Kitabı oku: «Unschuldig angeklagt und verurteilt», sayfa 8

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6. WOCHE
DIE EROSION DES SOZIALEN KAPITALS
31. März bis 6. April 2019

Sonntag, 31. März 2019

Heute Morgen habe ich mir zum ersten Mal, seit ich im Gefängnis bin, die Mass for You at Home1 des Erzbistums Melbourne um 6.00 Uhr auf Kanal 10 angesehen. Sie ist sogar im Fernsehprogramm der Herald Sun aufgeführt, allerdings verborgen hinter dem recht allgemeinen Titel »Morgenprogramm«. Schwester Mary hat erwähnt, dass sie noch ausgestrahlt wird. Ich war mir jedoch nicht sicher, ob dieses Angebot noch fortbesteht. Als ich Rektor im Seminar war, 1985 oder 1986, habe ich ein paarmal fürs Fernsehen die Messe zelebriert. Wir hatten zwar auch damals nicht die beste Sendezeit, aber auf 6.00 Uhr haben sie uns, glaube ich, nicht herabgesetzt.

Es war eine schöne und würdige Messfeier unter genauer Beachtung der Rubriken. Der Zelebrant kam mir nicht bekannt vor. Zu meiner Überraschung war es Msgr. Tony Ireland, der mein Kaplan [an der katholischen St-Patrick’s-Kirche] in Mentone gewesen war. Ich habe ihn seit 25 Jahren nicht mehr gesehen. Er hat ein bisschen zugelegt und trägt jetzt einen Schnurrbart. Am Montag habe ich einen Brief von ihm bekommen, in dem er mir Mut machte.

Wegen der begrenzten Zeit war die Predigt über den verlorenen Sohn kurz und konzentrierte sich auf den älteren Bruder, genauer gesagt auf die Frage, ob er am Ende doch am Willkommensfest teilgenommen hat.

Ich erinnere mich, dass ich vor fast 50 Jahren – damals war ich stundenweise als Geistlicher in Eton eingesetzt und fuhr immer samstagabends dorthin, um ein paar Unterrichtsstunden zu geben und die Messe am Sonntagmorgen zu feiern – einmal einen Vortrag über den verlorenen Sohn gehalten habe und die ganze Gruppe lautstark Partei für den älteren Bruder ergriff. Die überwiegende Mehrheit bestand aus guten jungen Burschen, einige sehr unschuldig, aber ich dachte damals, dass zumindest ein paar von ihnen besser beraten gewesen wären, den jüngeren Bruder zu unterstützen.

Lord Caccia, der Rektor des Eton College, war dagegen, dass ich den Gottesdienst anlässlich des Eton Remembrance Day2 feiern wollte, aber ich glaube, ich war einer der ersten oder sogar der erste katholische Priester seit der Reformation, der eine Andacht für die gesamte Schule hielt. Die anglikanischen Geistlichen hatten dies arrangiert, um mich zu trösten.

Ich habe schöne Erinnerungen an diese Zeit. Ein Schüler sagte einmal zu einem der Lehrer, er denke, ich würde mich in den Kolonien wacker schlagen, und ein anderer Junge erklärte mir, das Problem mit dem neuen Schulleiter (Chenevix-Trench) sei, dass er noch nicht realisiert habe, dass er nicht mehr an einer kleineren öffentlichen Schule sei. Nach dem Abendessen beklagte sich einmal ein Erzieher, jetzt, da es das British Empire nicht mehr gebe, wisse er nicht so recht, worauf er die Jungen eigentlich vorbereiten solle. Tatsächlich haben es einige Etonianer wie David Cameron3 an die Spitze der britischen Regierung geschafft.

Drei kleine Anekdoten, vielleicht ein bisschen großspurig, aber wahr. Doch es soll kein falscher Eindruck entstehen: Das College war eine gesunde Gemeinschaft, elitär und traditionell, aber in akademischer Hinsicht seriös und mit einer insgesamt guten Atmosphäre. 60 oder 70 der Schüler waren damals Katholiken.

