Kitabı oku: «Das Halsband des Kaisers», sayfa 2

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Hubert schüttelte sie.

Natürlich will ich, du leichtgläubiger alter Dummkopf.

Gut. Du sollst Schmerzensgeld dafür bekommen, weißt du.

Schon recht, aber das gibt mir meine Kitty nicht zurück. Denke, Harry, wie schrecklich bitter das ist. Ich bin nun etwa vier Stunden lang in London gewesen. Während dieser Zeit sah ich meine Mutter verscheiden, hörte ich einen alten Kameraden sagen, ich verdiente die Peitsche, und erfuhr, daß ich eines Druckfehlers wegen das süßeste Mädchen der Erde verlor. Ist das noch nicht genug?

Wenn ich das wäre, sagte Sir Harry, so dächte ich, ich würde unter diesen Umständen mich betrinken, oder ich würde ein Gewehr auf die Schulter nehmen, die Fleet Street hinuntergehen und jenen Zeitungskerl suchen.

Das gibt mir meine Kitty nicht zurück.

Nein, das tut es nicht, aber da ist noch etwas anderes. Diese Nachricht wird sie umschmeißen. Sie macht sich aus dem fischblütigen, klebrigen Kerl, dem Selhurst, soviel, wie du dir aus – hm – Oberstenfrauen machst; und wenn sie die Wahrheit erfährt –. Bei Gott, ich habe eine Idee.

Her damit.

Ich gehe morgen hinunter auf einen kleinen Jagdbummel mit seinem Neffen und Erben Jimmie Selhurst. Du kennst ihn doch?

Ob ich ihn kenne? Waren wir drei nicht zusammen auf der Schule?

Natürlich, natürlich. Ein guter Junge, der Jimmie.

Ein großartiger Junge. Na?

Und wir wollen es ihr vorsichtig beibringen, dich ins rechte Licht setzen, alter Junge, und sehen, wie sie es aufnimmt.

Und dann?

Nun, dann mußt du ihr schreiben und wie ein Donnerwetter auf sie losstürmen, ihr sagen, ihr Mann habe sie unter falschen Vorwänden gewonnen, und sie sei daher noch immer dein Eigentum. Verstanden?

Nein. Wie kann sie mein Eigentum sein? Sie gehört ihm doch!

Hast du niemals was von Stehlen gehört? Was tat denn der Gimpel in Simla, du Dämelack? Eine Oberstenfrau zu stehlen, dazu gehört immerhin ein bißchen Schneid und Unternehmungsgeist; trotzdem wollte ich, den Gimpel hätte der Kuckuck geholt. Er hat dir den Skandal in die Schuhe geschoben. Nimm dir das zum Beispiel; setze Lady Selhurst an Stelle der Oberstenfrau, so kommen die Dinge gleich ins reine. Da hättest du Liebesbrauch und zugleich Kriegsbrauch. Was meinst du dazu?

Der Gedanke ist nicht schlecht. Jedenfalls ist er schneidig, aber –

Und Hubert seufzte.

Wenn du ein »aber« dabei siehst, so verdienst du sie nicht.

Nun, gut also! Ich werde mir die Sache überlegen.

Bravo!

Ein Kellner war, unbemerkt von ihnen, ins Zimmer getreten.

Ein Telegramm für Sie, Herr!

Da besann sich Hubert, und mit einem neuen Seufzer öffnete er den Umschlag und las:

Darrell, Wanderer-Klub. – Benham aufsuchen, hat genaue Anweisungen für das Begräbnis erhalten.

Hat genaue Anweisungen erhalten. Das unmenschliche Ungeheuer!

Was ist nun wieder los, alter Junge? sagte Sir Harry.

Nicht viel – ein Telegramm von meinem Vater, das ist alles.

Hm! sagte Sir Harry und schwieg diskret.

Es ist eine ekelhafte Welt, Ogilvie, begann Hubert nach einer Pause; dann sammelte er mit einem Blick des Widerwillens den Inhalt von Kittys Paket zusammen. Was wird wohl sonst noch kommen, um mir das Leben zu versüßen? Ich bin neugierig darauf. Es ist für einen jungen Menschen recht angenehm, so was nach Hause schleppen zu müssen, nicht wahr? Soll ich es verbrennen oder was sonst?

Nein; es könnte dir leid tun. Diese Nebel dauern nicht ewig.

Nun gut. Damit bin ich nun fertig. Wann wirst du's ihr sagen?

Wie würde es sein, wenn man morgen beim Mittagessen damit herausplatzte und sähe, wie sie es beide aufnehmen?

