Kitabı oku: «Unschuldig angeklagt und verurteilt», sayfa 2

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Ich hatte zweimal eine halbe Stunde lang Hofgang in der Nachmittagshitze, das zweite Mal in einem neuen Außenbereich, der ein bisschen sauberer und heller war als der erste. Nachdem ich 25 Minuten lang mit meinem Stock auf und ab gegangen bin – vorwärts, zurück, seitwärts … –, bin ich froh, dass ich mich wieder ein bisschen ausruhen kann.

Während des zweiten Hofgangs kam der energische Segs-Chef26 – derselbe, der mich in Handschellen hergebracht hatte – zu mir, um mir zu erklären, dass seine Abteilung jeden Monat meine Zelle durchsuchen und dass er mich zur Urteilsverkündung bringen würde. Ich zeigte auf die leichten Quetschungen an meinem linken Handgelenk und fragte ihn, ob die Handschellen beim nächsten Mal weniger eng sein würden. Natürlich, antwortete er, aber die Handschellen würden an einem Gürtel befestigt und der Transporter würde anders aussehen! Und das alles, weil sie mich in irgendeine Sonderkategorie eingestuft haben. Ein korrekter Mann, aber nicht gerade ein Ausbund an Herzlichkeit.

Ich habe mir vorgenommen, immer abends Tagebuch zu führen und eine Routine zu entwickeln: zuerst das Stundengebet, dann, später am Morgen, eine Betrachtung – am Hebräerbrief entlang, einem meiner Lieblingstexte. Absolut christozentrisch: Paulus (oder sein Schüler oder Nachahmer) zeigt, dass Christus die Verheißung der jüdischen Schriften verkörpert.

Meine drei Plastikstühle sind durch einen prächtigen erhöhten Gesundheitsstuhl ersetzt worden, wie er mir im Krankenhaus in der Vergangenheit schon empfohlen worden ist.

Bei den Besuchszeiten ist etwas durcheinandergeraten. Nicht Samstag und Sonntag, wie auf den Listen, sondern Montag und Donnerstag. Ich habe einen Termin für drei Personen am Montag, 4. März, um 13 Uhr. Bin nicht sicher, ob David das einrichten kann.

Interessanterweise haben mir einige Leute – von Ruth bis hin zu Angehörigen des Gefängnispersonals – erklärt, dass mein Glaube in dieser Zeit eine große Hilfe sein werde. Mein erster Impuls war, ihnen trocken zu antworten, dass ich das bereits wüsste. Aber sie haben es gut gemeint, und es war interessant und sogar ein bisschen rührend, so etwas von Menschen gesagt zu bekommen, die selbst nicht gläubig sind. Sie haben recht.

Gott, unser Vater, ich bete für die Menschen, die von den Buschbränden in Gippsland betroffen sind, und für alle Häftlinge in diesem Gefängnis: Manche von ihnen sind hoffnungslos unglücklich, andere haben keinen Glauben und keine Hoffnung. Ich bete auch für das gesamte Gefängnispersonal: dass die Höflichkeit und der Anstand, den sie mir gegenüber an den Tag legen, die Norm sind und dass sie sich nicht von der Gewalttätigkeit, dem Zorn und dem Hass der schlimmsten der Häftlinge anstecken lassen.

Samstag, 2. März 2019

Die erste Lesung im heutigen Brevier (7. Woche) stammt aus dem Buch Kohelet: anspruchsvoll, pessimistisch und das heidnischste Buch im Alten Testament. »Dann wird das Licht süß sein und den Augen wird es wohltun, die Sonne zu sehen« (Koh 11,7). Weder in meiner Zelle noch auf den Fluren des Hochsicherheitsgefängnisses gibt es helle Fensterscheiben. Mein Zellenfenster befindet sich hinter einem schmiedeeisernen Fenstergitter, und sogar die obere Hälfte ist irgendwie blickdicht. Ich vermisse die Sonne und die Silhouette der Stadt und die Landschaft. Nur im Hof kann ich durch die Gitterstäbe hindurch ein kleines Stück Himmel sehen. Heute Morgen hat die Sonne gegen Ende meines halbstündigen Hofgangs einmal kurz in eine Ecke geschienen.