Aber kommen wir auf die Messe zurück. Eine Barmherzige Schwester aus Alma in den Vereinigten Staaten (ein reformierter Barmherzigkeitsorden, der sich hervorragend entwickelt und dessen Mitglieder, hoch qualifizierte Frauen, sich vor allem im Bildungsbereich und in der Medizin engagieren) hat mir geschrieben, »der schwerste Teil« meines Gefängnisaufenthalts sei wohl, dass mir »die Eucharistie(-feier) vorenthalten wird«. Schwester Mary, die Gefängnisseelsorgerin, bringt mir zweimal pro Woche die Kommunion, und das ist ein Segen. Manchmal habe ich es als sehr schmerzlich empfunden, nicht zelebrieren zu dürfen, aber die meiste Zeit bin ich mir bewusst, dass es einfach nicht erlaubt oder nicht möglich ist, und so halte ich mich an mein tägliches Gebetsprogramm. Ich glaube, wenn man im Gefängnis und vor allem in der Einzelhaft überleben will, ist es entscheidend, sich auf das zu konzentrieren, was man tun kann, statt sich über das zu beklagen, was man nicht tun kann.

Ich habe einige Stunden damit zugebracht, die neuesten Bündel Briefe zu öffnen und zu lesen. Wie immer jede Menge Stoff zum Nachdenken. Zum dritten Mal war ein Brief mit einer Botschaft über mich dabei, die Unsere Liebe Frau der irischen Seherin Christina Gallagher übermittelt hat (oder haben soll). Darin erklärte die Jungfrau Maria, dass »der Grund, weshalb die Macht der Finsternis ihn (mich) mit falschen Anklagen überschattet hat«, die Arbeit gewesen sei, die ich übernommen hätte, um dem finanziellen und dem sexuellen Fehlverhalten im Vatikan ein Ende zu bereiten.

Alle maßgeblichen Verantwortlichen der vatikanischen Finanzreform sind angegriffen worden, besonders von der Presse, und eine Reihe dieser wichtigen Leute in Rom hat den Eindruck, dass meine Probleme in Australien damit zusammenhängen. Wir haben keine Beweise für einen solchen Zusammenhang, obwohl ich diese Möglichkeit nicht ausschließe, aber Unsere Liebe Frau muss mehr wissen als ich, jedenfalls wenn die Botschaft echt ist.

Ein Bischof sollte solchen Botschaften und Erscheinungen mit großem Respekt, aber auch mit tiefer Skepsis begegnen, weil eine seiner besonderen Aufgaben darin besteht, die Charismen zu prüfen und erst nach gründlicher Erwägung die Echtheit zu bestätigen.

Ich will mir ein Gebet des heiligen Thomas Morus zu eigen machen, das mir ein junger Priester aus Melbourne gesandt hat.

O heiliger, gepriesener Erlöser Jesus Christus, der du dich aus freiem Willen entschlossen hast, für das Heil der Menschen zu sterben, erweiche mein hartes Herz mit deiner Gnade, dass ich durch zartes Mitempfinden deines bitteren Leidens an deiner heiligen Erlösung teilhaben kann.

Montag, 1. April 2019

Gestern Abend habe ich mir die dritte Sendung in Folge über den Bau des neuen, drei Milliarden Pfund teuren Kanalisationssystems in London angesehen, eine enorme technische Leistung. Kanonikus Alexander Sherbrooke, Gemeindepriester an der St-Patrick’s-Kirche in Soho, erschien auf dem Bildschirm, um die Arbeiter und die Maschinen zu segnen. Er war wie üblich nicht auffällig angezogen mit seinem schwarzen Hemd, Pulli und Plastikkollar. Eine kleine Stola vervollständigte die Dienstkleidung für den Segen mit Weihwasser und Gebeten.

Alexander ist mir seit Jahren ein echter und treuer Freund, und seine Gemeinde in Soho, einem Gebiet, das nicht eben für seine Religiosität bekannt ist, sprüht vor Leben. Er hat die Kirche schön restauriert, und ich habe sehr gern seine Spendenkampagne eröffnet. Die Hungernden werden regelmäßig von Freiwilligen aus der Gemeinde versorgt, und es gibt eine Gebetsgruppe, die jeden Abend vor dem Allerheiligsten Anbetung hält. Jeder kann anrufen und um Gebet bitten. Es wird keine Beratung angeboten. Alexander war mir in dieser schwierigen Zeit mit den Gebetsnächten und Fastenaktionen, die er organisiert hat, eine unschätzbare Hilfe. Mutter Teresa von Kalkutta hatte ihn »bekehrt«, daraufhin war er ins Priesterseminar eingetreten.

