Kitabı oku: «Bei Erwachen Mord», sayfa 2

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4

John Baudassin brach in schallendes Gelächter aus. Die beiden Partner schlürften auf dem Balkon, der vor Rolfs Büro lag, ihren Whisky. Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu, und Dunst legte sich langsam über den Pazifik. Rolf hatte den Ventilator aus seinem Büro vor die beiden Korbsessel gestellt, und das Summen des Geräts wirkte beruhigend auf seine Nerven.

„Die hat dich ja heute ganz schön zusammengefaltet. Ein Glück, dass du diesen Auftrag an Land gezogen hast, sonst würdest du mir jetzt Vorwürfe machen. Na ja, irgendwo liegt sie nicht falsch – du scheinst nicht mehr ganz bei der Sache zu sein. Ich fand deine Pläne nicht schlecht, aber sie haben mich auch nicht vom Hocker gerissen … Der Bungalow, den du damals Olrik in San Clemente hingesetzt hast, das war was. Aber vielleicht sind wir wie Schriftsteller. Nach dem Bestseller kommt dann erst einmal eine lange Flaute.“

Rolf schaute in Johns aufgedunsenes, verschwitztes Gesicht. Ein leichter Ekel überkam ihn. Er hatte seinen Partner eigentlich nie richtig gemocht. Es war eher ein Zufall gewesen, der die beiden geschäftlich zusammengeführt hatte. John war ein geschickter Organisator und verfügte über ein weites Netzwerk. Rolf war dagegen ein Einzelgänger und hatte am Anfang seiner Karriere Schwierigkeiten gehabt, seine wirklich originellen Ideen an den Mann zu bringen. Er war nie ein guter Verkäufer gewesen. Die beiden hatten sich auf einem Seminar über die Architektur der dreißiger Jahre kennengelernt und hatten sehr schnell das Potential des jeweils anderen erkannt.

Rolf fühlte, dass sein Partner nicht unbedingt die Person war, vor der er gerne sein Seelenleben ausbreitete. Andererseits kannte er auch niemanden sonst, dem er sich anvertrauen konnte. Monika würde er sicher nicht mit seinen Psychosen belasten.

Er holte aus seinem Arbeitszimmer eine Schachtel Cohibas und bot John eine an. Dann nahm er einen tiefen Schluck. Der Whisky rann warm und ölig seine Speiseröhre hinunter. „Ich schlafe seit mehreren Wochen sehr schlecht …“ Rolf suchte nach den passenden Worten.

„Wenn meine Frau so aussähe wie Monika, würde ich auch nicht schlafen“, grinste sein Partner.

Rolf verzog ärgerlich sein Gesicht. „Das meine ich nicht, John … Ich leide unter … Albträumen … seit etwa zwei Monaten.“

Baudassin zuckte mit den Schultern. „Das passiert uns doch allen. Was meinst du, wie es mir ergeht, wenn ich dem Finanzamt unseren Jahresabschluss verkaufen muss?“

„Diese Albträume wiederholen sich … mit Variationen. Sie sind sehr … beklemmend.“

John sah seinen Geschäftspartner fragend an.

Rolf fuhr fort. „Ich hatte immer ein sehr normales Verhältnis zu Frauen, ich meine …“

John verzog spöttisch sein Gesicht „Normal? Sagen wir, du bist nicht unbedingt monogam. Du hast es nie sehr lange mit einer ausgehalten, und parallel lief auch immer etwas. Vielleicht nennt man das heutzutage normal …“

„Ich wollte sagen, dass ich Frauen mag und ihre Gesellschaft immer gesucht habe …“

„Ja, dass du ihre Gesellschaft gesucht hast, kann ich voll und ganz bestätigen – sogar während unserer Bürozeiten!“, unterbrach ihn John ironisch.

Rolf fuhr mit der Hand durch seine Haare. Wie sollte er seinem spießigen Partner bloß erklären, was ihn bedrückte? „Im Klartext, ich habe mir nie etwas aus sadistischen Spielchen gemacht. Mein Sexualleben ist … normal. Ich kann noch nicht mal sagen, dass ich einen besonderen Fetischismus entwickelt hätte ...“

John kaute auf seiner Zigarre und sah etwas verlegen auf den Kachelboden der Terrasse.