Jahrelang habe ich etwas die Nase gerümpft über den Schöpfungsbericht im Buch Genesis, wo Licht und Dunkelheit lange vor der Sonne erschaffen wurden. Doch das war wahrscheinlich gegen diejenigen gerichtet, die die Sonne für einen Gott oder sogar für den höchsten Gott hielten. Ich kann mir vorstellen, wie sich die Sinnoder Wahrheitssuchenden der alten Zeiten in diese Richtung vorangetastet und die Sonne vergöttlicht haben.

Das Gefängnis ist ein Ort der Bestrafung, auch wenn es von anständigen Menschen geführt wird. Gesuche werden immer verspätet beantwortet und Verwechslungen gibt es reichlich. Mehrtägige Verzögerungen sind üblich und die spartanischen Bedingungen in der Zelle und das schlechte Licht sind Teil des Systems. Wo Licht ist, ist auch Schatten, doch auch das Gegenteil ist wahr: Wir können zwar keine Fenster öffnen, aber wir haben eine Klimaanlage – als einziges Gefängnis in ganz Victoria.

Ich habe drei- oder viermal versucht, meinen Bruder anzurufen, und es klingt jedes Mal so, als wäre sein Telefon abgestellt. Schließlich habe ich sie gebeten zu überprüfen, ob die Nummer auf der Anrufliste korrekt ist. Eine Ziffer fehlte und der hilfsbereite Chef hat versprochen, das korrigieren zu lassen, doch bis jetzt ist noch nichts geschehen.

Kartya war da und wir haben eine erste Besucherliste erstellt, die, wenn die betreffenden Personen da waren, auch wieder geändert werden kann. Charlie Portelli27 war außer sich vor Wut über einen Artikel in irgendeiner Lokalzeitung, in dem fälschlicherweise behauptet wurde, dass zwischen ihm und mir Absprachen getroffen worden seien. Er hat eine Richtigstellung erzwungen. Trotzdem habe ich Kartya gebeten, ihm Franz von Assisis Gruß pace e bene [Frieden und Gutes] zu überbringen, und ihr den Hintergrund ein bisschen erklärt. Kartya fand das schön.

Schwester Mary hat mir die Kommunion gebracht und wir haben gemeinsam eine kleine Andacht mit den Sonntagslesungen gehalten. Ich vermisse es, die Messe zu feiern, und ich war dankbar für die Kommunion. Ich fühle mich immer unbehaglich, wenn wir gleich nach der Kommunion beginnen, uns zu unterhalten. An den Besuchstagen setzen die Leute das voraus. Wahrscheinlich sollte ich vorschlagen, dass wir ein paar Minuten warten, ehe wir uns unterhalten. Die Seelsorger machen einen guten Job, und Schwester Mary hat erzählt, dass die Häftlinge ihre Arbeit schätzen. 35 Prozent würden sich selbst noch als katholisch bezeichnen.

Die beiden Leiter der Segs-Einheit, die mich bei allen Besuchen außerhalb des Gefängnisses begleiten werden, haben mir meinen Status und ihre Aufgabe erklärt. Die Handschellen sind offenbar unvermeidlich. Ich habe ihnen erklärt, dass eine Flucht nicht sehr wahrscheinlich sei, dass ich gar nicht dazu in der Lage und auch für niemanden eine Bedrohung wäre, und sie haben mir zugestimmt. Es geschieht alles zu meinem Schutz.

Ich habe im Fernsehen gesehen, wie Winx28 ihr 31. Rennen in Folge gewonnen hat, ihr 23. in Gruppe I – Weltrekord.

Gott, unser Vater, hilf mir, mich so nach dir zu sehnen, wie ich mich nach dem Licht und dem Anblick der Sonne sehne. Hilf uns allen, die wir in der Kirche als Lehrer tätig sind, den vielen, die sich nicht um ihre Blindheit sorgen oder sie vielleicht nicht einmal bemerken, dieses Licht zu zeigen.

2. WOCHE
EINSAMER ASCHERMITTWOCH
3. März bis 9. März 2019

Sonntag, 3. März 2019

Heute ist seit vielen Jahrzehnten, wahrscheinlich seit über 70 Jahren, der erste Sonntag, an dem ich – ohne krank zu sein – keine Messe besucht oder zelebriert habe. Ich konnte nicht einmal die Kommunion empfangen.