Der Gedanke ist gar nicht übel.

Es würde jedenfalls einen angenehmen Ton in die Unterhaltung bringen. Es würde Jimmie gefallen, weil es sicherlich den Alten verstimmen würde, den Jimmie wie Gift haßt, und dann könnten wir auch etwas beobachten, was vorkommendenfalls von Nutzen sein könnte –.

Recht so, vorkommendenfalls.

Und obendrein will ich dir einen genauen Bericht von den Ereignissen aufschreiben, ehe ich zu Bett gehe. Wie gefällt dir das?

Prachtvoll. Du bist ein Hauptkerl.

Nein, das bin ich nicht. Ich habe nur etwas an dir gutzumachen, alter Junge.

Kümmere dich darum nicht. Ich gehe jetzt. Es ist ein schrecklicher Abend gewesen, Ogilvie. Gute Nacht.

Gute Nacht, Darrell, und: Kopf hoch!

Ha ha! Kopf hoch! Das gefällt mir. Aber versuchen will ich's wenigstens, alter Junge.

Und mit lächelndem Antlitz über einem Herzen so schwer wie Blei schritt Hubert Darrell in die dunkle Nacht hinaus.

Als er zu Hause ankam, fand er ein helles Feuer in seinem alten Zimmer brennen, ein paar schön angewärmter Pantoffeln, einen Polsterstuhl, der bequem herangerollt war, und daneben auf einem Tische ein kleines leckeres Abendessen bereitstehen.

Sie müssen etwas essen, Herr Hubert, sagte Simpson, mit einer Miene fast väterlicher Besorgnis; und ich dachte, Sie würden es hier vielleicht gemütlicher als im Eßzimmer finden.

Es ist heut nacht nirgendwo gemütlich, Simpson, erwiderte Hubert mit einem Seufzer.

Nein, Herr, das ist es auch nicht, wenigstens meiner Ansicht nach nicht.

Aber ich danke Ihnen jedenfalls, Simpson, Sie haben es wirklich sehr nett hier für mich gemacht. Sie brauchen aber heut nacht nicht wieder aufzustehen. Sie sehen angegriffen aus und brauchen Ruhe wie ich.

Sehr wohl, Herr, obwohl ich wahrhaftig nichts danach frage, aufzubleiben, wenn Sie mich nötig haben. Gehen Sie früh aus, Herr?

Ja; das Bad auf acht Uhr; und ich meine, Sie haben wohl recht in bezug auf das Eßzimmer; ich möchte da nie wieder speisen. Ich will hier frühstücken.

Sehr wohl, Herr. Und Simpson schickte sich an, fortzugehen.

Uebrigens, Simpson, ich will morgen zuallererst Herrn Benham aufsuchen –

Unsern alten Rechtsbeistand, Herr?

Ja, unsern und – meines – Vaters alten Rechtsbeistand. Ich empfing heut abend ein Telegramm von meinem Vater, Simpson.

Wirklich?

Ja, hier ist es. Er sagt, Herr Benham habe genaue Anweisungen für meiner Mutter Begräbnis bekommen, und verweist mich an ihn.

Aber – aber – Sir! Und eine ungewohnte Röte stieg in des alten Mannes Wangen. Aber, Herr Hubert, Ihre arme Mutter starb ja erst vor drei Stunden; wie war es denn möglich, daß er das schon wußte?

Das wußte er auch nicht, er kam dem zuvor, mein guter Simpson, er kam dem zuvor; er hat vielleicht sehnlich darauf gewartet. Was bedeutet das alles?

Das weiß Gott, Herr, ich weiß es nicht. Es ist manches Jahr lang ein schweres Rätsel für mich gewesen – solch eine Dame – solch eine Dame! Meinen Sie, daß er zum Begräbnis kommt, Herr Hubert?

Ich kenne ihn nicht genau genug, um darüber eine Meinungsäußerung zu wagen. Gute Nacht, Simpson. Ich muß mit Ihnen später noch weiter über das verlorene Kästchen sprechen.

Sehr wohl, Herr. Gute Nacht.

Und nun forderte die erschöpfte Natur ihr Recht. Dieser große tapfere junge Mann hatte in seiner großen Angst und Betrübnis seit dem frühen Morgen nichts als ein paar Zwiebacke gegessen. Er sah den Abendtisch an, der von Simpson sehr kunstvoll arrangiert war, um das Auge eines hungrigen Mannes zu verführen, und er stürmte begierig darauf los.

