Kitabı oku: «Fadette», sayfa 11
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Aber da es kein Geheimnis giebt, das unentdeckt bleiben könnte, so geschah es, daß eines schönen Sonntags Sylvinet, als er an der Mauer des Kirchhofes entlang ging, die Stimme seines Zwillingsbruders erkannte, der zwei Schritte weit von ihm hinter dem inneren Winkel sprach, den die Mauer hier bildete. Landry sprach sehr leise, aber Sylvinet war so vertraut mit seiner Redeweise, daß er auf ihn geraten haben würde, wenn er auch seine Stimme nicht genau erkannt hätte.
»Warum willst du nicht zum Tanze gehen,« sagte er zu jemanden, den Sylvinet nicht sehen konnte. »Es ist schon so lange her, daß du nach der Messe nicht mehr geblieben bist; man könnte also nichts darüber sagen, wenn ich dich einmal wieder zum Tanze führte; man denkt wohl kaum mehr daran, daß ich dich überhaupt kenne. Man würde gewiß nicht sagen, es geschehe aus Liebe, sondern nur der Schicklichkeit wegen. Ich bin auch neugierig, ob du nach so langer Zeit wohl noch eben so gut tanzen wirst.«
»Nein, Landry, nein,« – erwiderte eine Stimme, die Sylvinet völlig unbekannt war, weil es schon sehr lange her war, daß er sie nicht gehört hatte, denn die kleine Fadette hatte sich von allen Leuten fern gehalten, und ganz besonders von ihm.
»Nein,« sagte sie, »man muß es vermeiden die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, das ist das Beste. Und, wenn du einmal mit mir getanzt hast, wirst du jeden Sonntag wieder davon anfangen, und das wäre schon mehr als genug, um die Leute reden zu machen. Glaube nur, Landry, was ich dir immer gesagt habe: Mit dem Tage, an dem es bekannt wird, daß du mich liebst, werden für uns die Widerwärtigkeiten und Prüfungen beginnen. Laß mich jetzt gehen, und wenn du einen Teil des Tages bei den Deinigen und mit deinem Bruder verbracht hast, dann kommst du wieder zu mir, wie wir es verabredet haben.«
»Aber es ist doch ein trauriges Ding, nie zu tanzen!« sagte Landry; »du hast doch sonst so gern getanzt, mein Fränzchen, und du konntest es so gut! Wieviel Vergnügen würde es mir machen, dich so an der Hand zu führen und dich dann in meinen Armen zu schwenken, und zu sehen, wie du dich so leicht und zierlich zu drehen verstehst, und immer nur mit mir allein!«
»Und gerade das dürfte nicht geschehen,« erwiderte sie. »Aber ich sehe wohl, mein lieber Landry, wie leid es dir thut nicht tanzen zu können, und ich sehe auch nicht ein, warum du darauf verzichten sollst. Geh doch hin und mache ein paar Tänze mit. Es wird mir eine Freude sein zu denken, daß du Vergnügen hast, und ich warte dann um so geduldiger auf dich, bis du wieder kommst.«
»O! du bist viel zu geduldig,« sagte Landry in einem Tone, der deutlich verriet, daß er nicht viel von Geduld wissen wollte; ich aber, ich würde mir lieber meine beiden Füße abhauen lassen, als daß ich mit Mädchen tanzen sollte, die ich nicht liebe, und die ich nicht um hundert Frank küssen möchte.«
»Nun gut! Wenn ich zum Tanzen ginge,« fiel hier die kleine Fadette wieder ein, »müßte ich ja auch mit anderen tanzen, als nur mit dir, und müßte mich dann auch von ihnen küssen lassen.«
»O, geh' doch! Mach' nur, daß du fort kommst, so schnell wie möglich,« sagte Landry; »sie sollen dich nicht küssen, ich will es nicht dulden!«
Sylvinet hörte jetzt weiter nichts als Schritte, die sich entfernten, und um nicht von seinem Bruder als Horcher überrascht zu werden, trat er rasch auf den Kirchhof und ließ den Bruder ungesehen vorübergehen.
