Kitabı oku: «Ein Legat», sayfa 5
Siebentes Capitel
In den nächsten Tagen kam in den Sitzungen des Gemeinderathes der Vorschlag zur Verhandlung, der den Verkauf des Museums betraf, und wir könnten Manches aus den schönen Reden der Gemeinderäthe hier wiederholen; aber da man sich vorläufig nicht einigte, so verzichten wir darauf und verfügen uns inzwischen lieber wieder nach dem Stübchen von Fräulein Anna Nohr, wo wir diese mit ihrem Lehrer vor dem Bilde des Pastor Nadering finden.
»Ein Memmeling?« sagte Walther. »Es ist unmöglich!«
»Memmeling,« wiederholte Anna und nickte zustimmend, was jedoch ganz überflüssig war, da Walther bereits sechsmal die Sache selbst untersucht und jedesmal mit derselben Verwunderung ausgerufen hatte, daß er es nicht glauben könne.
»Ein echter Memmeling, es ist ganz undenkbar, und nun in diesem Neste zu sitzen und Niemandem sagen zu können, daß ein echter Memmeling gefunden ist!«
Das gelähmte Mädchen sah den lebhaft erregten Mann mit einem unbeschreiblichen Blicke aus ihren sanften Augen an und ihre Stimme zitterte ein wenig, als sie sagte: »Und ich –?«
»Es ist wahr, Anna, Sie haben Recht. Aber begreifen Sie denn auch wirklich, was ein Memmeling ist? Nein, Sie können es nicht begreifen. Wenn Sie – aber nein, ich kann es Ihnen nicht sagen –« und wieder ging Walther in dem kleinen Stübchen auf und ab und versuchte es sich selbst abzustreiten, daß es kein Memmeling sein könne, obgleich er wußte, daß es nun doch einmal ein Memmeling war.
Die Entdeckung hatte Anna gemacht, als sie das Bild reinigte, um es zu copiren; sie hatte den Maler sofort zu sich bitten lassen und Beide brachten nun geraume Zeit damit zu, sich über die Entdeckung zu verwundern.
»Ob Pastor Nadering es wissen mag?« fragte Anna endlich, um etwas Abwechselung in das Gespräch zu bringen.
Diese Frage versetzte Walther plötzlich in eine ganz andere Stimmung; er hatte das Bild empfangen, aber nicht angenommen, und da es nun ein so werthvolles Stück war, konnte Nadering es zurückverlangen. Er wollte keinen Augenblick versäumen, um die Sache in Ordnung zu bringen, aber freilich, wenn die Gemeinde das Museum verkaufte, wie stand es dann mit dem Bilde? Der arme Walther wußte keinen Rath. Er verwünschte den Augenblick, an welchem er beschlossen hatte, das Museum verkaufen zu lassen, er verwünschte sich selbst, den Gemeinderath, den Bürgermeister und den Pastor, der, seiner Ansicht nach, das Bild auch früher hätte schicken können. Er wußte nicht, was er jetzt thun oder sagen sollte.
»Wäre es nicht am besten, wenn Sie zuerst einmal mit Pastor Nadering redeten?« fragte Anna.
»Nadering?« wiederholte Walther gedankenlos.
»Oder mit dem Bürgermeister?«
»Niemals mit dem, niemals, niemals! Nein, ich werde zum Pastor Nadering gehen und ihm Alles offenherzig sagen, und wenn er das Bild – Aber nein, das wird er nicht thun.«
Fünf Minuten später stand Walther im Studirzimmer des Predigers.
Dieser empfing den Maler ganz besonders freundlich.
