Kitabı oku: «All das ist Jagd», sayfa 3
Cita
Etwa vierzig Meter vor mir und dem mich begleitenden Schützen sahen wir den todwunden Keiler in einer Suhle liegen. Endlich, nach vielstündiger, mehrere Kilometer langer Nachsuche waren wir am Stück. Doch die Teller spielten noch und ein schneller Fangschuss beendete sein langes Leiden.
Am Vorabend gegen 19 Uhr hatte ein Jagdgast dem Hauptschwein die Kugel (30/06) auf Schrotschussentfernung angetragen. Wie bei Sauen üblich, hatte der Beschossene nicht gezeichnet und war im Fichten- und Birkenjungwald untergetaucht. Da noch Tageslicht herrschte, konnte der den Gast führende Berufsjäger den Anschuss gründlich untersuchen. Man fand ein faustgroßes Stück Leber und war sich sicher, den Keiler nach kurzer Todesflucht verendet zu finden. Sicherheitshalber wurde noch eine Stunde gewartet, bis der Wachtel des Berufsjägers zur Fährte gelegt wurde. Nach 200 m verwies der Hund ein zweites Stück Leber, hielt die Fährte noch weitere 300 m und brachte sie, dann faselnd, nicht mehr voran. Die Nachsuche wurde wegen hereinbrechender Dämmerung abgebrochen.
Am nächsten Morgen holte man den Dackel eines Kollegen. Auch dieser arbeitete die Wundfährte bis zu dem Punkt, an dem der Wachtel aufgeben musste. Man stand vor einem Rätsel, da reichlich Schweiß und Leberfetzen auf ein baldiges Verenden des Keilers hoffen ließen. Er konnte sich dort, an einem Wegrand, doch nicht in Luft aufgelöst haben. Oder war er etwa gestohlen worden? Das war in diesem Staatsrevier höchst unwahrscheinlich.
Nach reichlichem Kopf-Kratzen entsann man sich meiner. Ich war bei den dortigen Drückjagden stets als Nachsuchengespann im Einsatz und so lag meine Verfügbarkeit nahe.
Doch bei den eindeutigen Schusszeichen glaubte man, bei der Nachsuche leichtes Spiel zu haben.
Als ich gegen 11 Uhr meine Bayrische Gebirgsschweißhündin „Raika“ zur Fährte legte, waren sechzehn Stunden seit dem Schuss vergangen. Diese Zeitspanne bedeutet keinerlei Problem für einen feinnasigen Hund. Ruhig und besonnen arbeitete sie bis zum Punkt des Abbruchs der beiden anderen Kollegen. Dort war alles weiträumig zertrampelt und noch durch Hinzuziehen eines dritten Hundes reichlich verstänkert. Wir mussten bis zum letzten Schweiß zurückgreifen. Wieder ging’s nur bis zu dem Wegrand. Ein weiträumiges Kreisen brachte nur eine Rotte Überläufer, zwei Hasen und ein Reh auf die flüchtigen Läufe. Es wurde jetzt auch richtig heiß und Wasser war keins in der Nähe. Ich bat um eine Pause für die Hündin, die nach zwei Stunden Suchen in Hitze und Trockenheit ermüdet war. Der Berufsjäger ließ in der Zwischenzeit das Waldgeviert, in dem man den Keiler vermutete, weiträumig umstellen und durchdrücken. Auch ich hatte einen Stand bezogen. Währenddessen schlief meine Raika, seelenruhig zusammengerollt, mir zu Füßen. Doch das Durchtreiben brachte kein Ergebnis.
