Kitabı oku: «Unschuldig angeklagt und verurteilt», sayfa 3
Das Buch Ijob ist als eine Auseinandersetzung mit dem Leid der Unschuldigen geschrieben worden, doch Zofar leugnet dieses Problem und führt Ijobs Unglück auf Sünden zurück, die er sich nicht eingesteht.
Manche Sünden ziehen ganz reale und offensichtliche Konsequenzen nach sich, zum Beispiel Drogen oder Alkohol oder Lügen usw. Doch viele böse Menschen führen ein angenehmes Leben, das allerdings eher auf einem abgetöteten Sündenbewusstsein als auf echtem Seelenfrieden beruht, und viele, zu viele leiden ohne eigenes moralisches Verschulden.
Die Lehre Jesu stellt einen gewaltigen Fortschritt dar. Er hat erklärt, dass diejenigen, die beim Einsturz des Turms von Schiloach ums Leben kamen (Lk 13,4), nicht wegen ihrer eigenen Sünden oder wegen der Sünden ihrer Vorväter gestorben sind.
Der Ijob-Kommentar von Gregor dem Großen für den heutigen Tag weist darauf hin, dass das Gesetz Liebe bedeutet, und zitiert die lange Liste von Pflichten, die Paulus aus dem Gesetz der Liebe ableitet. Ein schöner Beitrag zur Theologie, ein umfassendes moralisches Programm, doch wenn das alles so eins nach dem anderen ausbuchstabiert wird, fühle ich mich etwas ernüchtert und unvollkommen. Das ist vermutlich beabsichtigt gewesen. Wir müssen besser werden. Es ist allerdings schwierig, die direkte Verbindung zu Zofars Predigt zu erkennen.
Nach dem Besuch habe ich gegenüber dem Hauptwachtmeister meine Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, dass man mir nicht vorher mein Rasierzeug gebracht hat, obwohl ich gestern Nachmittag und auch heute Morgen noch mehrmals darum gebeten hatte. Als er bei den Wärtern nachfragte, antworteten beide spontan: »Aber nicht, als wir ihm das Frühstück gebracht haben!« – »Nun gut«, sagte ich zu einem der beiden, »wenn ich Sie nicht gefragt habe, dann habe ich Sie nicht gefragt!« Ich werde beim nächsten Mal genauer darauf achten. Es scheint kein bleibender Schaden entstanden zu sein.
Heute Morgen war ich bei der Krankenschwester und heute Nachmittag habe ich per Video mit Dr. McIsaacs vom St Vincent’s [Krankenhaus] über mein Herz gesprochen. Der Blutdruck war bei 120 zu 80, und ich habe ihm erklärt, dass ich mich manchmal ein bisschen benommen und schlecht fühle, wenn mein Blutdruck im Bereich von 120 ist. Er war jahrzehntelang bei 140, an guten Tagen! Das Leben im Gefängnis ist sehr ruhig.
Ich habe ein bisschen an meiner Rezension zu Overholts China-Buch gearbeitet.26 Der Wachmann hat meinen Fernseher wieder zum Laufen gebracht.
Gott, unser Vater, hilf mir, die Untätigkeit und Eintönigkeit für das Wohl der Kirche und für dein Werk in der Welt aufzuopfern. Gib mir auch weiterhin Kraft und Seelenfrieden und hilf meinen Mithäftlingen, vor allem jenen, denen es schlecht geht, die verstört oder todunglücklich sind.
Freitag, 8. März 2019
Ich habe einen Brief vom Obersten Gerichtshof erhalten, in dem mitgeteilt wird, dass meine Berufungsverhandlung am 5. und 6. Juni im Green Room stattfinden wird. Ruth wird ihren Urlaub verschieben müssen und Tony27 ist einverstanden.
Nach der Urteilsverkündung am nächsten Mittwoch werde ich wahrscheinlich verlegt. Ich habe erwähnt, dass ich einen etwas ansprechenderen Gefängnishof, einen späteren Nachteinschluss und ein bisschen Gesellschaft bevorzugen würde. Meine Sicherheit ist ihre Hauptsorge – und die meine.
Heute Morgen war ich beim Arzt und nicht überrascht, dass mein Blutdruck bei 106(?) zu 62 oder 63 lag. Kein Wunder, dass ich mich elend gefühlt habe – nicht schwindelig. Vielleicht war mein Gleichgewichtsgefühl ein bisschen schlechter als sonst. Am Abend haben sie das Prazosin abgesetzt. Mal sehen, wie es morgen früh ist, auch wenn ich annehme, dass sich dies erst allmählich auswirken wird.
