Kitabı oku: «Lelia», sayfa 2

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VI.

So antwortest du immer. Allein dieser Zustand der Unwissenheit, den du so süß glaubst, ist fürchterlich, Lelia; du behandelst ihn mit wegwerfender Leichtigkeit, weil du ihn nicht kennst. Deine Kindheit ist vielleicht eben so verstrichen, wie die meinige, aber die erste Leidenschaft, die sich in deinem Busen entzündete, kann nicht mit solcher Herzensangst verschwistert gewesen seyn, wie bei mir. Ohne Zweifel wurdest du eher geliebt, als du selbst liebtest. Dein Herz, dieser Schatz, um den ich noch auf den Knien flehen würde, wenn ich Herr des Erdballs wäre, dieses Herz wurde von einem andern Herzen sehnlich gerufen; du kanntest die Qualen der Eifersucht und der Furcht nicht; die Liebe erwartete dich, das Glück kam dir entgegen und du durftest nur einwilligen, glücklich zu werden, geliebt zu werden. Nein, du weißt nicht, was ich leide, sonst würdest du Mitleiden mit mir haben, denn du bist gut, deine Handlungen beweisen es, obgleich du es leugnest. Ich habe dich die Barmherzigkeit des Evangeliums ausüben sehen, mit deinem boshaften Lächeln auf den Lippen. Du bist gut, du besitzest eine angeborne, unwillkührliche Güte, die dir nicht durch kalte Betrachtung genommen werden kann.

Wenn du wüßtest, wie unglücklich dir mich machst, du würdest Mitleiden mit mir haben; du würdest mir sagen, ob ich leben oder sterben soll, du würdest mir das berauschende Glück oder die tröstende Vernunft geben.

VII.

Wer ist denn der bleiche Mensch, den ich gleich einem finstern Gebilde allenthalben erscheinen sehe, wo du bist? Was will er von dir? Woher kennt er dich, oder wo hat er dich gesehen? Woher kommt es, daß er gleich bei seinem ersten Auftreten hier sich durch die Menge drängte, um Dich zu betrachten, und daß du augenblicklich einen schmerzlich lächelnden Blick mit ihm wechseltest?

Dieser Mensch beunruhigt und erschreckt mich. Wenn er mir nahet, schaudert mich; wenn sein Kleid das meinige berührt, fühle ich etwas, wie einen elektrischen Schlag. Du sagst, er sey ein großer Dichter, der sich der Welt nicht hingebe, aber höher stehe, als Byron. Seine hohe Stirn verkündigt in der That das Genie, aber ich finde die himmlische Reinheit nicht, nicht den Enthusiasmus, der den Dichter bezeichnet. Dieser Mensch ist finster und traurig, wie der Giaur, wie Lava, wie du, Lelia, wenn du leidest. Es ist mir unangenehm, ihn beständig an deiner Seite zu sehen, deine Aufmerksamkeit fesselnd und, so zu sagen, Alles aufkaufend, was dir an Wohlwollen und Theilnahme an menschlichen Angelegenheiten noch geblieben ist.

Ich weiß, daß ich kein Recht habe, eifersüchtig zu seyn, und werde dir daher auch nicht sagen, was ich leide. Aber es betrübt mich, dich diesem düstern Einflusse hingegeben und schon so traurig und entmuthigt sehen zu müssen, während du nur in süßen Hoffnungen leben solltest. Denn dieser Mensch ist durch den Hauch der Leidenschaften ausgetrocknet, keine Jugendfrische belebt mehr seine versteinerten Züge, sein Mund kann nicht mehr lächeln; er spricht, er geht, er handelt aus Gewohnheit, aus Erinnerung; aber das Lebensprincip ist lange in seiner Brust erloschen. Ich bin hierüber gewiß, ich habe diesen Mann genau beobachtet und das Geheimniß durchschauet, worin er sich einhüllt. Wenn er dir sagt, daß er dich liebt, so lügt er. Er kann nicht mehr lieben.

