Kitabı oku: «Ein Legat», sayfa 7
Zehntes Capitel
»Der Bürgermeister von Helmstadt wünscht Herrn Pastor Nadering zu sprechen und bittet denselben zwischen zwei und drei Uhr auf das Rathhaus zu kommen.«
»Warum nicht gar,« sagte Nadering, als er die kurze officielle Einladung empfing. »Ich soll zum Bürgermeister kommen, der sich nicht einmal für das Gemälde bedankt hat? Ich will nicht Nadering heißen, wenn ich das thue.«
Aber die Verantwortung für diesen Entschluß schien ihm doch etwas schwer; er ging also sofort nach dem Wohnzimmer, um mit seiner Frau darüber zu sprechen.
Die Frau Pastorin gab ihm unbedingt Recht, er mußte doch seine Würde als Pastor wahren.
Das leuchtete ihm ein, namentlich da er eigentlich gar nicht mehr Pastor von Helmstadt war, seitdem er den Ruf nach Riethausen erhalten und angenommen hatte. Er schrieb also: »Der berufene Pastor von Riethausen ist zu einer Unterredung mit dem Bürgermeister von Helmstadt bereit und wird zu der angegebenen Zeit zu Hause sein.«
Nadering war gewiß nicht übelnehmend und Niemand konnte ihm nachsagen, daß er sich selbst überschätzte; aber jener Brief hatte ihn denn doch etwas erbittert und mit klopfendem Herzen setzte er sich gegen zwei Uhr in sein Studirzimmer, um den Bürgermeister, für den Fall, daß dieser kommen würde, zu erwarten. Fünf Minuten nach Zwei wurde geschellt: es war der Bürgermeister. Nun bereute es der Pastor, daß er nicht selbst gegangen war; es wäre eine so kleine Mühe gewesen, und er sah ja auch, daß der Bürgermeister nicht so schlimm sei, wie er geglaubt hatte, sonst würde er nicht zu ihm gekommen sein. Der gute alte Mann machte denn auch viele Entschuldigungen und er würde in diesem Augenblick gern eine Lüge gesagt haben, wäre er nicht zu ehrlich gewesen, eine solche überhaupt zu ersinnen.
»Herr Pastor,« begann das Haupt der Gemeinde, »viele Schreibereien verderben oft die Sachen, und da ich die einfache Geschäftsordnung liebe, so komme ich zu Ihnen. Ich wünschte eine kurze Unterhaltung und bitte zugleich auch um eine kurze Unterredung für einen Anderen.«
»So viel Sie wollen, Herr Bürgermeister, ich werde sehr gern zu Ihnen kommen.«
»Ich möchte Ihre kostbare Zeit nicht rauben. Die andere Persönlichkeit wird bald hier sein und wünscht einiges Nähere von Ihnen über das Gemälde zu wissen, welches Sie der Gemeinde geschenkt haben.«
»Wofür man sich nicht einmal bedankt hat!« Diese Worte brannten Nadering auf den Lippen, aber er durfte doch dem Bürgermeister gegenüber sich nicht so kleingeistig zeigen, um darauf Gewicht zu legen.
»Ach, das Gemälde, Herr Bürgermeister – es stand mir nicht im Wege, aber ich machte mir auch nichts daraus, ich dachte, im Museum wäre es besser aufgehoben, denn, sehen Sie, ich hatte keine Ahnung davon, daß Streitigkeiten darüber entstehen würden.«
Der Bürgermeister hatte gar kein Verlangen, ein langes Gespräch zu führen. Er kam wegen des Gemäldes und erwartete einen Sachverständigen, der kommen sollte, um darüber zu entscheiden, ob kein Zweifel an der Echtheit des Bildes zu finden sei. Der Pastor dagegen hätte gern ein wenig über seine Versetzung nach Riethausen geplaudert und begann damit, dem Bürgermeister zu erzählen, daß seine Frau dort Verwandte habe und was er bereits über das Leben daselbst wußte. Während er im besten Plaudern war, kam der Sachverständige, den der Bürgermeister aus Amsterdam hatte kommen lassen. Dieser richtete eine Menge von Fragen an den Pastor, auf welche der gute alte Mann wenig Auskunft wußte; trotzdem erklärte der Sachverständige, welcher das Bild schon gesehen und untersucht hatte, daß alle Umstände für Echtheit des werthvollen Stückes sprächen.