Als der Jäger achselzuckend zu mir kam und fragte: „Was mach’ mer jetzt, sind wir am Ende?“ war meine Antwort: „Aufgegeben werden nur Brief’ und Postpackl!“
Da nach meiner Ansicht der Todwunde den Weg nicht überquert haben konnte, vermutete ich einen komplizierten Widergang und dass er dann im rechten Winkel zur bisherigen Fluchtrichung weitergezogen sein könnte. Der Jäger bezweifelte jedoch, ob die Hündin noch Lust hätte, nachdem sie am Vormittag erfolglos hatte abbrechen müssen. Doch die Brave, die mich noch nie im Stich gelassen hatte, legte sich voller Arbeitsfreude erneut in den Riemen. Diesmal kreisten wir noch weiträumiger vom letzten, markierten Schweiß weg. Und tatsächlich, nach 200 m im rechten Winkel von der bisherigen Richtung, verwies mir die bedächtig Suchende das erste Tröpferl Schweiß. Wir kamen an ein Wundbett, es war nicht mehr frisch, der Schweiß war schon vertrocknet. Sicher war der Todwunde durch den Lärm der am Morgen Suchenden aufgemüdet worden. Dann fanden wir nach weiteren 400 m nochmals ein Wundbett. Auch dieses war alt. Dann folgte Widergang auf Widergang, sodass ich meinte, jeden Augenblick auf den Verendeten stoßen zu müssen. Zeitweilig musste ich in dem bürstendichten Bewuchs auf allen „Vieren“ herunter und mal 100, mal 200 m im Kriechgang zurücklegen. Wenn mich jetzt der Keiler angenommen hätte, mir wäre nicht die geringste Chance geblieben, an Büchse, Revolver oder Waidblatt heranzukommen. Wir unterbrachen, um den Berufsjäger nachkommen zu lassen, denn er führte als Beihund zur eventuellen Hatz seinen jungen Wachtel mit sich. Immer wieder glaubte ich, dem Keiler schon ganz nahe zu sein, doch die Nachsuche ging weiter und weiter. Immer wieder bestätigte Schweiß, dass wir richtig waren. Bald wieder ein neues Wundbett, jetzt schon mit noch nicht ganz eingetrocknetem Schweiß. Nachdem wir noch mehrere Kilometer dem unglaublich harten Wild gefolgt waren, kamen wir auf eine lange, gerade Gras-Schneise, in deren Verlauf eine nicht einsehbare Senke lag. Und dort, sobald wir in diese Senke hineinschauen konnten, entdeckten wir den gesuchten Keiler, der wie verendet dort in einer Suhle lag. Nur die Teller spielten und zeigten, dass er noch nicht verendet war.
Nach neunzehn Stunden, nachdem er die Leber zerfetzende Kugel erhalten hatte, nachdem mit drei anderen Hunden vergeblich nachgesucht worden war, konnte ich ihn, dank der Arbeit meiner BGS-Hündin Raika erlösen.
Als wir dann, der Berufsjäger und ich, glücklich und erschöpft an dem gestreckten Hauptschwein saßen, fragte er mich, noch von der tollen Leistung der Hündin beeindruckt:
„Gell’! Gerd, das ist doch sicher die beste Hündin, die du je hattest?“
„Gute Frage,“ sagte ich, „wenn man ein ganzes Jägerleben lang, nie ohne Hund gewesen ist, dann überlegt man sich wohl manchmal selber, welcher wohl der Beste, der Liebste war.
Diese Frage kann ich dir so nicht beantworten, denn alle, die mir je zur Seite gingen, sind mir zu ihren, leider immer viel zu kurzen Lebzeiten jeweils die Liebsten und Besten gewesen.
Heiß geliebt habe ich sie alle. Ohne diese bedingungslose, gegenseitige Zuneigung wäre für mich nie ein Zusammenleben möglich gewesen. Und diese Liebe hat mir jeder Hund, selbst, wenn es über seine Kräfte ging, immer zurückgegeben.
Wenn du nach dem oder der Besten fragst, so muss das auch immer nach den gebotenen Möglichkeiten beurteilt werden. Denn nur diese lassen die Erfahrung des Hundes und seine jagdlichen Eigenschaften und Fähigkeiten wachsen.“
In der Zwischenzeit, während wir auf unsere, per Handy herbeigerufenen Helfer warteten, erzählte ich ihm die Geschichte einer besonderen Hündin, die mich einen langen, glücklichen Abschnitt meines Jägerlebens begleitet hatte.
Es war meine Cita. Sie war gewissermaßen mein Wunschkind. Ich bekam sie als Deck-Taxe für Birko, den Deutsch-Kurzhaar Rüden meines Bruders.
Ihr Stern strahlte in den Sechziger- und Siebzigerjahren, als es bei uns noch weniger großflächigen Maisanbau, dafür aber umso mehr Niederwild gab. Ihre Fähigkeiten konnten wachsen, da vor ihr im Laufe ihres Lebens eine hohe vierstellige Zahl an Wild erlegt wurde.
Dem jagdlichen Einsatz war natürlich eine gründliche Ausbildung vorangestellt. Die ersten Prüfungen, wie Derby, Verbandsjugendprüfung und Prinz Solms-Herbstzuchtprüfung bestand sie jeweils als Suchensiegerin mit ersten Preisen.