Kann aber der, welcher nichts mehr fühlt, auch nichts mehr einflößen? Eine schreckliche Frage, die ich schon lange beleuchte, seit ich lebe, seit ich dich liebe.

Du theilst den Abscheu nicht, den mir jener Mensch einflößt. Im Gegentheil scheinst du durch eine unüberwindliche Sympathie zu ihm hingezogen zu werden. Es ist, als ob nur ihr Beide euch verstehen könntet, und als ob eine traurige Aehnlichkeit zwischen euren Gefühlen und selbst euren Gesichtszügen statt finde. Ist es das Siegel des Unglücks, welches euren düstern Stirnen diesen Familienzug aufdrückt, oder, Lelia, wäre der Fremde wirklich dein Bruder? Alles in dir ist so geheinmißvoll, daß ich Alles glauben kann.

Ja, es giebt Augenblicke, wo ich mich überrede, daß du seine Schwester seyst. Ich fühle mich aber deshalb um nichts weniger verletzt durch die Vertraulichkeit, die du gegen ihn zeigst. Wenn er dein Bruder ist, Lelia, welche Rechte hat er dann vor mir heraus? Glaubst du, daß meine Liebe weniger rein sey, als die seinige? Glaubst du, daß ich dich mit mehr Zärtlichkeit und Achtung lieben könnte, wenn du meine Schwester wärest? Ach! warum bist du es nicht! du würdest dann kein Mißtrauen in mich setzen, würdest nicht jeden Augenblick die keuschen und tiefen Gefühle verkennen, die du mir einflößest. Liebt man seine Schwester nicht leidenschaftlich, wenn man ein leidenschaftliches Gemüth besitzt und eine Schwester wie du, Lelia! Die Bande des Blutes, für gemeine Naturen so schweren Gewichts, was sind sie in Vergleichung zu denen, die der Himmel uns im Schatze seiner geheimnißvollen Sympathien bereitet? Nein, wenn er dein Bruder ist, liebt er dich nicht mehr, wie ich, und du bist ihm nicht mehr Zutrauen schuldig, als mir. Aber mit mir theilst du nie deine Leiden. O, ich bin unglücklich, Lelia! denn du bist es, und doch hast du nie eine Thräne in meinen Busen vergossen. Es giebt Tage, wo du dich bestrebst, mit mir froh zu seyn, als fürchtetest du, mir lästig zu werden, wenn du dich deiner Trauer hingäbest. Aber dies ist ein beleidigendes Zartgefühl, Lelia, was mir oft sehr weh gethan hat. Mit ihm bist du nie froh. Habe ich nicht Ursache zur Eifersucht?

VIII.

Ich habe deinen Brief dem Manne gezeigt, den man hier Trenmor nennt und dessen wahren Namen ich nur weiß. Er nimmt solchen Antheil an deinen Leiden und hat ein so fühlendes Herz (was du erstorben glaubtest!), daß er mich ermächtigt hat, dir sein Geheimniß zu vertrauen.

Erfahre zuvor den Grund meiner Theilnahme an Trenmor. Er ist der unglücklichste Mensch, der mir bis jetzt erschien; in seinem Leidenskelche ist nicht ein Tropfen Hefen übrig geblieben, er hat Alles verschlingen müssen; er hat also vor dir einen großen unbestreitbaren Vorrang, den des Elendes.

Weißt du, was Elend ist, junger Mensch? Kaum trittst du in die Welt, du fühlst die ersten Bewegungen, deine Leidenschaften erheben sich, beschleunigen den Umlauf deines Blutes, erwecken neue Empfindungen in dir, und das nennst du leiden! Du glaubst, die große, schreckliche, feierliche Taufe des Elends empfangen zu haben! Du leidest, es ist wahr, aber giebt es ein edleres und süßeres Leiden, als das der Liebe? Wie viele Dichtungen hat es nicht hervorgebracht, und wie erwärmend und fruchtbar ist es, dieses Leiden, was man sagen und sich deshalb beklagen lassen darf!

