Kitabı oku: «All das ist Jagd», sayfa 2

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Nun, um das verständlich zu machen, muss ich ein wenig ausholen.

Meine Familie hatte einen Freund und Nachbarn, dessen verstorbener Vater Jäger war. Der hatte vor Kriegsende seine wertvollen Waffen, wie so viele andere Jäger auch, eingegraben, um sie vor der „Befreiung“ durch die Besatzer zu retten. Die weniger wertvollen Stücke gab man dann als braver Bürger den Amerikanern, denn einem Jäger hätte man nicht geglaubt, dass er gar nichts abzugeben hat. Anfang der Fünfzigerjahre, als die Deutschen ihr Jagdrecht zurückerhielten, wurden dann auch, o Wunder, die verschwundenen Waffen „exhumiert“ und „wiedergefunden“. Die Bedrohung durch die Todesstrafe auf Waffenbesitz war aufgehoben worden.

Dieser väterliche Freund war selber kein Jäger. Er hatte aber solche Freude an meiner und meines Bruders Jagdbegeisterung, dass er uns großzügig den Drilling seines Vaters schenkte.

Die Waffe stammte aus einer angesehenen Ulmer Werkstatt. Sie hatte eine herrliche Gravur und außen liegende Hähne. Das Schrotkaliber war 16/65 und als Kugel die alte Försterpatrone 9,3 x 72 R. Der Schaft war aus herrlich wolkigem Wurzelholz und hatte an der Unterseite ein Schaftmagazin für fünf Kugelpatronen. Dies hatte die gleiche edle Gravur in verschlungenen Arabesken wie auch die Seitenplatten. Auf dem Laufbündel befand sich ein Diopter, der für weite Schüsse hochgestellt werden konnte. Außen war die Waffe noch in tadellosem Zustand, aber, oh Weh, wie sahen die Läufe innen aus?! Der Kugellauf war noch einigermaßen in Ordnung, doch die Schrotläufe hatten arg gelitten. Der alte Herr hatte es wohl sehr eilig mit der „Bestattung“ gehabt, und nur die öligen Lappen außen um die Waffe hatten das Schlimmste verhindert. Wir haben ihr mit viel Liebe und Ballistol zu neuem Glanz verholfen, doch bei Rostnarben, wenn sie sich einmal eingefressen haben, kommt Öl zu spät.

Wir waren jedoch selig, ein eigenes Gewehr zu haben, dessen Einsatz wir uns nun brüderlich teilten.

Mit im „Grab“ der Wiedergekehrten befanden sich auch etliche Schachteln mit Kugelpatronen. Die Messinghülsen und die Bleiköpfe der Teilmantelgeschosse waren arg oxydiert. Die haben wir Stück für Stück aufpoliert, bis sie fast wie neu aussahen.

Die Probeschüsse konnten wir in einem Revier machen, das wir, als wär’s unser eigenes, betrachten durften. Wie es dazu kam, muss ich wohl an dieser Stelle einfügen.

Ein in unseren Augen „alter Herr“, er mochte damals vielleicht fünfundfünfzig Jahre gezählt haben, wurde durch glücklichen Zufall auf die glühende Jagdpassion von uns zwei Brüdern aufmerksam.

Ein landschaftlich vielseitiges Revier, mit Wald, Feldern, Wiesen und einem lauschigen, sich durch die Wiesen schlängelnden Bach, welches mehr als tausendfünfhundert Hektar groß war, bejagte er allein. Der Mann, an dieser Stelle verdient er es, dass sein Name festgehalten wird, Heinz Hobbhahn, war gebürtiger Ägypter mit deutschem Vater. In seiner Jugend in Ägypten ging er viel auf die Jagd. Doch weil es dort wenig Schalenwild gibt, so wurde er durch das reichlich vorhandene Flugwild ein begeisterter Flintenjäger. Rehe waren für ihn weitgehend uninteressant.