Ein oder zwei der Burschen sind laut und und klingen verstört – besonders um die Mittagszeit. Vielleicht ist es Gargasoulas. Viel Leid gibt es hier.
Heute sind Drogenbeauftragte gekommen. Ich habe dieselben Informationen erhalten wie alle hier. Sie waren sehr freundlich – und ich habe geanwortet, dass ich keine Fragen hätte.
Schwester Mary hat mir die Kommunion gebracht und wir sind die Sonntagslesungen durchgegangen, die sie mir dagelassen hat. Sie hat Grüße von [Bruder] Mark O’Connor28 ausgerichtet und berichtet, dass Barney Zwartz einen feindseligen Artikel in The Age veröffentlicht hat, in dem er Helen Last zitiert.29 Ich habe ihr erzählt, welche Haltung (in Liebe) ich Kidd gegenüber während der Urteilsverkündung einnehmen will, und sie hat mir begeistert zugestimmt.30 Sie war beeindruckt, als ich ihr erzählt habe, was Walker gesagt hat: dass das der bestbegründete Berufungsantrag sei, den er je gesehen habe. Sie hat mir die Fastenbotschaft von Papst Franziskus und eine Ausgabe des Melbourne Catholic über Frauen und Glauben mitgebracht. Ich werde beides lesen.
Gesungene muslimische Gebete dringen jetzt in meine Zelle herein. Zur Hauptmahlzeit (um 15.30 Uhr!) konnte ich Fisch bekommen und heute Mittag habe ich im Salat das Fleisch liegen lassen.
Ich habe noch ein bisschen an meiner China-Rezension gearbeitet und ein paar Notizen über meine Zeit am St Patrick’s gemacht, vielleicht für eine Reihe mit dem Titel »Andere Welten«.
Jemand hat einmal zu mir gesagt, dass jeder Priester drei oder vier oder fünf oder sechs vernünftige Predigten in sich hat, aber danach müsse man mehr und sorgfältiger arbeiten, um Wiederholungen zu vermeiden. Mit einem Gefängnistagebuch scheint es ähnlich zu sein, insbesondere mit den theologischen Reflexionen.
Ijobs Antwortrede [an Zofar; vgl. Ijob 12,3–4] ist nicht wirklich inspirierend. Er sagt zu seinem Gegenüber: »Ich habe auch Verstand wie ihr, ich falle nicht ab im Vergleich zu euch.« Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, aber irgendwie scheint mir, dass er sich dadurch in eine schwächere Position bringt. Meine Reaktion mag ein bisschen angelsächsisch-altmodisch sein.
Ijob empört sich darüber, dass er zum Gespött wird, schuldlos verhöhnt (Kapitel 12). »In Ruhe sind der Gewaltmenschen Zelte, voll Sicherheit sind sie, die Gott erzürnen, die wähnen, Gott in ihre Hand zu bringen.« Doch Ijob erklärt, »dass Gottes Hand all dies geschaffen hat«. Gott wird für Dürre und Überschwemmungen verantwortlich gemacht, er ist es, der Richter zu Toren macht und die Gürtel von Königen löst. Manche erhebt er, um sie dann niederzuwerfen und zu vernichten.
Ijob hat es nicht leicht: Er glaubt an einen übergriffigen und strafenden Gott, und die Vorstellung von einer jenseitigen Gerechtigkeit, einem erlösungswirksamen Leiden und einem Gott, der das Böse und das Leid für einen langfristigen Zweck zulässt (es aber nicht verursacht), ist ihm unbekannt. Ijob steckt in Schwierigkeiten. Dennoch zweifelt er keinen Moment lang daran, dass Gott alles in der Hand hat.
Ich glaube, es war Father Michael Hollings, der katholische Geistliche in meiner Zeit in Oxford, von dem ich zuerst gehört habe, dass Gott auch auf krummen Zeilen gerade schreibt. Ich habe schon immer an die christliche Vorsehung geglaubt, aber als ich gesehen habe, wie Tolkien am Ende von Der Herr der Ringe alle Charaktere und Handlungsfäden zusammenbringt, kam mir der Gedanke, dass unser unendlich liebevoller Gott noch unendlich viel besser in der Lage sein muss, seine Absichten an die Konsequenzen unserer guten oder sündigen Entscheidungen anzupassen. Ijob hat keinen Moment lang daran gezweifelt, dass Gott das Kommando hat, aber er hat sein Unglück direkt auf Gott zurückgeführt.