»Um Ihnen die Wahrheit zu sagen,« meinte er, »ich hatte Sie schon früher erwartet. Was giebt es Neues in der Kunst? Sie finden mich in einer vortrefflichen Stimmung. Helmstadt ist zwar ein allerliebster Ort, aber meine Frau hat noch Verwandte in Riethausen; genug, es hat einmal so sein sollen. Wollen Sie eine Cigarre rauchen?«
Walther hatte für nichts Sinn, als für den neuentdeckten Memmeling. »Herr Pastor,« sagte er, »Sie fragen mich, was es Neues in der Kunst gebe. Ich weiß eine große Neuigkeit.«
»Was Sie sagen!« versetzte Nadering, »aber machen Sie sich's doch bequem und zünden Sie eine Cigarre an. Sind Sie in Riethausen bekannt? Es soll ein angenehmes Leben dort sein.«
Walther nickte und sagte dann ziemlich ernsthaft:
»Ich wollte mit Ihnen wegen des Gemäldes sprechen, Herr Pastor.«
»Sie haben es doch erhalten? Ich habe Nohr den Auftrag gegeben, Sie davon in Kenntniß zu setzen; aber solch' ein Kirchendiener hat auch mancherlei zu thun und der Mann wird alt. Mein Gott, das werden wir Alle mit der Zeit, wenn wir es nur in Ehren werden, nicht wahr? Ja, ja, Herr Walther, ich habe hier Manches erlebt in Helmstadt.«
Der gute Pastor, der soeben sein Berufungsschreiben nach Riethausen empfangen hatte, war durchaus nicht in der Stimmung, Geschäfte zu verhandeln. Er hätte gar zu gern sich einmal über Eins und das Andere ausgesprochen und da kam ihm Walther gerade sehr gelegen, der in kirchlichen Dingen ohnehin keine Partei nahm. Dieser aber ging auf sein eigenes Ziel los:
»Hören Sie, Herr Pastor,« sagte er so laut, daß der Andere allerdings für den Augenblick schweigen mußte, »Sie haben mich gefragt, was es Neues in der Kunst gebe; ich bringe eine große Neuigkeit. Es ist ein Memmeling gefunden worden.«
»Ein was?«
»Ein Memmeling!«
»Ei, ei, ich habe die Zeitung noch nicht gelesen, ich lese sie immer erst des Mittags.«
»Es steht auch noch nicht in der Zeitung, denn der Memmeling ist hier gefunden.«
Nun gerieth Nadering doch etwas in Verlegenheit, denn er wußte von Memmeling gerade so viel wie Rohr, der Kirchendiener. Rubens, Raphael, Murillo und Rembrandt, sowie einige neuere Maler waren die Künstler, deren Namen er kannte; aber Memmeling!
»So, so,« sagte er, »also hier ist er gefunden?«
»Er ist augenblicklich in meinen Händen. Herr Pastor, wir sind ehrliche Männer, das Bild, das Sie dem Museum geschenkt haben, ist ein echter Memmeling.« '»'
»Was Sie sagen! Das ist ja merkwürdig! Nun das freut mich; ich dachte eigentlich, es sei nicht viel daran, und Sie auch, nicht wahr?«
»Damals ja, aber seitdem bin ich nach andächtiger Beschauung zu einer anderen Ueberzeugung gekommen. Das Bild ist viel werth und darum – darum wollte ich Sie fragen, ob Sie es noch weggeben wollen?«
»Noch? Ich habe es dem Museum zum Geschenk gemacht und einmal gegeben bleibt gegeben. Wenn ich es gewußt hätte,« sagte Nadering, indem er lachend mit dem Finger drohte, »hätten Sie es nicht bekommen, Herr Walther. Ei, ei, daß ich dem Helmstadter Museum ein so gutes Bild geben mußte!«
»Aber es ist noch nicht angenommen.«
»Nicht doch, Herr Walther, nicht doch; ich habe es Ihnen zugesandt und Sie haben es behalten. Es ist nur gut, daß ich meinen Ruf nach Riethausen nicht früher erhalten habe, sonst hätte ich das Bild mitgenommen und Niemand hätte darauf geachtet, daß es ein Memmeling sei. Wer war denn dieser Memmeling eigentlich?«
Walther war halb und halb entrüstet über diese Frage, durch welche der Pastor seine Unkenntniß auf dem Gebiete der Kunst verrieth; aber er fühlte doch große Ehrfurcht vor dem Manne, der seinen Vortheil vergaß und nur sein gegebenes Wort im Auge behielt. Aber vielleicht ahnte dieser gar nicht, was das Gemälde werth sei, und um ihm damit zugleich anzudeuten, wer dieser Memmeling war, sagte Walther: »Das Bild, Herr Pastor, ist seine zehntausend Gulden werth.«