Rolf stand auf. „Vielleicht sollten wir es dabei belassen … Du wirst mich eh nicht verstehen …“

„Setz dich hin und spuck es aus!“

Rolf ließ sich wieder in den Korbsessel fallen und fasste sich an die Stirn. Obwohl es kühler geworden war und der Ventilator einen angenehmen Luftzug erzeugte, rann ihm der Schweiß am Rücken herab. Der Himmel über dem Pazifik hatte jetzt eine lehmartige Färbung angenommen. Die Konturen der Klippen, die steil ins Meer fielen, verschwammen in dem bräunlich-gelben Licht, so als ob man sie durch ein volles Whiskyglas betrachten würde.

„Ich habe zwei Frauen erwürgt – in diesen verdammten Träumen … Und das Schlimme ist, dass ich es genossen habe … ich meine, ich genieße es im Traum. Ich habe das Gefühl einer großen Genugtuung, als ob ich eine lang ausstehende Rechnung begleichen würde – ein Gefühl der Rache. Natürlich ist mir beim Erwachen übel – keine Spur mehr von dieser Genugtuung.“

John wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß aus der Stirn und sah Rolf belustigt an. „Alter Junge, muss ich mir Sorgen machen? Vielleicht sollte ich Monika vor dir warnen? Tja, manchmal könnte ich meine Frau auch erwürgen, und das nicht nur im Traum – besonders, wenn sie fünfhundert Dollar beim Bridge verliert. Wer waren denn die Mädchen, mit denen du diese Gewaltorgien ausgelebt hast? Ich hoffe, sie waren wenigstens hübsch?“

Rolf ging auf Johns ironischen Ton nicht ein. „Etwas anderes ist mir aufgefallen: Die Träume sind sehr real. Ich kann mich danach genau an Farben und Düfte erinnern, an die Frauen … an ihre weit aufgerissenen Augen. Wenn ich früher mal einen Traum hatte, wusste ich beim Aufwachen nur noch dunkel, worum es überhaupt gegangen war…wenn überhaupt. Jetzt ist alles sehr deutlich, als ob ich einfach von einem Raum in den anderen ginge, wenn ich wach werde. Und noch etwas Seltsames … die Mädchen in meinen Träumen haben unterschiedliche Kleidung, Frisuren, Körpergrößen – aber immer das gleiche Gesicht …“

„Das gleiche Gesicht?“ Johns Stimme hatte den ironischen Ton jetzt endlich verloren. „Wessen Gesicht?“

Rolf schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Es ist das Gesicht einer Frau, die ich nie zuvor gesehen habe – jedenfalls nicht bewusst. Aber der Traum ist so deutlich, dass ich dir jede Einzelheit ihrer Physiognomie beschreiben könnte.“

John beugte sich leicht vor und klopfte ihm auf die Schulter. „Nerven – nichts als Nerven, Rolf. Ich glaube einfach, du bist mit den Nerven runter. Vielleicht hat dich der letzte Auftrag zu sehr beansprucht. Du solltest Urlaub machen. Du hast wirklich viel Energie in die Villa Olrik gesteckt und hättest den neuen Auftrag gar nicht übernehmen sollen. Vor allem nicht mit dieser Kratzbürste – keine Wunder, dass du in deinen Träumen Mordlust verspürst.“ John grinste wieder. „Vielleicht solltest du mit einem Seelenklempner reden. Ich habe dir ja gesagt, dass auch mein Schwager am Samstagnachmittag zu meiner Party kommen wird. Liam ist, wie du weißt, Psychiater. Ich persönlich glaube an das ganze Zeug nicht – alles Hokuspokus. Aber vielleicht tut es dir gut, mit ihm darüber zu reden. Er wird sicher eine vollkommen abgefahrene Erklärung finden – genauso abgefahren wie deine Geschichte ...“

Rolf leerte sein Glas und stand auf. „Mal sehen, John – ich werde es mir überlegen. Zumindest weißt du jetzt, was mich in letzter Zeit bedrückt und worunter meine Arbeit leidet. Ich mache mich jetzt vom Acker. Es war ein langer und heißer Tag, und ich muss für Monika noch ein Medikament unten bei Walgreens kaufen.