»Und nun, Herr Pastor,« sprach der Bürgermeister, »sage ich Ihnen im Namen der Gemeinde Dank für das Geschenk. Der Secretair ist beauftragt, Ihnen den Rathsbeschluß über die Annahme nebst der officiellen Danksagung zukommen zu lassen.«
»Nicht nöthig, Herr Bürgermeister, nicht nöthig, – wozu soll sich der Herr Secretair so viel Mühe geben –«
»Ich liebe die Ordnung in jeder Hinsicht, Herr Pastor. Nehmen Sie auch noch den besten Dank für die Aufklärungen, die Sie dem Herrn Sachverständigen gegeben haben.«
Und mit festem, langsamem Schritt verschwand der Bürgermeister. Hinter ihm ging der Sachverständige. Letzterer hatte auch bereits mit Walther conferirt, und die Gemeinde konnte versichert sein, daß von Betrügerei oder Nichtverständniß keine Rede sei. Das Bild war ein echter Memmeling. Anna Nohr hatte die Entdeckung gemacht, und Walther blieb der glückliche Bewahrer des seltenen Schatzes.
* * *
Wir übergehen die vielen Gerüchte, welche über alle die zuletzt erzählten Vorgänge in Helmstadt umliefen. Der Kirchenrath mußte nun endlich wegen der Bibelstunde des Donnerstags Beschluß fassen, und da Pastor Rodermann längst eingesehen hatte, daß die Sache vollständig verloren war, so benutzte er die Gelegenheit, um in schwungvoll überladenen Reden zu erklären, wie der irdische Vortheil allezeit dem Trachten nach dem Reiche Gottes nachgesetzt werden müsse, und er erzielte damit einen solchen Eindruck auf die Aeltesten der Gemeinde, daß diese sehr geneigt waren, ihm eine Zulage von fünfhundert Gulden anzubieten, um ihn für den Ausfall der Bibelstunde zu entschädigen. Pastor Nadering blieb seiner Ansicht bis zum Schluß getreu und brachte dadurch den ganzen Kirchenrath gegen sich auf.
Nach der letzten Sitzung in dieser Angelegenheit begleitete Pastor Rodermann den Rath Sander nach Hause, denn er hatte sich Tags zuvor mit dessen Schwester, die zwar häßlich und sehr verwachsen, aber auch sehr reich war, verlobt. Zwar ist das Reich des Herrn nicht von dieser Welt und Gold ist nur Staub, aber wenn man es einmal mit in den Kauf erhält, wird der Herr es nicht als Sünde anrechnen. Es war eine Prüfung mehr für den ehrwürdigen Rodermann, er wird dagegen streiten und mit Gottes Hülfe den Sieg erringen.
Nur ein kurzes Gespräch und ein Händedruck, dann verließ Rodermann, trotz der Bitten seiner Braut, das Haus des Rathes Sander wieder, um, wie er sagte, dem Kirchendiener Nohr einen Besuch zu machen.
»Ist der alte Mann krank?« frug der Rath.
»Krank? Ja, sehr krank an der Seele, schwach und wankend im Glauben – wir sprechen später darüber.«
Nachdem Rodermann in der Stube des Kirchendieners Platz genommen hatte, begann er salbungsvoll:
»Ich komme, um ein ernsthaftes Wort mit Ihnen zu sprechen, Nohr. Wie ich höre, haben Sie Absichten mit Ihrer Tochter. Sie wollen dieselbe mit einem Manne verheirathen, der – bei aller Achtung vor seinem Talent – nicht der rechte Mann für sie ist.«
Der Kirchendiener rückte hin und her auf seinem Stuhle; er hatte so etwas erwartet, aber gehofft, daß Pastor Nadering mit ihm davon reden werde und dann hatte die Sache gute Wege, aber dieser – das war ein lästiger Patron.
