Kitabı oku: «Lelia», sayfa 3

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XI.

In der That, das ist ein großes Geheimniß, und ich fühle mich demjenigen sehr verpflichtet, der sich nicht gescheut hat, es mir anzuvertrauen. Wir drei sind nun durch ein heiliges Band verbunden, ein Band, was mir zwar Schrecken verursacht, was ich aber nicht mehr das Recht habe zu zerreißen.

Trotz der Vorsicht, Lelia, womit du mir das Geheimniß offenbartest, bin ich doch davon zermalmt worden. Wie ich mich erinnerte, daß ich eine Stunde vorher, ehe ich es las, jenen Menschen deine Hand drücken sah, deine Hand, die ich nie gewagt habe anzurühren und die du nie Jemanden, außer ihm, geboten hast, fühlte ich es wie Eis auf mein Herz fallen. Du im Bündniß mit einem solchen verderbten Menschen! Dich himmlisches, auf den Knien angebetetes Wesen, habe ich einen Augenblick für die Schwester eines — ich werde das Wort nicht niederschreiben — halten können! Und doch bist du ihm jetzt mehr als Schwester. Eine Schwester hätte nur ihre Schuldigkeit gethan, wenn sie ihm verzieh. Du hast dich freiwillig zu seiner Freundin gemacht, zu seiner Trösterin, zu seinem Engel. Du bist groß, Lelia, größer, als ich dachte. Deine That thut mir weh, ich weiß nicht warum, aber ich bewundere sie und verehrt dich. Was ich nicht ertragen kann, ist, daß jener Mensch, den ich hasse und zugleich bedaure, es gewagt hat, die Hand zu berühren, die du ihm darbotest; daß er den Dünkel gehabt hat, deine Freundschaft anzunehmen, deine heilige Freundschaft, um die die größten Männer dieser Erde demüthigst bitten würden, wenn sie ihren Werth kännten. Trenmor hat sie erhalten, Trenmor besitzt sie, und er spricht nicht zu dir mit der Stirn im Staube; nein, er steht stolz dir zur Seite und durchwandelt mit dir die erstaunte Menge, er, der fünf Jahre die Kugel geschleppt hat, an der Seite eines Diebes oder eines Vatermörders — er, der Falsarius! Ach, ich hasse ihn, aber ich verachte ihn nicht. Zürne mir nicht.

Dich, Lelia, beklage ich und mich auch, daß ich dein Schüler und Sklave bin. Du kennst zu viel vom Leben, um glücklich zu seyn; doch hoffe ich, daß nur Unglück dich so bitter macht und daß du das Uebel vergrößerst; ich kann den harten Schluß deines Briefes nicht so unbedingt hingehen lassen: daß die besten Menschen die eitelsten und der Heldenmuth ein Trugbild sey. Du glaubst es, arme Lelia! Du bist unglücklich, ich liebe dich.

XII.

Trenmor hatte nur ein Mittel, meine Freundschaft zu gewinnen: das war, sie anzunehmen, und er hat es gethan. Er hat nicht angestanden, meinem Versprechen zu trauen, er hat nicht geglaubt, daß diese Großmuth meine Kräfte übersteigen werde. Weit entfernt, ängstlich vor mir zu kriechen, ist er ruhig, er stützt sich auf mein Zartgefühl, er verfährt nicht vertheidigungsweise und setzt nicht voraus, daß ich ihn demüthigen und das Gewicht meines Schutzes fühlen lassen könnte. Wahrlich, dieser Mann ist edel und groß, und keine Freundschaft hat mir mehr geschmeichelt, als die seinige.

