Steller in dem Kirchenbuch geschrieben fand, nicht der dritte Teil von allen Kosaken auf Kamtschatka eines natürlichen Todes starb, sondern die meisten hier und da erschlagen wurden. Doch wurden die Widerstandskraft und der Überlebenswille der Itelmenen schließlich doch gebrochen; das Volk ging langsam seinem Untergang entgegen. Reichlicher Branntweingenuss und von den Russen eingeschleppte Krankheiten trugen mit dazu bei, dass die Reste der eingeborenen Bevölkerung Kamtschatkas elendig dahinkümmerten.
In seinem Verhältnis zu den Itelmenen erwies sich Steller als ein Menschenfreund im Sinne jener Aufklärungsepoche, in der er in Deutschland groß geworden war. Eindeutig galten seine Sympathien nicht den russischen Eroberern, in deren Dienst er auf Kamtschatka weilte, sondern den unterdrückten und ausgebeuteten Itelmenen: »Es ist zu vermuten, dass man Kamtschatka von Anfang bis jetzt ohne Unruhe und Blutvergießen hätte erhalten können, wenn man mit diesen Leuten christlich, vernünftig und menschlich umgegangen wäre. So aber mussten sie die äußersten Verfolgungen und Drangsale ausstehen«, aus denen klar erhelle, »woher die vielen Rebellionen entstanden, wer die Urheber sind und wie man diesem noch zum Teil grassierenden Übel und dem gänzlichen Untergang dieser Nation noch beizeiten vorbeugen könne«.
Der junge Deutsche hatte mit seinen Forschungen in Kamtschatka eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Kolonialgeschichte beleuchtet; infolge der furchtbaren Ereignisse auf Kamtschatka nahm Russland seiner Meinung nach »ebenso großen Schaden an der eigenen Nation wie an den Itelmenen«.
Seine größten Leistungen aber vollbrachte Steller als Naturwissenschaftler. Er war Zeitgenosse des schwedischen Forschers Carl von Linné, des Begründers der modernen zoologischen und botanischen Systematik, lebte also in einer Zeitenwende der Naturwissenschaften. Man wendete sich zunehmend von überkommenen Fabeln und Halbwahrheiten der Tier- und Pflanzenkunde ab und bemühte sich um exakte Naturbeobachtung und -beschreibung. Steller ging sogar noch weit darüber hinaus: »Er suchte die Tiere und Pflanzen in ihrer Umwelt auf, er lebte mit ihnen, beobachtete sie und schilderte ihr Dasein in einem verblüffend modern anmutenden Stil, so exakt und zutreffend, dass seinen Berichten bis heute kaum etwas hinzuzufügen ist« (Wendt). In seinen Forschungsmethoden näherte sich Steller bereits der modernen Verhaltensforschung und Vergleichenden Anatomie. Er war der erste naturwissenschaftlich gebildete Forschungsreisende im Gebiet des Nordpazifiks und der »Pionier der Naturgeschichte Alaskas« (Stejneger). Auf der Kayak-Insel entdeckte er einhundertsechzig Pflanzenarten (Steller hinterließ einen »Katalog der Pflanzen, die innerhalb von sechs Stunden im nördlichen Amerika in der Nähe des Elias-Vorgebirges am 21. Juli unter dem 59. Breitengrad beobachtet wurden«) und den nach ihm benannten Schopfhäher (Cyanocitta stelleri), der ihm als Beweis dafür galt, wirklich in Amerika zu sein. Auf der Beringinsel erlebte er eine reichhaltige arktische Tierwelt, noch bevor sie durch den Eingriff des Menschen gestört wurde. Er beobachtete Seevögel, Steinfüchse, Wale, Seeotter, Seelöwen, Seebären und vor allem die eigentümlichen Seekühe. In seinem großen Werk »De bestiis marinis« (Petersburg 1751; dt. 1753 in Halle unter dem Titel »Ausführliche Beschreibung von sonderbaren Meerthieren«) gibt Steller eine meisterhafte Beschreibung von vieren dieser Meerestiere; im »Resümee der gelehrten Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften« zu Petersburg wird von diesem Werk Folgendes gesagt: »In dieser Abhandlung beschreibt der selige Autor vier Meerestiere, nämlich die Seekuh, den Seebären, den Seelöwen und den Seeotter so sorgfältig, dass man sich keine vollkommenere Darstellung dieser Tiere wünschen kann. Sehr genau und lebendig beschreibt er ihren Körperbau und macht gründliche Angaben über jeden Teil und jedes Glied, ihre Lage, Größe und Proportionen … Aber auch die inneren Teile lässt er nicht unerklärt … Er zeigt, wie man sie zur Nahrung, zu Heilmitteln und ähnlichen Zwecken zubereitet, und erklärt dann die Bewegungsweise, die Eigenart und die Gewohnheiten dieser Tiere.«