Die erste Lesung im heutigen Brevier handelt von Ijob, dessen Prüfungen gerade erst begonnen haben. Alles liegt noch vor ihm. [Robert] Richter, der kein christlicher Theist, sondern Jude ist, hat ihn mir ein paarmal als Vorbild vor Augen gestellt. Ich habe ihm geantwortet, dass mich der Gedanke an Ijob ein bisschen tröstet, weil sein Glück – anders als das unseres Herrn – noch zu seinen Lebzeiten zu ihm zurückgekehrt ist, und ich glaube noch immer, dass es für die Richter nur ein einziges gerechtes Urteil gibt: den Schuldspruch aufzuheben.

Paul [Galbally] und Kartya [Gracer] besuchten mich heute Nachmittag, um mir zu sagen, dass Paul und [Bret] Walker das weitere Vorgehen besprechen und sich darüber beraten wollen, ob es sinnvoll ist, beim Berufungsgericht eine Freilassung gegen Kaution zu beantragen. Solche Anträge haben nur sehr selten Erfolg, aber vielleicht bringen sie den Fall dennoch voran. Wie Richter zu Richter Kidd sagte, als ich festgenommen wurde: »Sie haben soeben die Haftverschonung eines Unschuldigen aufgehoben.«

Paul und Kartya haben mir von Paul Kellys erstklassigem Artikel in The Australian1 erzählt, laut Paul dem besten Artikel, der bis jetzt erschienen ist. Tess [Livingstone] hat mir einen Ausdruck ihres Online-Artikels, den sie am Donnerstag veröffentlicht hat (und der zwei Tage lang die meisten Klicks erhalten hatte)2 und ihres Artikels von letztem Samstag3 gesandt. Paul freut sich über die rege Debatte, die es ähnlich intensiv nur im Chamberlain-Fall gab4, und er spürt, dass sich insbesondere unter den Richtern die Sympathien in meine Richtung bewegen.

Er hält es nicht für gut, wenn ich auf James Gargasoulas’ Brief von Freitag antworte. Als ich ihm erklärte, dass ich mich als Priester ein bisschen schuldig fühle, wenn ich ihm nicht irgendwie antworte, hat er mir vorgeschlagen, ihm zu schreiben, wenn ich wieder in Freiheit bin. »Galbally ist sein Geld wert«, habe ich zu Kartya gesagt. Heute sind zwei weitere dieser (buchstäblich) verrückten Botschaften eingetroffen. Gargasoulas ist der Mann, der bei einer Amokfahrt mit seinem Wagen in der Bourke Street sechs Menschen getötet hat.5

Dem Besuch von David, Judy und Sarah [Pell]6 morgen um 13.00 Uhr steht nichts mehr im Weg, und ich habe die Liste mit den zehn Personen vervollständigt, die ich anrufen darf. Der freundliche polnische Wärter B. hat meine Wäsche mitgenommen und waschen lassen. Er und E., der Chef, sind gleichermaßen hilfsbereit.

Ein sehr heißer Tag, 40 Grad Celsius, mit schlimmen Bränden rund um Bunyip und Nar Nar Goon [in Gippsland, Victoria]. Viele Häuser sind zerstört.

Muslimische Gebetsgesänge sind in meiner Zelle zu hören und ich frage mich, von wem sie kommen, vermutlich nicht von Gargasoulas. Ich bin nicht sicher, auf welche Religion er sich bezieht, wenn er behauptet, Gott oder der Messias zu sein. Heute Abend ist es wieder etwas lauter, mindestens einer der anderen Häftlinge schreit seine Verzweiflung heraus.

Ich bin noch immer mit dem Hebräerbrief beschäftigt, ein großartiger Text, in dem sich Paulus’ zentrales Anliegen entfaltet, nämlich die Bedeutung Jesu in alttestamentlichen oder jüdischen Kategorien zu erklären: dass er das Werk und die Botschaft des ersten Bundes vollendet. Die Treue zu Christus und seiner Lehre bleibt unverzichtbar für jeden fruchtbaren Katholizismus und jede religiöse Erneuerung. Deshalb sind die »approbierten« argentinischen und maltesischen Auslegungen von Amoris laetitia7 so gefährlich. Sie widersprechen der Lehre des Herrn über Ehebruch und den Lehren des heiligen Paulus über die notwendigen Voraussetzungen für den würdigen Empfang der heiligen Kommunion.

Heute Morgen hat man mich unverhofft zu einer ärztlichen Untersuchung gerufen. Alles in Ordnung, auch wenn mein Blutdruck (120/80 im Stehen) niedrig war. Das habe ich jedoch vermutet, weil ich mich ein bisschen schlapp fühle.