Die Entdeckung, die er da gemacht hatte, war für Sylvinets Herz wie ein Dolchstich gewesen. Er trachtete gar nicht darnach zu wissen, wer das Mädchen sein mochte, das von Landry so leidenschaftlich geliebt wurde. Er hatte genug damit, daß es überhaupt jemanden gab, dem zu liebe Landry von ihm abließ und der sein ganzes Sein bis zu dem Grade erfüllte, daß er sein Inneres vor seinem Bruder verschloß und diesem nichts von der Sache anvertraut hatte. – »Jedenfalls mißtraut er mir,« flüsterte ihm eine innere Stimme zu, »und das Mädchen, das von ihm so heiß geliebt wird, muß ihn dahin gebracht haben, daß er sein Inneres vor mir verbirgt und mich verabscheut. Jetzt wundere ich mich nicht mehr, daß er sich bei uns zu Hause immer zu langweilen scheint, und daß er so ungeduldig wird, wenn ich mit ihm spazieren gehen möchte. Ich glaubte nur darin zu erkennen, daß er lieber allein sein wollte; jetzt aber werde ich mich Wohl hüten, nur noch zu versuchen, ihn zu stören. Ich werde ihm nichts mehr sagen; er würde ja nur böse werden, daß der Zufall mir verraten hat, was er mir nicht anvertrauen wollte. Ich werde alles für mich allein tragen, während er sich freut, mich los zu werden.«
Sylvinet that, wie er es sich vorgenommen hatte, und er trieb es darin sogar noch weiter, als es sein Vorsatz gewesen war. Nicht allein, daß er nicht mehr dahin trachtete, seinen Bruder bei sich zurückzuhalten, sondern damit dieser sich auch nicht weiter durch ihn behindert fühlen sollte, sorgte er dafür, daß er das Haus zuerst verließ, und ging dann ganz allein hinaus, um sich auf der Wiese seinen Träumereien hinzugeben. Auf das Feld mochte er nicht mehr gehen, denn er dachte sich: »Wenn ich Landry dort begegnen würde, könnte er sich denken, ich wolle ihm nachspüren, und dann würde er es mich schon fühlen lassen, daß ich ihm nur störend bin.«
So stellte sich nach und nach der alte Kummer, von dem er so zu sagen schon geheilt war, wieder ein, und diesmal war er so tief und nachhaltig, daß es ihm bald auf seinem Gesichte anzusehen war. Seine Mutter machte ihm sanfte Vorstellungen; aber da er sich schämte, mit achtzehn Jahren noch dieselbe Gemütsschwäche zu haben, wie er sie im Alter von fünfzehn gehabt hatte, so war er nicht zu einem Geständnis zu bewegen, was eigentlich an ihm nage.
Dies bewahrte ihn aber auch davor, daß er nicht krank wurde; denn der liebe Gott verläßt nur solche, die sich selbst aufgeben; aber wer den Mut hat, seinen Schmerz in sich zu verschließen, der gewinnt mehr Kraft, ihn zu bewältigen, als wer sich in Klagen darüber ergeht.
Es wurde dem armen Zwilling gleichsam zur Gewohnheit, traurig und blaß zu werden. Von Zeit zu Zeit hatte er auch einen Fieberanfall zu bestehen, und da er immer noch ein wenig im Wachsen begriffen war, blieb er im ganzen schmächtig und zart. In der Arbeit war er nicht sehr ausdauernd, aber dies war wider seinen eignen Willen, denn er wußte ja auch, daß die Arbeit ihm zuträglich sei. Es war ja schon genug, den Vater durch sein betrübtes Gesicht zu verdrießen, er wollte ihn nicht auch noch durch Schlaffheit und Trägheit ärgern und schädigen. So machte er sich also an die Arbeit und schaffte gleichsam sich selbst zum Trotz. Dabei übernahm er sich oft, indem er mehr that, als seine Kräfte erlaubten, und am folgenden Tage war er dann so erschöpft, daß er nichts mehr thun konnte.
