Kitabı oku: «Unschuldig angeklagt und verurteilt», sayfa 5

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4. WOCHE
ERLAUCHTE GESELLSCHAFT
17. März bis 23. März 2019

Sonntag, 17. März 2019

Heute ist der St-Patrick’s-Tag, und wahrscheinlich ist es das erste Mal in 70 Jahren, dass ich den Festtag – von einigen Extragebeten für Irland einmal abgesehen – nicht auf eine besondere Weise begangen habe. Das Fernsehen berichtet auf allen Kanälen über das grauenhafte Massaker in der Moschee von Christchurch, das ein spielsüchtiger australischer Fanatiker begangen hat. Einen Beitrag über Irland habe ich im ganzen SBS – der politisch und gesellschaftlich vermutlich noch weiter links steht als die ABC1 – jedoch nicht finden können.

Die Kirche in Irland verliert an Bedeutung. Sie hat noch immer zu viele Priester und fast keine Seminaristen, obwohl die Zahl der Messbesucher landesweit angeblich bei mehr als 30 Prozent liegt. Ein harter Kern bleibt treu und Wallfahrtsorte wie Knock und Croagh Patrick sind nach wie vor gut besucht. In Knock gab es vor ein paar Jahren auch noch viele Beichten.

Ich habe mich unter Papst Benedikt stark dafür eingesetzt, für Irland Bischöfe zu berufen, die energischer durchgreifen. Er stand diesem Anliegen wohlwollend gegenüber, doch war es ihm nicht gelungen, seine Wünsche in Taten umzusetzen. Als [Erzbischof] Charlie Brown zum Nuntius [in Irland, 2012–2017] ernannt wurde, hoffte ich, dass die Lage sich bessern würde. Doch auch wenn es scheint, dass es seither keine »schlechte« Ernennung gegeben hat, so sind alle neuen Bischöfe, genau wie ihre älteren Amtsbrüder, nach wie vor von der Bischofskonferenz abhängig. Mit einer starken Führung könnte verhindert werden, dass sich ein Zusammenbruch wie in den Niederlanden und in Quebec wiederholt. Ein Bischof muss Flagge zeigen und ankündigen, dass er den Lehrplan für den Religionsunterricht reformiert und ein neues Priesterseminar errichtet. Wenn in der irischen Kirche noch Leben vorhanden ist, dann sollten sich nicht wenige Gläubige um ihn scharen.

Mich überrascht die Passivität der irischen Katholiken, die bis vor 50 Jahren noch ganz anders waren als ihre australischen Vettern. 2011 habe ich bei einer Tischrede in Cork die rhetorische Frage gestellt, ob denn »all das gute irische Blut nach Übersee ausgewandert« sei. Auch wenn es den Anwesenden damals nicht an Kampfgeist mangelte. Wie eine gute Frau sich ausdrückte: »O mein Gott, ich war bereit zu marschieren.«

Mir gefällt das Newman-College-Projekt von Kathy Sinnotts, einer katholischen Hochschule für freie Künste wie Campion hier in Australien. Es kämpft ums Überleben (wenn es überhaupt noch existiert). Wenn es eine Chance haben soll, dann braucht ein solches Projekt eine starke akademische Führung (und die haben sie in Nicholas Healy, der an der Ave-Maria-Universität in Florida und vorher in Michigan war), ein passendes Gebäude und Geld. Notwendig sind auch eine ausreichende Menge an Studenten – daran scheint es zu mangeln – und zumindest einige wohlhabende Förderer. Ich bin mir auch nicht sicher, wie viele es davon in Irland gibt.

Paul und Kartya waren da und haben mich darüber informiert, dass das Berufungsgericht die Verurteilung eines christlichen Mitbruders aufgehoben hat, der beschuldigt worden war, in den 1960er-Jahren pädophile Straftaten begangen zu haben. Das sind gute Nachrichten.2

Ich warte immer noch auf mein Brevier, doch Kartya hat mir versichert, dass es inzwischen im Gefängnis angekommen ist. Ich erwarte auch einige neue Zeitschriften und ein paar Bücher. Weitere 24 Briefe sind heute angekommen, was sehr ermutigend ist. Deo gratias.

Nachdem ich meine Betrachtungen zum Hebräerbrief beendet habe, habe ich beschlossen, mich jetzt dem Buch der Offenbarung zuzuwenden.