Eine halbe Stunde später, die Füße auf dem Kamingitter, legte er sich in den Polsterstuhl zurück und grübelte lange über die seltsamen und bewegten Ereignisse der Nacht nach. Das war also das Heimkommen, nach dem ihn so lange und sehnlich verlangt hatte! – eine geliebte Mutter, die kalt und starr im Zimmer unten lag, und ein noch teureres Wesen kaum ein paar Meilen entfernt in den Armen eines andern und noch dazu gänzlich des schweren Unrechts unbewußt, das sie ihm angetan hatte. Was würde der Ausgang von allem sein? Daß das ungestüme Geschöpf ihre Torheit bitterlich bereuen würde, das wußte er nur zu gut. Er konnte jetzt sogar einige Entschuldigungen finden für diese Torheit. Der Augenschein war überwältigend gegen ihn gewesen. Und doch – und doch, dachte er bei sich selbst, sie sollte ihn besser gekannt haben. Ein Instinkt sollte ihr gesagt haben, daß er eines solchen Verrats, wie der, dessen man ihn beschuldigt hatte und der so leicht von der skandalliebenden Welt geglaubt wurde, unfähig war. Sie sollte ihn bis aufs äußerste verteidigt, seine Verleumder unbarmherzig bekämpft und sein Kommen mit der ruhigen Sicherheit, daß bei seiner Ankunft alles gut würde, abgewartet haben. Und dennoch, mit der Inkonsequenz eines Verliebten mußte er sie notgedrungen weiter entschuldigen. War es ihre Schuld, daß sie so impulsiv geboren war? War es nicht eine offenkundige Tatsache, daß gerade gute Frauen allenthalben sich des Grolles, der Eifersucht und aller möglichen, fast unbegreiflichen Torheiten schuldig machten: ihr Leben mit tollem Hohngelächter zertrümmerten, um es nachher immer in Sack und Asche zu bereuen?

Unzweifelhaft war es so. Aber warum sollte seine Kitty, seine lustige helläugige Kitty büßend durch die Welt gehen wegen eines augenblicklichen Vergehens gegen die alte Treue? Und dann kam ihm Sir Harry Ogilvies kühner Rat wieder in den Sinn. Es war einerseits verlockend; aber wenn es ihm auch wirklich wünschenswert erschienen wäre, sie aus den Armen ihres ältlichen Eheherrn zu reißen – und wenigstens jetzt war das nicht der Fall –, würde sie in eine Entführung einwilligen, die die Lästerzungen der ganzen vornehmen Welt in Bewegung setzen würde? Der Gedanke war immerhin verlockend und weckte stark in ihm den Geist der Wiedervergeltung. Sir John Selhurst hatte Kitty sicher unter falschen Vorspiegelungen geheiratet. Sie war nicht in offenem Kampfe gewonnen worden, und darum, ob verheiratet oder nicht, war sie moralisch immer noch die Seine. Dies war freilich ein Zurückkehren zu seiner früheren oberflächlichen Denkart, das er nach ein wenig mehr Ueberlegung absurd fand, und so ließ er das verwirrende Thema in Verzweiflung fallen.

Dann kehrten seine Gedanken zu seiner Mutter zurück, und das Geheimnis, das ihr Leben umgab, schien tiefer und dunkler als je zuvor. Daß die Enträtselung des Geheimnisses vom Auffinden eines gewissen fehlenden Kästchens abhing, schien annehmbar, obgleich das Warum ebenfalls ein Rätsel zu sein schien. Daß solch ein Kästchen wirklich existiert hatte und daß dessen Verlust seiner Mutter große Betrübnis verursachte, war vollauf bewiesen durch Simpsons Aussage, und es würde selbstverständlich seine Pflicht sein, sich so viel wie möglich um dessen Entdeckung zu bemühen. Nicht weniger seltsam war die Form ihres unerwarteten Vermächtnisses an ihn, und als ihm dieser Gedanke in den Sinn kam, erinnerte er sich gleichfalls, daß es höchste Zeit war, an dies unerwartete Vermächtnis zu denken. So nahm er denn den Gemslederbeutel aus seiner Tasche und entleerte seinen Inhalt in einen Teller.