»Der wird in seinem Leben kein tüchtiger Arbeiter werden,« sagte der Vater Barbeau; »aber er thut, was er kann, und wenn er imstande ist, was zu thun, weiß er sich nicht zu schonen. Das ist es, warum ich ihn nicht zu anderen Leuten geben mag; denn aus Furcht vor dem Tadel und bei der geringen Kraft, die ihm von Gott verliehen ist, würde er sich schnell aufgerieben haben, und ich hätte mir mein Leben lang einen Vorwurf daraus zu machen.«
Die Mutter Barbeau fand diese Gründe und Ansichten ganz nach ihrem Sinn; zugleich that sie ihr Möglichstes, um Sylvinet aufzuheitern. Wegen seiner Gesundheit zog sie mehrere Ärzte zu Rate, und einige von diesen gaben den Rat, daß er sich sehr schonen und nichts als Milch trinken müsse, weil er sehr schwach sei. Andere waren der Meinung, daß man ihn tüchtig arbeiten lassen und dann guten Wein zu trinken geben solle, denn weil er sehr schwach sei, müsse er gekräftigt werden. Die Mutter wußte schließlich nicht, welchem der Ärzte sie folgen sollte, wie es immer geht, wenn man mehrere zu Rate zieht.
In diesen Zweifeln befangen, befolgte sie glücklicherweise keinen der erhaltenen Ratschläge, und Sylvinet zog seines Weges dahin, den der liebe Gott vor ihm eröffnet hatte, ohne auf etwas zu stoßen, das ihn zu sehr nach rechts oder nach links hin gedrängt hätte. Er trug sein Leid, ohne sich allzu sehr davon niederbeugen zu lassen, bis zu dem Augenblick, wo Landrys Liebesverhältnis offenkundig wurde und Sylvinet seinen eignen Kummer durch den, der seinem Bruder bereitet wurde, vermehrt sah.
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Die Madelon war es, welche das Geheimnis entdeckte; und wenn sie auch nicht in boshafter Absicht dahinter gekommen war, so benutzte sie die gemachte Entdeckung doch zu bösen Zwecken. Sie hatte sich leicht über Landry zu trösten gewußt, und wie es sie nicht viele Zeit gekostet hatte, sich in Landry zu verlieben, so hatte es sie noch weniger gekostet, ihn wieder zu vergessen. Indessen war ihr im Herzen doch ein gewisser Groll zurückgeblieben, der auf die Gelegenheit wartete, sich Genugtuung zu verschaffen; so wahr ist es, daß bei den Frauen der Verdruß den Gram überdauert. Die schöne Madelon, die wegen ihrer stattlichen und sittsamen Erscheinung und wegen ihres stolzen Benehmens den Burschen gegenüber in großem Ansehen stand, war unter dieser Hülle dennoch sehr kokett und nicht halb so verständig und treu in ihren Zuneigungen, wie die arme Grille, die eine so böse Nachrede hatte, und von der man für die Folge so viel Schlimmes zu prophezeien wußte. Die Madelon hatte, ohne Landry mit zu zählen, nun schon zwei Liebhaber gehabt und neigte sich schon einem dritten zu, der ihr Vetter war, dem jüngsten Sohne des Vaters Caillaud von la Priche. Da sie von dem letzten der beiden vorhergehenden Liebhaber überwacht wurde und fürchten mußte, daß er einen Skandal machen würde, wußte sie nicht, wo sie im Verborgenen mit dem neuen Liebhaber nach Lust und Belieben plaudern könnte. Sie ließ sich von ihm bereden, den Taubenturm als Versteck zu wählen, wo gerade auch Landry mit der Fadette seine ehrbaren Zusammenkünfte hielt.