Gott, unser Vater, ich bete für all meine Mithäftlinge, vor allem für die, die mir geschrieben haben. Hilf ihnen allen, ihr wahres Selbst zu erkennen. Hilf auch mir, darin besser zu werden. Bring ihnen allen ein bisschen Seelenfrieden, besonders jenen, die ganz sicher keinen haben.

Montag, 4. März 2019

Im Brevier ging es heute weiter mit Ijobs Problemen, die sich sogar verschlimmert haben, weil es Satan erlaubt wurde, ihn mit bösartigen Geschwüren zu schlagen. Ijob hat Gott nicht gelästert, obwohl seine verbitterte Frau ihn drängte: »Lästere Gott und stirb!« Doch ihm kam kein sündiges Wort über die Lippen. »Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen?« (Ijob 2,9–10).

Wenn ich bei manchen Gelegenheiten nach unverdientem Leid gefragt wurde, habe ich oft geantwortet: »Gottes Sohn Jesus hatte auch kein wirklich einfaches Leben.« Christen bringt das oft dazu, innezuhalten und nachzudenken, und manchmal habe ich sie auch gebeten, sich an all das Gute in ihrem Leben zu erinnern.

Das habe ich an meinem ersten Osterfest als Priester im Jahr 1967 in dem italienischen Dorf Notaresco in den Abruzzen gelernt. Die meisten der Männer lebten und arbeiteten damals in der Schweiz oder in Deutschland, schickten ihren Familien Geld nach Hause und kamen nur einmal im Jahr auf Heimaturlaub. Ich war ein gänzlich unerfahrener Neupriester und wusste nicht so recht, wie ich diese Ehefrauen und Mütter trösten sollte. Ich versuchte dieses und jenes – ohne Erfolg –, doch dann sagte ich ihnen ganz einfach, dass Jesus auch gelitten hat, und das war ein Trost für sie. Der Sohn Gottes hat gelitten, und sie litten ebenfalls.

Schriftsteller, die betonten, dass das Leid wesentlich und notwendig ist, um Gott näherzukommen, mochte ich nicht sonderlich. Dies betraf selbst so große christliche Schriftsteller wie den heiligen Johannes vom Kreuz. Ich habe nicht viel von ihm gelesen, weil mich seine Schriften immer etwas erschreckt haben. Doch Die innere Burg [1588] der heiligen Teresa von Avila, die eine ähnlich handfeste spanische Theologie vertritt, habe ich zu Ende gelesen.

Ich konnte mich eher mit der Herangehensweise von Jude Chens Großvater anfreunden, der laut Jude mit Sun Yat-sen8 befreundet gewesen war. Sein Großvater hatte die Angewohnheit, Gott um kleine Prüfungen zu bitten, weil er ohne sie stolz werden könnte, und durch sie wollte er größeres Leid vermeiden. Die Chens waren gläubige Mitglieder der Untergrundkirche im kommunistischen China. Sie verloren alles, erduldeten großes Leid, und einige von ihnen waren lange im Gefängnis, bis es in den späten 1980er- und 1990er-Jahren eine Amnestie gab. Damals floh Jude nach Australien. Wir wurden gute Freunde, und die Familie half ihm, bis er nach Kanada auswanderte, weil er hier keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten konnte. Wir haben noch immer Kontakt und ich kann mir vorstellen, wie aufgebracht er und seine Frau Monica über meine missliche Lage sind.

David, Judy und Sarah haben mich zum ersten Mal besucht. Es war (natürlich) schön und wir haben viel gelacht. Vor dem Besuch musste ich mich einer Leibesvisitation unterziehen. Wir trafen uns in einem größeren Raum mit hellen Fenstern und bunten Kinderbildern an den Wänden. Ich hatte es geschafft, mich in den obligatorischen Overall zu zwängen – allerdings falsch herum: mit dem Reißverschluss auf der Vorderseite!

David meinte, er halte es nicht für wahrscheinlich, dass das Berufungsgericht mir eine Freilassung auf Kaution zugestehen würde. Dies bestätigte sich später, als Paul, Kartya und Ruth [Shann] vorbeikamen, um mir zu erklären, dass mit einer Berufung gleich nach der Urteilsverkündung nichts gewonnen wäre, weil die Staatsanwaltschaft ihre Erwiderung noch nicht eingereicht hätte und ein verfrühter Vorstoß das Gericht womöglich verärgern würde. Ruth erklärte, dass sie keinen Präzedenzfall für eine Freilassung auf Kaution finden konnte, die allein wegen der Beweiskraft der Berufungsgründe gewährt worden sei. Ich habe beschlossen, im Fall der Fälle das zu tun, was Ruth mir rät – vorausgesetzt, dass sie ihre eigene Meinung äußert und nicht die ihres Vorgesetzten. Daraufhin hat sie erwidert, dass sie ein bisschen rebellisch veranlagt sei und immer ihre eigene Meinung von sich gebe.