Als ich Erzbischof von Melbourne war, kam eines Tages ein Klassenkamerad, Father John Williams, zu mir und erzählte mir, dass er bald sterben werde. Er war ein engagierter und loyaler Priester, ein trockener Alkoholiker mit einem trockenen Humor, und er erklärte mir mit einem Lächeln, er wisse nicht, ob er mit dem Trinken aufgehört hätte, wenn ihm klar gewesen wäre, dass er so jung sterben würde! Dann fügte er hinzu, dass er bisher noch nicht viel über das Leben nach dem Tod nachgedacht, aber inzwischen begonnen habe, beim betrachtenden Gebet das Buch der Offenbarung zu benutzen. Ich halte das noch immer für eine gute Idee und einen guten Grund, dasselbe zu tun. Ich habe keine Todesahnung, keineswegs, aber in meinem Alter kann es nicht schaden, sich vorzubereiten, auch wenn ich hoffe, dass es eine langfristige Vorbereitung ist!

Der heilige Apostel Johannes geht mit den meisten der sieben Kirchen, an die er schreibt, hart ins Gericht. Ich wäre gern wie die Gemeinde in Philadelphia, die das Gebot des Herrn gehalten und standhaft ausgeharrt hat, und nicht »tot« ist wie die Gemeinde in Sardes (Offb 3,1.10). Vielleicht passe ich nach Smyrna: »Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, um euch auf die Probe zu stellen, und ihr werdet in Bedrängnis sein, zehn Tage lang. Sei treu« (Offb 2,10).

Gott, unser Vater, ich danke dir für alle, die sich zwar unvollkommen, aber heroisch dafür eingesetzt haben, den Glauben in Australien zu begründen. Segne und belohne all die Söhne und Töchter des heiligen Patrick, die die Kirche in Victoria aufgebaut haben, und lass in Irland führende Kirchenmänner aufstehen, die sich der Entwicklung entgegenstemmen, den Verfall aufhalten und die Lage zumindest stabilisieren. Herr Jesus, gib ihnen gute Seminaristen und Priester und Ordensleute und lass mehr führende katholische Laien wie David Quinn3 hervortreten.

Montag, 18. März 2019

Mag sein, dass ich ein bisschen in die tägliche Routine abrutsche und an spirituellem Schwung verliere. Schwester Mary war noch nicht wieder da. Ich sollte darum bitten, dass sie mich besucht. Ich hätte gern ein Messbuch speziell für die Karwoche. Kein Problem mit meinem Pensum an täglichen Gebeten, obwohl das, wenn ich nachts nicht wach liege (also meistens) bedeutet, dass ich einen Rosenkranz weniger bete! Seltsamerweise gefallen mir meine Hofgänge nicht sonderlich, aber ich brauche die Bewegung, und der Rosenkranz ist beim Hin-und-her-Gehen eine wunderbare und wertvolle Hilfe genau wie das Trimm-dich-Fahrrad in Sydney.

Ich werde jeden Morgen gegen 6.00 Uhr geweckt und erhalte dann meine Medikamente (der arme Mann fluraufwärts, der wie verrückt geschrien hat, hat gerade aufgehört). Weil das Bett niedrig und der Betonboden rutschig ist, stelle ich den rechten Fuß beim Aufstehen in meinen Gefängnisturnschuh, damit ich genug Bodenhaftung habe. Bis 7.15 Uhr, wenn die Sirene heult, gehe ich wieder ins Bett (das Singen der muslimischen Gebete hat gerade angefangen). Ich bin überhaupt nicht sicher, welche Rolle der Islam in der Heilsgeschichte spielt, da es so viele gute Muslime gibt. Die Schlimmsten von ihnen gehören in eine andere Kategorie, wie Thomas von Aquin geglaubt hat.4

Das Frühstück kommt gegen 8.00 Uhr, nachdem ich mein Bett gemacht habe. Es ist wichtig, dass ich bei dieser Gelegenheit um meinen Rasierer und einen Spiegel bitte. Heute habe ich auch wieder meine Bitte um einen Besen wiederholt, der mir erneut versprochen wurde, aber nicht eintraf. Ich habe um ein anderes dieser mattgrünen, trainingsanzugähnlichen Gefängnisoberteile nachgefragt, denn das, was ich zurzeit trage, sieht langsam aus wie ein Dinner-Jackett, obwohl ich es reinige. Einige der Flecken sind zu hartnäckig.