Für uns eröffnete sich ein Paradies. Den gesamten Rehwildabschuss überließ er uns, nachdem wir miteinander näher bekannt geworden waren und er über Zugang zu unserem Elternhaus Vertrauen in uns setzen konnte. Doch eine Bedingung knüpfte er an unser gemeinsames Jagen: Hasen, Hühner und Enten durften wir nur zusammen mit ihm bejagen. Dazu brauchte er uns zwar auch, doch noch eher unseren Hund. Wir hatten aus eigener Zucht einen, damals bereits mit ersten Preisen auf Prüfungen, wie Derby und Solms prämierten Deutsch-Kurzhaar Rüden, Birko v. d. Achenburg. Das Revier lag ca. 12 km von unserem Wohnhaus entfernt. Jeden Weg dorthin legten wir nur per Rad zurück, und der Rüde trabte flott nebenher.

Hobbhahn hatte nur einen uralten, gichtigen, aber heißgeliebten Dackel. Dieser kleine Kerl war das Ein und Alles für das kinderlose Ehepaar. Nur leider hatte er, sicher durch Süßigkeiten, vollkommen kaputte Zähne, die unsäglich faulig stanken. Immer wenn ich bei Hobbhahns im Hause war, krabbelte der alte Hund, der an mir einen „Narren gefressen“ hatte, auf meinen Schoß. Ich musste Freude an dem alten Liebling mimen und seine unbeschreiblichen Ausdünstungen ertragen. Ein Kind des Hauses darf man doch nicht verstoßen! Und mein Herz gehört ohnedies den Hunden. Dieser liebe, väterliche Freund gewährte uns freie Entscheidungen in seinem Revier, die es wohl nirgends sonst gab. Dafür bekamen wir aber viele gutgemeinte Ratschläge und Weisheiten seines Lebens mit auf den Weg.

Es war eine seiner gern zitierten Ermahnungen, die er uns mit Augenrollen und erhobenem Zeigefinger wieder und wieder ans Herz legte: „Buuben, der Woold hat Auugen!“ Der Gute wollte uns damit warnen, dass wir nicht mit irgendwelchen Mädels im Walde Schabernack treiben sollten und eventuell dabei beobachtet würden.

Doch die Nichtbeachtung seinerseits, gerade dieser Erkenntnis, sollte ihm großen Ärger einbringen.

Er fing nämlich ein zartes Techtelmechtel mit einer sechzehnjährigen Schülerin aus dem Dorf an, das in der Mitte des Reviers lag. Zärtlich nannte er sie: „Meine kleine Schlange“, wobei er in seinem netten Akzent „maine klaiine Schlonge“ sagte. Wir trafen ihn, wie es der Zufall wollte, mit dem Mädchen auf einem Hochsitz an, und da musste er uns notgedrungen die Sachlage erklären und uns zum Schweigen verpflichten. Dass wir dicht hielten, war für uns selbstverständlich. Doch als er mit seiner Frau einmal einen Waldspaziergang machte und dabei von der kleinen „Schlonge“ gesehen wurde, fragte diese natürlich, wer denn das gewesen sei. „Ach“, sagte er wegwerfend, „das war nur meine Haushälterin.“

Doch dann spitzte sich die Lage dramatisch zu, als die eifersüchtige „Schlange“ einen Brief an ihn schrieb, in dem stand, dass sie sehr ungehalten sei, weil er mit so einer alten Hex’, die ja nur Haushälterin sei, in ihren Liebeswald gehe.

Dumm gelaufen, denn der Brief wurde „versehentlich“ von seiner Frau geöffnet. Da gab’s gehörig Feuer unterm Dach. Wir wurden von ihr herbeizitiert und peinlichst befragt, was wir von der Affäre wüssten. Doch wir stellten uns total ahnungslos. Zum Glück legte sich der Sturm nach ein paar Monaten und der späte, zweite Frühling unseres lieben, alten Freundes blieb Gott sei Dank ohne weitere Folgen.

Aber nun zurück zum Drilling!