Es hat mich beunruhigt, dass Nick [Pell]9 so aus dem Gleichgewicht gebracht ist und nicht zur Arbeit geht, und deshalb habe ich vorgeschlagen, Charlie [Portelli] zu bitten, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Paul hat versprochen, Nick anzurufen, um ihm zu helfen. David hat erzählt, dass Marg10 vergesslich ist, aber dass es ihr ansonsten nicht allzu schlecht geht. Paul hat mit ihr gesprochen und hatte den Eindruck, dass sie klarkommt.

Gott, unser Vater, gib allen, die tief erschüttert sind, und insbesondere meinen nahen Verwandten Frieden und Gelassenheit. Hilf Nick, dass er zurechtkommt und sich helfen lässt. Und ich danke dir, guter Gott, dass in der Öffentlichkeit über das Urteil debattiert wird. Möge dieser Kampf auf die seltsamste Weise die Entschlossenheit der gläubigen Katholiken stärken und sie dazu führen, sich an Jesus zu halten, damit wir alle erkennen, dass er unsere einzige Rettung ist.

Dienstag, 5. März 2019

In der heutigen Lesung im Brevier ist Ijob eingeknickt, hat »den Schnuller ausgespuckt«, wie es in der alten australischen Ausdrucksweise heißt. Er wendet sich nicht gegen Gott, aber er beklagt den Tag seiner Geburt: »Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, die Nacht, die sprach: Ein Knabe ist empfangen. Jener Tag werde Finsternis.« Weiter unten in Kapitel 3 bedauert er, dass er nicht gleich nach seiner Geburt gestorben ist: »Was mich erschreckte, das hat mich getroffen, wovor mir bangte, das kam über mich« (Ijob 3,3.25).

Seine Situation ist extrem: die Familie tot, Hab und Gut vernichtet, eine abstoßende Krankheit, die Aschegrube seine letzte Zuflucht, verloren in der Stille. Kein Wunder, dass er sich beklagt.

Natürlich wusste Ijob nichts von Christus, und seine Vorstellung vom Leben nach dem Tod scheint nicht zwischen Guten und Bösen, Glücklichen und Unglücklichen zu unterscheiden. Bei den Schatten, so glaubt er, »[…] hören Frevler auf zu toben, dort ruhen aus, deren Kraft erschöpft ist. […] Klein und Groß ist dort beisammen, der Sklave ist frei von seinem Herrn« (Ijob 3,17.19), doch der eine und wahre Gott wird nicht als der letzte und einzige Richter gesehen, der die Guten belohnen und obendrein alle, die gelitten haben, die arm und unglücklich waren, auf immer mit dem und in dem ewigen Leben segnen wird. Ijobs Leben nach dem Tod ist, soweit man daran glaubt, eine Zuflucht für alle, die keine klare Vorstellung davon haben, dass die Schafe von den Böcken getrennt und alle, die gelitten haben, entschädigt werden.

Nach Kiko Argüello11 trennt vor allem eine Lehre die Christen und Säkularisten voneinander, und das ist die unterschiedliche Einstellung zum Leiden. Säkularisten wollen das Leiden ausblenden oder beenden. Daher stammt ihre Begeisterung für Abtreibung und Euthanasie. Wir Christen dagegen sind davon überzeugt, dass das im Glauben ertragene Leiden erlösungswirksam sein kann, dass Christus uns durch sein Leiden und Sterben das Heil erworben hat und dass auch der böseste Mensch erlöst werden kann. Gleichzeitig engagiert sich keine Gruppe mehr als die Christen dafür, die Leiden zu lindern. Die Juden haben keinen Messias erwartet, der Leid erdulden und geschlagen werden würde, und Ijob hatte in seinem Leiden nicht das Vorbild Christi vor Augen.

Auch die Vorstellung von Himmel oder Hölle, Belohnung oder Strafe – von einem Jenseits also, in dem diejenigen, die in diesem Leben über das ihnen zugemessene Maß hinaus gelitten haben, die Waagschalen der Gerechtigkeit und des Erbarmens zu ihren Gunsten geneigt vorfinden werden – war ihm unbekannt.