Aber eines Leidens, was man bei Strafe der Schande und Verwünschung in sich selbst verschließen, in seinem Innern wie einen bittern Schatz verbergen muß, was nicht erwärmet, sondern erstarrt, was keine Thränen, keine Bitten, keine Träume hat, sondern stets wach und kalt das Herz lähmt; eines solchen, wie es Trenmor erfahren hat, könnte er sich einst vor Gott rühmen, am Tage des Gerichts; denn vor Menschen muß es verborgen bleiben.

Höre Trenmors Geschichte. Er ist größer und reicher ausgestattet, als einer von euch. Für ihn war das gewöhnliche Leben zu klein; Geistern wie ihm bietet das Weltall nicht Nahrung genug. Indessen war er, gleich dir, jung, offenherzig, verliebt und auch einmal zwanzig Jahre alt; nur kann man von ihm, da er schneller lebte, sagen, er sey mit sechszehn Jahren zwanzig gewesen.

Nachdem er die Liebe erschöpft hatte, wurde er von einer andern energischen Leidenschaft verzehrt, die ungleich stärker, weit berauschender und fruchtbarer an schrecklichen Dramen ist, das Spiel! Möge der Zweck desselben niedrig scheinen, das Feuer dieser Leidenschaft ist mächtig, die Kühnheit erhaben, die Opfer blind und ohne Gränzen. Solche Empfindungen können Frauen nie einflößen. Das Gold ist eine höhere Gewalt. An Kraft, an Muth, an Hingebung, an Ausdauer, ist der Verliebte, im Vergleich zum Spieler, nur ein schwaches Kind, dessen Anstrengungen Mitleid erregen. Wie viele Männer kannst du gesehen haben, die ihren Geliebten jenes unschätzbare Gut opferten, jene Bedingung des Daseyns, ohne welche kein erträgliches Daseyn denkbar ist, die Ehre! Schwerlich mochte die Hingebung des Verliebten weiter gehen, als bis zum Opfer des Lebens. Der Spieler opfert täglich seine Ehre und erträgt dennoch das Leben. Er ist schroff, er ist Stoiker, er triumphirt kalt und unterliegt kalt, er steigt in einigen Stunden von dem untersten Range der menschlichen Gesellschaft zum ersten, und sinkt eben so wieder bis auf den Punkt zurück, von dem er ausging, und alles dieses, ohne seine Stellung oder seine Züge zu verändern. In wenigen Stunden durchläuft er, ohne den Platz zu verlassen, an welchen ihn sein Dämon fesselt, jeden Wechsel des Lebens. Bald König, bald Bettler, erklimmt er diese unermeßliche Leiter mit einem Sprunge, stets ruhig, stets Herr seiner selbst, stets von seinem kräftigen Ehrgeiz unterstützt, stets von dem scharfen Durste gereizt, der ihn verzehrt. Was wird er in der nächsten Minute seyn? Fürst oder Sklave? Wie wird er diese Höhle verlassen, nackend oder unter dem Gewicht des Goldes erliegend? Gleichviel, er wird morgen wiederkommen, sein Glück zu versuchen, es entweder ganz zu verlieren, oder es zu verdreifachen. Es giebt nur ein Unmögliches für ihn, die Ruhe; er ist wie der Sturmvogel, dem auf hoher See und beim Toben des Orkanes am wohlsten ist. Man beschuldigt ihn, er liebe das Gold. Er liebt es so wenig, daß er es mit vollen Händen wegwirft. Diese Gaben der Hölle würden ihm weder nützen, noch ihn sättigen können. Kaum reich geworden, wünscht er schon wieder, ruinirt zu seyn, um noch einmal die schreckliche Bewegung zu kosten, ohne welche das Leben für ihn keinen Geschmack hat. Was gilt ihm das Gold? An und für sich weniger, als dir die Sandkörner. Ihm ist das Gold nur das Emblem des Guten und Bösen, was er zu suchen oder ihm zu trotzen kommt. Es ist sein Spielzeug,, sein Feind, sein Gott, sein Traum, sein Dämon, seine Geliebte, seine Poesie; es ist der Schatten, den er verfolgt, den er angreift, den er festhält und den er wieder entschlüpfen läßt, um den Kampf von neuem zu beginnen und sich noch einmal mit dem Schicksal zu messen. Das ist abgeschmackt; man muß es verdammen, denn eine auf solche Weise verwendete Energie bleibt ohne Nutzen für die Gesellschaft. Der Mensch, der seine Kräfte auf ein solches Ziel leitet, bestiehlt seines Gleichen um alles Gute, was er hätte thun können, wenn er von weniger Egoismus beseelt gewesen wäre. Aber, wenn ihr ihn verdammt, so verachtet ihn nicht, ihr kleinen Seelen, die ihr weder zum Guten noch zum Bösen fähig seyd; meßt nur mit Entsetzen den starken Willen, der sich auf ein schäumendes Meer hinauswagt, nur um das Vergnügen zu haben, seine Kraft zu versuchen. Sein Egoismus stößt ihn mitten in Mühseligkeiten und Gefahren hinein, wie der eurige euch an ruhige und arbeitsame Beschäftigungen kettet. Wie viele Menschen werdet ihr finden, die für das Vaterland arbeiten, ohne an sich selbst zu denken? Er aber isolirt sich, er verfügt über seine Zukunft, über seine Gegenwart, über seine Ruhe, über seine Ehre. Er verurtheilt sich zum Leiden, zur Erschöpfung. Beklagt seinen Irrthum, aber vergleicht euch nicht mit ihm in eurem Dünkel, um auf seine Kosten zu glänzen. Sein Beispiel möge nur dienen, euch über eure unschädliche Nullität zu trösten.