Dass ich die Fastenbotschaft von Papst Franziskus erhalten habe, hat mich daran erinnert, für ihn und für die ganze Kirche zu beten. Ich bin nicht sicher, ob mir die regelmäßigen aktualisierten Nachrichten aus Rom fehlen. Doch im SBS31 habe ich gesehen, dass Kardinal [Philippe] Barbarin [der Erzbischof von Lyon] zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt wurde und seinen Rücktritt angeboten hat.32 Er wird bald nach Rom reisen. Offenbar hat er nicht rasch genug gehandelt, um über einen pädophilen Priester Meldung zu erstatten. Es wird ein Verlust sein, wenn er geht, denn er ist einer von den Guten.
So hilf der Kirchenleitung, Herr Jesus, in diesen Stürmen überall auf der Welt weise und mutig zu sein, um die zentralen Herausforderungen und Kämpfe zu erkennen und um die Gläubigen aufzurufen, treu und aktiv zu bleiben.
Samstag, 9. März 2019
Seit meiner Ankunft im Hochsicherheitsgefängnis in Melbourne habe ich 100 Briefe erhalten, die meisten davon in den letzten drei Tagen. Über ein Dutzend stammt von Mithäftlingen. Zwei Häftlingen habe ich geantwortet, einer von ihnen hatte mir auf Latein geschrieben.
Viele von ihnen haben Gedichte und Gebete dazugelegt, die oft in jeder Hinsicht schön sind und beinahe immer den tiefen Glauben der Absender und ihr tiefes Verständnis des Leidens und Sterbens Christi zum Ausdruck bringen.
Natürlich fühle ich mich unbehaglich und werde verlegen, wenn man mich mit dem Herrn vergleicht oder (wie ein Ehepaar, das mir geschrieben hat) mit Thomas Morus bzw. Johannes dem Täufer. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand John Fisher33 erwähnt hätte, den Thomas Morus seit Robert Bolts Film Ein Mann zu jeder Jahreszeit zunächst an Popularität und seit den beiden Romanen von Hilary Mantel34 auch an Bekanntheit übertroffen hat. Ob sie den dritten Band wohl je beenden wird, in dem ihr »Held« Thomas Cromwell auf der Strecke bleibt? Und – so könnte man, glaube ich, beinahe sagen – von diesem moralischen Ungeheuer Heinrich VIII. seine gerechte Strafe erhält? So viele Tote, besonders in seinem direkten Umfeld.
Mein Schicksal hat gravierende Auswirkungen auf die Kirche, vor allem in Australien, aber auch darüber hinaus, weil ich für das »Kreuzigungs-Christentum« stehe. Es kann wohl nicht bezweifelt werden, dass die Feindseligkeit der öffentlichen Meinung – und insbesondere der militanten Säkularisten – durch meinen Sozialkonservatismus und mein Eintreten für die jüdisch-christliche Ethik befeuert worden ist.
Ich glaube an die göttliche Vorsehung. Nie habe ich diese Situation gewollt, sondern alles getan, um sie zu vermeiden. Aber hier bin ich nun, und ich muss bestrebt sein, Gottes Willen zu erfüllen.
Kardinal Sin aus Manila, der ein beeindruckender Kirchenmann war, ein Gegenspieler von Marcos, und außerdem ein großartiger Unterhalter (welcome to the house of Sin – »willkommen im Hause Sin [engl. sin = Sünde])«, hat sich immer mit dem Esel verglichen, auf dem Jesus – an dem Tag, an den wir uns am Palmsonntag erinnern – in Jerusalem eingeritten ist. Mir gefällt dieses Bild für mein mittelmäßiges Selbst, treu in meinen Gebeten und Pflichten, früher hart arbeitend, aber in spiritueller Hinsicht durchschnittlich. Gott wählt manchmal seltsame Wege.
Ich befinde mich mitten in einem Kampf zwischen dem Guten und dem Geist des Bösen. In letzter Zeit ist mir das deutlicher bewusst geworden. Eine Freundin von mir, eine beruflich erfolgreiche Frau und Akademikerin, war im Gericht, als die Geschworenen ihren Schuldspruch verkündeten (der schlimmste Moment ihres Lebens, hat sie behauptet). Sie ist eine sehr gläubige Frau, Katholikin, aber ohne jeden Hang zur Mystik, und sie hat mir gesagt, sie hätte die Gegenwart des Bösen unter den Geschworenen und im Gerichtssaal gespürt. Ich habe es nicht gespürt, ich war viel zu benommen. Alle Welt und alle Experten hatten mir gesagt, dass ich aufgrund der Beweislage auf keinen Fall verurteilt werden könnte. Selbst der Richter hat das gesagt. Das und anderes.