Außer dem Halsband waren mehrere hundert Steine verschiedener Größe vorhanden: Diamanten, Rubinen, Smaragde, Saphire und so weiter, ein außergewöhnliches Gemisch. Er fühlte sich seltsam verwirrt. Warum waren diese Steine aus ihren Fassungen entfernt, und warum waren sie so viele Jahre lang unverdrossen von seiner Mutter verborgen worden? Und was war aus den ursprünglichen Fassungen geworden? Auf alle Fälle eine rätselhafte Sache. Dann hob er das Halsband auf und breitete es in seiner ganzen Länge aus. Es war sicher einzig in seiner Art und von ungewöhnlicher Pracht. Trotz seiner nur geringen Kenntnis von Diamanten sah er doch, daß es Brillanten vom reinsten Wasser und von außergewöhnlichem Wert waren und daß der große blaue Edelstein in der Mitte augenscheinlich von ungewöhnlicher Seltenheit war. Dann hielt er ihn gegen das Licht, und er wurde plötzlich voll Leben und Farbe und Bewegung, ein grausam faszinierendes Ding, einer Schlange gleich; schnell legte er es mit den andern Steinen zusammen wieder fort.

Ich weiß nicht, was es ist, aber es überläuft mich kalt, sagte er. Sollte etwas Wahres am Aberglauben der Indier sein, daß die bösen Geister manchmal in Edelsteinen wohnen? Ich will meiner Mutter Befehl gehorchen und sie verkaufen, natürlich – alles muß in Ordnung sein – aber nicht, bevor sie mein Vater gesehen hat. Es soll weiter kein Geheimnis mit ihnen sein. Dazu bin ich fest entschlossen.

In diesem Augenblick gähnte er und sah auf seine Uhr. Drei Uhr! Dann sah er, daß das Feuer ausgegangen war, und er ging zu Bett, aber nicht, um Angenehmes zu träumen.

Drittes Kapitel.

Advokat Archibald Benham von Lincoln's Inn Fields war der methodischste aller Menschen. Pünktlich Sommer und Winter, wenn die Uhr zehn schlug, stieg er die alte Eichenwendeltreppe mit ihren seltsam geschnitzten Geländern zu seinen Zimmern hinauf, setzte sich sofort an seinen Schreibtisch und sah mit sorgsamer Ueberlegung die Morgenpost durch. Am Tage nach Hubert Darrells Rückkehr nach London wich er jedoch von der alten Gewohnheit ab. Ein Telegramm lag auf seinem Schreibtisch. Er öffnete es und las:

Benham, 94, Lincoln's Inn Fields.

Frau Darrell starb heut abend. Bitte meine Anweisungen auszuführen. Ihr Sohn wird wahrscheinlich heut morgen zu Ihnen kommen.

Darrell.

Endlich! sagte der Advokat und warf sich in seinen Stuhl zurück. Arme Seele! Endlich!

Er war von angenehmer und sympathischer Erscheinung – ein Mann gegen sechzig, glattrasiert, mit dicken, runden, rosigen Wangen, braunem dichtgelocktem, hier und da etwas meliertem Haar und einem paar milder blauer Augen, die gütig durch eine goldene Brille blickten. Er war vielleicht kein Mann von außergewöhnlicher Geisteskraft, aber einer von schnellem Urteil und klarem Denken, der großen juristischen Scharfsinn in unprahlerischer Weise bei manchem verwickelten Problem anwandte. Vor allem war er diskret, vorsichtig und fleißig und ließ sich unter keinen Umständen je eine Uebereilung zuschulden kommen; und so war er in der Tat, was die Welt in Ermangelung einer besseren Bezeichnung einen sicheren und vertrauenswürdigen Anwalt nennt. Ueberdem war er ein Mann, dessen Sympathien leicht erweckbar waren, wie es offenbar auch bei dieser Gelegenheit der Fall war.