Himmel heißt, dass die schlimmste menschliche Katastrophe nicht das letzte Wort hat, und ich glaube, der liebe Gott wird im nächsten Leben hauptsächlich damit beschäftigt sein, den Milliarden von Anawim12 seine Fürsorge angedeihen zu lassen.

Die antike Tragödie ist von einer ganz anderen Brutalität und Endgültigkeit: Hier ist Gott nicht der Herr über das Leben nach dem Tod, er ist nicht gerecht, er belohnt nicht und er bestraft nicht. Ich wusste natürlich immer, dass die alten Griechen nicht an unseren Himmel glaubten, doch erst nach vielen Jahren wurde mir klar, dass ich Sophokles (vor 60 Jahren!) durch die katholische Brille gelesen und mir nie wirklich bewusst gemacht hatte, welche Endgültigkeit Tod, Zerstörung und Schande für Sophokles und sein Publikum bedeuteten.

Heute war ein ruhigerer Tag, der erste von vielen, nur Kartya hat mich besucht. Wir haben über das mögliche Strafmaß gesprochen (fünf bis sieben Jahre?) und waren uns einig, dass [der Oberste Richter] Kidd für hohe Strafen bekannt ist. Das Berufungsverfahren beginnt wahrscheinlich am 5. Juni.

Das Urteil zu hören, wird unangenehm werden, und ich habe beschlossen, dabei zu stehen, obwohl mir der Richter die Möglichkeit des Sitzens angeboten hat. Was soll ich währenddessen tun? Ich habe mir überlegt, dass ich für den Richter beten werde, und ich werde ihn ansehen und zu mir sagen, dass er selbst weiß, dass das Urteil ungerecht ist. Er steckt in einer Zwickmühle, das Prozedere muss eingehalten werden, aber ich hoffe, er hört auf sein Gewissen und spielt nicht den Pontius Pilatus, sondern tut sein Möglichstes für die Berufung.

Während der Verhandlungen empfand ich einen größeren Groll gegen den Staatsanwalt. Er hat die Fakten verschleiert und verdreht und verwischt und ihnen zum Teil sogar widersprochen, damit die Geschworenen ihre aberwitzige Entscheidung fällen konnten. Ruth hat Gibson13 bei unserem Berufungsantrag wiederholt in die Ecke gedrängt, aber zu meiner Überraschung gemeint, er hätte wohl selbst nicht damit gerechnet, dass die Geschworenen eine solche Mischung schlucken würden. Sie glaubt, seine unerwarteten Zugeständnisse bei den Anträgen vor Gericht seien ein Zeichen für sein Unbehagen gewesen.

Ich habe einen Besen bekommen und meine kleine Zelle gefegt. Die Farbe auf dem Boden ist immer noch abgeblättert, es gibt keinen Vorhang, und während ich hier sitze und schreibe, ist die offene Toilette nur gut einen Meter von mir entfernt. Doch das ist für den Moment mein Zuhause.

Gott, unser liebender Vater, hilf mir, den Hass von meinem Herzen fernzuhalten. Ich sollte die Wahrheit nicht nur in Liebe sagen, sondern auch die Wahrheit in Liebe denken.

Aschermittwoch, 6. März 2019

Das war mir gar nicht klar, bis mir Schwester Mary vor ein paar Tagen die heutigen Lesungen gebracht hat. Sie hat mir das Aschenkreuz und die Kommunion gespendet. Vorher war Father Philip Gill bereits bei mir gewesen, der anglikanische Gefängnisseelsorger von St Peter in Eastern Hill, der mir ebenfalls das Aschenkreuz auf die Stirn zeichnen wollte. Ich war einverstanden und sagte zu ihm, dass ich kein Problem mit anglikanischer Asche hätte. Darauf gab er zurück, dass es eigentlich katholische Asche sei, denn er hätte sie von Schwester Mary erhalten. Ich bat ihn dann doch, sie anzurufen, weil ich keine Revierstreitigkeiten auslösen wollte. Ich habe ihm erzählt, dass ich oft in St Peter gewesen sei und dass ich eine Kniebank für die Kapelle der Ritter vom heiligen Lazarus gespendet hätte (die verschwunden zu sein scheint). Mir ist der Name meines Freundes [John] Hazelwood nicht mehr eingefallen (der anglikanische Bischof von Ballarat, an dessen Beisetzung in der St-Patrick’s-Kathedrale in Ballarat ich teilgenommen habe). Und ich konnte mich auch nicht mehr an den Namen von Graham Walden erinnern, den späteren Bischof von The Murray, mit dem zusammen ich die anglikanisch-katholische Dialoggruppe der Diözese Ballarat geleitet habe. Das waren schöne und glückliche Zeiten.