Seinen Charakter verachtest du nicht mehr, wohl aber seine Lage, nicht wahr? Stolzer junger Mann, wagst du es, dich über ihn zu erheben, den der Blitz niedergeworfen hat? Weil er verwegen ist und sich in Klippen verirrt hat, wirfst du ihm seinen Fall vor und wendest dich von ihm ab, nun du ihn zerschellt und blutend aus dem Abgrunde kommen siehst! Ach! du bist von dieser Welt, du! Du theilst ihre unerbittlichen Vorurtheile, ihre selbstsüchtige Rache. So lange der Sünder sich noch aufrecht erhält, duldet ihr ihn allenfalls, aber sobald er am Boden liegt, tretet ihr ihn unter die Füße, ihr hebt Steine gegen ihn auf, wie es der große Haufen thut, damit die andern Henker euch gerecht glauben sollen, wenn sie eure Grausamkeit sehen. Ihr würdet euch fürchten, ihm nur ein wenig Mitleiden zu zeigen, denn man könnte es übel auslegen und glauben, daß ihr Brüder oder Freunde des Schlachtopfers wäret. Und wenn man gar annähme, daß ihr der nämlichen Uebelthaten fähig wäret, wenn man von euch sagte: Seht den Menschen, der dem Geächteten die Hand reicht, ist er nicht etwa der Gefährte seines Elendes und seiner Schande? Ha! ehe das gesagt wird, laßt uns den Verbrecher steinigen, laßt uns ihm die Fersen auf den Kopf setzen und ihm den Rest geben. Laßt uns unsere Verwünschungen mit denen der Menge vermischen!

Wenn der scheußliche Karren den Verdammten zum Schaffot schleppt, reiht sich das Volk umher, um das Ueberbleibsel eines Menschen, was nun sterben soll, mit Schimpf zu überhäufen. Mache es doch, wie das Volk, Stenio! Was würde man von dir sagen, hier, wo du gleich uns fremd bist, wenn man sähe, daß du seine Hand berührst? Man würde vielleicht glauben, du seyst mit ihm im Bagne gewesen. Ehe du dich dem aussetzest, junger Mensch, fliehe ihn! Die Freundschaft eines Verfluchten ist gefährlich. Das unaussprechliche Vergnügen, einem Unglücklichen wohl zu thun, ist mit den Flüchen der Menge zu theuer erkauft. Rechnest du so? Ist das deine Ansicht, Stenio?

Hast du nicht jedesmal geweint, wenn du in der englischen Geschichte den schönen Zug von einem jungen Mädchen gelesen hast, welches, wie es Karl den Ersten zum Tode führen sah, durch den Haufen der Neugierigen drang und, nicht wissend, wie es ihm ihre Theilnahme zu erkennen geben sollte, arm und einfach wie es war, ihm eine Rose anbot, die es in der Hand trug; eine Rose, so rein und lieblich, wie es selbst war, die es vielleicht von seinem Geliebten bekommen hatte, und die nun das einzige und letzte Zeichen von Liebe und Mitleiden war, was einem zum Tode gehenden Könige wurde? Rührt dich nicht auch in der herrlichen Geschichte des Aussätzigen von Aosta die natürliche und einfache Handlung des Erzählers, der ihm die Hand reicht? Armer Aussätziger, der seit vielen Jahren keine Menschenhand berührt hatte, dem es große Ueberwindung kostete, diese freundliche Hand auszuschlagen, und der sie dennoch ausschlug, aus Furcht, sie mit seinem Uebel anzustecken! ...

Warum hätte denn Trenmor die meinige zurückweisen sollen? Steckt das Unglück an, wie der Aussatz? laß den großen Haufen mich tadeln und Trenmor undankbar seyn, ich werde Gott und mein Herz für mich haben, ist das nicht mehr als die Achtung des Haufens und die Dankbarkeit eines Menschen? Ach! dem Durstigen ein Glas Wasser zu reichen, die Schamröthe eines Andern verbergen zu helfen, einer armen Ameise, die der Waldstrom verschlingen will, ein rettendes Hälmchen zuwerfen, das sind geringe Wohlthaten! Dennoch untersagt und bestreitet sie die öffentliche Meinung! Schande über uns! Wir hegen nicht ein gutes Gefühl, was man nicht unterdrücken oder verbergen müßte. Man lehrt die Kinder der Menschen eitel und unerbittlich seyn, und das nennt man dann Ehre! Verwünschung über uns alle!