»Zehntausend? Wenn ich das gewußt hätte, würde ich mich zwei Mal bedacht haben – und das Bild würde mir auch wohl nicht geschenkt worden sein. Nun, das wird das Museum sehr im Preise steigern, wenn es verkauft wird.«
»Sie bleiben also bei dem Geschenke!«
Nadering sah einen Augenblick Walther nachdenklich an, aber nur einen kurzen Augenblick, dann sagte er ruhig: »Es thut mir zwar leid, Herr Walther, daß ich das Bild verschenkt habe, aber da es einmal geschehen ist, würde ich unehrlich handeln, wenn ich einen Formfehler benutzen wollte, um es als ungeschehen zu betrachten; überdies habe ich es selbst geschenkt erhalten und nur zwei und einen halben Gulden Porto dafür ausgelegt, diese können Sie mir wieder erstatten und dem alten Nohr ein gutes Trinkgeld geben.«
»Herr Pastor, ich habe die größte Ehrfurcht vor Ihnen.«
»Aber warum, mein lieber Herr Walther?«
»Wegen Ihrer Rechtlichkeit.«
»Aber bester Freund, wir predigen jeden Sonntag den Menschen vor, daß sie rechtschaffen sein sollen und da müssen wir doch auch durch die That unseren Worten Nachdruck geben. Um Eins möchte ich Sie jedoch ersuchen: sagen Sie es nicht meiner Frau. Nicht, als ob sie – sie denkt genau ebenso wie ich, aber eine Frau, Herr Walther – Sie sind nicht verheirathet!«
In diesem Augenblick wurde ein anderer Besuch angemeldet und Walther hielt sich nicht länger auf.
Nadering dachte an die ganze Geschichte mit dem Bilde kaum mehr, denn es gingen ihm jetzt andere Dinge im Kopfe herum. Fiel ihm das Bild ein, so bedauerte er den Vorfall wohl; aber der Gedanke, daß er nach Riethausen berufen sei, verdrängte Alles, denn – »der Herr hat Alles wohlgemacht!«
»Herr Walther mag hereinkommen,« sagte der Bürgermeister zu dem Gerichtsboten, als er seinen Brief geschlossen und geklingelt hatte, und Walther wurde in das Bureau gelassen, wo er, wie ein Verurtheilter vor seinem Richter, vor dem Sessel des Gemeindevorstehers stand.
»Hoffentlich habe ich Sie nicht gestört, Herr Bürgermeister, ich habe Ihnen eine wichtige Mittheilung zu machen. Wir haben ein Memmeling erhalten.«
Der Bürgermeister bewahrte ein achtunggebietendes Stillschweigen. An was er dachte, war durchaus nicht in seinen Zügen zu lesen und Walther sah sich nach einer Pause genöthigt, seiner Mittheilung eine andere Form zu geben und zu erzählen, daß dem Museum ein Gemälde von hohem Werthe geschenkt worden sei.
»Ich werde die Nachricht darüber abwarten,« sagte der Bürgermeister unbeweglich.
»Die bringe ich Ihnen, Herr Bürgermeister.«
»Das scheint mir nicht genügend. Wer ist der Geber?«
»Der Herr Pastor Nadering.«
»Ich werde von diesem Geschenke des Herrn Pastors Nadering der Gemeindeverwaltung Nachricht geben, sobald ich schriftlich darüber in Kenntniß gesetzt bin.«
»Aber, Herr Bürgermeister, ich habe das Bild schon im Hause, das ist doch mehr als ein schriftlicher Bericht.«
»Sobald das schriftliche Anerbieten gemacht ist, wird die Gemeindeverwaltung beschließen, ob das Geschenk angenommen wird.«
»Aber bedenken Sie, Herr Bürgermeister, daß wir nicht viel Schwierigkeiten machen dürfen, es handelt sich um ein Bild, das seine zehntausend Gulden werth ist, und wenn wir viel Umstände machen, entgeht es uns am Ende noch.«
»Ich erkenne Ihre gute Absicht, Herr Walther, aber der Eifer darf uns nicht verblenden,« erwiederte der Bürgermeister.
Walther verneigte sich, er beschloß sich zu fügen. Aber sein Besuch hatte noch einen anderen Grund.