Ijob (Kapitel 7) ist heute richtig in Fahrt gekommen. Er hat seine Leiden aufgezählt: Monate der Enttäuschung, Nächte des Kummers, sein Leib von Ungeziefer, Schorf und Eiter übersät. Er ist kein diskreter Stoiker, sondern ein wortgewandter Jude, heftig und deutlich.

Nach dem Tod erwartet er nicht viel. »Wie die Wolke, die entschwand und dahinzog, so steigt nie mehr auf, wer zur Unterwelt hinabstieg« (Ijob 7,9). Er zankt mit Gott, dem er vorwirft, dass er ihn Morgen für Morgen, genauer gesagt jeden Augenblick auf die Probe stellt.

Man hat aber nicht den Eindruck, als würde er einen guten und freundlichen Gott fragen, was er denn eigentlich vorhat. Er scheint es eher mit einem schwierigen und übergriffigen Gott zu tun zu haben, dem er Vorhaltungen macht. »Warum hast du mich zu deiner Zielscheibe gemacht […]?« (Ijob 7,20).

Das ist recht weit entfernt von der berühmten Stelle über Gottes Güte aus den Bekenntnissen des heiligen Augustinus. »Spät habe ich dich geliebt«, schreibt Augustinus, »du Schönheit, so alt und doch so neu«, eine Schönheit, die seine Blindheit vertrieben hat, sodass er nun entbrannt ist »nach deinem [Gottes] Frieden«. Das ist die zweite Lesung, die das Brevier für heute vorsieht.

Auch Augustinus ist kein Stoiker, aber wenn er mit dem Herrn vereint sein wird, »dann wird mich kein Schmerz, keine Mühsal mehr bedrücken, und mein Leben, ganz von dir erfüllt, wird erst dann wahres Leben sein«. Doch die Situation, in der er schreibt, ist eine ganz andere, denn im weiteren Verlauf listet Augustinus seine Leiden auf und fleht zu Gott um Erbarmen.

Ein Gedanke ist besonders ermutigend. »Wer verlangt nach Beschwernissen und Mühseligkeiten? Du heißest sie uns dulden, nicht lieben.« Christus im Garten Getsemani hat uns hierfür ein Beispiel gegeben, als er in seiner Todesangst Blut schwitzte. Das ist für mich leichter nachvollziehbar als die Haltung des heiligen Paulus, der sich seiner Schwachheit rühmt, weil so die Macht Gottes an ihm offenbar werden kann (2 Kor 12,7–10), auch wenn persönliche Schwäche etwas anderes ist als das Unglück, das von außen kommt.

Da ich den nächsten Band des Breviers für die Fastenzeit nicht hier habe, bin ich mehr als zufrieden, bei Ijob zu verbleiben, der weiterkämpft.

Ruth kam vorbei, um ein bisschen zu plaudern. Sie hat erwähnt, dass The Age auf der Titelseite groß darüber berichtet, dass Richter bei der Berufungsverhandlung durch Walker ersetzt werden wird. Als man ihn nach den Gründen fragte, hat Richter seine Chance grandios genutzt und erklärt, dass er die emotionale Distanz nicht länger wahren könne. Das Urteil sei absurd, betonte er, und man habe einen Unschuldigen ins Gefängnis gebracht. Und das alles auf der Titelseite von The Age.14

E. wurde versetzt und seine Vertretung, ein hochgewachsener Mann, ist weniger entgegenkommend, und mein polnischer Freund ist auch nicht mehr da. Rasieren solle ich mich morgens, antwortete er, als ich ihn am Nachmittag nach meinem Rasierzeug fragte. Aber er werde dieses eine Mal eine Ausnahme machen. Hat er aber nicht, ich habe mein Rasierzeug nicht bekommen. Ein paar der Wärter sind besonders hilfsbereit und gesprächig und die anderen sind freundlich. Es ist wirklich nicht schlimm.

Ich habe mit Marg und David telefoniert. Sie war in guter Stimmung und hat gefragt, wann sie kommen kann, um mich zu besuchen.