Endlich! wiederholte er. Was muß diese arme stolze Seele all diese langen Jahre gelitten haben! Und, gütiger Himmel, was für ein Weib war sie! Den letzten Abend, in den sechziger Jahren, als sie in La Favorita in Her Majesty's Theatre auftrat – den werde ich nie vergessen. Wie stolz, wie königlich sie blickte! Wenig ahnte ich in jener Nacht davon, daß gerade ich eines Tages gerufen werden würde, um ihren Sarg und ihr Leichenkleid zu bestellen. Was kann ihres Lebens Tragödie gewesen sein? Damals lag ganz London ihr zu Füßen. Jeder war von ihrer Schönheit entzückt. Sie hätte heiraten können, wen sie wollte – sie brauchte nur auszusuchen und zu wählen. Und ging nicht wirklich das Gerede, daß sie sich von einem Edelmann hätte entführen lassen? Aber ich bezweifle das. Und der Anwalt schüttelte seinen Kopf. Nach dem, was ich seither von ihr sah, kann ich das nicht glauben. Nie werde ich auch den Tag vergessen, als sie in mein Bureau trat, so stolz und königlich wie nur je, an ihrer Seite der alte Puritaner Sydney Darrell mit dem harten Gesicht und der steifen Haltung, der sie mir als Frau Darrell vorstellte und von mir verlangte, die Scheidung einzuleiten; nie, bis an mein Ende, werde ich das vergessen. Er verlangte tatsächlich von einer solchen Frau getrennt zu werden, und ich bezweifle, daß sie sich je seitdem wiedergesehen haben. Nie ist es mir gelungen, ein Wort der Erklärung von beiden zu erhalten. Das ist wirklich ein ganz seltsames Geheimnis. Und nun kommt dies Telegramm. Und er las es wieder. »Ihr Sohn«! Warum »ihr Sohn« statt »mein Sohn«? Das ist sehr sonderbar. Ich kann, ich will nichts Böses von dieser lieblichen Frau denken, und doch starrt mir die Tatsache ins Gesicht, daß nach Sydney Darrells Testament dieser junge Mensch keinen Pfennig bekommt. Armer Teufel, das ist wirklich ein böser Streich, und nun muß, um sein Leiden noch auf die Spitze zu treiben, dieser Schuft von Selhurst hingehen und ihm sein Liebchen stehlen. Ich dachte, Selhurst würde, als er erfuhr, daß der Skandal mit Hubert nur ein Versehen war, wenigstens ehrenhaft genug gewesen sein, es dem Mädchen zu sagen. Bei Gott, um ihrer beider willen wollte ich jetzt, ich hätte wenigstens ihr geschrieben!

Hier wurde sein Nachdenken unterbrochen. Ein Schreiber trat ins Zimmer und meldete:

Herr Darrell wünscht Sie zu sprechen, Sir.

Lassen Sie ihn gleich eintreten.

Benham stand auf und streckte ihm die Hände entgegen.

Gestatten Sie mir, Ihnen mein herzlichstes Beileid auszusprechen, Herr Darrell. Ich habe eben ein Telegramm von Ihrem Vater erhalten. Sie kamen noch eben zur rechten Zeit, nicht wahr?

Ja, Herr Benham; ich war bei ihr, als sie starb. Ich danke Ihnen herzlich, daß Sie mir schrieben. Ich bin nur deshalb hergekommen.

Ich bin froh darüber, daß ich es tat, sehr froh. Sie teilten es natürlich Ihrem Vater mit?

Hubert wurde rot und zog ein Telegramm aus der Tasche.

Ja, ich telegraphierte ihm gestern abend und erhielt dies als Erwiderung.

Benhams Stirn verfinsterte sich, als er es las.

Hm! sagte er. Das hätte ich kaum gedacht – doch bin ich nicht überrascht.

Es ist eine rohe Botschaft, Herr Benham.

Mein Gewissen zwingt mich, dasselbe zu sagen.

Sie haben schon genaue Anweisungen von ihm erhalten?

Schon lange. Ich treffe all die Anordnungen für die Leichenfeierlichkeit, entlasse die ganze Dienerschaft mit einem Monatslohn für jeden, und nach Verlauf von vierzehn Tagen verfüge ich über das Mobiliar und vermiete das Haus. Ihrer Mutter eigene persönliche Habseligkeiten stehen zu Ihrer Verfügung. Das ist alles.

Es ist deutlich genug, das weiß Gott, Herr Benham. Ich meine, nun ist die Zeit gekommen, wo es mir gestattet sein sollte, Ihnen einige offene Fragen vorzulegen.

Bitte, Herr Darrell.

Sie werden mir offen antworten?

Ganz gewiß.

Dann lassen Sie mich, bitte, wissen, was der Grund der langen Entfremdung zwischen meinem Vater und meiner Mutter gewesen ist.

Das kann ich nicht, so gern ich möchte. Das habe ich nie herausfinden können.

Sie haben auch keine Vermutungen darüber?

Keine.

Keine Ansichten?

Keine. Ihr Vater ließ sich nie befragen, und der Stolz versiegelte die Lippen Ihrer Mutter. Wenigstens stellte ich es mir immer so vor.

Haben Sie nie etwas von einem vermißten silbernen Kästchen gehört?

Niemals. Warum?

Sie sprach am letzten Abend von einem solchen, aber ganz unzusammenhängend. Sie sagte, es enthielte etwas, das, wie ich folgerte, von Wichtigkeit für sie und mich sei – Papiere, mußte ich annehmen. Ihre Worte waren, daß ihr guter Name daran hinge.

Benham spitzte bei diesen Worten die Ohren. Er dachte an Sydney Darrells Testament.

Dies kann für Sie von der größten Wichtigkeit sein, sagte er. Haben Sie Nachforschungen angestellt?