»Ich rede nicht davon,« fuhr Rodermann fort, »ob Ihre Tochter überhaupt für die Ehe geeignet ist.«
Nein, dachte Nohr, darauf werde ich dir dienen.
»Hören Sie, Herr Pastor,« sagte er, »meine Tochter ist mindestens an Leib und Gliedern so gut wie Fräulein Sander, aber davon will ich nicht reden, nur so viel sage ich, kein Mensch hat sich selbst geschaffen und ich glaube nicht, daß es die Absicht des lieben Gottes ist, Jemand zum Krüppel zu machen, um –«
»Mensch, du vermißt dich, in die Rathschläge des Allerhöchsten eindringen zu wollen,« donnerte der Pastor. »Wurm, du empörst dich gegen deinen Schöpfer! Soll sich der Töpfer vom Thon sagen lassen, ob er ein Gefäß der Ehre oder der Unehre aus ihm machen darf?«
Nohr war vor Schrecken blaß geworden. Glücklicherweise war seine Tochter mit Walther ausgefahren, um zum ersten Male einen Arzt zu besuchen, mit welchem der Maler wegen ihr gesprochen hatte und der sie elektrisiren sollte. Wäre sie zu Hause gewesen, der alte Mann hätte sich kaum zu fassen vermocht, so aber fühlte er sich den Vorwürfen des zornigen Rodermann gegenüber Manns genug, um ihm entgegen zu treten.
»Der Herr Pastor Nadering,« begann er –
Aber Rodermann ließ ihn nicht weiter reden, sondern unterbrach ihn mit den Worten: »Suchen Sie nicht Ihre Sünde dadurch zu vergrößern, daß Sie sich auf einen Anderen berufen. Gottes Weisheit ist hoch über Euren beschränkten Verstand erhaben: beugt Euch vor seinem heiligen Namen!«
»Das trachte ich auch zu thun, Herr Pastor, aber –«
»Klopfet an Eure Brust, Nohr, und fragt Euch selbst, ob Ihr Gottes Namen verherrlicht, wenn Ihr Euer Kind der Abgötterei überliefert.«
»Aber, Herr Pastor, Walther ist ein guter Mensch und denkt in Glaubenssachen sehr freisinnig.«
»Freisinnig!« wiederholte Rodermann. »Verblendeter! Was ist diese Freisinnigkeit anders, als Verleugnung des Höchsten! Das nennen Sie einen Vorzug! So Jemandem wollen Sie Ihr Kind anvertrauen! Wissen Sie nicht, daß Sie die Tochter damit in ihr Verderben rennen lassen?«
»Ich muß bitten, Herr Pastor,« sagte Nohr, innerlich bebend, »nicht so weiter zu reden. Sie sind Geistlicher, aber ich bin ein alter Mann und will solche Anspielungen nicht hören. Meine Anna ist nur die Tochter eines Kirchendieners, aber sie ist ein anständiges Mädchen und Niemand soll so von ihr sprechen.«
Nohr war aufgestanden. Er war böse, ernsthaft böse. Man konnte ihm sagen, was man wollte, aber Anna durfte man nicht antasten und solche Dinge sollte Niemand von ihr reden.
»Nein, das will ich nicht,« murmelte er, indem er noch einmal den Kopf schüttelte.