Zweimal am Tag haben wir Anwesenheitsappell. Dann öffnen sie die kleine Klappe in der Zellentür und wir müssen unsere Hand darauflegen. Die Hauptmahlzeit ist gegen 11.00 Uhr und die letzte Mahlzeit des Tages um 15.30 Uhr. Diese Mahlzeit verschiebe ich, wenn sie kalt ist. Man bekommt Bananen, Äpfel und Orangen.

Ich habe ein besseres System für meine Essensreste, Pappteller, Plastikbesteck usw. entwickelt. Ich wickle alles in Zeitungspapier und stopfe es, bis abends der Müll eingesammelt wird, in die großen braunen Papiertüten, die man hier bekommt.

Zum Frühstück und gelegentlich auch zum Mittagessen am späten Vormittag sehe ich Sunrise auf Kanal 7, später die internationalen Nachrichten um 18.30 Uhr im SBS, oft gefolgt von einer Sendung in ABC oder SBS. Heute Abend habe ich eine weitere Episode über die Kennedys angesehen. Es ging um die Kubakrise. Ich wusste nicht – oder vielleicht habe ich es auch vergessen –, dass die USA damals als ein Quid pro quo5 ihre Raketen aus der Türkei abgezogen haben, auch wenn ich noch eine vage Erinnerung an irgendeinen Deal hatte. Ich frage mich, ob meine Sorensen- und meine Schlesinger-Biografie über JFK diesen Türkei-Deal erwähnen.6

Bobbie war mein Lieblings-Kennedy, ich bin ihm 1967 in Capitol Hill begegnet, als ich Priester an der neuen Kathedrale »Maria Königin« in Baltimore war. Johnnie Weigel7 war bei mir. Kennedy war ganz der charmante Irisch-Amerikaner und begegnete mir jungem australischem Priester mit Respekt. Als er erschossen wurde, habe ich gesagt, dass meine Liebe zu Amerika vorbei ist. Sie ist zwar wiedergekehrt, aber sie hat sich verändert.

Normalerweise dusche ich am späten Nachmittag, und kurz bevor ich zu Bett gehe, mache ich meinen Tagebucheintrag.

David war da, und wir haben eine schöne Stunde miteinander verbracht. Ich habe ihm gesagt, dass ich momentan nicht beabsichtige, überhaupt je nach Bendigo zu ziehen, und wir sind übereingekommen, dass wir nach der Berufungsverhandlung noch einmal über Margarets Testament sprechen wollen.

Heute Morgen hat Paul mir das Urteil des Berufungsgerichts zukommen lassen, das Tyrrell rehabilitiert hat. Ich habe es überflogen und fand die gründliche forensische Prüfung sämtlicher Beweisstücke sehr ermutigend.

Heute ist mein Brevier für die Fastenzeit angekommen, der Umschlag ist intakt. Es hat etwas gelitten – kein Wunder, ich benutze es seit mehr als 45 Jahren.

Ich habe meine Betrachtung zum Buch der Offenbarung an der Stelle fortgesetzt, an der das Lamm die sieben Siegel löst (Kap. 5–9). Erschreckender Inhalt, auch wenn wir sogar heute noch zum Beispiel in Syrien Kriege und Leiden von teuflischem Ausmaß erleben. Das Leben ist unweigerlich ein gewaltiger Kampf zwischen Gut und Böse, obwohl dieser Kampf in Australien, einer friedlichen englischsprachigen Demokratie, eher ruhig und oft unterschwelliger ausgetragen wird als in Gegenden wie Südamerika, Afrika und China. Christchurch ist eine furchtbare Ausnahme.

In Australien, wo die säkulare Minderheit sich vergrößert und zur zweitgrößten »Religionsgruppe« gleich nach den Katholiken entwickelt hat, führen die Bestrebungen, das Rechtswesen von jüdisch-christlichen Einflüssen zu befreien, dazu, dass die Auseinandersetzungen offener und erbitterter sind, und das wiederum führt zu antikatholischen Positionen. Tony Abbott8 hatte darunter zu leiden. Tief in meinem Inneren habe ich das Gefühl, dass auch in meinem juristischen Kampf mehr als nur ein Hauch des bösen Geistes am Werk ist.