Eine der Dominikanerinnen von Ganmain hat mir eine handschriftliche Kopie von McAuleys schönem Gedicht In a Late Hour (»Zu später Stunde«) gesandt, das er, glaube ich, für Bob Santamaria35 geschrieben hat. Ich kenne es gut.
McAuley bekennt seine Treue zum Herrn, seine schlichte Dankbarkeit. Ich bin nicht sicher, ob das »Anti-Reich« gesiegt hat, aber es »ist hier«, um es mit seinen Worten zu sagen. Für viele ist, heute noch mehr als damals, »der Sinn für die Natur geschwunden«. Heute »strömt aus Wunden tiefe Bitternis«, und ich vereine mein Gebet mit dem seinen: »Solange das Geheimnis gilt, werde ich dich nicht loslassen.«
McAuley ist mir der liebste unter den australischen Dichtern, und der beste (ich hoffe, Les Murray wird mir verzeihen).
Eine Frau aus Thurgoona hat mir eine Abschrift der Verse 1 bis 11 aus dem zweiten Kapitel des Buches Jesus Sirach gesandt, die Bischof Columba Macbeth-Green empfohlen hatte. Ich konnte mich nicht mehr an diese Stelle erinnern, wo von den Auserwählten die Rede ist, die im Feuer und im Schmelzofen der Erniedrigung geprüft werden. Genau meine Situation.
Mit Ijob geht es zügig voran in den Lesungen im Brevier (der Band für die Fasten- und Osterzeit ist noch nicht eingetroffen): »Er mag mich töten, ich harre auf ihn; doch meine Wege verteidige ich vor ihm« (Ijob 13,15). Er wirft Gott vor, ihn zu verfolgen: Du »zeichnest einen Strich um meiner Füße Sohlen. Er selbst zerfällt wie Verfaultes, dem Kleide gleich, das die Motte fraß« (Ijob 13,27–28). Er erkennt Gottes Übermacht an und bittet darum, dass er ihn in Frieden lassen möge.
Ein ruhiger Tag, der ruhigste bislang, nach dem Mittagessen hatte ich gar keinen Hofgang mehr. Ich habe meine Zelle gefegt, desinfiziert und gewischt und das Pferderennen aus Flemington und Randwick angesehen. Am Abend habe ich umgeschaltet und im SBS eine Sendung über Marokko und über die Renovierung von Big Ben verfolgt. Habe das Totenoffizium für die Seelenruhe von Mike Willesee gebetet.
Mein Herr Jesus, ich bete darum, dass ich das tue, was ich tun soll, während wir uns durch diesen Wirrwarr hindurchkämpfen, damit dein Wille und der Wille des Vaters nicht durch meine Schwäche oder durch mein Fehlverhalten oder durch meine mangelnde Weisheit beeinträchtigt werden.
Ich bete besonders auch für alle, die für mich beten und von denen viele oder alle ihre eigenen großen oder kleinen Kreuze zu tragen haben.
3. WOCHE
DIE URTEILSVERKüNDUNG
10. März bis 16. März 2019
Sonntag, 10. März 2019
Wieder ein Sonntag ohne Eucharistiefeier. Ich bete meine anderen Gebete mit besonderer Andacht, um den Tag des Herrn zu heiligen. Das Essen ist sonntags ein bisschen besser. Die Hauptmahlzeit gibt es gegen 11.30 Uhr und um 15.30 Uhr noch einmal einen feinen Salat und ein Stück Biskuitrolle – Schweizer Rolle, wie wir sie in meiner Kindheit genannt haben. Beides gar nicht schlecht. Ich vermute, dass ich ein bisschen zugenommen habe, obwohl ich von den kalorienreichen Sachen einiges unberührt gelassen habe.
Heute Morgen ist der Arzt überraschenderweise vorbeigekommen, um meinen Blutdruck zu messen: Er lag etwa bei 145 zu 80. Ich habe mich immer noch ein bisschen benommen gefühlt, aber besser als gestern.