John erhob sich ebenfalls und trat mit Rolf ins Innere. Dann wandte er sich nochmals an seinen Partner. „Ich werde hier noch etwas arbeiten. Wenn du sowieso bei Walgreens vorbeifährst, könntest du mir vielleicht ein Päckchen Seconal holen? Hier ist das Rezept. Du kannst den Stoff einfach bei mir in den Briefkasten werfen. Vera wird noch nicht zu Hause sein. Sie spielt mit ein paar Freundinnen Bridge. Nun ja, du kommst doch sowieso an meinem Haus vorbei, wenn du zu dir zurückfährst …“

Rolf lächelte. Er schien also nicht der einzige zu sein, der unruhige Nächte mit kleinen, rosafarbenen Pillen zu überstehen versuchte.

5

Johns Haus lag in der Seymour Street. Ein großer Klinkerbau mit einer von Zypressen umgebenen Auffahrt.

Rolf parkte seinen Wagen unten auf der Straße und wollte gerade die Auffahrt hochlaufen, als er Johns Nachbarn, Bob Rogers, in einiger Entfernung in einer angeregten Unterhaltung mit dessen Frau Molly erblickte. Molly war eine alte Bekannte Monikas, und Rolf hatte die beiden näher kennengelernt, als er anfing, mit Monika auszugehen. Die Rogers schienen in eine heftige Diskussion verwickelt. Die Stimme der Frau hob sich schrill von Bobs Bariton ab. Rolf blieb jetzt stehen – er wollte sich nicht in einen Ehekrach einmischen.

Doch dann bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. Die Frau hatte nicht die Figur von Molly Rogers. Sie war sehr schlank und überragte ihr Gegenüber. Ihr dunkelbraunes Haar fiel in leichten Wellen auf ihr stark tailliertes Kostüm.

„Du hast diese Masche schon zu oft angewandt, Bobby! Hör auf, ich hab’s satt … Du wirst es ihr nie sagen. Aber glaube ja nicht, dass ich dich so gehen lasse. So kommst du mir nicht davon. Das wäre zu einfach – viel zu einfach!“ Sie drehte sich mit einem Ruck um und stand vor Rolf. Er starrte in ein paar große, braune Augen, die ihn wütend anblickten. Sie kniff ihren Mund zusammen und drängte sich an ihm vorbei.

Die Frau hatte eine beinah einschüchternde Ausstrahlung. Rolf wusste nicht, ob es an ihrem perfekten Erscheinungsbild oder ihrer augenscheinlichen Wut lag. „Donnerwetter!“, entfuhr es ihm.

Bob Rogers hatte ihn jetzt erst bemerkt. Er schluckte und seine sonst so ölige Stimme klang rau und unsicher.

„Ach Rolf … Na, alter Bursche, ich … Du kennst das ja – unzufriedene Kunden … Heutzutage verfolgen sie dich bis nach Hause … Das war eine Freundin von Johns Schwester. Ich … äh, hatte mich angeboten, ihr bei der Suche nach einer Wohnung in Frisco zu helfen …“

Der sonst so tadellos gekleidete Immobilienmakler sah ziemlich zerzaust aus. Er griff nach seinem Einstecktuch und wischte sich die Stirn ab. Rolf hatte Bobby immer als selbstsicheren Mann erlebt, der es schaffte, seiner Mitwelt auch den größten Schund ohne Schwierigkeiten anzudrehen, und dies auch skrupellos tat. Er war es nicht gewohnt, ihn so aus der Fassung zu sehen.