Herr Jesus, schenke uns hier in Australien Führungspersönlichkeiten, die den öffentlichen Kampf für Liebe, Rechtschaffenheit und die natürliche Ordnung fortsetzen. Gib ihnen Weisheit, Urteilsvermögen und vor allem Mut, an dem es oft mangelt.

Dienstag, 19. März 2019

Heute war insofern ein ungewöhnlicher Tag in meinem ruhigen Gefängnisleben, als ich keinen einzigen Schritt aus meiner Zelle herausgetan habe. Irgendjemand hatte erwähnt, dass ich heute zum Arzt sollte, aber den ganzen Vormittag über geschah nichts. Als gegen 11.00 Uhr das Mittagessen kam, habe ich erwähnt, dass ich doch ganz gern meinen halbstündigen Hofgang machen würde, wenn sich das irgendwann einrichten ließe. Der Wachmann antwortete, dass es mir nicht erlaubt sei, nach draußen zu gehen, weil ich die Grippe hätte. Ich beklagte mich, dass das ungerecht sei, und er antwortete, dass der Chef von Trakt 8 mit mir sprechen würde.

(Unser wahnsinniger Freund schreit wieder.)

Ich fand das Ganze ein bisschen befremdlich, fühlte mich machtloser denn je und fragte mich sogar, ob ich wohl jemandem auf die Füße getreten sei.

Nach dem Mittagessen schrieb ich einen Zettel und bat darum, den Arzt und den Hauptwachtmeister sehen zu dürfen, weil ich wissen wollte, weshalb ich nicht trotz meiner Grippe allein im Hof hin und her gehen durfte. (Den Zettel schiebt man unter der Tür durch in den Flur.) Schließlich kam der Hauptwachtmeister. Er trug eine OP-Maske und blieb mit einem Abstand von einem Meter vor der Tür stehen. Immerhin war er so nett, mit mir gemeinsam über dieses Spektakel zu lachen. Ich schlug ihm vor, dass sie eine Klingel benutzen sollten, wenn ich mich dem Hof näherte, damit die Wärter Abstand halten könnten. Er war liebenswürdig, entschuldigte sich und versprach, dass er mit seinen Vorgesetzten sprechen werde, jedoch sich an die Vorschriften halten müsse.

Ich habe mit Tolstois Krieg und Frieden begonnen. Rebecca hat mir das Buch auf meine Bitte hin mitgebracht. Ich musste daran denken, wie ich gemeinsam mit Kris Sadowski9 sein hübsches altes Haus in Moskau besucht habe. Oder hatte Kris den Ausflug nur organisiert? Nein, ich glaube, er war dabei.

Danach war der ältere angelsächsische Arzt da, der mich gestern untersucht hat, um mir zu sagen, dass mein INR-Wert10 über 3 liegt, das ist ein bisschen erhöht, und dass ich das Warfarin ab sofort nicht mehr morgens, sondern abends einnehmen solle. Dann kam er auf meinen Husten zu sprechen und meinte, dass ich keine Grippe habe. Nach dieser Aussage habe ich mich an den Chef des Trakts gewandt, der das Gespräch mitgehört hatte, und darauf hingewiesen, dass man mir den Hofgang jetzt, da ich doch keine Grippe habe, nicht länger verbieten könne. Er antwortete, dass das gesamte Gefängnis unter Quarantäne stehe, vermutlich als Maßnahme gegen die Grippe. Das entsprach vermutlich der Wahrheit, denn wir hatten heute Nachmittag auch keinen Anwesenheitsappell.

Der Arzt hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er es nicht für gut hält, wenn ich mich nicht bewegen kann, wollte sich aber nicht einmischen, weil er nur ein paar Tage in der Woche im Gefängnis arbeitet.

Schwester Mary war da und wurde nicht vorgelassen, aber der Chef hat gesagt, dass wir drei uns zusammensetzen und für die Zukunft ein paar Besuchstermine pro Woche festlegen würden. Eine gute Lösung. Von meinen Anwälten habe ich nichts gehört, vermutlich hätte man sie auch gar nicht zu mir gelassen. Ich huste noch immer eine Menge Schleim heraus, aber mit meiner Erkältung ist es ein bisschen besser geworden. Die Quarantäne soll wohl morgen aufgehoben werden.