Unser Jagdherr hatte selber einige „wiedergefundene“ Waffen in seinem Schrank stehen. Darunter einen Doppelbüchsdrilling im seltenen Kaliber 6,5 x 58R. Diesen konnten wir uns zeitweilig ausleihen. Doch die dazugehörige Munition war so rar, dass jeder Schuss sorgfältigst überlegt werden musste, denn bald drohte der kaum ersetzbare Vorrat zu Ende zu gehen.

Da kam uns das Geschenk des alten Hahndrillings wie gerufen. Der erste Probeschuss war zufriedenstellend, doch eine größere Probeserie war ausgeschlossen, denn auch hier musste an der schwer zu bekommenden Munition gespart werden. So gaben wir uns mit dem Ergebnis zufrieden, bis dann die „raue Praxis“ zeigte, dass das Pulver, im wahrsten Sinne des Wortes, „nass“ geworden war.

Nach mehreren „Fehlzündungen“, die uns beinahe mutlos gemacht hatten, geschah es dann, dass der nächste Schuss nicht nur losging, sondern auch da saß, wo er hingehörte. „Na also, es geht doch!“ sagten wir, und das gab uns immer wieder neuen Mut zu neuen Taten.

Es kam der Herbst, und der Geißenabschuss sah mich fleißig im Revier. Rehe gab es nicht mehr viele, denn die amerikanischen Besatzer hatten ziemlich „reinen Tisch“ gemacht. Wieder einmal war ich als Benutzer der edlen Waffe dran und mein Bruder war nur interessierter Begleiter. Gut gedeckt, erwarteten wir von einem Bodensitz das zu Felde ziehende Rehwild. Vor uns ein lichtes Fichten-Stangenholz, ohne Bodenbewuchs. Eine einzelne Geiß zog noch bei gutem Licht dem Waldrand zu. Ruhig zielte ich ihr die Kugel aufs Blatt. Auf den Schuss die bilderbuchmäßige Hochflucht, wie bei einem guten Blattschuss. Bald war sie außer Sicht, aber wir waren uns sicher, sie nach wenigen Metern zusammenklauben zu können. Doch zuerst, wie sich das für einen angehenden, gewissenhaften Jäger gehört, den Anschuss kontrollieren. Seltsam, kein Tröpferl Schweiß, kein Schnitthaar zu finden. Nur kräftige Schaleneindrücke, genau dort, wo der Anschuss war. Wir schnoberten auf dem blanken Waldboden umher, da plötzlich, ja, was liegt denn da? Das Kügerl!

Die schwach gewordene Pulverladung hatte das Geschoss gerade noch bis zur Geiß getrieben, sie wie mit einem Schuss aus der Steinschleuder getroffen, heftig erschreckt und war dann kraftlos zu Boden gefallen. Das war ja doch die Höhe! Die nächste Stufe wären ja dann wirklich Pfeil und Bogen.

Wir großen Waidgesellen haben uns erst saudumm angeschaut, doch dann lachten wir herzlich. Unser Vater daheim musste zwar auch verkniffen schmunzeln, doch er fand, das sei nun doch keine rechte Jagerei und mein Bruder, als der Ältere, bekam einen Mauser Repetierer im Kaliber 7 x 57, und den auch noch mit Zielfernrohr.

Doch mir blieb dann nur als Ausweg der alte Drilling, wenn wir getrennt jagen wollten.

So war ich im Spätherbst übers Wochenende bei einem Freund in dessen väterlichem Revier im Süden Münchens zum Geißenabschuss eingeladen.

Diese „Jagdreisen“ machte ich damals stets per Eisenbahn. Mit dem Kurzhaar an der Seite, den Drilling ohne Futteral stolz geschultert, trabte ich durch den Münchner Hauptbahnhof, um den Anschlusszug gen Süden zu besteigen. Kein Mensch wunderte sich damals über den bewaffneten jungen Jäger, kein Mensch kam auf irgendwelche ängstliche oder gar jagdfeindliche Gedanken.