Der Tag war ruhig und ereignislos – abgesehen von einem sehr netten Besuch meiner Schwägerin Judy. David war beruflich aufgehalten worden. Das Wetter war trüb, aber es war nicht kalt, als ich am Nachmittag zu meinem einzigen Hofgang draußen war.

Das Essen ist nach wie vor reichlich, zu reichlich, aber die Hauptmahlzeit, die man aus vier Alternativen auswählen kann, ist nie heiß und oft nicht appetitanregend. Manchmal muss ich mich zum Essen zwingen, aus gesundheitlichen Gründen, wie in meiner Zeit als Seminarist in Rom am Kolleg der Propaganda Fide (1963–1967). Wir waren Studenten aus 63 Nationen, und das Essen war nicht italienisch, sondern international gemischt und für Australier nicht geeignet. Es gab weder Obst noch Cornflakes, um nur ein paar der Probleme zu benennen, und der Wein war der schlechteste, den ich je in Italien getrunken habe. Ich blieb gesund, weil ich mich zum Essen zwang, aber bei ein paar Australiern wurde bei ihrer Heimkehr Unterernährung diagnostiziert. Dort habe ich gelernt, auch dann zu essen, wenn das Essen nicht unbedingt dazu einlädt.

Heute sind wieder 50 oder 60 Briefe eingetroffen, und der leitende Beamte hat mir vorgeschlagen, dass ich die rund 300, die schon vorher angekommen waren, meiner Anwältin, Kartya Gracer, übergeben sollte. Nach einigem Zögern habe ich auch den ersten Block mit meinen Tagebucheinträgen dazugelegt. Vielleicht kann Margaret O’Reilly, meine Teilzeitsekretärin in Sydney, damit beginnen, sie abzutippen. Ich hoffe, dass sie sicher ankommen werden, genauer gesagt, dass Kartya sie in der Kammer4 problemlos ausgehändigt bekommt.

Die Briefe bringen mich oft dazu, innezuhalten und nachzudenken. Eine Frau hat den Gedanken geäußert, dass »der Anfang unserer Katholikenverfolgung« der Moment gewesen sei, als ich denen, die mit Regenbogenschärpen in die St-Patrick’s-Kathedrale in Melbourne gekommen waren, die Kommunion verweigert hatte. Das war etwa um die Zeit, als John Kardinal O’Connor aus New York anlässlich der Hundertjahrfeier der Kathedrale zu Besuch gekommen war (1997). Es mag durchaus sein, dass sie recht hat. Jetzt, da durch ein Referendum zugunsten der gleichgeschlechtlichen Ehe entschieden wurde, können wir damit rechnen, dass der Druck, unsere Religionsfreiheit einzuschränken – die auch darin besteht, in unseren Schulen und Kirchen und Pfarrgemeinden die christliche Lehre über Ehe, Familie und Sexualität zu vertreten –, weiter wächst.

Zu meinen größten Sorgen gehören die langfristigen Folgen meiner Probleme für die Kirche in Australien. Dass kurzfristig Schaden entstanden ist, steht außer Zweifel, aber welche Vorteile oder welcher Segen kurz- und insbesondere langfristig daraus erwachsen könnten, ist schwer vorherzusagen.

Eine Anwältin aus Sydney sprach mir Mut zu und wiederholte, was mir auch andere schon geschrieben haben, dass die Zahl der täglichen Messbesucher in den Pfarrkirchen und im Polding Centre während der Fastenzeit gestiegen sei. Sie fügte hinzu: »Aber glauben Sie mir, schon jetzt regt sich in vielen Herzen etwas, das mit der Zeit reiche Frucht bringen wird. Ihre Zeit und Ihr Leiden im Gefängnis könnten für viele im Hinblick auf ihre eigene Erlösung eine Hilfe sein.« Wie dem auch sei, die Gebete so vieler Tausend Menschen werden jedenfalls nicht vergebens, sondern in irgendeiner Weise für das Reich Gottes von Nutzen sein.