Gute Hunde waren und sind immer rar. So war es kein Wunder, dass ich zur Jagdzeit einen Terminkalender führen musste. Einer meiner Jagdherren, der ein riesiges Niederwild-Revier im wildreichen Erdinger Moos hatte, verpflichtete uns, jedes Wochenende mit seinen anderen Gästen, die keinen Hund führten, auf Rebhuhn, Fasan und Hase zu jagen. Es war regelrechte Erntearbeit. Durch diese reichliche Praxis konnte die junge Hündin bald einen Jagdverstand entwickeln, der so manchen der mitjagenden Gäste oftmals das Schießen vergessen ließ. Schon im zweiten Feld hatte sie es heraus, dass, wenn die Hühner schlecht hielten und zu früh aufstanden, sie dann selbständig, einen Bogen schlagend, vorausrannte und sich der davonlaufenden Kette vorlegte. Als sie dies das erste Mal machte und ich sie in meiner Unwissenheit zurückpfeifen wollte, ignorierte sie meinen Befehl. Da war sie gescheiter als ich, und ich war der Lernende.
Ihre Leistungen wurden natürlich von den diversen Jagdgästen weitererzählt und wir kamen auf diese Weise zu Einladungen in wahre Niederwildparadiese.
Einmal wäre eine solche Einladung auch beinahe die letzte in jenem Revier in der Münchner Kiesebene geworden. Der Jagdherr hatte meinen Bruder und mich in einen entlegenen Revierteil geschickt. Dort durften wir allein die zahlreichen Hühner bejagen. Er bat uns jedoch, einen bestimmten Winkel zu meiden, da dort sein bester Bock stünde. Der sollte ungestört bleiben. Nun, wir hielten uns auch daran, denn das Revier war groß genug. In jedem Kartoffel- und Rübenacker lag eine Kette. In einem Kartoffelfeld, weit ab von der Tabu-Zone, stand meine Braune bombenfest vor. Wir gingen langsam voran, um die Hühner hoch zu machen. Da schnellte, statt der Hühner, jener starke Rehbock aus dem Kraut, aber nicht von uns fort, sondern zurück und über die Hündin hinweg. Das war zu viel für sie. Regelrecht im Flug fasste sie den über sie Hinwegspringenden an der Drossel. Wir warfen unsere Flinten von uns, einer packte die Hündin, der andere, den, wie ersterbend klagenden Bock. Mit Mühe konnten wir dem Hund das Reh entwinden. Taumelnd wollte es das Weite suchen. Da kam mir die Cita wieder aus und nach ein paar Sprüngen hatte sie ihn wieder an der Drossel. Doch diesmal waren wir gewitzter und nach kurzem Gerangel war der starke Bock wieder frei, die Hündin am Riemen und die Jagd vorerst in diesem Gebiet vorbei. Dem Jagdherrn haben wir nichts erzählt, er war zufrieden mit unserer Strecke: Von 10 bis 14 Uhr hatten wir zu zweit 71 Hühner erlegt. Den Bock hat er übrigens im Jahr darauf geschossen. Wir hatten aber das Gwichtl schon ein Jahr zuvor in Händen gehabt. Das haben wir jedoch verschwiegen.
In diesem Zusammenhang fällt mir eine nicht ganz „hasenreine“ Geschichte ein, die mit der Arbeit der Cita keinen unmittelbaren Bezug hat.
In einem anderen Revier im Erdinger Moos, wo wir an den Herbst-Wochenenden regelrecht zum Jagen verpflichtet waren, jagten wir einmal mit den beiden Söhnen des Jagdherrn auf Rebhühner. Man hatte uns einen Jagdgast „aufs Auge gedrückt“, einen Herrn Konsul eines Balkan-Staates. Den sollten wir reichlich zu Schuss bringen. Bei dem damaligen Hühner-Segen war das kein Problem. Es war ein strahlend schöner, heißer und trockener September-Tag. Es ging schon gegen Mittag, die Zunge klebte uns vor Durst am Gaumen. Zum Glück war wenigstens für die Hunde genug Wasser in den Kohlblättern der riesigen Weißkrautköpfe. Da geschah es, dass der Herr Konsul in der „Hitze des Gefechts“ meinem Bruder ein paar Streuschrote auf die Lederhose prasseln ließ. Das tat höllisch weh. Erbost stellte mein Bruder den erschrockenen Unglücksschützen:
„Mein Herr, im Ostblock mag ja ein Menschenleben wenig Bedeutung haben, aber ich liebe mein Leben, es ist mein einziges. Passen Sie in Zukunft besser auf!“
Das waren deutliche, im Zorn hervorgestoßene Worte. Der gemaßregelte Diplomat ließ sofort seinen Fahrer mit der Staatskarosse vorfahren und bat uns zerknirscht um Entschuldigung. Dann öffnete er den Kofferraum und bot uns einen Versöhnungsschluck aus einer Dreiliterflasche mit Slibowitz an. Ausgetrocknet wie wir waren, tranken wir, auch um unseren Durst zu stillen, mit vollen Zügen. Nun, „Slibo“ ist nicht unbedingt der richtige Durstlöscher.