Auch am Ankunftsort ging ich per pedes zum Jagdfreund auf die Hütte. Mein Freund Leonhard, als frommer Mensch, eilte am nächsten Morgen, es war Sonntag, zur Kirche, während ich schon in der Dämmerung einen Hochstand am Waldrand mit Blick auf das ferne Dorf bestieg. Lange Zeit tat sich nichts. Nur am Glockengeläut der Kirche konnte ich den Fortgang des Gottesdienstes verfolgen. Dann, gerade als das Läuten das Ende der Messe verkündete, zog ein Sprung Rehe vom Wald heraus auf die Wintersaat. Gleichzeitig sah ich den Leonhard die lange Allee vom Dorfe zum Wald herankommen. Ich suchte mir ein Kitz aus der kleinen Schar heraus, der Hintergrund war frei, Hahn aufgezogen und der Schuss fuhr heraus. Nichts! Der Sprung Rehe trat beunruhigt durcheinander, noch ohne abzuspringen. Das Kitz stand frei, also noch mal geschossen. Wieder nichts! Jetzt war’s den Rehen doch zu bunt, sie flüchteten zurück zum Wald. Dort, im Stangenholz, verhofften sie. Dritter Schuss. Wieder kein Ergebnis! „Ja, Kruzitürken, zum Teufel mit der verdammten Munition!“ In der Allee sah ich den Freund herbeirennen, was die Beine hergaben. Jetzt stand ein anderes Kitz frei, also frisch noch einmal geschossen! Es fiel um, wie erschlagen. Na also!

Immer noch rannte Leonhard wie von Furien gehetzt. Wieso denn nur? Na, ich hatte mein Kitz, das wollte ich mir nun holen.

Nach dem Einschuss suchend, stand ich ziemlich ratlos da. Es gab keinen. Wie ich es auch drehte und wendete, es war weder ein Ein- noch ein Ausschuss zu finden. Das Kitz konnte doch nicht vor Schreck verendet sein. Beim Hochheben traf mich ein Schweißspritzer. Halt, wo kam der jetzt her? Vom Haupt. Und dann sah ich ein wenig Schweiß, innen in der Höhlung des Lauschers. Die Kugel hatte genau in den Lauscher, in den Gehörgang, hineingetroffen.

Der atemlos angelangte Leonhard traf mich gerade beim Aufbrechen an. Verwundert fragte ich ihn, warum er denn so gerannt sei.

„Was war denn bei dir los?“ keuchte er, „ich dachte du hättest ein Gefecht mit Wilderern. Und warum denn so viele Schüsse?“

„Ja weißt du,“ ich musste mir schamvoll schnell eine Jäger-Notlüge ersinnen, „ich hatte vor Kälte so klamme Finger, dass ich den allzu fein eingestochenen Abzug mit den klammen Fingern immer zu früh berührt habe. Als die Rehe dann fast verschwunden waren, schaute nur noch das Häuptl eines Kitzes hinter einem Baum hervor, und so habe ich es mit Kopfschuss erlegt.“

Das war knüppeldick aufgetragen, dafür sollte ich mich heute noch schämen, doch der gute Freund hat’s schmunzelnd „gefressen“. Vor allem war er erleichtert, dass es nun doch keine Wildererschlacht war.

Nach dieser abenteuerlichen Geschichte war dann endgültig Schluss mit der unzuverlässigen Kugelschießerei. Der heilige Hubertus hatte die ganze Zeit seine Hand schützend über seinem Wild gehalten. Trotz der abenteuerlichen Schussergebnisse wurde nie ein Stück Wild krank geschossen. Entweder die Kugeln gingen ins Blaue, oder sie trafen absolut tödlich, sodass dem Wild niemals unnötige Leiden zugefügt wurden.

Der Drilling kam nur noch als Flinte zum Einsatz und tat so noch eine ganze Zeit seinen Dienst, bis ich mir endlich, endlich eine eigene, neue Waffe leisten konnte.

Man könnte heute leicht stirnrunzelnd kritisieren, dass ich mit einem solchen Gewehr überhaupt auf die Jagd gegangen war. Doch Anfang der Fünfzigerjahre war das Angebot an Waffen äußerst rar und meine Mittel als Gymnasiast waren mehr als gering, im Gegensatz zu meiner unbändigen, heißen Jagdleidenschaft.