Wieder zitiert ein Briefschreiber ein James-McAuley-Gedicht, um mir Trost zu spenden – ein Aspekt seines Werks, den ich bisher nicht geschätzt hatte. Sein Gedicht, das auch als Kirchenlied vertont worden ist, richtet sich an Unsere Liebe Frau, die Hilfe der Christen, und passt besonders gut zu unserer heutigen Situation in Australien:

Hilfe der Christen, bewahre dieses Land

vor Angriff oder innerem Makel.

Lass es so sein, wie Christus es geplant hat,

ein neues Eden, in dem du herrschst…

Nimm von uns das feige Herz,

den unsteten Willen, den hin- und hergerissenen Geist,

mach uns sehend, damit wir mitwirken können,

auch wenn die Welt um uns herum blind ist.

Help of Christians, guard this land

from assault or inward stain;

let it be what Christ has planned,

a new Eden where you reign …

Take from us the coward heart,

fleeting will, divided mind,

give us sight to play our part,

though the world around is blind. 5

Dienstag, 2. April 2019

Das hier schreibe ich am Abend, entsprechend meinem üblichen Zeitplan, nachdem ich die Schlussausführungen von Finanzminister Frydenberg zum Haushaltsplan und die Podiumsdiskussion auf ABC verfolgt habe. Zurzeit kann ich zwischen den Parteiprogrammen keine großen Unterschiede feststellen, denn die meisten der konservativeren Liberalen sind ausgeschaltet worden.

Wir haben allen Grund, unseren Politikern dankbar zu sein für das Maß an Wohlstand und Frieden, das wir Australier genießen dürfen. Als ich nach meiner Rückkehr aus Italien durch die Vorstädte von Sydney fuhr, war ich – verglichen mit den römischen Vorstädten – in einer anderen Welt. Wir profitieren von unseren Minen, doch unsere Regierenden haben es 28 Jahre lang geschafft, nicht in die Rezession zu rutschen, und das ist alles andere als selbstverständlich. Nur sehr wenige australische Politiker werden reich durch ihre Arbeit im Parlament und sie haben ihr geringes öffentliches Ansehen nicht unbedingt verdient.

Unsere größten Herausforderungen liegen anderswo und sie hängen mit dem Rückgang des christlichen Einflusses zusammen. Paul Kelly6 von The Australian hat die Folgen für die gesamte australische Gesellschaft gut beschrieben, statt sich nur auf den Schaden zu konzentrieren, den die christlichen Gemeinschaften selbst davontragen. Als wir bei einem Essen in Rom über dieses Thema sprachen, waren wir uns einig, dass ältere Menschen zwar zu Pessimismus neigen, dass die Erosion des sozialen Kapitals7 jedoch eine Tatsache ist. Man kann das beziffern, und Lehrer an Schulen, die über ein paar Jahrzehnte Berufserfahrung verfügen, können ein Lied davon singen. Wir teilen diesen Niedergang mit großen Teilen der westlichen Welt, aber das ist ein schwacher Trost.

Viele meiner Briefschreiber sind in dieser Hinsicht sehr sensibel, vielleicht sogar übersensibel. Eine Dame schrieb: »Das sind düstere Zeiten für unsere Welt, und überall schmelzen das Bindeglied des Vertrauens und der Begriff der Wahrheit dahin und die Struktur der Gesellschaft löst sich auf und viele Seelen sind in Angst.« Die Herausforderung besteht darin, zusammenzuarbeiten und gemeinsam zu zeigen, dass dieses Maß an Pessimismus nicht gerechtfertigt ist. Es wird nicht einfach sein, den Verfall zu verlangsamen. Ihm Einhalt zu gebieten, wird auf kurze Sicht unmöglich sein.

Große Veränderungen in den Wertvorstellungen einer Gesellschaft haben häufig unvorhersehbare Folgen. Demokratien brauchen einen anerkannten Kernbestand an gemeinsamen Voraussetzungen oder Traditionen, weil das Prinzip der Diversität für sich genommen nicht ausreichend ist, sondern sich auf das Bekenntnis des zivilen Diskurses, der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit stützen muss. Es sind nur einige, aber doch zu viele, die sich darauf eingestellt haben, die Diskussion zu beenden und die Meinungsfreiheit zu verwehren, weil ihnen bestimmte Vorstellungen nicht gefallen. Wenn das eine Option für Katholiken wäre, würde die öffentliche Debatte radikal eingeschränkt werden.