Da meine Füße bis zum Fußende meines Bettes reichen und dieses an eine Steinwand stößt, hatte ich kalte Füße und einige Mühe einzuschlafen. Ich habe Socken angezogen und das Gefängnisoberteil abgelegt, denn das war unter den paar Decken einfach zu viel. Gegen 2.00 Uhr bin ich aufgewacht, aber ich habe meine Zuflucht zum Rosenkranzgebet genommen. Das hat wie üblich funktioniert und ich bin wieder eingeschlafen.
Früher habe ich für gewöhnlich zu den Jugendlichen und jungen Erwachsenen gesagt, dass ihr Glaube wirklich schwach wäre, wenn sie in einer schwierigen Situation nicht beten würden. Demzufolge sollte ich mich hier im Gefängnis nicht schuldig oder unbehaglich fühlen, wenn ich bete, weil ich Hilfe benötige. Ich entdecke, dass ich mich an Gott wenden und zu ihm beten kann, wenn ich Leerlauf habe, das heißt, wenn es keine Arbeit oder Ablenkung für mich gibt, und ich danke Gott für diesen kleinen Fortschritt.
Selbst wenn ich mich nicht so gut fühle und mit dem Gebet beginne, bitte ich nicht immer um etwas Bestimmtes. Allerdings bitte ich oft um Frieden und Kraft und bete für alle, für die ich nicht gebetet habe, als ich es hätte tun sollen.
Einen Teil meines täglichen Breviers bete ich für alle Opfer der Pädophilie in der Kirche von Australien – und nicht nur für meinen Kläger, wie berichtet worden ist. Dass man von den Klägern verlangt, ihre Beschuldigung zu beweisen, richtet sich nicht gegen die Opfer, sondern dient der Feststellung, dass sie Opfer sind. Viele sind – wie auch ich viele Male – falsch beschuldigt worden, und Gerechtigkeit haben wir erst dann erlangt, wenn sie allen Seiten zuteilwird.
Denjenigen, die früher gegen diesen Missbrauch hätten vorgehen müssen, hat es oft an Mut gefehlt, und manchmal fehlt es auch dort an Mut, wo das Pendel die Richtung ändert und ins andere Extrem ausschlägt.
Das Truth, Justice and Healing Council1 hat fünf Jahre lang die Hauptlast der kirchlichen Mitarbeit in der Royal Commission2 getragen, aber sie hätten auf dem Recht bestehen müssen, die Kläger ins Kreuzverhör zu nehmen, selbst wenn sie nur selten davon Gebrauch gemacht hätten. Das hätte der Sachlichkeit gedient.
Sie haben es auch versäumt, den Erfolg von Towards Healing und der Melbourne Response angemessen zu würdigen, so partiell und defizitär er auch gewesen sein mag.3 Sogar Gail Furness, die Beraterin von [Richter Peter] McClellan, hat eingeräumt, dass die Zahl der Übergriffe seit Anfang der 1990er-Jahre signifikant abgenommen hat. Was das Eindämmen oder Beenden der Missbrauchswelle angeht, hatten wir das Problem spätestens seit 1996/97 im Griff. Es wird der Wahrheit nicht gerecht, wenn man den Eindruck entstehen lässt, dass die Amtskirche vor Einrichtung des Truth, Justice and Healing Council nichts unternommen hätte. Und es wird der Wahrheit auch nicht gerecht, wenn man den Eindruck entstehen lässt, dass die Kirche bis zu irgendeinem nicht näher genannten Datum keine »guten« Bischöfe gehabt hätte, dass alle eine große »Seilschaft« gewesen seien, für die die Kirche wichtiger gewesen sei als die Opfer. Das ist unfaire Effekthascherei, ein Zugeständnis an eine feindselige Masse.
Die Pädophilie-Krise ist und bleibt der heftigste Schlag, dem die Kirche in Australien ausgesetzt war. So viele furchtbare und so viele wirklich abscheuliche Verbrechen. Wenn Mitte der 1990er-Jahre irgendjemand das Ausmaß des Problems kannte, dann hat er sich darüber nicht geäußert, weder öffentlich noch bei mir persönlich. Wir dachten, die Melbourne Response würde ihre Arbeit innerhalb weniger Jahre zum Abschluss bringen können.
Im Brevier führt Ijob sein Wortgefecht weiter und macht zwei Punkte geltend: Er macht Gott für seine Leiden verantwortlich und er beharrt darauf, dass Gott die Macht hat, etwas dagegen zu tun. Gott hat alles in der Hand. Der Mensch kann nur sehr, sehr wenig erreichen. »Sieh, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit«, spricht Gott, »das Meiden des Bösen ist Einsicht« (Ijob 28,20–28).