Wenn ich dir nun sagte, daß ich, weit entfernt, mein Benehmen als eine Handlung des Mitleidens zu betrachten, für diesen Menschen, der fünf Jahre im Bagne gewesen ist, eine Art von enthusiastischer Hochachtung fühle! Wenn ich dir sagte, daß, so wie er da ist, zerschellt, gebrandmarkt, verloren, ich ihn in moralischer Beziehung weit höher gestellt finde, als einen von uns? Weißt du, wie er sein Elend ertragen hat? Du hättest dich getödtet, du hättest bei deinem Stolze die Strafe der Infamie nimmermehr über dich ergehen lassen. Er hat sich unterworfen, er hat gefunden, daß die Strafe gerecht sey, daß er sie verdient habe, nicht sowohl für das Gaunerstückchen, wozu ihn die Verzweiflung gebracht hatte, als vielmehr für das Böse, was er während längerer Zeit ungestraft verübt hatte. Er hat fünf Jahre, stark und geduldig, unter seinen verworfenen Gefährten zugebracht. Er hat zur Seite des Vatermörders geschlafen, er hat seinen Rücken schweigend der Peitsche des Zuchtmeisters zugewendet, er hat die Blicke der Neugierigen ertragen; er hat fünf Jahre in diesem Kothe, unter diesen wilden und giftigen Thieren gelebt; er hat die Verachtung der niedrigsten Verbrecher und die Herrschaft der elendesten Spione erduldet. Er ist Galeerensklave gewesen, dieser einst so reiche, gleichsam in Wollüsten schwimmende Mann, dieser Mann von eleganten Sitten und mit poetischen Gefühlen, der Künstler und Stutzer war! Er, der auf seiner schnellen Gondel auf den Wellen des schönen Venedigs einherflog, von Frauen, Wohlgerüchen und Gesängen umgeben; er, der als einer der größten Wetter die Preise beim Pferderennen in Newmarket gewann; er, der, wie Byron, unter dem Himmel Griechenlands geschlafen, der den Glanz des Lebens in allen Gestalten genossen und erschöpft hatte, hat sich gestählt, verjüngt und wiedergeboren im Bagne! Und aus diesem stinkenden Cloak, wo der Vater, der seine Töchter verkaufte, der Sohn, der seine Mutter schändete und vergiftete, noch Mittel finden, an Verderbtheit zuzunehmen, aus dem Bagne, aus dem man entstellt und wie ein Thier herauskriecht, ist Trenmor aufrecht, ruhig, geläutert, bleich, wie du ihn siehst, hervorgegangen, aber noch schön, wie ein Geschöpf Gottes, wie der Widerschein, den die Gottheit auf die Stirn des denkenden Menschen wirft.

XIII.

Der See war diesen Abend ruhig, wie die letzten Herbsttage, wo der Wintersturm noch nicht wagt, die stummen Fluthen aufzuregen, und wo die rosigen Schwertlilien am Ufer, eingewiegt vom sanften Wellenschlage, zu schlafen scheinen.

Trenmor stand am Steuerruder, in einen Mantel gehüllt, den Blick gegen den Himmel gerichtet, der ihm so lange gezürnt hatte. Ein Vogel kam über den See geflogen und berührte fast Trenmors Haar.

„Ein Freund,“ rief der Galeerensklave, „eine süße Erinnerung. Wenn ich am sandigen Meeresufer ruhte, unbeweglich wie die Steinplatten des Hafens, näherten sich mir oft Vögel, die mich für eine Statue nahmen und mich ohne Furcht betrachteten; sie waren die einzigen Wesen, die mir weder Abscheu noch Verachtung zeigten. Sie verstanden mein Elend nicht, sie warfen es mir nicht vor; machte ich eine Bewegung, so ergriffen sie die Flucht. Sie sahen nicht, daß ich eine Kette am Fuße hatte, daß ich sie nicht verfolgen konnte; sie wußten nicht, daß ich Galeerensklave war; sie flohen vor mir, wie vor einem Menschen.“

„Dichter!“ sagte der junge Mann zum Sträflinge, „sage mir, wo hat deine eherne Seele die Kraft hergenommen, die ersten Tage eines solchen Daseyns zu ertragen?“

„Ich werde dir es nicht sagen, Stenio, denn ich weiß es nicht mehr: in jenen Tagen fühlte ich nicht, lebte nicht, begriff nichts. — Aber nachdem ich mein Elend begriff, fühlte ich auch die Kraft, es zu ertragen. Am meisten hatte ich ein ruhiges, eintöniges Leben gefürchtet. Wie ich aber sah, daß es hier Arbeit gab, Mühseligkeiten, heiße Tage und kalte Nächte, Schläge, Beschimpfungen, Geheul, das unermeßliche Meer vor Augen, den starren Grabstein zu den Füßen, schreckliche Dinge zu hören und furchtbare Leiden zu sehen, da begriff ich auch, daß ich leben könnte, weil ich kämpfen und leiden konnte.“