Heute habe ich zum ersten Mal den ganzen Tag lang mein Brevier für die Fastenzeit benutzt. Die erste Lesung ist aus dem Buch Exodus, und schon am »fünfzehnte[n] Tag des zweiten Monats« murrte das jüdische Volk gegen Mose und Aaron, weil sie sie in die Wildnis geführt hätten, um sie dort an Hunger sterben zu lassen, und die Israeliten trauerten den verlorenen Fleischtöpfen Ägyptens nach (Ex 16,1–3). Auch Gott wurde angegriffen. Er hörte ihr Murren und schickte die Wachteln und das Manna (Ex 16,11–15). Klartext zu reden, entsprach der Tradition. Ijob hatte also die Unverblümtheit in seinem sprachlichen Ausdruck nicht neu entdeckt.

Zu meiner Freude sind ein paar Ausgaben von The Spectator mit sehr guten und wohlwollenden Artikeln über meinen Fall angekommen. Auch Charles Moore hat einen nützlichen Beitrag verfasst.11 Meine alten Ausgaben von The Spectator und den anderen Zeitschriften hatte ich zuvor der Gefängnisbibliothek überlassen, sodass ich jetzt neue Hefte erhalten durfte – maximal sechs.

Michael Davis vom Catholic Herald hat Robert Richter in The Spectator dafür kritisiert, dass er mich nicht in den Zeugenstand gerufen hat.12 Das ist falsch dargestellt worden, da ich die Entscheidung selbst getroffen habe.

Bis zur Hälfte des ersten Verfahrens war ich davon ausgegangen, dass ich in den Zeugenstand gerufen würde, doch Robert erklärte mir, dass er sich grundsätzlich nicht darauf einlasse und dass sich bisher nur ein einziger Mandant nicht an seinen Rat gehalten habe. Ich war erleichtert und habe nie viel darüber nachgedacht.

Frank Brennan wollte die ganze Zeit, dass ich in den Zeugenstand treten sollte, vor allem nachdem die Geschworenen nicht zu einem Mehrheitsurteil gekommen waren. Schließlich entschied ich mich doch dafür auszusagen, obwohl das ganze Anwaltsteam und meine eigenen Berater dagegen waren. Terry Tobin13 schloss sich meinem Standpunkt an.

Erst nachdem der Staatsanwalt sich mit Charlie Portelli und insbesondere Max Potter14 befasst hatte, beschloss ich, nicht in den Zeugenstand zu treten. Ich war so verärgert darüber, wie die beiden behandelt worden waren, dass ich befürchtete, mein grimmiges Auftreten könnte aus einem mutmaßlichen Mehrheitsvotum für meinen Freispruch ein Unentschieden werden lassen. Dabei bin ich allerdings von ziemlich falschen Voraussetzungen ausgegangen.

Ich kann mich über Richters Arbeit nicht beklagen. Forensisch betrachtet haben wir den Prozess klar gewonnen und meiner Meinung nach hat er das im zweiten Verfahren eindrucksvoller demonstriert als im ersten. Robert ist ein Freund, den ich bewundere, ein herausragender QC15, der über das »absurde Urteil«, wie er es nennt, sehr aufgebracht ist und sich auf der Titelseite von The Age zu seinem Glauben an meine Unschuld bekannt hat.16 Es ist weder für mich noch für das ganze Anwaltsteam erklärlich, wie und mit welcher Logik die Geschworenen zu einem einstimmigen Schuldspruch gekommen sind. Philip Breenes Artikel in The Spectator vom 9. März über Joh. Bjelke-Petersen erklärt vermutlich, was in meinem Fall geschehen ist.17 Die öffentliche Meinung war einfach zu feindselig.

Gott, unser Vater, ich weiß nicht, wie viele Menschen im Lauf der Jahrhunderte überall auf der Welt genau wie dein Sohn ungerecht verurteilt worden sind. Sorge du für diese Opfer. Ich bete für unser Rechtssystem hier in Australien, dass alle Verantwortlichen sich gewissenhaft für die Gerechtigkeit einsetzen, und ich bete insbesondere für all meine australischen Landsleute, die zu Unrecht verurteilt worden sind.

Mittwoch, 20. März 2019

Ein ungewöhnlicher Tag, auch wenn die Abläufe sich ein klein wenig normalisiert haben. Beim Frühstück teilte mir der Wachmann mit, was ich ihn auch schon zu meinem unbekannten Zellennachbarn hatte sagen hören (wir sind zu zwölft in diesem Trakt, aber ich habe noch keinen der anderen Häftlinge zu Gesicht bekommen), nämlich dass das Gefängnis heute geschlossen bleiben und unter Quarantäne gestellt würde. Ich bedankte mich für die Information und dachte im Stillen, dass dies bei den allermeisten Häftlingen wohl nicht gut ankommen würde, wenn sie wieder den ganzen Tag in der Zelle verbringen müssten.