Ja. Der alte Diener erinnert sich dessen sehr deutlich; er sagt, daß es vor einiger Zeit gestohlen wurde und daß meine Mutter sich sehr um jenen Verlust grämte. Er sagt, daß es von sehr seltsamer Form und Arbeit war und daß er es sofort wiedererkennen würde. Vielleicht könnte man ihm nachforschen.

Zweifellos kann man das. Jedem Ding kann man in London nachforschen. Und Benham schrieb sich sorgsam diesen Umstand auf. Machte sie Ihnen eine weitere Mitteilung, Herr Darrell?

Hubert zögerte einen Augenblick. Sollte er ihm von den Juwelen sagen? Es schien kein triftiger Grund dafür vorhanden. Es war sicher seiner Mutter Wunsch, daß es Geheimnis zwischen ihnen bleiben sollte – ein Geheimnis, von dem, wie er aus Klugheitsgründen fühlte, nur sein Vater, aber kein andrer, erfahren dürfte.

Nein, sagte er dann endlich, nichts, was mit diesem Gegenstand irgendwie zusammenhängen könnte, Herr Benham. Kann ich meines Vaters Telegramm sehen?

Natürlich. Hier ist es.

Als Hubert es aus des Anwalts Händen nahm und las, stieg ihm heiße Röte bis an die Haarwurzeln.

»Ihr Sohn«, wiederholte er; »ihr Sohn«! Er tut, als ob ich ein Gleichgültiger, ein bloßer Fremder für ihn wäre, und das bin ich ja auch für ihn; das ist nur zu wahr. Aber darin liegt etwas anderes, Herr Benham, das ist deutlich zu verstehen. Doch es ist eine Lüge, Herr Benham!

Ich würde mein Leben dafür verpfänden, sagte der Anwalt, sich ebenfalls ereifernd. Keine bessere Frau hat je gelebt als Ihre Mutter, und niemand soll mir je ins Gesicht Böses von ihr zu sagen wagen.

Bei Gott! sagte Hubert mit erstickter Stimme, das ist prächtig von Ihnen! Ich – ich kann Ihnen nicht ausdrücken, wie diese Worte mich trösten. Ich fühlte mich schrecklich niedergedrückt; aber nun weiß ich, daß meine arme Mutter wenigstens einen guten Freund hatte und daß – darf ich es sagen? –, daß auch ich in Ihnen einen solchen besitze.

Sie haben ihn, mein lieber junger Mann, sagte der Anwalt, erhob sich und legte seine Hand auf Huberts Schulter, Sie haben ihn; und wir werden schon trotz alledem diesem Geheimnis auf den Grund kommen. Wenn ich Ihren steifnackigen Vater nicht zum Schluß zu Kreuze kriechen lasse, dann soll man mich als Stümper von der Anwaltsliste streichen!

Es muß unbedingt irgendeinen Weg geben, um das zu bewerkstelligen, fuhr Hubert fort. Ich kann nicht viel mehr ertragen; ich bin übervoll von Betrübnis. Doch jetzt erinnere ich mich an etwas anderes, nämlich, daß ich mich wundere, weshalb Sie Ihren Brief nach Simla sandten.

Das war doch Ihre Adresse, und Sie erhielten ihn?

Aber Sie hörten doch zweifellos von dem schrecklichen Skandal wegen –

Ich achte selten auf Skandal.

Aber da es mich betraf, so dachte ich –

Ich wüßte von keinem Skandal, der Sie betreffen könnte.

Die Zeitungen hier schrieben, ich sei mit eines Obersten Frau weggelaufen.

Ach ja, so war es. Man sollte die Zeitungen dafür verklagen; ich hoffe, das werden Sie auch tun.

Was kommt dabei heraus? sagte Hubert bitter. Das Unglück ist einmal geschehen. Aber woher wußten Sie, Herr Benham, daß ich nicht der Angeschuldigte war?

Weil ich erst die Sache sich ein bißchen verlaufen ließ. Ich erfuhr die wahren Tatsachen auf dem Kriegsministerium.

Schau einer an, das nenne ich Verstand.

Unterstützt durch Vertrauen. Ich glaubte es gleich nicht.

Dann waren Sie also der einzige?

Denn, fuhr Benham fort, ich wußte, daß Sie bereits stark gebunden waren.

Ah, das wußten Sie?

Ja.