Es war eine Erleichterung, zum Responsorium aus dem ersten Korintherbrief überzugehen (2,6–8); Gottes geheime Weisheit für uns ist Christus.
Die zweite Lesung ist wieder ein schöner und berühmter Abschnitt aus Augustinus’ Bekenntnissen. Gott zu preisen ist unsere Freude, »denn auf dich hin hast du uns geschaffen; und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir«.
Wie geschieht es, dass die Seele ihren ersten Schritt auf Gott zugeht? Augustinus ist ein glänzender Psychologe, der sehr wortgewandt und klug über sich selbst zu schreiben vermag. Aber noch besser kann er über unseren Gott der Liebe schreiben. »Ist das nicht allein schon große Pein, dich nicht zu lieben?«
Die folgenden Worte von Augustinus sollen heute Abend mein Gebet sein:
Herr, mein Gott, […] sprich zu meiner Seele: »Dein Heil bin ich.« Nacheilen will ich diesem Wort und so dich erfassen. Verhülle nicht vor mir dein Angesicht. Sterben will ich, um nicht zu sterben, sondern es zu schauen.
Montag, 11. März 2019
Das Ereignis des Tages war natürlich der Besuch von Chris Meney, direkt gefolgt von der Tatsache – die nur durch den Besuch überhaupt möglich war –, dass wir uns im Garten treffen konnten. Dass Nick und Rebecca4 nicht gekommen sind, war eine Enttäuschung. Der Himmel weiß, was sie aufgehalten haben mag, denn Nick hat noch heute Morgen am Telefon zu Chris gesagt, sein Termin sei um 12.30 Uhr. Ich hatte diese Zeit nie erwähnt und dachte, alle drei würden zur vollen Stunde kommen.
Die Gefängnisleitung hat sich bemüht, die äußere Besuchszone ansprechend zu gestalten – sie ist hübsch gepflastert, mit runden Tischen und fest installierten Bänken versehen, in der Mitte ein überdachter Bereich mit Farnen und einem pagodenartigen Dach und einem Aborigine-Garten in der Ecke. Weiterhin gibt es ein Gefallenendenkmal, eine Tafel, auf der steht, dass der Bereich unter Pauline Toner5 eröffnet worden ist, und über dem Eingang ein Bild mit einer Ansicht von Venedig, so etwas wie die Seufzerbrücke über dem Kanal. In einer Ecke, fast ganz versteckt, blühten einige bescheidene Rosen, rot und weiß (wenn ich mich richtig erinnere). Die Hälfte der Zeit haben wir gesessen und ein bisschen sind wir auch umhergegangen. Das Wetter am heutigen Feiertag, dem »Tag der Arbeit«, war beinahe mild. Ein schöner Tag. Heute Morgen habe ich 10 oder 15 Minuten lang die Moomba-Parade6 im Fernsehen angesehen, nichts Besonderes meiner Meinung nach, aber die Kinder, die mitgingen, hatten ihren Spaß und die Jugendlichen, die angeblich die Umzugswagen entworfen hatten, ebenfalls.
Nach der üblichen Leibesvisitation habe ich mich vor dem Besuch wieder in einen Overall gezwängt, diesmal richtig herum, nicht mit der Rückseite nach vorn. Ich hatte einen in 3XL, obwohl ich eigentlich die größte Größe brauche, wahrscheinlich 5XL.
Chris wirkte ein bisschen unsicher – vielleicht hatte er Angst, wie ich reagieren würde, als er erklärte, dass meine Probleme und meine Haft Teil der göttlichen Vorsehung seien, auch wenn er nicht wirklich wisse, was da im Gang sei und was vielleicht an Gutem dabei herauskommen werde. Wahrscheinlich war er erleichtert, als ich ihm begeistert beipflichtete, indem ich sagte, dass Gott, der Geist, immer am Werk ist. Chris meinte, vielleicht sei es für die Gläubigen ein Hinweis darauf, dass die allgemeine Lage wahrscheinlich nicht leichter werden wird. Ich hoffe allerdings, dass nicht allzu bald allzu viele dieselbe Erfahrung machen müssen wie ich.
Chris ist mir ein guter Freund und eine unschätzbare Hilfe. Mary Clare und Jess7 sind in Medjugorje und ich hoffe, sie beten für mich, neben ihren anderen Anliegen.