Ich höre hier für heute auf; dein Alter ist das der Unduldsamkeit, und du würdest zu bestürzt werden, wenn ich dir Trenmors ganzes Geheimniß an einem Tage offenbaren wollte. Dieser Theil der Erzählung möge erst wirken; das Uebrige morgen.

IX.

du hast Recht, wenn du mich schonst; was ich höre, erstaunt mich und wirft mich nieder. Aber nicht der Antheil bewegt mich so, den ich an Trenmors Geheimniß nehme, sondern dein Urtheil über dies Alles beunruhigt mich. Du mußt weit über der menschlichen Gesellschaft stehen, wenn du Verbrechen, welche man gegen dieselbe begeht, so leicht hin behandelst.

Alles, was Du sagst, hat auf mich eine Wirkung, wie die des vollen Sonnenlichts auf Augen, die an Finsterniß gewöhnt waren. Und doch fühle ich, daß du mir das Licht nur sparsam zutheilst, entweder aus Freundschaft oder aus Mitleiden.

O Gott! was habe ich denn noch zu lernen? Welchen Täuschungen hat meine Jugend unterlegen? Der Spieler sey nicht verächtlich, sagst du? Oder wenn er es in den Augen höherer Wesen ist, kann er es nicht in den meinigen seyn? Ich habe nicht das Recht, ihn zu richten und zu sagen: Ich bin größer, als dieser Mensch, der sich selbst schadet und Niemanden nützet. Gut! es sey; ich bin jung; ich weiß nicht, was aus mir werden wird; ich habe die Prüfungen des Lebens noch nicht durchgemacht; aber Trenmor war auch einst zwanzig Jahre und besaß edle Leidenschaften, Du, Lelia, deren Seele und Geist größer sind, als Alles, was es auf Erden giebt, kannst Trenmor verdammen und hassen, und du willst es nicht! Dein nachgebendes Mitleiden oder deine unkluge Bewunderung (ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll,) folgt ihm auf seinen strafbaren Triumphen, belobt seine Erfolge und achtet sein Unglück ...