Diese Woche war ich auf »Exerzitien«, habe dreimal das Brevier gebetet und dreimal Betrachtung gehalten, um einen Ersatz für die tägliche Eucharistie und die üblichen Lesungen zu haben. Diese Exerzitien waren überfällig.

[Kardinal] Parolin hat mir über den Nuntius und Schwester Mary eine Nachricht gesandt und seine Unterstützung ausgedrückt. Ich war gerührt und habe mich darüber gefreut. Die Kopie der Berufung [des Berufungsantrags] hat offenbar geholfen.

In den letzten 24 Stunden hat es etwas geregnet und in den Victorian Alps hat es geschneit. Noch vor ungefähr einem Tag hatten wir 40 Grad Celsius. Meine Uhr ist gekommen und ich habe es geschafft, die Zeit richtig einzustellen, und der Fernseher ist defekt.

Gott, unser Vater, ich bete einmal mehr für meine Familie und meine Freunde, dass sie nicht zu verletzt oder verstört sind. Möge meine missliche Lage ihnen helfen, ihren Glauben und ihre Güte zu stärken, besonders Sarah und Nick, Bec und Georgie, damit sie ihren Glauben an den kleinen Sonny weitergeben können.

Donnerstag, 7. März 2019

Ein ruhiger Tag. Tim und Anne [McFarlane] sind heute Morgen gekommen, und wir haben, getrennt durch eine Glasscheibe15, eine nette Stunde miteinander verbracht. Es gibt nicht so viel Neues. Offenbar hat QC [Queen’s Counsel]16 Geoff Horgan, der früher Staatsanwalt war und der die beiden Ikonen in der Kathedrale gemalt hat17, einen starken Unterstützerbrief veröffentlicht, in dem er sich für mich einsetzte18, und ich habe erfahren, dass die [Leumunds-]Zeugnisse in vielen Zeitungen veröffentlicht worden sind. [Bill] Shorten hatte irgendwelche Einwände, wurde aber von seinem Shadow Attorney General19 [QC] Mark Dreyfus öffentlich zurechtgewiesen.20 [George] Weigel hat eine Reihe sehr wirkungsvoller Texte verfasst, in denen er meinen Fall mit der Dreyfus-Affäre in Frankreich im 19. Jahrhundert verglich21, und [Father]22 Raymond de Souza hat sich ebenfalls am Kampf beteiligt.23

Dave Bell, Ruths Mann, hat vorgeschlagen, dass ich, nachdem mich Richmond als Vize-Schirmherr abgesetzt hat, nach Melbourne wechseln sollte.24 Zum Glück ist Matilda25 mit einer besseren Schlaffähigkeit aus dem Schlaflabor zurückgekehrt. Ein Erfolg.

Die für die Eingliederung zuständige Dame war da und hat die üblichen Fragen gestellt. Sie fragte, ob ich geistig zurückgeblieben sei. »Ich glaube nicht«, habe ich geantwortet, und sie meinte, ich würde hoffentlich nicht über sie, sondern nur über die Frage lachen.

Ich hatte ein gutes Gespräch mit Charlie, dem Seelsorger der Heilsarmee, und konnte mich nicht erinnern, dass wir uns schon einmal begegnet sind. Sind wir auch nicht, erklärte Charlie, obwohl Schwester Mary das Gegenteil behauptet hat. Er ist ein ehemaliger Anglikaner, der bei den Anglikanern die Eucharistiefeier besucht, weil er das vermisst. Ein starker Jünger des Herrn.

Ich habe rund 15 oder 20 schöne Briefe bekommen, einige von Mithäftlingen. Den meisten der Häftlinge werde ich antworten.

Heute wird Ijob von seinem Freund, dem Naamatiter Zofar, zurechtgewiesen, kein sehr mitfühlender Mensch. Er tadelt Ijob für sein wortreiches Geplapper, und vor allem wirft er ihm vor, dass er behauptet, untadelig zu sein. Das sei er eben nicht, erklärt unser Zurechtweiser: »Du würdest erkennen, dass Gott von deiner Schuld noch manches übersieht.« Er preist das unbegreifliche Mysterium Gottes und drängt Ijob: »Wenn Unrecht klebt an deiner Hand, entferne es«, dann werden gute Zeiten anbrechen, Ijob wird fest dastehen und braucht sich »nicht zu fürchten« (Ijob 11,14–15).