Der junge Caillaud hatte eifrig nach dem Schlüssel des Taubenturmes gesucht, konnte ihn aber gar nicht finden, weil Landry ihn stets bei sich in der Tasche trug. Der andere hatte nicht gewagt, irgend jemanden nach dem Schlüssel zu fragen, weil er die Gründe, weshalb er ihn haben wollte, nicht angeben mochte. Außer Landry war auch niemandem etwas daran gelegen, wo der Schlüssel sein mochte. Der junge Caillaud glaubte nun, daß er verloren gegangen sein müsse, oder daß sein Vater ihn vielleicht in seinem Schlüsselbunde habe. Deshalb besann er sich nicht weiter und sprengte die Thür gewaltsam auf. Aber gerade an dem Tage, wo er dies that, befand sich dort auch Landry mit der Fadette, und so standen die vier Liebesleute sich plötzlich ganz verblüfft gegenüber. Sie hatten ja aber alle das gleiche Interesse, zu schweigen und nichts von der Sache verlauten zu lassen.
Indessen die Madelon empfand aufs neue etwas wie eine Anwandlung von zorniger Eifersucht, als sie sah, daß Landry, der mittlerweile einer der schönsten und angesehensten Burschen in der ganzen Gegend geworden war, seit dem Feste des heiligen Andoche der kleinen Fadette eine so unerschütterliche Treue bewahrt hatte. Sie beschloß, sich dafür zu rächen. Ohne den jungen Caillaud, der ein ehrenhafter Mann war und sich zu solchen Dingen auch nicht hergegeben hätte, nur im geringsten ins Vertrauen zu ziehen, wählte sie sich zu ihrem Beistande unter ihren Freundinnen ein paar junge Mädchen, die auch gegen Landry, wegen seiner augenscheinlichen Gleichgültigkeit, ein wenig gereizt waren. Sein Verbrechen bestand hauptsächlich darin, daß er sie nie mehr zum Tanze geholt hatte. Sie machten sich also daran, die kleine Fadette so sorgfältig zu überwachen, daß es nicht lange dauerte, bis sie sich von deren Verhältnis mit Landry vollkommen überzeugt hatten. Sobald sie ihrer Sache sicher waren, und die beiden ein- oder zweimal in ihrem Verkehr belauscht hatten, machten sie im ganzen Dorfe ein großes Geschrei darüber und sagten jedem, der es hören wollte, – und Gott mag's wissen, ob es der Verleumdung je an Ohren fehlt sich vernehmbar zu machen, oder an Zungen, um weiter verbreitet zu werden, – daß Landry in der Person der kleinen Fadette eine schlechte Bekanntschaft geschlossen habe.
Nun mischte sich die ganze weibliche Jugend in das Gerede hinein; wenn ein schöner, wohlhabender Bursche sich einer einzigen besonders zuwendet, ist dies gleichsam eine Beleidigung für alle die anderen ledigen Mädchen, und man macht sich weiter kein Gewissen daraus über diese einzelne, wenn man nur etwas zu tadeln finden kann, auf das Grimmigste herzufallen. Man könnte auch sagen: wenn die Frauen einmal eine Bosheit angezettelt haben, geht es mit der Ausführung und Verbreitung derselben besonders rasch von statten.
So waren kaum vierzehn Tage nach jenem Abenteuer im Taubenturm verstrichen, und die ganze Welt, Groß und Klein, Jung und Alt, wußte auch schon von der Liebschaft zwischen Landry, dem Zwilling und Fränzchen, der Grille. Von dem Turm war dabei nicht weiter die Rede, eben so wenig von der Madelon, die sich wohl gehütet hatte aus dem Hintergrund hervorzutreten, und die sogar that, als ob sie eine Neuigkeit erfahre, wenn man ihr erzählte, was sie doch selbst zuerst unter der Hand verbreitet hatte.
Das Gerücht fand auch seinen Weg zu den Ohren der Mutter Barbeau, die sich sehr darüber betrübte und ihrem Manne gar nichts davon sagen wollte. Aber der Vater Barbeau erfuhr es schon von anderer Seite, und Sylvinet, der das Geheimnis seines Bruders sorgfältig gehütet hatte, erlebte jetzt zu seinem großen Kummer, daß es allen Leuten preisgegeben war.