Rogers wich seinem Blick aus, als ob er fürchtete, dass Rolf seine Gedanken lesen könnte. „Man sollte Geschäft und Freundschaften immer trennen – eine goldene Regel, die ich ständig predige … und an die ich mich selbst nicht gehalten habe ...“

Rolf ärgerte sich jetzt, dass er in Rogers Privatangelegenheiten hineingeraten war. Ja, er kannte Bob, – aber es wäre zu viel, ihr Verhältnis als Freundschaft zu bezeichnen. Hätte er sich doch bloß ferngehalten. „Hallo Bobby, ich wollte mich da nicht einmischen. John bat mich, ihm etwas vorbeizubringen, und ich sah dich neben seiner Auffahrt. Ich dachte, du würdest gerade mit Molly reden. Ich brauche wahrscheinlich schon eine Brille.“

„Einmischen? Du hast mich gerettet!“ Rogers lächelte gewinnend. Er hatte sich jetzt wieder vollkommen im Griff. Er zog einen Kamm hervor und strich seine dunklen, welligen Haare glatt. Da war er wieder – der Schauspieler. „Komm mit rein, wir trinken einen Aperitif. Molly ist mit Johns Frau im Bridgeclub.“

Rolf sehnte sich nach Ruhe und Monikas Gesellschaft. Zuerst Diana Cleverly und jetzt noch einen Absacker mit Bob Rogers wären für einen Tag zu viel des Guten gewesen. „Nichts für ungut, Bobby, aber ich bin heute nicht richtig in Schuss – muss wohl eine leichte Sommergrippe sein. Wir sehen uns ja am Samstag bei Johns Gartenparty.“ Er nickte Rogers zu und wandte sich zum Gehen.

Bobby hielt ihn am Arm fest. „Ja richtig – Johns langweilige Party zum 4. Juli … Ach Rolf, vielleicht könntest du das alles hier für dich behalten … diese geschäftliche Diskussion, die du gerade beobachten musstest.“

„Welche geschäftliche Diskussion, Bobby?“ Rolf zwinkerte ihm zu.

Rogers nickte dankbar. „Nun ja, diese … äh … Kundin, wird wahrscheinlich auch da sein. Sie ist ja eine Freundin von Johns Schwester, die mit ihrem Mann ebenfalls eingeladen ist.“ Rogers hatte seine Selbstsicherheit wieder verloren und sah bedrückt auf den Boden.

Rolf ahnte schon, dass Bobby ihn jetzt gleich auf eine Tournee durch sein Privatleben mitnehmen würde – etwas, das er unbedingt vermeiden wollte – aber es war schon zu spät.

„Wird ein schwieriger Samstag.“ Bob seufzte, dann öffnete er das Ventil. „Ich habe diese Frau bei einer Geburtstagsfeier von Johns Schwester kennengelernt. Und irgendwann ist es dann passiert – es läuft nun schon etwa ein Jahr. Es ist Wahnsinn und ich weiß nicht, wie ich mich in diese Situation hineinmanövrieren konnte. Aber jedes Mal, wenn ich mit ihr Schluss machen will … Ich meine, ich kann einfach nicht die Finger von ihr lassen. Aber ich werde mich nie von Molly trennen … Tja, du hast ja die Szene eben mitbekommen. Ich weiß nicht, wie ich aus dem Mist wieder rauskommen soll …“ Rogers griff sich an den Kragen und lockerte seine Krawatte. Dann holte er tief Luft. „Ich brauche jetzt wirklich einen Drink. Komm doch kurz mit rein …“

„Sonst gerne, Bobby, aber ich bin sehr müde und wäre heute bestimmt kein guter Ratgeber. Wir können morgen telefonieren und uns überlegen, wie wir das Kind am Samstag schaukeln – wir werden schon einen Ausweg finden. Ich werde das hier noch in Johns Briefkasten werfen und dann die Heimreise antreten.“ Rolf klopfte ihm auf die Schulter und wandte sich zum Gehen. Er wusste, dass Bobby in der Gesellschaft seiner gut ausgestatteten Bar bestens aufgehoben war und sich schnell in einen tiefen Schlaf trinken würde.

Wenn er selbst doch auch nur wie früher durch einen einfachen Drink seine innere Ruhe wiederfinden könnte.