Aber wenn dieser Mensch so hoch steht, wenn in ihm ein solcher Luxus von Kraft ist, warum bedient er sich desselben nicht, so unselige Neigungen zu unterdrücken? Warum macht er einen üblen Gebrauch von seiner Kraft? Also wären Seeräuber und Banditen auch groß? Derjenige also, welcher sich durch kühne Verbrechen oder ungewöhnliche Laster auszeichnet, ist ein Mensch, dem die erstaunte Menge Achtung schuldig ist! Man muß folglich ein Held oder ein Ungeheuer seyn, um dir zu gefallen!

Wohl! sage mir ein ermuthigendes Wort, Lelia! sage mir, was du willst, daß ich sey und ich werde es seyn. Du glaubst, daß Frauenliebe nicht die nämliche Kraft verleihe, als die Liebe zum Golde ...

Ist es meine Unehre, meine Schande, die du verlangst? Nun wohl, Lelia, wohl! ... Doch ich thue Unrecht, dir solche Opfer anzubieten, du würdest mich nachher verachten. Aber du verachtest Trenmor nicht, der seine Ehre zum Opfer gebracht hat, wie du sagst, und wem? der Leidenschaft des Spieles! Fahre fort mit dieser Geschichte, sie spricht mich auf eine schreckliche Weise an, denn sie ist am Ende eine Enthüllung deiner Seele, dieser tiefen, beweglichen, unergreifbaren Seele, die ich stets suche und nie ergründe.

X.

Ohne Zweifel giltst du mehr als wir, junger Mensch, dein Stolz möge sich beruhigen. Aber wirst du in zehn Jahren, ja selbst in fünf Jahren, Trenmor oder Lelia aufwiegen? Das ist eine Frage ...

So wie du bist, liebe ich dich, junger Mensch! Möge dieses Wort dich weder erschrecken, noch berauschen. Ich verlange nicht, dir hier die Lösung des Räthsels zu geben, die du wünschest. Ich liebe dich wegen deiner Aufrichtigkeit, wegen deiner Unwissenheit in Dingen, die ich weiß, wegen dieser großen Jugendsittlichkeit, die du so ungeduldig bist abzustreifen, unklug, wie du bist! Ich liebe dich auf eine andere Art als Trenmor; trotz seiner großen Leidenschaften, trotz seiner höheren Bildung, finde ich in seiner Unterhaltung weniger Reiz als in der deinigen, und ich werde dir gleich erklären, warum ich mich so weit aufopfere, dich gegen ihn aufzugeben.

Ehe ich jedoch in meiner Erzählung fortfahre, will ich eine deiner Fragen beantworten:

Warum, sagst du, hat dieser Mensch von so mächtigem Willen seine Kraft nicht angewendet, sich selbst zu bekämpfen? Warum! ... glücklicher Stenio! — Aber wie fassest du denn die Natur des Menschen auf? — Was schließest du, aus seiner Kraft? Was erwartest du von dir selbst?

Du bist sehr unklug, Stenio, dich in unsern Strudel zu stürzen. Du zwingst mich, dir Folgendes zu sagen:

Menschen, welche ihre Leidenschaften zu Gunsten Anderer unterdrücken, sind so selten, siehst du, daß ich noch keinen gefunden habe. Ich habe Helden gesehen an Ehrgeiz, an Liebe, an Egoismus und besonders an Eitelkeit. — An Menschenliebe? ... Viele rühmten sich deren gegen mich, aber sie logen in ihren heuchlerischen Hals hinein. Mein trauriger Blick tauchte tief in ihr Herz und fand nichts als Eitelkeit. Nächst der Liebe ist die Eitelkeit die schönste Leidenschaft des Menschen, und wisse, armes Kind, daß sie noch sehr selten ist. Die Begierde, der plumpe Stolz auf gesellschaftliche Auszeichnung, die Ausschweifung, alle niederen Neigungen, die Faulheit selbst, die bei Einigen eine völlig unfruchtbare aber hartnäckige Leidenschaft ist, das sind die Sporen, welche die meisten Menschen in Bewegung setzen. Die Eitelkeit ist doch wenigstens groß in ihren Wirkungen. Sie zwingt uns, gut zu seyn, weil wir es so gern scheinen möchten, sie treibt uns zum Heroismus, weil es so süß ist, sich im Triumph getragen zu sehen, so mächtig und verführerisch ist die Volksgunst. Und nie wird die Eitelkeit eingestanden, während andere Leidenschaften sich nicht so verbergen lassen. Die Eitelkeit kann sich hinter ein anderes Wort verstecken, was dann von Thoren dafür angenommen wird. Menschenliebe! — O mein Gott! welche kindische Falschheit! Wo ist er der Mensch, der das Glück Anderer seinem eigenen Ruhme vorziehen würde?