Indessen, eines Abends, als Landry sich anschickte den Zwillingshof frühzeitig zu verlassen, wie er es zu thun pflegte, trat plötzlich sein Vater auf ihn zu, und in Gegenwart seiner Mutter, seiner ältesten Schwester und seines Zwillingsbruders sprach er zu ihm:
»Sei nicht so eilig uns zu verlassen, Landry; ich habe mit dir zu reden, aber ich warte noch auf die Ankunft deines Paten, denn in Gegenwart von allen, die zur Familie gehören, und die an deinem Schicksal den meisten Anteil nehmen, werde ich von dir eine Erklärung fordern.«
Und als der Pate, der Onkel Landriche, sich eingefunden hatte, sprach der Vater Barbeau in folgender Weise: »Was ich dir zu sagen habe, Landry, wird etwas beschämend für dich sein; auch ist es nicht ohne Beschämung für mich selbst, und es geschieht nicht ohne großes Bedauern, daß ich mich also genötigt sehe, vor der versammelten Familie ein Geständnis von dir zu fordern. Aber ich hoffe, daß diese Beschämung dir heilsam sein wird, und daß du dadurch von einer thörichten Laune befreit wirst, die dir Schaden bringen könnte.
»Wie es scheint, hast du am letzten Andochefeste – es wird nun bald ein Jahr sein – eine besondere Bekanntschaft gemacht. Man hatte mir gleich am ersten Tage davon gesprochen, denn es war gewiß höchst auffallend dich einen ganzen Festtag über mit einem Mädchen tanzen zu sehen, welches für das häßlichste und das unsauberste in der ganzen Gegend gilt und noch dazu im schlechtesten Rufe steht. Ich wollte nicht darauf achten, weil ich dachte, du hättest dir nur einen Spaß gemacht; ich kann zwar nicht sagen, daß ich die Sache gebilligt hätte; wenn man die mißachteten Leute auch grade nicht aufsuchen muß, so darf man ihnen die Demütigungen und das Unglück, daß sie allen übrigen Menschen hassenswert erscheinen, doch nicht noch empfindlicher machen. Ich hatte es unterlassen mit dir darüber zu reden, weil ich dachte, als ich dich am anderen Morgen traurig sah, du hättest dir selbst Vorwürfe deshalb gemacht und würdest dergleichen nicht wieder thun. Nun aber höre ich seit ungefähr einer Woche noch ganz andere Dinge erzählen und noch dazu, daß sie von glaubwürdigen Personen ausgehen, ich will mich aber keineswegs auf diese Aussagen verlassen, bis du mir nicht selbst alles bestätigt hast. Wenn ich dir Unrecht that, dich im Verdacht zu haben, so hast du dies nur meinem Interesse für dich zuzuschreiben und der Pflicht, die mir obliegt, dein Betragen zu überwachen. Wenn an der Sache nichts Wahres ist, wird es mich sehr freuen, wenn du mir dein Wort darauf geben kannst und mir dadurch bewiesen wird, daß man dich mit Unrecht in meiner Meinung herabsetzen wollte.«
»Mein Vater,« sagte Landry, »sagen Sie mir, wessen man mich beschuldigt, und ich werde Ihnen der Wahrheit und der Achtung gemäß, die ich Ihnen schuldig bin, darauf antworten.«
»Man beschuldigt dich, Landry, – ich glaube es dir schon deutlich genug zu verstehen gegeben zu haben – man beschuldigt dich also, einen unziemlichen Verkehr mit der Enkelin der Mutter Fadet zu unterhalten, und diese ist ein Weib, das schon böse genug ist, ohne davon zu reden, daß die eigene Mutter jenes unglücklichen Mädchens böswilligerweise ihren Mann, ihre Kinder und ihre Heimat verlassen hat, um den Soldaten nachzuziehen. Man klagt dich an, dich aller Orten mit der kleinen Fadette herumzutreiben, weshalb ich befürchte, daß du dich durch sie in einen bösen Liebeshandel verwickeln läßt, den du dein Lebenlang zu bereuen haben könntest. Verstehst du mich jetzt?«