6

Rolf kurbelte das Fenster etwas herunter und ließ die kühle Abendluft in den Wagen strömen, als er die Straße nach El Granada entlangfuhr. Die Sonne glich jetzt einer dunklen Orange, die dicht über dem Meer sanft durch den Dunst leuchtete und die Küste in ein rötliches Licht tauchte. Es war, als ob sich der Tag mit letzter Kraft gegen das Herannahen der Nacht wehrte, indem er ein loderndes Feuer entfachte und es gegen die aufkommende Dunkelheit schleuderte.

Rolf steckte sich eine Zigarette an. Das goldene, waffelförmige Feuerzeug hatte ihm Monika geschenkt.

Er musste an den Augenblick denken, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte seinen Auftrag gerade beendet und aß mit seinem Klienten im Pierre zu Abend. Der alte Grey war von dem neuen Bungalow so begeistert, dass er eine Flasche Krug nach der anderen bestellte. Beide waren leicht beschwipst.

Eigentlich hatte Grey Monika zuerst entdeckt. Rolf erklärte ihm gerade den Vorteil von Spannbeton, wobei er aufgrund seines Pegelstandes immer von Sparbeton sprach, als der Alte geistesabwesend an Rolf vorbeischaute. Dann murmelte er etwas vom Fluch des Altwerdens.

Als sich Rolf dann unauffällig umdrehte, sah er sie. Monika saß mit einem älteren Herrn an einem der Fenstertische. Sie glich einer Elfe. Ihr dichtes, blondes Haar lag wie eine Pelzboa über ihrer rechten Schulter. Sie blickte ihren Tischpartner mit ihren großen, blauen Augen aufmerksam an. Er hatte das Bild noch genau vor Augen und erinnerte sich an seinen ersten Gedanken. Was treibt dieses Mädchen mit dem alten Knacker? Es hatte sich dann später herausgestellt, dass es Monikas Vater war, der in San Francisco vorbeigeschaut hatte.

Er war die ersten Monate ihrer Beziehung so glücklich gewesen wie kaum jemals zuvor in seinem Leben. Als sie zu ihm zog, ließ Monika ihre Arbeit bei Wells Fargo sausen und nahm ihr Kunststudium wieder auf. Halbtags arbeitete sie in einer Galerie. Rolf hatte das Gefühl, nach einer sechsunddreißigjährigen, turbulenten Reise auf einem Seelenverkäufer endlich in einen ruhigen Hafen eingelaufen zu sein. Sein unstetes Leben und seine Streifzüge durch die Nachtclubs Friscos schienen der Vergangenheit anzugehören.

Als er endlich ankam und die beleuchtete Auffahrt zu seinem Haus hinauffuhr, sah er einen dunklen Chrysler vor seiner Garage stehen. Wenn er sich nicht irrte, war das der Wagen von Monikas Vater. Seltsam, er hatte sich doch gar nicht angekündigt?

„Schau, wer vorbeigekommen ist!“ Monika hatte die Tür geöffnet, bevor er noch den Hausschlüssel hervorgezogen hatte, und umhüllte ihn mit ihrer solaren Ausstrahlung. Neben ihr die große Gestalt ihres Vaters. Beide hatten die gleichen himmelblauen Augen, das gleiche einnehmende Lächeln.

Rolf hoffte, dass er im Alter wie Monikas Vater sein würde – genauso gutaussehend. Im Gegensatz zu vielen alleinstehenden, älteren Männern war Earl Lindblad äußert gepflegt. Er trug einen eleganten, dunkelblauen Zweireiher, der seine schlanke Gestalt hervorhob. Sein volles, weißes Haar war sorgfältig mit Brillantine nach hinten gekämmt. Lindblad musste in seinen jungen Jahren sicher Erfolg bei Frauen gehabt haben. Er vermittelte ein Gefühl von großer Gelassenheit – und es gibt im Leben nichts Stärkeres als Gelassenheit.