Ganz überraschend wurde ich um 11.30 Uhr gefragt, ob ich einen Hofgang machen wolle, weil die Quarantäne in unserem Trakt, in dem niemand Grippe hat, aufgehoben worden sei. Mein Husten hat nachgelassen und wurde trockener, und natürlich freute ich mich, 35 Minuten lang an die frische Luft zu kommen, auch wenn die Telefone nicht benutzt werden konnten. Gestern bin ich einmal pro Stunde oder alle zwei Stunden jeweils 100 Schritte auf der Stelle getreten, aber das ist nicht dasselbe wie ein Hofgang, auch wenn der Bereich begrenzt und etwas heruntergekommen ist. Es war warm, also habe ich meine Strickjacke ausgezogen, und trotz des bedeckten Himmels war es schön, draußen zu sein. Mein Gefängnisoberteil muss dringend gewaschen werden (das haben sie mir für morgen versprochen), deshalb habe ich unter der alten dunkelblauen Strickjacke mein langärmliges blau-weißes Hemd getragen. Ich muss sagen, durch den Wechsel habe ich mich ein bisschen besser gefühlt.

Vor etwa einer Woche hat mich eine der Dominikanerinnen aus Ganmain, die früher als Physiotherapeutin gearbeitet hat, darauf hingewiesen, dass ich nicht vergessen sollte, meinen Oberkörper zu trainieren. Bis dahin hatte ich nichts dergleichen getan, aber seither mache ich regelmäßig ein paar einfache Übungen.

Wieder 25 bis 30 Briefe, darunter auch schöne lange von Rebecca und Georgie und ein paar unerwartete Seiten von Margaret. Georgie sandte mehrere Vorschläge und ein Quiz, sodass ich meine Hausaufgaben machen muss, ehe ich sie am Montag treffen werde.

Die Briefe sind natürlich ermutigend und viele davon geben Zeugnis von einem tiefen Glauben. Eine richtige Wohltat. Einige danken mir für die Maßnahmen, die ich ergriffen habe, um den Glauben in der Gemeinschaft zu stärken, und ich bin dankbar dafür, dass das anerkannt und die jeweiligen Initiativen auch erkannt werden. Das Wachstum kommt von Gott, aber die Maßnahmen waren gut gemeint und stimmig und, davon bin ich zutiefst überzeugt, im Einklang mit den einzigen Strategien, die möglicherweise eine Stärkung bewirken können. Wir hatten magere Jahre, und Gebet, Rechtgläubigkeit und Loyalität sind keine Garantie für echtes Wachstum. Wir müssen jedoch mit dem Weinstock verbunden bleiben, und ohne Glauben, Gebet und Opfer werden wir ganz sicher keine echte Vitalität erlangen.

Zu viele, sogar einige Bischöfe, haben sich schon zu sehr mit dem Niedergang abgefunden, und manche wissen nicht einmal, wo das Schlachtfeld ist. Einige der Funktionäre, die an der bevorstehenden Vollversammlung 2020 teilnehmen werden, gehören zu dieser Kategorie. Wenn die Dinge schieflaufen, könnte die Vollversammlung letztlich einen Erdrutsch auslösen, der in einem ähnlichen Zusammenbruch endet wie in Quebec, den Niederlanden und Belgien. Doch die jungen Priester, die jungen Ordensfrauen (soweit vorhanden) sind gläubig, Menschen des Gebets, die wissen, wo das eigentliche Spiel ausgetragen wird. Und – das ist überwältigend – auch die kleinere Zahl der jungen Erwachsenen, die regelmäßig den Gottesdienst besuchen, ist gläubig und fromm.

Die Situation ist heute beinahe das Gegenteil von der Lage gleich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, als wir, die jungen Priester und Ordensleute, alle »progressiv« waren und uns den Konzilsreformen verpflichtet fühlten. Erst nach und nach zeichneten sich die Unterschiede zwischen denjenigen, die sich an den Wortlaut der Konzilsdokumente halten wollten, und denjenigen, die die Texte für bloße Kompromisse hielten, die man als Sprungbretter für andere, »bessere« Optionen nutzen konnte, ab. 30 000 Männer gaben ihr Priesteramt auf und die Zahl der Ordensleute, die ihren Orden verließen, war noch größer. Ratzinger, de Lubac, Daniélou und von Balthasar18 haben deutlich gemacht, wo die Grenze zwischen Kontinuität und Bruch verläuft.