Nun, das ist ja alles vorbei. Diese Zeitungen haben mein Glück zertrümmert. Und daß nur Sie allein genügendes Vertrauen zu mir hatten und genügenden Verstand, um –

Einen Augenblick, Herr Darrell. Ich fürchte, ich habe unachtsamerweise ein großes Versehen begangen. Ich werfe mir selbst sehr ernstlich vor, daß ich mir nicht die Freiheit nahm, an Fräulein Clare zu schreiben und sie von dem, was ich erfahren hatte, zu benachrichtigen. Ich dachte jedoch, daß Sir John Selhurst Gentleman genug und ehrenhaft genug sein würde, um dem armen Mädchen die Wahrheit zu sagen.

Hubert wurde sofort blaß vor Leidenschaft. Wollen Sie mir damit etwa sagen, daß er vor der Heirat davon wußte?

Lange vorher. Ich traf ihn auf dem Kriegsministerium. Er war dort in derselben Absicht gewesen wie ich.

Dann, sagte Hubert mit Zähneknirschen, gilt es jetzt zwischen uns Kampf bis aufs Messer.

Ich sehe auch keine andre Möglichkeit, sagte der Richter trocken. Ich wünsche Ihnen das Beste, das versichere ich Ihnen, was auch immer geschehen mag. Nur, fügte er lächelnd hinzu, darf es keinen Mord geben. Daran kann ich mich nicht beteiligen. Und nun, Herr Darrell –. Und er sah auf seine uneröffneten Briefe.

Sie haben recht, Herr Benham, ich will Sie auch nicht länger aufhalten. Sie sind sehr freundlich gewesen, und –

Nichts da! Und er streckte ihm die Hand entgegen. Auf morgen, Herr Darrell?

Auf morgen, ja. Und ein paar Minuten später durchschlenderte Hubert die Straßen ohne Ziel noch Zweck, in seinem Gemüt einen tollen Wirbel von einander widersprechenden Empfindungen, die wir nicht zu analysieren brauchen. Unbewußt, fast automatisch, strebte er westwärts, bis er sich vor der Tür seines Klubs befand.

Bei Gott! sagte er, aufsehend; der Wanderer-Klub! Na, ich glaube, ich bin hier so gut aufgehoben, wie anderswo. Und er trat ein. Der Portier überreichte ihm ein Schreiben. Es war von Sir Harry Ogilvie und war vom Abend vorher datiert.

Lieber Darrell, besagte es, Jimmie Selhurst kam fünf Minuten, nachdem Du uns gestern abend verließest, und sitzt jetzt hier bei einem starken Brandy-Soda, schimpft wie ein Rohrspatz auf seinen Onkel und sagt alle möglichen, nicht wiederzugebenden Dinge von sich selbst, daß er je ein Wort gegen Dich geglaubt hat. Er nennt mich ein siebzehnhörniges Tier (was das sein mag, wird er wohl selber wissen), weil ich Dich mit der Reitpeitsche und andern dummen Dingen bedrohte, und ich vergebe es ihm, denn ich weiß, daß ich es verdiene. Hätte er noch ein Dutzend Hörner mehr zu dem Ungeheuer hinzugefügt, das ich zu sein scheine, so hätte ich's ihm auch nicht im geringsten übelgenommen. Wir reisen morgen früh um 9 Uhr nach Windwhistle Hall und haben beschlossen, einen vereinigten Angriff auf den Feind um acht Uhr oder sobald das Abendessen aufgetragen ist, zu machen, je nachdem die Gelegenheit günstig ist. Jimmie wäre es ganz recht, wenn eine wirkliche Petarde seinen Onkel vom Tische wegräumte. Er hat genug eignes Vermögen; das Gut ist Fideikommiß, und der Titel kommt ihm zu, wofern nicht –. Aber, armer Junge, ich will Deine arme gequälte Seele nicht noch mit solchen schauerlichen Unwahrscheinlichkeiten quälen. Wenn es möglich ist, will ich es so einrichten, Dir nach dem Diner ein Telegramm zu senden; darum ist es besser, Du bleibst den Abend über im Klub.

Immer Dein Harry Ogilvie.

Der Brief hatte noch eine Nachschrift von andrer Hand, und zwar lautete diese:

Kopf hoch, mein melancholischer Buff! Du hast ja noch keine grauen Haare. Wenn Du denkst, daß eine tüchtige knallende Explosion in Deinem Fall überhaupt Zweck hat, so kann es morgen nacht losgehen. Harry hat das Kommando. Wir wünschten nur, wir hätten ein bißchen mehr Dynamit. Du könntest es uns wohl nicht verschaffen?

Deiner und der ihre für alle Zeiten!

Jimmie.

Ob ich mehr Dynamit verschaffen kann? Hubert sah auf seine Uhr und füllte dann ein Telegrammformular aus.