„Herr Lindblad, eine nette Überraschung. Laden Sie mich zu einem meiner Whiskys ein?“

Der Alte lächelte. „Darf ich Sie in Ihr Haus bitten?“

Rolf umarmte Monika kurz. Zu mehr konnte er sich in Gegenwart ihres Vaters nicht hinreißen lassen.

Die Männer traten in den spärlich möblierten Salon, und Rolf bereitet drei Whisky Soda zu.

„Sie sind jetzt häufig an der Westküste. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie kommen, hätte ich einen Tisch im Pierre bestellt.“ Rolf wandte sich mit den Gläsern Lindblad zu.

„Dein Pierre kann gar nicht mit mir mithalten.“ Monika griff nach ihrem Drink und stieg die Stufen zur Küche hoch.

Earl Lindblad setzte sich unaufgefordert auf eines der grauen Ledersofas und sah Rolf freundlich an. „Wissen Sie, ich fühle mich noch zu jung, um mich vollkommen auf mein Altenteil zu setzen. Ich habe immer Physik unterrichtet und das wiedergekaut, was andere entdeckt haben …“

„Papa hat was ganz Neues erfunden und ist jetzt Unternehmer!“, schallte es aus der Küche.

„Ich habe mit meinem Teilhaber ein Miniaturhalbleiter-Bauelement entwickelt, das es ermöglichen würde, noch handlichere Transistorradios herzustellen – ein Radio, das Sie in ihre Brusttasche stecken könnten, ohne dass es weiter auffallen würde. Kurzum, zwei kalifornische Technologieunternehmen scheinen interessiert zu sein. Deshalb habe ich mich in einen Handelsreisenden verwandelt.“

„Du bist jetzt Geschäftsmann, Papa, nicht Handelsreisender!“ Monika kam mit einer großen Platte Roast Beef und Salat herunter. „Zu mehr hatte ich in der Mittagspause keine Zeit …“

„Warum hast du heute Nachmittag keine Nachricht in der Firma hinterlassen? Wenn ich gewusst hätte, dass dein Vater kommt, wäre ich früher nach Hause gekommen und hätte ein Barbecue vorbereiten können“, sagte Rolf.

„Ja, ein Barbecue! Das ist mein Rolf. Er kann kaum einen Salat anrichten, geschweige denn ein Ei kochen. Aber wenn es ums Grillen von Fleisch geht, müssen wir Frauen eine Meile Abstand halten – das kann nur er richtig. Der Höhlenmensch scheint sich wirklich noch in allen Männern zu verstecken … huhu.“ Monika zog ihre schlanken Arme wie ein kleines Äffchen hoch und grinste Rolf an.

Obwohl die Nacht bereits hereingebrochen war, hatte sie den Tisch unter der durch einen blauen Lampion beleuchteten Laube neben dem Schwimmbad gedeckt. Von hier hatte man einen grandiosen Ausblick auf den Pazifik, auf dem das kalte Licht des Mondes einen breiten, silbernen Kanal bis zum Horizont formte. Die leichte Brise, die vom Meer her wehte, war angenehm kühl und roch nach Zedernholz. Sie setzten sich und lauschten einige Sekunden dem Rauschen der Brandung.

„Es muss heute bei der Hitze sicherlich schwer gewesen sein, etwas Originelles auf dem Zeichentisch zu entwerfen“, unterbrach Lindblad das Schweigen.

Rolf lächelte. „Tja, heute war auch ich als Handelsreisender unterwegs. Ich habe eine Klientin besucht, die ihre Villa am See Tahoe renovieren lässt. Es ging also eher darum, etwas zu verkaufen, was ich während des letzten Monats ausgebrütet habe. Es lief nicht besonders gut. Die Klientin war der Meinung, dass mein Entwurf zu konventionell sei.“

„Am See Tahoe?“ Lindbad sah von seinem Teller auf.