Unsterblichen Ruhm erlangte Steller durch seine Entdeckung und Beschreibung der nach ihm benannten großen nordischen Seekuh (»Stellersche Seekuh«; Rhytina Stelleri bzw. Hydromalis gigas). Er war der einzige Wissenschaftler, der jemals eine lebende Seekuh sah. Die Ordnung der Seekühe, zu der die Manatis und Dugongs gehören und die den wissenschaftlichen Namen »Sirenia« erhielt, steht in der stammesgeschichtlichen Entwicklung der an das Leben im Wasser angepassten Säugetiere zwischen den Walen und den Robben. Die einzige Seekuhart, die in arktischen Gewässern gelebt hat, ist die »Stellersche Seekuh«, ein riesiges, bis zu acht Meter langes Tier, das sich ausschließlich von Wasserpflanzen ernährte. Auf der Beringinsel bot sich Steller die einzigartige Gelegenheit, einen solchen Meeressäuger auf das Genaueste zu untersuchen und zu beschreiben; die Schwierigkeiten seiner damaligen »Feldforschung« hat er der Nachwelt allerdings nicht verhehlt: »Dass mir dabei nicht alles nach Wunsch geriet, ist auf das schlimme Wetter zur Zeit des Fanges dieser Tiere zurückzuführen. Fast ständig gab es Regen und Kälte, doch mussten die Untersuchungen unter freiem Himmel angestellt werden. Hinzu kamen noch die Gezeiten des Meeres sowie die räuberischen Seevögel, die alles benagten und mir auch unter den Händen wegstahlen. Während ich das Tier untersuchte, holten sie mir Papier, Bücher und Tinte weg. Wenn ich schrieb, plagten sie das Tier. Selbst die Größe des Tieres und das Gewicht seiner Teile waren schwer zu bestimmen, da ich doch alles allein untersuchen, zugleich aber auch alle Arbeit tun musste … Daher ersuche ich den Leser, wegen dieser verstümmelten Beschreibung nicht an meinem Willen und Forscherdrang zu zweifeln, sondern vielmehr die Umstände zu berücksichtigen, in denen ich mich befunden habe.« Bereits im Jahre 1768, also nur siebenundzwanzig Jahre nach ihrer Entdeckung durch Steller, galt die Seekuh infolge intensiver Bejagung als ausgerottet. In einigen Museen finden sich nur noch Skelette oder Skelettteile sowie Hautreste dieses urzeitlichen Meeressäugetiers.
Auszug aus der »Beschreibung sonderbarer Meerthiere« in der Handschrift Georg Wilhelm Stellers
Nach der Veröffentlichung wichtiger Schriften Stellers im 18. Jahrhundert war er nach der Jahrhundertwende so gut wie vergessen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Art »Steller-Renaissance« (Hünefeld); deutscherseits hob der Königsberger Anatom Ludwig Stieda in einem Artikel für die »Allgemeine Deutsche Biographie« (Bd. 36, 1893) die Bedeutung Stellers als Naturforscher hervor. Das Genie Stellers erkannte in moderner Zeit jedoch erst der Amerikaner Leonhard H. Stejneger, der im Jahre 1936 eine große und bahnbrechende Biographie über ihn veröffentlichte, die jedoch leider nicht ins Deutsche übertragen wurde. Als junger Naturforscher hatte Stejneger im Jahre 1882 die Beringinsel besucht: »Von diesem Tag an folgte ich achtzehn Monate lang buchstäblich Stellers Fußstapfen. Da ich von Anfang an die gewaltigen Schwierigkeiten erkannte, unter denen er gearbeitet hat, wuchsen mein Staunen und meine Bewunderung für seine Unerschrockenheit, seinen Fleiß, sein vielseitiges Wissen und seine Genauigkeit und Glaubwürdigkeit von Tag zu Tag.« Unvergessen blieb Georg Wilhelm Steller auch in seiner Heimatstadt Windsheim, die das Andenken an ihn auf vielerlei Weise wachhält und pflegt (Steller-Gasse, Georg-Wilhelm-Steller-Gymnasium, Steller-Gedenktafel am Platz seines Geburtshauses, Steller-Denkmal, Feierlichkeiten zu Geburtstagen Stellers).
Das neue Steller-Denkmal in Bad Windsheim
In der Geschichte des Reisens verkörpert Steller Hanno Beck zufolge den Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert, vom Barock zur frühen Aufklärung. Er war der naturwissenschaftlich führende Forschungsreisende des frühen 18. Jahrhunderts; als Zoologe gilt er in dieser Epoche als unübertroffener Meister. Deshalb verdient es Steller, der in der russischen und amerikanischen Wissenschaftsgeschichte bereits einen ehrenvollen Platz einnimmt, auch in der deutschen Wissenschaftsgeschichte nicht vergessen zu werden. Spätestens seit der von Dr. Wieland Hintzsche initiierten und viel beachteten Ausstellung der Frankeschen Stiftungen zu Halle im Jahr 1996: »Die Grosse Nordische Expedition. Georg Wilhelm Steller (1709–1746). Ein Lutheraner erforscht Sibirien und Alaska« sowie seit Gründung der »Internationalen Georg-Wilhelm-Steller-Gesellschaft« in Halle kommt Steller endlich auch in Deutschland die Aufmerksamkeit zu, die ihm schon lange gebührt.
Volker Matthies
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