»Aber, Freund Nohr, ich sage ja nichts Schlechtes von Ihrer Tochter, ich sage nur –«
»Und ich sage, Herr Pastor, daß die Sache Sie nichts angeht, verstehen Sie mich. Wenn ich meine Pflicht nicht thue, können Sie mich wegjagen, darüber hat der Kirchenrath zu beschließen; aber über Anna hat der Kirchenrath nichts zu sagen und ich will einmal keine schlechten Redensarten über sie hören.«
»Sie scheinen zu vergessen, mit wem Sie reden! Ich komme hierher als Seelsorger der Gemeinde; aus diese Weise empfängt man keinen Geistlichen, am wenigsten, wenn man selbst eine kirchliche Anstellung bekleidet. Aber ich sehe, daß auch hier der christliche Geist nicht durchgedrungen ist. Bruder Nohr, Sie sind tief zu beklagen.«
»Das kommt darauf an, Herr Pastor,« sagte Nohr, der nun einmal warm geworden war und nicht nachgeben wollte. »Wir haben hier in Frieden gelebt, so lange Ihr Vorgänger und Pastor Nadering hier standen, aber seitdem Sie gekommen sind, leben wir in Streit und Unfrieden; ich bin nicht umsonst siebenunddreißig Jahre Kirchendiener gewesen.«
Rodermann stand auf. – »Was Sie soeben gesagt haben, paßt nicht in Ihren Mund. Nohr, ich gebe Ihnen vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit, um darüber nachzudenken, und wenn ich bis dahin nichts von Ihnen vernommen habe, werde ich wissen, was ich als Seelsorger und Mitglied des Kirchenraths zu thun habe.«
Rodermann ging und überließ Nohr seinen Gedanken. Dieser wäre gern zu Pastor Nadering gegangen, aber Nadering war nach Riethausen gereist, wo seine Frau das Maß zu den Gardinen nehmen und die Farbe der Tapeten bestimmen mußte.
Nohr zog an seiner ausgebrannten Pfeife und überlegte. Dann starrte er geraume Zeit nach dem Schränkchen von Eichenholz, zu welchem Anna den Schlüssel hatte. Er wußte wohl, was es enthielt; er hatte immer für sein Kind gespart und hätte dies auch bis zu seinem Tode gethan, wenn es nöthig gewesen wäre. Aber Walther hatte genug, um zu leben, und am Ende war es gar nicht passend, wenn der Schwiegervater des Custos des städtischen Museums Kirchendiener blieb. Ueberdies war er alt. Pastor Rodermann gefiel ihm nicht und wer konnte sagen, ob der zweite neue Pastor nicht noch schlimmer war. Weggejagt zu werden oder vor Pastor Rodermann Abbitte thun, war eine Wahl, an die er gar nicht denken mochte. Das Einzige, was ihm übrig blieb, war, seine Entlassung zu fordern.
Als Walther und Anna zurückkamen und die frohe Nachricht brachten, daß der Arzt vollkommene Heilung in Aussicht gestellt habe, hatte Nohr bereits einen festen Entschluß gefaßt, und am nächsten Morgen in aller Frühe zog er seinen Sonntagsanzug an, ging zum Präsidenten des Kirchenrathes und ersuchte diesen, auf Grund seines vorgerückten Alters ihm eine ehrenvolle Entlassung zu ertheilen. Er kam damit der Anklage des Pastor Rodermann zuvor und diesem blieb nichts übrig, als im Stillen seiner Braut und seinem Schwager zu erzählen, daß er aus Mitleiden mit dem alten Mann sich habe bewegen lassen, nicht selbst auf dessen Entlassung anzutragen.
Sechs Wochen später hielt Pastor Nadering seine Abschiedspredigt und zum letzten Male functionirte Nohr dabei als Kirchendiener und saß auf seinem altgewohnten Platze hinter der Kanzel. Er hätte in Thränen ausbrechen mögen, aber er hielt sich tapfer. Nur einen Augenblick wurde ihm schwer ums Herz, als Nadering sich der Erinnerung der Zurückbleibenden anempfahl und dabei auch Derer gedachte, die ihm in untergeordneter Stellung mit Eifer und Liebe in seinem Beruf beigestanden hätten. Alle blickten dabei nach Nohr, als sei etwas Besonderes an dem alten Mann zu sehen, der siebenunddreißig Jahre lang unbemerkt seinen Dienst verrichtet hatte.
Daß das Legat an das Museum fiel, weiß der Leser; wenigstens hat er es aus dem Vorhergehenden schließen können.
Was das Schicksal der Personen betrifft, so kann ich den Leser versichern, daß Alles genau so gekommen ist, wie er es sich denken wird.