Dass meine Fürsprecher auf keine große Gegenliebe gestoßen sind, als sie das Urteil der Geschworenen für absurd und die öffentliche Meinung für voreingenommen erklärt haben, hat mich zwar nicht verwundert, aber dass sich zumindest ein paar von ihnen gegen versuchte »Abstrafungen« verteidigen mussten, hat mich schon überrascht.

In der Zwischenzeit – back at the ranch8 – hat Schwester Mary mir die Kommunion gebracht und ein bisschen mit mir geplaudert. Sie hat von einem Langzeitgefangenen erzählt, der sich darüber beklagt hat, dass er seit Jahren die Sterne nicht mehr gesehen habe, und von einem anderen, der außer sich vor Freude war, als er in ein anderes Gefängnis verlegt wurde und dort Gras zu sehen bekam und darauf gehen und es berühren durfte.

Der Tag war klar, nur ein paar Wolken am Himmel. Der Herbst ist die schönste Jahreszeit in Melbourne.

Heute bin ich willkürlich zu einem Drogentest ausgewählt worden, dem immer eine Leibesvisitation vorausgeht. Als die kurze Prozedur vorüber war, sagte ich zu dem freundlichen Wärter: »Das war gar nicht so schlimm.« – »Von der Demütigung einmal abgesehen«, erwiderte er. Ich antwortete ihm, dass man sich hier daran gewöhnt.

Ich habe ungefähr eine Stunde damit zugebracht, die verbliebenen 20 Briefe aus dem letzten Stapel zu lesen, einige davon kamen aus den Vereinigten Staaten, weitere aus Neuseeland, Irland und England.

Unerwarteten Auftrieb gab mir der Brief eines anonymen »Waffenbruders« aus Spanien. Er war in einfachem, nicht perfektem Englisch geschrieben und enthielt das spanische Original eines kurzen mystischen Gedichts, das erklärte, nicht Himmel oder Hölle, sondern das Leiden und Sterben Christi am Kreuz würden uns motivieren, gut zu sein. Er hatte eine englische Übersetzung angefertigt, die, wie er treffend bemerkte, verbesserungsbedürftig sei, und schlug vor, ob ich das nicht übernehmen könnte. Allerdings gibt es in Trakt 8 des Melbourner Hochsicherheitsgefängnisses kein Spanisch-Wörterbuch!

Außerdem legte er einen Artikel aus der spanischen Zeitung El Mundo bei, den Felipe Fernández-Armesto verfasst hatte9, »ein Freund von Ihnen«. Ich hatte Felipe, inzwischen Professor an der Universität Notre Dame in den Vereinigten Staaten, hier in Melbourne und in Boston bei Professor Claudio Veliz’ »Gesprächskreisen« getroffen. Ein hervorragender Autor und Historiker, der perfekt Spanisch und Englisch spricht, dessen Persönlichkeit genauso exotisch ist, wie sein Name es andeutet, und der den katholischen Glauben in der Öffentlichkeit verteidigt. Er sprach von einer Kirchenverfolgung und ergriff wegen der vor Gericht vorgelegten Beweise vehement meine Partei. Für ihn besteht die Kirche aus Heiligen und Dämonen, aber das heißt nicht, dass es im Klerus mehr Sünder gibt als unter den Menschen im Allgemeinen.

Gott, unser Vater, hilf uns, für die vielen Wohltaten dankbar zu sein, die wir hier in Australien genießen dürfen, und hilf uns, das Ausmaß dieser guten Dinge zu begreifen, während wir uns gleichzeitig dafür einsetzen, die Wunden der Gesellschaft zu heilen. Hilf uns, Zynismus und Pessimismus zu vermeiden und die Lähmung, die daraus folgt. Inspiriere viele junge Christen dazu, sich in diesen öffentlichen Auseinandersetzungen zu engagieren.

Mittwoch, 3. April 2019

Heute gab es nur wenig Ablenkung: keine Besuche des Arztes oder der Krankenschwester, keine Physiotherapie und keine Besuche von draußen, weil Kartya nicht kommen konnte. Ich hatte zweimal Hofgang, wobei das Wetter am Morgen klarer war.