Auch wenn die Waffe nicht mehr zum Einsatz kam, so hat sie mich in späteren Jahren, als ich mir längst die Träume von handgearbeiteten Waffen erfüllen konnte, an die Jugendzeit erinnert, die wir, miteinander jagend, erlebt und erlitten haben.

Der schöne Drilling stand dann mit den neu dazu gekommenen Feuerrohren liebevoll gepflegt im Schrank bis zu einer Sturmnacht an einem Faschings-Dienstag: Mit der Familie im Skiurlaub weilend, erreichte uns die Nachricht, dass in jener Nacht bei einem Einbruch in unser Haus sämtliche Jagdwaffen gestohlen worden waren.

Ich habe nie mehr etwas vom Verbleib des alten Hahndrillings gehört und hoffe und wünsche, dass der alte Lauf nunmehr alle Kugeln um die Ecke schickt.

Druckfehler

Von Druckfehlern, die selbst in seriösen Büchern, trotz vieler Korrekturprogramme vorkommen, will ich nicht erzählen. Ich meine hier jene Fehler, die ich mit dem Druck auf den Abzug meiner Büchse machte.

Die Zeit liegt noch gar nicht so lange zurück, da ein falscher Abschuss eines Schalenwildes dem Schützen einen Riesenärger einbrachte. In unserem Nachbarland Österreich ist es immer noch der erzieherische Brauch, dass die „Sünder“, die z. B. einen zu schonenden Hirsch erlegt haben, namentlich im Mitteilungblatt der Jägerschaft mitsamt der oft gehörigen Geldstrafe erwähnt werden. Felix Austria, du hast die besseren Gesetze.

Bei uns sind im Zuge der Wildfeindlichkeit vielerorts alle Schranken gefallen. Ganz besonders beim Gams- und Rehwild. Speziell die Staatsjagdreviere mit ihrer Parole „Wald vor Wild“ haben jede Hemmung, auch einmal einen Druckfehler zu machen, beseitigt. Ich habe es selbst erlebt, als ich, ohne Revier, mich um einen Pirschbezirk beim „Vater Staat“ bewarb.

Der mich einweisende Förster blickte missbilligend auf mein umgehängtes Fernglas: „Das brauchen Sie hier nicht, wenn’s rot kommt, dann passt’s schon, da müssen Sie nicht lange schauen.“

Ich war so perplex, dass ich eine ganze Zeitlang brauchte, um dann zu fragen: „Was dann, wenn’s das Rotkäppchen ist?“ Da war’s dann am Förster, perplex zu sein.

Bei den Drückjagden in eben diesem Staatsjagdrevier liegen regelmäßig etliche abgeworfen habende Böcke auf der Strecke. Mit einem Achselzucken wird über dieses Schonzeitvergehen hinweggegangen.

Doch zurück zu der lang vergangenen Zeit, da ich als Sechzehnjähriger mit druckfrischem Jugendjagdschein einen Rehbockabschuss geschenkt bekam. Ich war damals Mitglied der Jagdhornbläsergruppe des Münchner BJV, und man wollte mir für die vielen Einsätze eine Freude machen. Man hatte mir zur Belohnung einen Bockabschuss gekauft. Voller Freude fuhr ich mit dem Rad die etwa 40 km in das Revier im Dachauer Hinterland. Das Gewehr hatte ich im Futteral an der Fahrrad-Mittelstange festgebunden, und auf dem Buckel drückte der grüne Rucksack mit meinen Siebensachen.

Im Orte Langenpettenbach angekommen, meldete ich mich beim Sepp, dem Jagdaufseher.

Dieser, ein freundlicher Austragsbauer, zeigte mir das Revier und meinen vorgesehenen Wirkungsbereich. Wir saßen am Abend noch gemeinsam an, hatten zwar keinen Anblick, aber der Sepp vertröstete mich: „Da gehst am Morgen alloa naus, da kannst garnix falsch machen! Um Schlag Fünfe kommt von der Talsenke herauf ein semmelgelber Bock. Rechts zeigt er auf Sechser, links hat er nur eine Gabel. Der ist so pünktlich, nach dem kannst dei’ Uhr stellen!“

Hurra, endlich alleine jagern!