„Aber, Trenmor,“ rief Lelia, „wie hast du in jener Höhle die Ruhe wieder gefunden?“

„Die Ruhe,“ sagte Trenmor mit einem Blicke gen Himmel, „ist die größte Wohlthat der Gottheit, sie ist die Zukunft, nach welcher die unsterbliche Seele trachtet, sie ist die Seligkeit! sie ist Gott selbst! Im Bagne habe ich sie gefunden. Außerhalb desselben hätte ich das Geheimniß der Bestimmung des Menschen nie verstehen lernen, ich, ein Spieler, ein Mensch ohne Glauben, ohne Zweck, durch ein Leben ermüdet, dessen Ausgang mir dunkel blieb, im Besitz einer Freiheit, die ich nicht zu benutzen wußte, ohne mir die Zeit zu nehmen, darüber nachzudenken, so eifrig war ich bemüht, die Zeit zu tödten und die Langeweile des Daseyns abzukürzen! Es war nöthig, daß mir auf einige Zeit mein Wille genommen und ich unter die Herrschaft eines feindseligen, brutalen Willens gestellt wurde, der mich den Werth des meinigen erkennen lehrte. Erst im Bagne genoß ich die wollüstige Süßigkeit des vollen Schlafes, die mich während meines glänzenden Lebens geflohen hatte. Im Bagne lernte ich mich selbst achten, denn, weit entfernt, durch die Berührung mit jenen Elenden gedemüthigt zu werden, erhob ich mich in meinen eigenen Augen, wenn ich ihre feige Frechheit und ihre düstere Wuth mit meiner ruhigen Hingebung verglich, und ich wagte zu glauben, daß doch wohl eine schwache und entfernte Verbindung zwischen dem Himmel und den muthvollen Menschen statt finden möge. Früher wollte es mir nie gelingen, eine solche Hoffnung zu fassen, die jetzt die Ruhe in mir erzeugte und die immer fester wurzelte. Ich konnte mich zu Gott erheben und mit Inbrunst beten. O! damals flossen Freudenströme in meine zerrissene Seele. O Lelia! O Stenio! Ihr glaubt auch an Gott, nicht wahr!“

„Immer,“ rief Stenio.

„Fast immer,“ rief Lelia.

„So wie die Seelenruhe den Gedanken an Gott in mir erregte,“ fuhr Trenmor fort, „machte sie mich auch zum Dichter. Welche Schätze wären mir verborgen geblieben, ohne jene fünf Jahre der Reue und der Buße! Mir waren die Schrecken des Bagne, was einem weichern Gemüthe die Ruhe des Klosters gewesen wäre.

„Es würde sehr abgeschmackt seyn, wenn ich behaupten wollte, daß der Wiederbesitz von Gütern, die ich so lange entbehren mußte, mir gleichgültig gewesen wäre. Ich habe euch erzählt, durch welchen Zusammenfluß sonderbarer Begebenheiten, nach welchen Reisen und Arbeiten ich endlich dahin gelangt bin, meine Gläubiger zu befriedigen und mir für den Rest meiner Tage eine Existenz zu sichern. Ich muß indessen gestehen, daß ich mir dieses Leben glücklicher gedacht hatte, als ich es jetzt finde,“

Trenmor verfiel hier in tiefe Träumerei. Auch seine Gefährten schwiegen. Als sie am Ufer landeten, rief Trenmor: „Wie, schon da? Du ruderst zu schnell, Stenio, du reißest mich aus einer süßen Täuschung. Der Nebel trügte mich; das Geräusch der Ruder, die kalte Abendluft und besonders die heilige Ruhe in mir ließen mich glauben, ich wäre noch im Bagne.“

XIV.

Einige Stunden später waren sie auf dem Balle bei dem reichen Tonkünstler Spuela. Trenmor und Stenio sahen dem beweglichen Treiben der Tänzer zu; in einiger Entfernung auch Lelia, an eine Säule gelehnt. Ihr schwarzes Haar ließ die Stirn unbedeckt, die Gottes Finger mit dem Siegel eines geheimnißvollen Unglücks gezeichnet zu haben schien. Stenio verschlang die erhabene Gestalt mit glühenden Blicken.