In puncto Häuslichkeit habe ich heute um Erlaubnis gebeten, meine kleine Zelle fegen zu dürfen, und so wurde ich mit einem Wischmopp samt Eimer und einem Besen mit Kehrschaufel versorgt. Wie üblich wird nichts über die Abläufe erklärt und man muss sich, was das Wann und das Wie angeht, auf seinen gesunden Menschenverstand oder auf den einen oder anderen freundlichen Tipp verlassen. Unsere Wäsche waschen wir nicht selbst, sondern übergeben sie dem Wachpersonal. Das Problem sind die Fusseln. Alles ist ziemlich provisorisch und natürlich nicht gebügelt. Meine Socken wasche ich selbst in der Dusche, dadurch halten sie etwas länger.

Heute sind wieder ungefähr zehn Briefe angekommen, bis zum Mittagessen um 11.00 Uhr hatte ich sie alle durchgesehen. Gestern war ein Brief von Rechtsanwalt Peter Breen dabei, der berichtete, dass seine Klientin ihren Gerichtsprozess wegen falscher Anschuldigung gewonnen und dass der Oberste Gerichtshof ihr 4,2 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen hat.

Am Nachmittag erhielt ich einen Schriftsatz von einem der Kläger, in welchem dem Bundesstaat Victoria, einem Schwesternorden, der Kinder- und Familienhilfe und mir jede Menge angeblicher Vergehen vorgeworfen werden.

Seine Beschuldigungen gegen mich waren von der Staatsanwaltschaft zurückgezogen worden, ehe die Sache vor dem Obersten Gerichtshof verhandelt wurde. Der Kläger war ein Drogenabhängiger mit einem Vorstrafenregister. Er warf mir unangemessenes Verhalten in einer Einrichtung vor, die ich in elf Jahren nur ein paarmal besucht hatte, und in einem Schwimmbad, das ich nie besucht und von dessen Existenz ich nicht einmal gewusst hatte. Er hatte mich im Fernsehen »wiedererkannt«, nachdem er mich, wie er behauptete, 40 Jahre zuvor in diesem Schwimmbad einmal gesehen hatte. Ein nolle prosequi10 (das ich erhalten habe) entspricht einem »Nicht schuldig«, sodass die Klage wahrscheinlich als Störfaktor betrachtet wurde.

Ich habe das Buch der Offenbarung ganz durchgelesen und meine Betrachtungen dazu abgeschlossen, und ich glaube, ich würde jemandem, der sich mit dem Leben nach dem Tod beschäftigt, nicht mehr raten, das ganze Buch durchzugehen und es betrachtend zu lesen. Heute würde ich eher empfehlen, sich auf die letzten vier Kapitel zu konzentrieren und alles Übrige im Schnelldurchgang zu lesen.

2012 habe ich das Haus Mariens besucht, das im 19. Jahrhundert in einer Vision offenbart wurde. Es liegt außerhalb von Ephesus, nicht weit von der Höhle entfernt, in der Johannes seine eigenartige Offenbarung niedergeschrieben haben soll. Die Höhle war recht groß, inklusive einer Nische in der Wand, die Johannes als Kopfkissen benutzt haben soll, mit Blick über ein schönes Tal. Die Botschaft der Wallfahrtsstätte war klar: Es handelte sich um denselben Johannes, der auch das vierte Evangelium verfasst hatte. Ein exotischer Schauplatz für die Entstehung eines bemerkenswerten Schriftstücks religiöser Literatur, das nur unter großen Schwierigkeiten und nach etlichen Diskussionen in den Kanon der Heiligen Schrift oder die Liste der »geoffenbarten« Bücher aufgenommen worden ist.

Vor dem Haus Mariens wartete eine lange Schlange von Pilgern genau wie wir selbst darauf, eintreten und Unsere Liebe Frau, die Mutter unseres Herrn Jesus, verehren und zu ihr beten zu können. Die meisten Pilger waren Muslime, die in vielen Ländern regelmäßig die christlichen Marienwallfahrtsorte besuchen.

Ein polnischer Priester, der in Australien gearbeitet hatte, war für das Heiligtum verantwortlich und fragte mich, ob er ein paar Worte an meine Mitpilger – katholische Lehrer – richten dürfte. Ich hatte keine Ahnung, was er ihnen sagen wollte, aber ich stimmte gern zu.