Die Nacht in dem Bauernhof, in dem auch der Sepp in seinem Austragsstüberl hauste, war kurz. Noch im Finsteren hörte ich die Bäuerin im Stall unter meiner Stube die Kühe zum Melken aufmüden: „Auf zu Gott!“ rief sie ihren Viechern zu.

Ich schwang mich auf meinen Drahtesel, und ab ging’s zu meinem Ansitz. Der junge Tag dämmerte herauf, und tatsächlich, als die Kirchturmuhr die fünfte Morgenstunde schlug, zog vom Talgrund der semmelgelbe Bock auf meinen Hochsitz zu. Ein kurzer Blick durch’s Glas, ja pfeilg’rad, rechts zeigt er auf Sechser. Das ist er! Als er in Schussentfernung heran war, hatte ich längst den Hahn der von einem Freund ausgeliehenen Büchsflinte gespannt. Über Kimme und Korn gut zusammengeschaut, und schon brach der Schuss mit der alten Försterpatrone 9,3 x 72R. Der Semmelgelbe versank im taunassen Klee.

Stolz und überglücklich konnte ich die Wartezeit nach dem Schuss kaum ertragen und eilte dann mit raschen Schritten zum Kleefeld. Als ich voller Freude das Haupt des Erlegten emporhob, traf mich fast der Schlag. Ja, beim schwarzen Samiel! Das war ein wunderbar regelmäßiger, blutjunger, beidseitiger Sechserbock, ich konnte das Gwichtl drehen und wenden, wie ich wollte, aus der linken Stange wurde keine Gabel. Die Welt drohte zusammenzustürzen. Ganz benommen schleppte ich den Erlegten in den Wald und brach ihn erst einmal auf. Dann hockte ich mich völlig fertig auf einen Baumstumpf und überlegte: Es gab nur zwei Möglichkeiten, entweder ich brach ihm links ein Ende ab, oder ich erschoss mich hier auf der Stelle. Allen Ernstes überlegte ich, Schrot oder Kugel zu nehmen, für so groß hielt ich die Schande meines Vergehens. Oh Gott, was würden meine Gönner beim BJV zu meiner Verfehlung sagen? Ich dachte an meine entehrten Eltern. Doch dann, nach schrecklichen Minuten, entschloss ich mich für die dritte Möglichkeit: Ich wollte zu meinem Fehler stehen und mein Versagen voller Scham bekennen.

Als nach einiger Zeit der alte Sepp, der den Schuss vernommen hatte, nach mir schauen kam, kratzte er sich sorgenvoll den Stoppelkopf: „O mei, da wird der Herr Dokter schön schimpfen! Aber, Bua, denk’ dir nix, an Kopf wird’s net kosten!“

Der „Herr Dokter“ hat sich dann auch gebührend beschwert, bei meinem Mentor, dem alten Wildmeister Scheumann. Doch der gütige, erfahrene Waidmann tröstete mich: „Ich sehe ja, wie dich das wurmt. Was glaubst du, wie viel falsche Böcke ich in meinem Leben schon geschossen habe? Wer noch nie einen Falschen erlegt hat, der hat noch nie richtig gejagt.“

Dieser, früh in meiner jägerischen Laufbahn gemachte Druckfehler hat mich sehr sorgfältig im Ansprechen werden lassen. Doch unfehlbar? Wer ist das schon?

Der zweite Fall, den ich gerne ungeschehen gemacht hätte, passierte mir als Pächter eines großen Niederwildreviers. Rehe gab es genügend in den verstreut liegenden kleinen Waldstücken. Die Qualität der Gehörne ließ nichts zu wünschen übrig, obwohl der vorherige Pächter nur Sechserböcke geschossen hatte. Alle anderen waren bei ihm keine „G’scheiten Böck’“.