Bald danach flog folgende Botschaft über die Telegraphendrähte:

Sir Harry Ogilvie, Baronet

Windwhistle Hall, bei Addlehead, Berks.

Betreffs Dynamit: Feind wußte alles, vor Kapitulation. War benachrichtigt vom Kriegsministerium. Dies steht sicher fest.

Buff.

Als dies fertig war, wurde er plötzlich vom Dämon der Unruhe besessen. Neun lange, ermüdende, angstvolle Stunden lagen zwischen ihm und jeder denkbaren Möglichkeit einer Nachricht über die Explosion. Wie sollte er die traurige Zwischenzeit ausfüllen? Es war zu früh zum Lunch. Er konnte nicht einmal einen anständigen Vorwand finden, um die Morgenzeitungen mit Ruhe zu lesen. Einen kurzen Augenblick dachte er daran, hinzugehen und die Unterredung mit seinem Vater zu suchen; aber er hatte seiner Mutter Juwelen zu Haus gelassen, und in seiner gegenwärtigen reizbaren Gemütsart fühlte er, daß die Besprechung jedenfalls erregt sein würde, und daß es vielleicht besser wäre, sie einen oder zwei Tage hinauszuschieben. Vielleicht würde er dann in ruhigerer Gemütsstimmung sein und seinen Vater ebenso gestimmt finden. Denn, zwar nicht so sehr aus persönlicher Kenntnis, aber vom Hörensagen wußte er, daß der alte Herr eine seltsame Mischung von Feuerfunken und Eis war und von noch andern Ingredienzien, die jede freundschaftliche Annäherung zurückstießen. Es war nicht anzunehmen, daß dieser große, muskelstarke rot und weiße Riese, der sechs Fuß zwei Zoll hoch auf bloßen Sohlen stand, als er gemessen wurde – und bei den Buffs würde das niemand bestreiten –, es war nicht anzunehmen, sagen wir, daß der sich niederwerfen und sich neigen und vor dem väterlichen Eisberg Kratzfüße machen würde, sondern vielmehr, daß er ihn mannhaft fragen würde, warum seine Mutter, die Dame, ihr ganzes Leben lang so niedrig behandelt worden und sogar auf ihrem Sterbebette verhöhnt worden war. Diese Auskunft beschloß er sich um jeden Preis zu verschaffen, aber nicht sofort, sondern erst in einem oder zwei Tagen. Da in Berkshire war ein Schurke von Baronet, namens Selhurst, der denn doch den ersten Anspruch auf seine Aufmerksamkeit hatte, und auch deswegen mußte er warten.

Er sah wieder auf seine Uhr. Sie mußte stillgestanden haben, und er hielt sie an sein Ohr. Nein. Nie zuvor waren seiner Erfahrung nach die Stunden so träge vorwärtsgeschlichen.

Nun, sagte er endlich, es ist ebensogut, wenn ich diese Juwelen an den Mann zu bringen suche. Das wird mir auf alle Fälle die Zeit vertreiben. Hatton Garden ist wohl der Markt für lose Edelsteine. Ich kann auch im Adreßbuch nachsehen und ein paar Adressen heraussuchen.

Dies beschäftigte ihn etwa zwanzig Minuten lang.

Das Halsband, sagte er endlich, wird, glaube ich, jeder große Juwelier im Westend kaufen. Und nun auf zu einem kleinen Bummel!

Wie Sir Harry Ogilvie vorausgesagt hatte, traf er im Laufe dieses Bummels mehrere Bekannte, denen offenbar »die Sonne die Augen blendete«, als sie ihn herankommen sahen. Er zuckte nur seine starken breiten Schultern, kam lachend in den Klub zurück und frühstückte.

Es gab einen vorzüglichen Beaune bei den Wanderern, und Hubert Darrell wußte das. Unter dem entflammenden Einfluß des Burgunders fühlte er sofort das Bedürfnis, an Lady Selhurst, früher Kitty Clare, einen Brief zu schreiben, und so ging er nach dem Kaffee hinauf ins Schreibzimmer, nahm die Feder in die Hand und begann mit entsetzlich finsterm Gesicht. Nachdem er nahezu ein Buch Klubpapier verdorben hatte, schimpfte er auf sich selbst in einer im Druck nicht wiederzugebenden Weise und fing wieder an. Wieder eine Pause, wieder ein Schimpfwort, und der Papierkorb begann sich zu füllen. Ein dritter, vierter, ein fünfter Versuch, und der Korb war voll. Aber zwei Stunden waren damit glücklich hingegangen.

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