Eine Briefschreiberin teilte mit, dass die von mir ergriffenen Maßnahmen ihr Leben gerettet hätten. Deo gratias. Jim Wallace19 hat ebenfalls einen Beitrag verfasst und unser Rechtssystem nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst.

Meine Betrachtung heute Morgen war ein kleines Desaster, weil ich in zwei Drittel der festgesetzten Zeit und auch noch 20 Minuten darüber hinaus gedöst habe. Ich erinnere mich nur noch verschwommen, aber ich meine, die »Kleine Blume«, die heilige Therese von Lisieux, hätte gesagt, auch der Schlaf sei ein »gültiges« Gebet, denn auch wenn das Fleisch schwach ist, sei doch die Absicht gut.20

Eine Dame deutete an, dass der Herr mich für McCarrick Buße tun lasse, dem ich viele Male begegnet bin.21 Ich wäre glücklich, wenn ich dazu einen kleinen Beitrag leisten könnte, denn er hat großen Schaden angerichtet, der durch die Vertuschung und durch sein Comeback nach Benedikts Rücktritt noch vergrößert worden ist. Sie hofft auch, dass ich nicht so schlecht behandelt werde wie der heilige Johannes vom Kreuz, als ihn seine Ordensbrüder in den Kerker steckten. Ich werde nicht schlecht behandelt.

Das erinnert mich an ein Gespräch, das ich mit Pater Kolvenbach, dem Generaloberen der Jesuiten, geführt habe, nachdem ich 1993 oder 1994 im Fernsehen mit dem australischen Provinzial der Jesuiten [Pater William Uren] wegen der großartigen Enzyklika des heiligen Johannes Paul II. über die kirchliche Morallehre Veritatis splendor aneinandergeraten bin. Zumindest, sagte ich zu Kolvenbach, bin ich nicht wie der heilige Karl Borromäus, der im 16. Jahrhundert Erzbischof von Mailand war und der aufgrund seiner Reformbemühungen Ziel eines Mordanschlags seitens einiger seiner Mitbrüder wurde. »Noch nicht«, hatte Kolvenbach geantwortet. Ein großartiger Linguist, Kolvenbach, und ein intellektuelles, moralisches und vermutlich auch spirituelles Schwergewicht, ein würdiger Oberer der Jesuiten, auch wenn mich die eine oder andere seiner Äußerungen ein wenig irritiert hat. Fest steht jedenfalls, dass es dieses hohe intellektuelle Niveau in Rom heute im Großen und Ganzen – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – nicht mehr gibt.

Im SBS-Fernsehsender habe ich gesehen, dass der Heilige Vater Kardinal Barbarins Rücktrittsgesuch nicht angenommen hat, weil Barbarin in Berufung geht.

Lieber Herr Jesus, hilf mir, mit Liebe zu urteilen, ehrlich und treffend, aber mit Liebe. Segne alle, die sich wirksam für die Neuevangelisierung einsetzen, und gib diesen guten Menschen, die es gut meinen, aber über keine klare Erkenntnis verfügen, die Gabe der Unterscheidung. »Lasse Teiche des (betenden) Schweigens in diesem dürren Land entstehen.« 22

Donnerstag, 21. März 2019

Die größte Abwechslung in meinem ruhigen Gefängnisleben war das erste AFL-Spiel23 der Saison im Melbourne Cricket Ground [MCG] vor 84 000 Zuschauern zwischen den traditionellen Rivalen Carlton und Richmond. Richmond hat am Ende mit einem soliden Vorsprung von 30 Punkten gewonnen nach einem starken ersten Viertel, in dem wir fünf oder sechs Tore erzielt und nur einen Treffer der Blues zugelassen haben, ihr schlechtestes erstes Viertel gegen Richmond. [Alex] Rance, der grandiose Backman von Richmond, der fünfmal in das All-Australian-Team24 gewählt wurde, hat sich eine üble Verletzung am Knie zugezogen. Das wird ein enormer Verlust sein, wenn er für die Endrunde nicht wieder fit sein sollte.