Im Westen des Reviers hatten wir einen abgelegenen Waldteil, das Köllinger Holz. Es grenzte an die Nachbarjagd, deren Pächter ein tadelloser Jäger war, mit dem man auch Schon-Vereinbarungen treffen konnte, an die er sich auch hielt. Dort hatte neben anderen Rehen auch ein Jahrling seinen festen Einstand. Eigentlich war er der ideale Abschussbock. Ein Stangerl war etwa zwei, das andere fünf Zentimeter hoch. Jeder hätte ohne zu Zögern diesen Jüngling erlegt und damit auch Recht getan. Doch da er so vertraut war und pünktlich bei Morgen- und Abendansitz erschien und einem einen immer sicheren Anblick bescherte, was von meinen Kindern freudig begrüßt wurde, sprach ich ein Tabu über ihn aus. Niemand durfte ihm was tun. Die Kinder hatten dann auch bald einen Namen für ihn: „Mäxchen“. Sie waren ganz versessen, auf den Ansitz mitzukommen, weil da mit Sicherheit immer was zu gucken war und ihr Liebling zuverlässig auftauchte.

Der Sommer ging dahin, die Brunft war auch schon vorbei. Mäxchen wurde zwar einige Male von stärkeren Böcken „ausgeteufelt“, aber er blieb immer in der Nähe seines ursprünglichen Einstandes und wir waren alle gespannt, wie er sich im nächsten Jahr entwickelt haben würde.

Der Oktober kam und mit ihm rückte das Ende der Schusszeit näher. Ich war in einem anderen Revierteil auf Geißen angesessen und wollte am Waldrand an einem Wiesenstreifen zu einer Anhöhe hochpirschen. Da zeigte sich im Morgennebel droben auf der Höhe die Silhouette eines geringen Bockes. Ich sank in die Knie und trug dem Verhoffenden die Kugel an.

Als ich dann oben ankam, ich schäme mich nicht, habe ich bitterlich geweint: Ich hatte Mäxchen gemeuchelt. Was, zum Teufel, hatte er hier, fast einen Kilometer von seinem Einstand, zu suchen? Doch was bedeutet einem Reh eine so geringe Entfernung! Es gab keine Entschuldigung. Und den Kindern habe ich es, Feigling, der ich war, verschwiegen.

Nach einigen Jahren hatte ich im gleichen Revierteil, wo weiland Mäxchen seine Fährte gezogen hatte, einen Ausnahms-Bock stehen. Er prahlte ungemein mit einer hochgezackten Krone und schien auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung zu sein. Das, so sagte ich mir, wäre für meinen Freund Peter der Rechte. Dieser Starke trug ein Gehörn, das sich auch der verwöhnteste Jäger gerne an die Wand hängen würde. Der Peter, der mich mit Gamseinladungen reichlich bedachte, würde sich freuen. Peter kam, sah und schoss nicht.

Er fand, dass dem Bock noch ein weiteres Jahr der Reife gut täte. Nun gut, dann im kommenden Jahr. Die Absprache mit dem Nachbarn klappte auch, wie es sich gehört. Und dann kam die Schonzeit und die Rehböcke hatten endlich Ruhe.

Der Starke war seinem Einstand treu geblieben und zog, winterlich grau, mit den anderen Rehen weit ins Feld innerhalb meines Reviers hinaus.

Ich hatte noch reichlich Geißen und Kitze zu erlegen. Nach wochenlangen Stürmen und Regengüssen hatte ich wenig Erfolg gehabt. So erlaubte ich mir, ausnahmsweise auch mal am Allerheiligentag auf die Jagd zu gehen. Normalerweise ruht ja an diesem Tag die Jagd, um die Bevölkerung nicht durch Geknalle in ihrer Totenandacht zu stören. Daher ist dieser Tag auch traditionell bei den Wildschützen sehr beliebt, da die Jäger auch bei den Gräbern sind. Doch mir ging’s nicht um’s Wilderer-Fangen, sondern ich musste mich einfach um das Abschuss-Soll kümmern. Außerdem lag dieser Revierteil weit ab vom Dorf, und wer ist denn noch spätabends auf dem Friedhof?