Außer meiner Bewegung im Garten anlässlich des Besuchs hatte ich noch zweimal eine halbe Stunde Hofgang in unserem etwas heruntergekommenen Hof. Ein scharfer Kontrast, aber heute Morgen hat von dem kleinen Fleckchen Himmel, das man von dort aus sehen kann, die Sonne auf mich heruntergelacht.
Chris hat mir den nächsten Brevierband mitgebracht, und ich bin gespannt, wann er bei mir ankommen wird. Die Wärter haben gesagt, dass ich ihn automatisch bekommen werde und nichts unterschreiben müsse.
Ijob ist heute viel besser in Form, äußerst wortgewandt, aber er hält an seiner harten Linie fest und rechtet weiterhin mit Gott. Er erinnert sich an die guten Zeiten, als Gottes Leuchte über seinem Haupt erstrahlte (Ijob 29,3). Einst sind ihm die Jungen und die Fürsten respektvoll begegnet, doch jetzt ist er zum Gespött geworden. Schrecken haben ihn erfüllt und unaufhörlich nagt der Schmerz an ihm. Er macht Gott harsche Vorwürfe: »[…] du achtest nicht auf mich. Du wandelst dich zum grausamen Feind gegen mich« (Ijob 30,20–21).
Ijob war in seiner heftigen Empörung und deutlichen Sprache denkbar schlecht für diese furchtbare Situation gerüstet. Ich erinnere mich noch an Kardinal Lustiger8 aus Paris, einen konvertierten Juden, dessen Verwandte aus demselben Dorf in Polen stammten wie die Familie von Jim Spiegelman9, und an die Erbitterung, mit der er sich fragte, wie Gott das zulassen konnte, als vier oder fünf französische Bischöfe, die er als mögliche Erzbischöfe ausgewählt hatte, vor der Zeit starben. Lustigers Umgang mit der Moderne war so, wie er sein sollte: ein bedingungslos christlicher Aufruf zu Glauben und Buße. Einmal hatte er mehr junge Priester und Seminaristen als der Rest von Frankreich zusammen. Ich bin bei der Reform des Seminars in Melbourne ein Stück weit seinem Vorbild gefolgt. Die jüdische Tradition, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, ist langlebig.
Wir wissen, dass Gott, was auch immer er zulässt, doch niemals grausam zu uns ist. Gott ist nicht wie ein Oberer, der uns im Stich lässt oder sich plötzlich weigert, unsere redlichen Bemühungen zu unterstützen, und sich gegen uns wendet. Gott ist immer auf unserer Seite und verwandelt unser Leid in etwas Gutes, indem er es mit dem Leiden und Sterben Jesu vereint. Gott hört immer zu, vor allem dann, wenn er schweigt. Unser Leiden dient einem Zweck. Ijob wusste nichts von einem leidenden Messias.
Gott, unser Vater, ich vereinige mein kleines Leid mit dem deines Sohnes Jesus, damit es, wie du willst und wenn du es willst, für die Ausbreitung des Reiches Gottes insbesondere in Australien eingesetzt werden möge.
Dienstag, 12. März 2019
Heute habe ich einen sorgfältig formulierten Brief an James Gargasoulas, den Bourke-Street-Mörder, gesandt, um auf seine zahlreichen Briefe und seine Karte zu antworten. Er ist entweder wahnsinnig oder wirklich gut darin, als Wahnsinniger aufzutreten. Gestern habe ich eine Karte von Sophie O. bekommen (mir unbekannt, die Schrift auf dem Umschlag war undeutlich), die mich drängt, James zu bitten, dass er beten solle, um Vergebung zu erlangen. Entgegen dem Rat meines Anwalts hielt ich es für das Beste, mich ihm gegenüber als Priester zu verhalten. Ich habe ihm offen mitgeteilt, dass ich nicht glaube, dass er der Messias ist, und ihn freundlich aufgefordert, nach Erkenntnis zu suchen und zu bereuen.
Letzten Freitag habe ich meine Exerzitien beendet – ein fünftägiges Programm, mit dem ich am Montag begonnen hatte. Es war etwas willkürlicher als üblich, aber immerhin etwas. Das Beten ist mir nicht schwergefallen.
Die Fastenzeit im Gefängnis zu verbringen beinhaltet größtenteils die Dimension der Buße. Außerdem hat man Zeit genug zum Beten, nur das Almosengeben fällt aus – es sei denn, ich lasse mich von Michael Casey10 als Anwalt vertreten. Heute Nachmittag und am frühen Abend war ich ein bisschen niedergeschlagen bei der Aussicht auf die Demütigung, die mir morgen bei der Urteilsverkündung bevorsteht. Aus irgendeinem Grund fühle ich mich jetzt ein bisschen besser. Gott wird für alles Sorge tragen, und es wird die letzte öffentliche Hürde vor der Berufung sein.