Seine Botschaft war einfach. Er war in Polen aufgewachsen, wo beinahe jeder katholisch ist, und nun arbeitete er in der einst christlichen und heute muslimischen Türkei, wo die Christen eine bedrängte Minderheit sind. Er sagte zu den Lehrern, dass es ihre Aufgabe sei, darauf zu achten, dass die Kirche in Australien kein ähnliches Schicksal erleiden würde.

Die schöne Vision im letzten Kapitel der Offenbarung vom »Strom«, dem »Wasser des Lebens, klar wie Kristall«, das »vom Thron Gottes und des Lammes aus[geht]«, war die Inspiration für den Pilgerweg mit seinem Brunnen und seinem lang gestreckten Wasserlauf draußen vor dem südlichen Querschiff der St-Patrick’s-Kathedrale in Melbourne. Auf dem Boden des Brunnenbeckens ist das Lamm dargestellt und auf der Einfassung steht der Vers aus dem Buch der Offenbarung. Inzwischen ist der Weg mit einem halben Dutzend weiterer kleiner Brunnen ausgestattet, die von Bäumen überschattet werden und von denen jeder mit einem anderen Bibelvers zum Thema Wasser versehen ist. Ganz unten fließt das Wasser über eine Steinplatte mit einem großartigen Gebet von James McAuley:

Fleischgewordenes Wort, in dem die ganze Natur lebt,

wirf Feuer auf die Erde: Lass unter uns

kontemplative Menschen erstehen,

die im Feuer des unablässigen Gebetes,

des inbrünstigen Verlangens wandeln.

Lasse Teiche des (betenden) Schweigens in diesem dürren Land

entstehen.

Incarnate Word, in whom all nature lives,

cast flame upon the earth: raise up contemplatives

among us, men who walk within the fire

of ceaseless prayer, impetuous desire.

Set pools of silence in this thirsty land. 11

Donnerstag, 4. April 2019

Nach Gefängnismaßstäben war heute ein sehr betriebsamer Tag: Der Physiotherapeut kam schon um 8.30 Uhr, als ich gerade meinen Tee trank, um meinen linken Arm und meine linke Schulter zu behandeln, die langsam besser werden.

Kurz danach ist Kartya gekommen und ich war gespannt zu erfahren, ob man ihr die Briefe und das Tagebuch ausgehändigt hatte. Sie fragte danach, als sie wieder wegging, aber in der »Kammer« war noch nichts angekommen. Der Brief von Breen und der Schriftsatz waren auch noch irgendwo unterwegs. Anschließend hatte ich eine halbe Stunde Hofgang, dann telefonierte ich mit Margaret, die sehr froh war, weil der Herzspezialist ihr gesagt hatte, es sei »alles in Ordnung« und sie solle erst in 15 Monaten wieder zu ihm kommen.

Um 13.00 Uhr kamen Toto und Rita Piccolo zu Besuch, wobei wir durch eine Glasscheibe getrennt waren. Sie sind die Gründer des Neokatechumenalen Weges in Australien und haben mit fast nichts vor rund 40 Jahren hier als missionarische Familie begonnen. Inzwischen gibt es in Australien 75 Gemeinschaften mit zwei Priesterseminaren, einem in Perth und einem, das ich nach Sydney geholt habe, aus dem bereits zehn Priester hervorgegangen sind. Ich glaube, die Hand Gottes ruht auf ihnen, denn sie sind genau wie das Opus Dei in der Lage, den Glauben an ihre Kinder weiterzugeben, und viele Bekehrungen geschehen durch sie.

Ihr gemeinschaftlicher Lebensweg ist anspruchsvoll, obwohl sie inzwischen ein Teil der religiösen Landschaft geworden sind und weit weniger von den anderen Katholiken angefeindet werden, vor allem in Sydney. Ich erinnere mich an einen altgedienten Priester aus Sydney, einen freundlichen Mann ohne Groll, der mich, kurz nachdem ich in den Norden gekommen war, darauf hinwies, dass weder das Opus Dei noch der Neokatechumenale Weg in Sydney sonderlich wohlwollend betrachtet würden. »Dann sind das zwei Dinge, die sich ändern müssen«, erwiderte ich. Ich weiß, dass sowohl hier und überall in Australien als auch in vielen anderen Gegenden der Welt Tausende von Neo-Cats – den Namen mögen viele von ihnen nicht sonderlich – für mich beten.