»Ich verstehe alles recht gut, mein lieber Vater,« erwiderte Landry. »Erlauben Sie mir nur noch eine Frage, bevor ich Ihnen eine Antwort darauf gebe. Ist es nur wegen ihrer Familie, oder wegen ihrer selbst, daß Sie meinen, die Franziska Fadet sei eine schlechte Bekanntschaft für mich?«
»Das ist sicherlich sowohl wegen der Familie als wegen des Mädchens selbst,« antwortete der Vater in etwas strengerem Tone, als er ihn anfangs gehabt hatte. Er hatte erwartet Landry würde sehr bestürzt sein, statt dessen fand er ihn ruhig, entschlossen und wie auf alles gefaßt. »Erstlich,« fuhr der Vater fort, »ist eine schlechte Verwandtschaft ein häßlicher Makel, und eine Familie, die geachtet und geehrt ist, wie die meinige, wird niemals auf eine Verbindung mit der Familie Fadet eingehen. Zweitens flößt die kleine Fadette selbst niemanden weder Achtung noch Vertrauen ein. Wir haben gesehen, wie sie aufgewachsen ist, und wir wissen alle, was an ihr gelegen ist. Ich habe sagen hören und weiß es auch selbst, da ich sie zwei- oder dreimal gesehen habe, – daß sie seit einem Jahre ein besseres Betragen angenommen hat; nicht mehr mit den Buben herumläuft und gegen niemanden mehr böse Reden führt. Du siehst, daß ich, was recht und billig ist, gelten lassen will; aber das genügt mir nicht, um zu glauben, daß aus einem so schlecht erzogenen Mädchen jemals eine ehrbare Frau werden könnte. Und da ich weiß, wie die Großmutter beschaffen ist, habe ich allen Grund zu fürchten, daß man irgend einen Schelmenstreich ausgeheckt hat, um Versprechungen von dir zu erpressen und dich in Schande und Verlegenheit zu bringen. Man hat mir sogar gesagt, daß die Kleine guter Hoffnung sei, was ich übrigens nicht so obenhin glauben will; aber es würde mich sehr bekümmern, weil man es dir aufbürden und dich dafür zur Verantwortung ziehen würde, und schließlich könnte die Sache durch einen Prozeß mit Schimpf und Schande endigen.«
Landry, der sich gleich vom ersten Worte an vorgenommen hatte, vorsichtig zu sein und mit ruhiger Überlegung zu antworten, verlor nun doch die Geduld. Er wurde dunkelrot, und indem er aufstand, sagte er: »Mein Vater, die Leute, die Ihnen das gesagt haben, sind infame Lügner. Sie haben Fränzchen Fadet eine so große Beschimpfung angethan, daß, wenn ich sie hier unter meinen Händen hätte, sie ihre Aussagen widerrufen sollten, oder mit mir ringen müßten, bis einer von uns am Boden liegen würde. Sagen Sie ihnen, daß sie gewissenlose, feige Verleumder sind; sie sollten doch kommen, mir ins Gesicht zu sagen, was sie heimtückischerweise Ihnen ins Ohr gesetzt haben; dann würden wir ein ehrliches Spiel haben und einmal sehen, was daraus werden sollte!«
»Ereifere dich nicht so, Landry,« sagte Sylvinet, der von Kummer ganz niedergeschlagen war. »Der Vater beschuldigt dich ja gar nicht, daß du diesem Mädchen unrecht gethan hättest; er fürchtet nur, ob sie sich nicht mit anderen vergangen haben könnte, und daß sie nun, da sie bei Tage und bei Nacht mit dir herumgeht, glauben machen möchte, daß es dir zukomme, ihren guten Namen wiederherzustellen.«