Das Christenthum selbst, wodurch das Heldenmüthigste, was es hienieden giebt, ins Leben gerufen wurde, das Christenthum, welche Basis hat es? Die Hoffnung auf Belohnungen, auf einen in den Himmel erhobenen Thron. Und diejenigen, welche diesen großen Codex schufen, das schönste, umfassendste, poetischste Denkmal menschlichen Geistes, kannten das menschliche Herz mit seinen Eitelkeiten und Schwächen so genau, daß sie ihr System der göttlichen Verheißungen darnach ordneten. Lies die Schriften der Apostel, so wirst du finden, daß es Unterschiede im Himmel giebt, verschiedene Hierarchien der Seligen, auserwählte Plätze, eine regelmäßig organisirte Miliz mit ihren Chefs und ihren Graden. Eine gewandte Auslegung der Worte Christi: „Die ersten werden die letzten seyn und die letzten werden die ersten seyn! — Wahrlich, ich sage euch, der Kleinste auf Erden wird der Größte im Himmelreiche seyn.“

Nun zu Trenmor. Warum er nicht seine moralische Kraft angewendet habe, sich zum Wohl seiner Mitmenschen zu beherrschen? Weil er das Leben mißverstand, weil sein Egoismus ihm schlechten Rath ertheilte, weil er, statt sich in einer Heldenrolle zu versuchen, gleichsam Kunststücke machte und sich auf das Drahtseil wagte. Aber dieser Vergleich ist nicht passend. Der Marktschreier hat so gut seine Eitelkeit wie der Schauspieler. Der Spieler hat deren nicht, er wird nicht bewundert, nicht belobt, nicht beneidet. Seine Triumphe sind so kurz und so gewagt, daß es sich kaum der Mühe lohnt, davon zu reden. Im Gegentheil, die Gesellschaft verdammt ihn, der große Haufe verachtet ihn, besonders wenn er verloren hat. Sein ganzer Charlatanismus besteht darin, daß er die Fassung nicht verliere und mit Anstand falle. Wenn er in seinen schnell wieder enteilenden Glücksstunden einmal Vergnügen daran findet, eine Eitelkeit des Luxus zu befriedigen, so ist das nur ein kurzer Tribut, den er der menschlichen Schwäche zollt. Bald wird er einen so kindischen Genuß dem verzehrenden Drange seines Gemüths, dem höllischen Fieber opfern, welches ihm nicht verstattet, einen Tag so zu leben wie andere Leute. Frage den Schiffer, ob er am Lande leben, den Vogel, ob er ohne seine Flügel glücklich seyn könne?

An und für sich ist der Spieler kein Verbrecher; seine Stellung in der menschlichen Gesellschaft macht ihn dazu; es ist seine Familie, die er entehrt oder zu Grunde richtet.

Oder glaubst du, der Spieler gehöre in die Kategorie der Freibeuter und Räuber? Frage die Regierungen, warum sie einen Theil ihrer Einkünfte aus einer so schändlichen Quelle beziehen? Sie allein sind Schuld daran, daß diese schrecklichen Versuchungen zur Unruhe, diese verabscheuungswürdigen Hülfsmittel der Verzweiflung bestehen.