»Herr Bürgermeister,« sagte er, »wenn der Gemeinderath das Gemälde annimmt – was er doch sicher thun wird –«
»Ich muß bitten, keine Voraussetzungen in Bezug auf diesen Entschluß zu machen.«
»Also wenn er es annimmt, sollte dann noch die Rede von dem Verkauf sein können? Bedenken Sie, Herr Bürgermeister, einen Memmeling! In allen Katalogen und Kunstgeschichten wird man den Memmeling von Helmstadt verzeichnet finden. Kunstkenner aus aller Herren Länder werden hierher kommen, um unseren Memmeling zu sehen. Wirklich, Herr Bürgermeister, wir dürfen das Museum nicht verkaufen.«
»Herr Walther, ich werde diese Angelegenheit mit den Gemeinderäthen überlegen, sobald ich einen schriftlichen Bericht über die Schenkung erhalten habe.«
»Und dann, Herr Bürgermeister, gesetzt den Fall, daß das Museum nicht verkauft wird, würde ich gern die Anstellung als Custos behalten.«
»Es steht Ihnen in diesem Falle frei, sich wieder um die Anstellung zu bewerben, es sei denn, daß Ihre Entlassung überhaupt nicht angenommen würde.«
»Wenn ich dieselbe zurückzöge, Herr Bürgermeister?«
»Eine Gemeindeverwaltung ist eine öffentliche Behörde, die man nicht heute so und morgen anders behandeln kann; Ordnung ist in jedem Verwaltungszweig nothwendig.«
»Darf ich auf Ihre Fürsprache rechnen?«
»Eine gute Sache bedarf keiner Fürsprache.«
Der Bürgermeister stand auf und Walther verließ ungetröstet und mißmuthig das Bureau.
Das Erste, das er darauf zu thun hatte, war, mit Pastor Nadering zu sprechen wegen des schriftlichen Anerbietens.
Nadering hatte gerade Katechismusstunde, aber als Walther dringend um einen Augenblick Gehör bat, erschien der Pastor im Sprechzimmer, und alle Schüler benutzten die Gelegenheit, um rasch nachzusehen, aus welchen Bestandtheilen die Rüstung des Glaubens zusammengesetzt sei und wie die seligmachende Gnade mit den guten Werken in Einklang gebracht werde.
»Verzeihen Sie, Herr Pastor, daß ich Sie belästige, aber der Bürgermeister verlangt eine schriftliche Mittheilung wegen der Schenkung des Gemäldes, sonst will er nichts davon wissen.«
Nun hatte Nadering am vorigen Abend, trotz seines Ersuchens an Walther, über die Sache zu schweigen, selbst Alles seiner Frau mitgetheilt und diese hatte sich – aber wahrhaftig nicht sehr rasch – darein gefunden, weil es nun doch eine abgethane Sache war, und jetzt kommt Walther, um ihm zu sagen, daß der Bürgermeister nichts davon wissen will, und erzählt ihm das in einem Augenblicke, wo er mit seinen Schülern eins der wichtigsten Capitel bespricht!
»Ich werde mir die Sache überlegen, Herr Walther, aber jetzt kann ich keine Erklärung weiter geben.« Und im Geiste fühlte er bereits, wie ihn seine Frau wegen der zehntausend Gulden umarmte.
»Ich glaubte, daß Sie unwiderruflich Verzicht geleistet hätten?«
»Morgen werde ich Ihnen Antwort geben – verzeihen Sie mir, ich habe es heute sehr eilig mit der Vorbereitung zur Prüfung. Adieu, Herr Walther, nehmen Sie das Geleite mit.«
Der Pastor trat in das Zimmer zurück und alle Bücher waren verschwunden, aber sämmtliche Schüler wußten genau Auskunft zu geben über das Zusammenwirken der Gnade und des freien Willens, des Glaubens und der Werke. Die Stunde war denn auch bald vorüber und der Pastor kam nachdenkend zu seiner Frau, denn zehntausend Gulden auf der einen Seite und ein Versprechen, welches er gegeben hatte, ohne zu wissen, was er damit that, auf der anderen, gab wohl Veranlassung zu ernsten Gedanken.