„Ja, in Dollar Point. Kennen Sie die Gegend?“

Lindbad nippte an seinem Weinglas. Dann räusperte er sich. „Nein, ich war selbst noch nicht da. Aber die Gegend ist mir natürlich ein Begriff. Viele der Schönen und Reichen haben dort ihre Sommerhäuser.“

Monika nahm lachend die Hand ihres Vaters. „Dann wirst du auch bald dort wohnen, Papa. Ich bin ganz sicher, dass deine Erfindung wie eine Bombe einschlägt. Vergiss nicht, uns einzuladen, wenn es soweit ist.“

Lindblad achtetet nicht auf seine Tochter. Er schien mit seinen Gedanken woanders zu sein. „Wenn Sie dort eine Villa renovieren, müssen Sie wahrscheinlich noch öfters raus nach Dollar Point?“

Rolf nickte. „In zwei Wochen auf jeden Fall. Am liebsten würde ich dich hinschicken, Monika. Cleverly würde dir wahrscheinlich aus der Hand fressen …“

„Clerverly?“ Lindblad sah auf.

„Ja, meine Kundin – Diana Cleverly. Hat einen Charakter wie ein Feldwebel – sieht aber ganz nett aus.“

Monika kicherte. „Ich muss mir doch keine Sorgen machen, Rolf?“

Er kniff sie leicht in die Wange. „Nein Monika, du brauchst dir bestimmt keine Sorgen zu machen. Ich glaube, du wärst eher ihr Typ.“

Es war jetzt frisch geworden. Monika ging ins Haus, um sich eine Strickjacke zu holen. Dann kam sie mit einem silbernen Tablett, auf dem Kaffee und Cognac standen, zurück. „Wo ist eigentlich dein Gepäck, Papa?“

„Liegt noch im Wagen …“ brummte Lindblad.

„Rolf wird es holen, und ich bereite dir das Gästezimmer vor.“

Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich habe heute noch eine geschäftliche Verabredung und werde euch jungen Leute nach dem Abendessen in Frieden lassen.“

Monika sah ihn besorgt an. „Aber Papa, du hast den ganzen Tag hinter dem Steuer gesessen, und es ist schon beinahe Mitternacht!“

„Ich würde wirklich gerne bleiben, aber es ist … wichtig. Wir werden uns sehr bald wiedersehen und dann werde ich mehr Zeit mit dir verbringen.“ Er streichelte ihre Wange.

Es schien Rolf, als ob Lindblad wie ein Meteor durch Monikas Leben sauste. Er tauchte immer unangekündigt auf und verschwand dann genauso schnell wieder. Er hatte sich nie richtig um seine Tochter gekümmert. Trotzdem liebte Monika ihren Vater abgöttisch. Sie sprach sehr oft von ihm. Ihre Mutter, die vor einigen Jahren nach langer Krankheit gestorben war, erwähnte sie hingegen kaum.

Als er sich von seiner Tochter verabschiedet hatte und mit Rolf zu seinem Wagen schritt, drehte sich Lindblad plötzlich zu ihm und nahm seine Hand. „Ich bin wirklich so froh, dass Monika bei Ihnen wohnt, Herr Bennett. Es ist eine unsichere Welt, in der wir leben. Ich verstehe vieles nicht mehr – manchmal auch mich nicht. Ich habe mich immer zu Taten hinreißen lassen, die ich dann bereut habe … das war mein ganzes Leben so. Dabei habe ich die wirklich wichtigen Dinge aus den Augen verloren.“ Er blickte Rolf geistesabwesend an. Dann strich er seine Haare nach hinten und stieg in den Wagen.

Seltsam, dass Menschen, die ihr Leben lang nur an ihr Vergnügen und ihre Selbstverwirklichung gedacht haben, sich im Alter plötzlich um ihre Kinder sorgten. War es die Einsamkeit, die man in den späteren Jahren stärker spürte, oder das Ende des Lebens, das mehr und mehr die Gedanken der Menschen beherrschte, und ihnen ihre Versäumnisse deutlich vor Augen führte? Rolf stand noch eine Weile an der Auffahrt zu seinem Haus und starrte auf den dunklen, von Zedern umgebenen Weg, der zur Küste führte. Irgendetwas schien den Alten zu bedrücken. Welche geschäftliche Verabredung mochte er noch um diese Uhrzeit haben?

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