„Betrachte Lelia,“ sagte Trenmor mit dem Ausdruck stiller Bewunderung, „betrachte diesen hohen griechischen Wuchs, diese antike Schönheit, wovon die Bildhauerkunst das Modell verloren hat, mit dem Ausdruck der tiefen Träumerei des philosophischen Zeitalters, diese reichen Formen und Züge, diesen Luxus der ganzen Gestalt, deren jetzt vergessene Vorbilder nur eine homerische Sonne erschaffen konnte! Kann man sich etwas Vollkommeneres denken, als diese träumende Lelia in dieser Kleidung und Stellung? Das ist der fleckenlose Marmor der Galathea, mit dem himmlischen Blicke des Tasso, mit dem düstern Lächeln des Alighieri. Das ist die ungezwungene ritterliche Stellung der jugendlichen Helden des Shakspeare; das ist Romeo, der poetische Liebhaber; das ist Hamlet, der blasse, ascetische Schwärmer; das ist Juliette, die halbtodte Juliette, die in ihrem Busen das Gift und die Erinnerung an eine unglückliche Liebe verbirgt. Kurz, dieses Gesicht schließt alle großen Namen der Geschichte, der Bühne und der Poesie in sich. Du kannst Lelia alle diese Namen geben, ihr eigner wird doch der größte und wohlklingendste bleiben. Sie ist von allen großen Gedanken und erhabenen Gefühlen beseelt, von Religion, Begeisterung, Stoicismus, Mitleiden, Ausdauer, Schmerz, Barmherzigkeit, Verzeihung, Aufrichtigkeit, Kühnheit, Verachtung des Lebens, Einsicht, Tätigkeit, Hoffnung, Geduld; sie besitzt Alles. Alles, bis zu den unschuldigen Schwächen, bis zu dem leichten Sinne der Frauen, bis zu der liebenswürdigen Sorglosigkeit, die vielleicht ihr süßestes Vorrecht und ihre mächtigste Verführung ist.“

„Alles, außer der Liebe,“ rief Stenio. „Ach! es ist also doch wahr! Du hast die Liebe nicht mit genannt, Trenmor, du, der Lelia kennt. Und wenn es so ist, so hast du unwahr geredet: Lelia ist kein vollkommenes Wesen. Ohne Liebe, dem Ausfluß des himmlischen Feuers, ist die schönste Schöpfung ohne Werth, ist die Schönheit selbst nur ein lebloses Bild. Was ist dann Lelia? Ein Schatten, ein Traum, höchstens eine Idee. Geh, wo keine Liebe ist, ist kein Weib.“

„Und glaubst du auch,“ sagte Trenmor, ohne auf das zu antworten, was Stenio als eine Frage eingekleidet zu haben meinte, „glaubst du auch, daß, wo keine Liebe, mehr sey, auch kein Mann mehr sey?“

,,Ich glaube es von ganzer Seele,“ rief der junge Mann.

„In diesem Falle bin ich also auch todt,“ erwiederte Trenmor lächelnd, „denn ich fühle keine Liebe für Lelia; und wenn Lelia sie nicht einflößt, welche Andere sollte es können? Ich hoffe aber, du irrest und es wird mit der Liebe seyn, wie mit den andern Leidenschaften. Ich glaube, daß der Mensch erst da anfängt, wo sie aufhören.“