Kiko [Argüello], der Mitgründer, und Father Mario12 haben Grüße aus Rom gesandt, und Toto hat mich gefragt, ob ich eine Nachricht für sie hätte. Ich bat sie dringend, weiterhin zu beten, und ließ sie wissen, dass es mir gut gehe und dass mir dank Gottes Vorsehung Freunde von Gnadenerweisen und sogar von der einen oder anderen Bekehrung berichtet hätten. Gott ist immer auf irgendeine Weise am Werk.

Dann hatte ich noch ein merkwürdiges, kurzes Telefonat mit einer Frau von der Abteilung, die für die Unterbringung im Gefängnis zuständig ist, die mir zwei Fragen stellte. Organisiert wurde das Ganze von einem ruhigen, höflichen Mann, der neben mir sitzen blieb, nachdem er den Telefonkontakt hergestellt hatte. »Kannten Sie die Chorknaben, die in der Kathedrale missbraucht worden waren?« Ich antwortete, dass ich den Sinn der Frage nicht ganz verstehe, weil ich in dieser Sache vollkommen unschuldig sei. Tatsächlich habe ich damals und auch später weder die Jungen noch deren Familien gekannt, wie es auch bei der Verhandlung deutlich gemacht worden war. »Beabsichtigen Sie, in Berufung zu gehen?«, lautete die nächste Frage, weil sie darüber keinen Eintrag hatten. Das war überraschend, weil die Berufung schon vor der Urteilsverkündung eingelegt worden war und auch der Termin für die Verhandlung – der 5. und der 6. Juni – bereits feststand. Das brachte das Telefonat zu einem höflichen Abschluss. »Das Leben ist manchmal seltsam«, sagte ich zu meinem jungen Begleiter, als wir den Raum verließen.

Natürlich habe ich jeden Tag in meinem Brevier die Geschichte von Mose und seinem murrenden Volk weiter gelesen, die nun schon fast in Kanaan angekommen sind. Ihre Kundschafter waren mit Trauben, Granatäpfeln und Feigen zurückgekehrt und hatten von dem Land berichtet, in dem Milch und Honig flossen und in dem es große, befestigte Städte gab. Leider wiesen die Kundschafter auch darauf hin, dass die Bewohner dieses Landes groß und stark seien, sodass sie sich ihnen gegenüber wie Grashüpfer gefühlt hätten. Wieder ein großes Problem, auf das auch postwendend neue Klagen und Beschwerden folgten. Eine gewisse Zurückhaltung hat doch so einiges für sich.

Da ich immer noch in Ägypten eingesperrt bin, passt Moses lange, gefahrvolle Reise durch die Wüste nicht so gut zu meiner Situation wie Ijobs Geschichte, aber als Vorbereitung auf Ostern ist sie perfekt.

Heute sind wieder 45 Briefe eingetroffen, die ich mit Dankbarkeit gelesen habe. Vor etwa einem Tag habe ich einen Brief von Father Matthew Baldwin erhalten, einem Priester aus Melbourne, der gerade in Rom seine Studien für die Promotion absolviert. Es gehört zu den tröstlichen Dingen in diesen Wirren hier vor Ort, dass viele der jungen Priester spirituell und theologisch fest auf dem Boden des rechten Glaubens stehen – anders als wir nach dem Konzil in den 1960er- und 1970er-Jahren, als sich viele von uns durcheinanderbringen und von der revolutionären Stimmung anstecken ließen. Matthew, ein guter Freund, hat geschrieben, dass es sich so anfühlt, als ob er an Thomas Morus oder an John Fisher schreiben würde, »aber Deine Haft scheint in den Augen der Welt weit weniger ruhmreich zu sein«. Das stimmt. Er schloss den Brief ab, indem er die Worte Christi, die dieser an den heiligen Petrus gerichtet hatte, zitierte: »Als du jünger warst, […] gingst [du], wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, […] [wird] ein anderer […] dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst« (Joh 21,18). Auch das stimmt.

Gott, unser Vater, ich bitte die Mutter deines Sohnes, Maria, die Theotokos, die Gottesgebärerin, dass sie ihren Mantel über unsere jungen Priester ausbreitet, damit sie Männer des Gebetes bleiben, dem Volk dauerhaft dienen und es mit Weisheit und Treue leiten.

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