Mein Zeitplan ist durcheinandergeraten, denn ich schreibe dies bereits am nächsten Morgen und nicht wie sonst zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr. Es wird interessant sein festzustellen, ob ich am Ende mehr Spiele der Football-Liga verfolgt haben werde als je zuvor in meinem Leben oder ob es mir irgendwann zu viel wird. Es wird sich herausstellen.

Manchmal wird erzählt, ich hätte mich für das Priestertum und gegen die VFL entschieden (so wurde sie damals genannt: die Victorian Football League – »die Viktorianische Football-Liga«). Die Wahl, die ich damals treffen musste, war, zur Universität zu gehen und eine Berufslaufbahn anzustreben, oder aber, Priester zu werden. Ich bin ins Priesterseminar eingetreten, weil ich spürte, dass Gott es so wollte und dass ich es tun musste. Deshalb war ich viel weniger fröhlich und großherzig als viele meiner Mitseminaristen.

1959, in meinem letzten Jahr am St-Patrick’s in Ballarat, erhielt ich Anfragen von einer ganzen Reihe von VFL-Clubs, die mich unter Vertrag nehmen wollten, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon quasi widerstrebend entschieden hatte, ins Seminar einzutreten. Nicht einmal mit Richmond habe ich jemals trainiert, obwohl ich bei ihnen unterschrieben hatte und sie mir einen Platz für das Training und die Übernahme meiner Studiengebühren versprochen hatten. Außerdem gab es noch das Problem, dass das Newman College an der Universität Melbourne seinen Studenten damals nicht erlaubte, in der Liga Football zu spielen, und ich wollte unbedingt dorthin. Richmond war noch nicht die Spitzenmannschaft, die es heute ist oder in den späten 1960er- und in den 1970er-Jahren wurde, und das Training war nicht annähernd so streng und professionell wie heute.

Ich bereue es nicht, dass ich Priester geworden bin, obwohl mein Leben turbulent geworden ist, denn ich glaube, dass ich – wenn auch unvollkommen – Gottes Willen erfüllt habe. Ich habe mein Leben einer Sache gewidmet, die von höchster Bedeutung ist – und einem priesterlichen Lebensweg, der viele menschliche Tröstungen bereithält.

Bei der Royal Commission [zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs bei Kindern]25 haben einige die übertriebene Ehrerbietung und den Respekt beklagt, die viele Katholiken dem Klerus entgegenbringen würden. Zweifellos hat eine Minderheit von Klerikern dies auf abscheuliche Weise missbraucht, doch der Respekt und oft auch die Liebe, die man den Priestern bezeigt, waren nicht das Ergebnis irgendeines kirchlichen Erlasses, sondern sie waren auf den großen Einsatz von Generationen von Priestern im Dienst und im Gebet zurückzuführen. Außerdem waren die Menschen in ihrer Hingabe und Loyalität nicht unbedacht. Sie waren tolerant eingestellt, aber Einzelpersonen und Familien haben ihre eigenen Einschätzungen und Entscheidungen getroffen.

Heute habe ich überraschend den Besuch eines sehr höflichen indisch-australischen Physiotherapeuten erhalten, der sich um meinen linken Arm und meine Schulter gekümmert hat, denn meine Knie scheinen Fortschritte zu machen, obwohl sie noch immer dick geschwollen sind.

Lieber Besuch von Tim und Anne McFarlane, die mir erzählt haben, dass die öffentliche Meinung unter den Rechtsexperten eindeutig zu meinen Gunsten ausschlägt, selbst bei denen, die meine Ansichten ablehnen.

Die zweite Lesung im Brevier war heute ein Auszug aus der Abhandlung des heiligen Hilarius von Poitiers über »Selig der Mann, der den Herrn fürchtet«.

Die Furcht des Herrn ist dem progressiven Flügel ein Dorn im Auge, weil Gott so liebe- und verständnisvoll ist und alles vergibt. Darüber vergessen sie manchmal, dass man bereuen muss, bevor Gott vergeben kann. Ich erinnere mich noch daran, wie ein angesehener Bischof auf einem Treffen der australischen Bischöfe gegen die »Furcht des Herrn« gewettert hat und wie tatsächlich eine Mehrheit der Bischöfe dafürstimmte, die »Gottesfurcht« oder die »Furcht des Herrn« aus den liturgischen Übersetzungen zu streichen.