Für den Ansitz wählte ich mir jenen westlichen Waldteil, wo auch der Starke seinen Einstand hatte. Mein Hochstand war dem Felde zugekehrt, am Rande des Waldes, nach Süden blickend. Westlich von mir befand sich ein kleiner, jetzt von herbstlich entblätterten Erlen umstandener Weiher. Im Sommer ertönte aus ihm der stimmungsvolle Chor der Frösche, die nun, tief im Laub vergraben, dem Frühjahr entgegenschlummerten. Hinter dem Weiher mit seiner Erlenzeile lag ein Acker, der mit seiner schwarz-moorigen Erde nun abgeerntet und umgebrochen war.

Im schwindenden Tageslicht zog ein kleiner Sprung Rehe rechts von mir aufs Feld und hinter dem Weiher über den schwarzen Acker. Voller Freude sah ich auch den guten Bock dabei, der noch sein Gehörn aufhatte. Unter diesem Sprung machte ich ein schwaches Geiß-Kitz aus. Als es kurz verhoffend frei stand, fuhr mit blendendem Mündungsblitz der Schuss hinaus. Verschreckt preschten die restlichen Rehe auf die Feldflur. Im schwarzen Acker sah ich das graue Reh daliegen und im Verenden leuchtete der weiße, gespreizte Spiegel.

Ruhig packte ich meine Sachen zusammen und stapfte aufs Feld, um das Kitz zu holen. Doch da blieb mir vor Schreck fast das Herz stehen. Vor mir lag – aus dem Blatt tropfte es rot über seine Decke – der sorgsam geschonte, dem Peter zugedachte Rehbock. Ich verstand mich und die Welt nicht mehr. „Jetzt geb’ ich’s auf! Ja, ist denn alles verhext!? Wer solche Fehler macht, der darf nicht mehr jagen! Aus! Vorbei!“

Wütend brach ich den Bock auf, warf ihn in die Wildwanne und brauste heim. Dort angekommen, übergab ich meiner Frau die Büchse: „Nimm du sie, ich habe heute den letzten Schuss getan! Für mich heißt’s Jagd vorbei! Schau dir an, was ich angerichtet habe!“

Sie konnte das nicht verstehen, als ich ihr den Hergang der Ereignisse geschildert hatte. Zerknirscht hing ich den Erlegten zum Auskühlen auf. Es wurde eine unruhige Nacht. Nicht wegen des Schonzeitvergehens, sondern weil ich bei noch gutem Licht auf ein Kitz geschossen und dafür einen Bock auf die Decke gelegt hatte. Das ging mir nicht in den Kopf. Solch eine Verwechslung darf einem nie, niemals passieren! Wenn’s bei mir so weit gekommen ist, dann ist es Zeit, die Büchse an den Nagel zu hängen.

Anderntags, als ich den Steifgewordenen in den Keller tragen wollte, schaute ich mir nun erstmalig den „Einschuss“ an. Und da wurde mir alles klar. Es war kein einzelnes Einschussloch, es waren fünf. Wie von gehacktem Blei. Und das war es ja auch. Das Geschoss war auf einen, in der Dämmerung nicht mehr sichtbaren Erlenzweig gekommen und hatte sich, nun abgelenkt, zerteilt. Ausgerechnet traf es dann ihn, den streng Geschonten.

Was, so überlegte ich mir später, wäre passiert, wenn ich nur ein Gast gewesen wäre? Welcher Jagdherr hätte einem solch eine abenteuerliche Erklärung geglaubt?

Der Peter hat gelacht, als ich ihm die „Heldentat“ gestand. Zum Glück ist er ein solch erfahrener Jäger, der des „Geschickes Mächte“ kennt.

Im Jahr darauf stand andernorts ein hochinteressanter Abnormer, und der war ihm noch lieber, als, wie er sagte „dein langweiliger Sechser“.

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