In diesem Augenblicke stieg Lelia die Stufen herunter und kam auf sie zu. Die traurige Majestät, welche sie wie eine Glorie umgab, isolirte sie fast immer im Geräusche der Welt: sie gab sich nie öffentlich ihren Gefühlen hin. Sie verbarg sich in sich selbst, um über das Leben zu lachen, aber sie durchschritt es mit einem feindseligen Mißtrauen und zeigte sich nur unter einem kalten, strengen Aeußeren, um so viel möglich die Berührung mit der Gesellschaft zu vermeiden. Indessen liebte sie die Feste und öffentlichen Zusammenkünfte. Sie kam dahin, um ein Schauspiel zu suchen, um zu träumen, einsam mitten unter der Menge. Zwischen ihr und dieser fand kein Austausch statt. Wenn auch Lelia Sympathie fühlte, lag ihr doch nichts daran, sie einzuflößen. Sie hatte kein Bedürfniß darnach, die Menge begriff dieses Geheimniß nicht, war aber bezaubert, und während sie dieses unbekannte Wesen, dessen Unabhängigkeit beleidigte, herabzusetzen suchte, bezeigte sie ihr doch instinktartig eine Achtung, die an Furcht grenzte. Der arme junge Dichter, von dem sie geliebt wurde, begriff die Ursachen ihrer Macht etwas besser, obgleich er sie sich noch nicht gestehen wollte. Zuweilen war er der traurigen Wahrheit, die er suchte und wieder aufgab, so nahe, daß er fast vor Lelia zurückschauderte. Es schien ihm dann, als sey Lelia seine Geißel, sein Dämon, sein böser Geist und der gefährlichste Feind, den er auf der Welt habe. Wie er sie auf sich zukommen sah, allein und gedankenvoll, fühlte er etwas, wie Haß gegen ein Wesen, das durch kein sichtbares Band mit der Natur verbunden zu seyn schien, ohne zu bedenken, daß er ungleich mehr gelitten haben würde, wenn er sie hätte reden und lächeln sehen.

„Du bist hier,“ sagte er zu ihr in einem bittren Tone, „wie ein Leichnam, der seinen Sarg geöffnet hat und unter den Lebenden herumwandelt. Man meidet dich, man fürchtet sich, dein Grabgewand zu berühren, man wagt es kaum, dir ins Gesicht zu sehen; Stillschweigen und Furcht umschweben dich wie Nachtvögel. Deine Hand ist so kalt wie der Marmor, aus dem du hervorgingst.“

Lelia erwiederte mit einem sonderbaren Blick und einem kalten Lächeln: „Ich hatte eben eine ganz verschiedene Idee. Ich nahm euch alle, für Todte, und ich, die einzige Lebende, ließ euch die Musterung durchgehen. Ich fand etwas traurig Wunderliches in der Erfindung der Maskerade. Ist es nicht in Wahrheit kläglich, wenn vergangene Jahrhunderte auferweckt und gezwungen werden, das gegenwärtige Jahrhundert zu belustigen? Diese Anzüge früherer Zeiten, die uns erloschene Geschlechter darstellen, sind sie nicht, mitten in der Trunkenheit eines Festes, eine erschreckende Lehre, uns die Kürze des menschlichen Lebens ins Gedächtniß zu rufen? Wo sind die leidenschaftlichen Köpfe, die diese Barette und Turbane getragen haben? Wo sind die jungen lebendigen Herzen, die unter diesen seidenen Brustlätzen, unter diesen mit Gold und Perlen gestickten Corsetten schlugen? Wo sind die schönen, stolzen Frauen, die sich in diese schweren Stoffe kleideten, die ihr reiches Haar mit diesem gothischen Schmucke zierten? Sie sind nicht mehr, sie sind dahin gegangen, ohne an die Geschlechter zu denken, die ihnen vorangingen und die ihnen folgen würden.“

„Sie ruhen aus vom Leben,“ sagte Trenmor; „glücklich, die im Frieden des Herrn schlafen.“

„Der Geist des Menschen muß sehr arm seyn,“ entgegnete Lelia, „und seine Vergnügungen sehr eitel; die leichteren und einfacheren Genüsse müssen sich ihm bald erschöpfen, weil auf dem Boden seiner Freude und seines Gepränges sich immer ein entsetzlicher Eindruck von Trauer und Schrecken vorfindet. Seht z. B. unsern reichen, lustigen Wirth, einen Glücklichen der Erde, der, um sich zu betäuben und. zu vergessen, daß seine Tage gezählt sind, nichts Besseres auszusinnen weiß, als die Ueberreste der Vergangenheit auszugraben, seine Gäste in Livreen des Todes zu kleiden und die Geister seiner Vorfahren in seinem Palaste tanzen zu lassen!“

„Du bist sehr trübe gestimmt, Lelia,“ rief Trenmor; „man möchte sagen, du wärest die Einzige hier, die fürchtete, nicht zu sterben, wenn die Reihe an dich käme.“

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