Heute Morgen war ich bei der Ärztin, und sie fand, dass mein Blutdruck zu hoch sei. Ich habe ihr erklärt, dass ich wegen der Urteilsverkündung ein bisschen angespannt bin, und sie hat entschieden, sich das Ganze in ein paar Tagen noch einmal anzusehen.
Schwester Mary war heute Nachmittag da und hat mir die Kommunion gebracht. Aus irgendwelchen Gründen hat man sie heute Morgen drei- oder viermal abgewiesen und ihr den Zugang zu mir verwehrt. Ein oder zwei der Wärter waren ein bisschen unkooperativ. Mein Brevier ist noch nicht da und meine Wäsche auch nicht. Seltsamerweise kam einer der beiden Wärter und hat mir eine zusätzliche Plastikflasche mit Milch gebracht, die ich gern angenommen habe.
Die heutige Lesung ist die letzte aus dem Buch Ijob in diesem Brevierband. Ich werde mit meinen Gebeten eine Kehrtwendung einlegen müssen, wenn der zweite Fastenzeitband morgen nicht ankommt.
Ijob hält weiter an seinem Kurs fest und erklärt eloquent, dass er im Grunde ein guter Mensch ist: »[…] dann wäge Gott mich auf gerechter Waage, so wird er meine Unschuld anerkennen« (Ijob 31,6) – genau mein Gebet in diesem bizarren Kathedral-Fall! Nicht ein einziger der 20 Zeugen hat die Geschichte des Klägers bestätigt, und ich hatte vier Personen, die mir ein Alibi gegeben haben: den Zeremoniar, den Küster und zwei Ministranten. Gottes Wille geschehe, sein Wille, der vieles zulässt.
Ijob listet seine guten Taten auf und das Böse, das er gemieden hat. Dann kommt er zum Schluss: »Hier ist mein Zeichen! Der Allmächtige antworte mir!«
Das letzte Kapitel 42 kommt zumindest in diesem Brevierband nicht vor: Darin weist Gott Ijobs drei Gegner Elifas, Bildad und Zofar zurecht, stellt sein Vermögen wieder her und »mehrte den Besitz Ijobs auf das Doppelte« (Ijob 42,10). Danach hat Ijob noch so lange gelebt, dass er die vierte Generation seiner Nachkommen erlebte.
Das ist ein gutes alttestamentliches diesseitiges Ende. Möge es Gott gefallen, dass auch meine Berufung Erfolg haben wird.
Ich hatte damit gerechnet, dass Paul Galbally heute Nachmittag vorbeikommen würde, vergeblich. Und ich hatte gehofft, etwas von meinem Neffen und meiner Nichte zu hören, die gestern nicht gekommen sind.
Über die Gegensprechanlage hat man mir gerade mitgeteilt, dass ich morgen um 5.00 Uhr geweckt werde.
Lieber Herr Jesus, gib mir die Kraft, morgen meine Fassung und meine christliche Würde zu bewahren und mich nicht vom Zorn darüber hinreißen zu lassen, wie ungerecht das alles ist. Möge Maria, deine Mutter, unsere Mutter und daher auch meine Mutter, bei mir sein, damit ich ein annehmbares Opfer zum Wohl der Kirche bringen kann. Ich fühle, dass die heilige Maria vom Kreuz MacKillop11 meine Situation versteht, wie es auch John Fisher tun würde und ebenfalls Kardinal van Thuân12, den ich gekannt und bewundert habe.
Mittwoch, 13. März 2019
Ich habe die Urteilsverkündung hinter mich gebracht, die – das hatte der Richter so organisiert – per Livestream übertragen wurde. Es war grauenhaft, aber ich habe es bewältigt, den Blick die ganze Zeit über direkt auf den Richter gerichtet, im Sitzen und auch im Stehen, als das Strafmaß verkündet wurde. Ruth hat mir gesagt, sie hätte [Richter] Kidd auch die ganze Zeit über angesehen. Innerlich habe ich mir wieder und wieder gesagt: »Falsch. Ungerecht.« Gelegentlich stimmte ich dem, was er über meine geistige Führung und Verantwortung gegenüber dem Chor gesagt hatte, zu. Doch dann sagte ich mir: »Er geht von falschen Voraussetzungen aus.«