Aber du begreifst noch nicht, warum ich diesen Menschen entschuldige; so wisse denn, daß ich ihn einst mitten in seinen glänzendsten Erfolgen traf und mich mit Verachtung von ihm wandte. Ich würde ihn noch verachten, wenn er seinen Fehler nicht gebüßt hätte; wir werden sehen, ob du ihm nicht auch verzeihest, wenn du Alles wissen wirst.

Ist auch die Spielsucht an und für sich nicht gerade das schändlichste der menschlichen Laster, so ist sie doch das gefährlichste von allen, das gierigste, das unwiderstehlichste und dessen Folgen die bejammernswerthesten sind. Es ist fast unmöglich, daß der Spieler sich nach Verlauf einiger Jahre nicht entehren sollte.

Nachdem Trenmor lange Zeit ein so angstvolles und convulsivisches Leben mit dem ritterlichen Heroismus, der die Grundlage seines Charakters bildet, fortgeführt hatte, ließ er sich endlich verleiten, d. h. er verlor, nachdem sein Geist in diesem unaufhörlichen Kampfe ermüdet war, die stoische Kraft, womit er bis dahin die ihn getroffenen Unfälle erduldet, alle Schrecken der Dürftigkeit ertragen und geduldig den Wiederaufbau seines Glücks angefangen hatte, um mit einem Heller, wartend, hoffend, klüglich Schritt vor Schritt gehend, den Verlust eines Tages in einem Monate zu ersetzen, und suchte endlich, des Leidens überdrüssig, nach andern Mitteln, seinen Verlust schneller herzustellen; er borgte, und von da an war er verloren.

Zu dieser Zeit lernte ich Trenmor kennen und verachten. Meine Verachtung that ihm weh, und er hörte auf, von seinen Freunden zu borgen. Aber er hätte von seiner Leidenschaft geheilt werden müssen, und das ging vielleicht über seine Kräfte. Er nahm seine Zuflucht zu den kläglichen Mitteln, wodurch sich die zu Grunde Gehenden noch kurze Zeit emporhalten. Er warf sich den Wucherern in die Arme und gelangte in einigen Wochen zu einer furchtbaren Schuldenlast, während das Glück ihn ganz verließ. So besaß er denn eines Tages nicht einen Heller mehr.

Er sagte mir später, er sey damals im Begriff gewesen, sich an mich zu wenden, da er, trotz meines zurückstoßenden Benehmens, sich zu mir hingezogen gefühlt habe. Aber falsche Scham hielt ihn ab, er kam nicht.

An diesem unseligen Tage drängte sich ihm der Gedanke auf, wie er mit Leichtigkeit eine Infamie begehen könne. Die Gelegenheit öffnete ihm die Arme, umfing ihn mit ihren schmutzigen Liebkosungen und bemächtigte sich seines verirrten Gemüthes. Dieser Mensch, der nie gegen einen Freund spielen wollte, der ängstlich verweigert hatte, durch geschicktes oder verwickeltes Spiel zu gewinnen, der, außer am Spieltisch, nie der Versuchung unterlegen war, seinen Nächsten zu berauben, dieser Grosso-Spieler, unerschrocken, auf seine Art sogar gewissenhaft, entschloß sich zu einer Gaunerei von hundert Franken gegen einen alten Millionair, einen Betrüger und Libertin, der die Banknoten nicht zählte, die er seinen Mädchen hinwarf. Eigentlich, Stenio, war dies ein geringeres Verbrechen für Trenmor, als die, welche er begangen hatte, ohne gegen die Gesetze zu fehlen. Er hatte rechtschaffene Leute durch seine Anleihen in Schaden gebracht, während er jetzt nur einem reichen Sünder ein kaum bemerkbares Almosen abnahm. Sey dem wie ihm wolle, dieser Streich richtete ihn vollends zu Grunde, die Gaunerei wurde entdeckt, und Trenmor kam auf fünf Jahre auf die Galeeren.

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