Daraufhin empfahl sich der Herr Konsul. Wir jagten nun zu viert mit frischem Mut weiter. In einiger Entfernung sahen wir auf einem der Krautköpfe einen Sperber sitzen. Man hatte ja damals eine, heute glücklicherweise als falsch erkannte Auffassung von „Krummschnäbeln“. Die Söhne des Jagdherrn, scharf hinter Raubwild und Raubzeug her, waren nun ganz wild darauf, diesen „bösen Niederwild-Feind“ zur Strecke zu bringen. Damit er auch ganz sicher unseren Schroten zum Opfer fiele, sollten wir, wie ein Erschießungs-Kommando, mit angelegter Flinte auf den „argen Feind“ zumarschierend, auf „drei“ das Feuer eröffnen. Gesagt, getan. Auf Kommando rollte die Salve und der quergebänderte Vogel war bei seinen Ahnen. Doch als sich die brave Cita dann mit der „stolzen Beute“ im Fang setzte, kam Ernüchterung, wie ein kalter Wasserguss, über uns. Es war, Diana verhülle dein Haupt!, ein Kuckuck.
Doch wir dürsteten nach weiteren Taten. Wir kamen auf eine Kette Hühner, die sonderbarerweise nicht in dem üblichen Tempo flog. Auch waren die Hühner relativ groß und kinderleicht zu treffen. Bei einer kurzen Rast kam dann die endgültige Klarheit über uns Übeltäter. Es waren lauter Jung-Fasanen. Jetzt war’s aber wirklich genug des üblen Spiels. Die Herren Söhne baten uns inständig, wie ein ganzes Gräberfeld zu schweigen, denn sonst wäre es das „Aus“ für diese Jagdsaison gewesen.
Das Fazit: Frei nach Wilhelm Busch: „Slibo zieret keinen Jüngling!“ Wir waren alle noch unter zwanzig, das möge man uns zugute halten. Ich, für meinen Teil, habe seitdem während der Jagd keinen Alkohol mehr angerührt.
Weil wir gerade bei recht außergewöhnlichen Begebenheiten sind, so fällt mir ein Abend auf dem Schnepfenstrich im Salzkammergut ein. Cita saß brav, wie es sich gehört, mir zu Füßen, als ein quorrender Schnepf über den im Abendlicht liegenden Schlag strich. Auf den Schuss, genau „überkopf,“ fiel er, nicht ganz verendet, trudelnd, senkrecht auf uns herab. Cita brauchte sich nicht einmal zu erheben. Sie öffnete nur lässig den Fang und der Vogel fiel zielgenau hinein. Wer’s nicht glaubt, der Berufsjäger Hannes Hornsteiner aus Weißenbach war mein fassungsloser Zeuge.
Die Vollgebrauchsprüfung VGP, das Hundeabitur, stand uns bei aller Praxis noch bevor. Das erforderte dann prüfungsgerechte Einarbeitung in Wasserarbeit, Schweißfährte und Fuchsschleppe. Letztere erwies sich als problematisch, denn durch die damals grassierende Tollwut kam man nur schwer an amtlich für seuchenfrei erklärte Schleppenfüchse. Ein Jagdfreund, der auch einen Hund zur VGP gemeldet hatte, überließ mir seinen tollwutfreien, mehrfach schon geschleppten und immer wieder eingefrorenen Fuchs.
Ich merkte gleich, das war nicht die große Leidenschaft meiner Cita. Doch mit liebevollem Druck und ständiger Übung schien mir bald auch dieses Fach für die Prüfung ausreichend geübt.
Es kam der Tag im Oktober, da die VGP stattfinden sollte.
Alle Teilnehmer trafen sich beim Hause des Jagdpächters, in dessen Revier alle Fächer geprüft werden sollten. Vor dem alten Bauernhause lagen auch schon die Schleppenfüchse. Auch diese stammten aus der Tiefkühltruhe und waren nimmer so ganz frisch.
„Klasse!“ dachte ich, „da können wir eben noch schnell die Apportier-Übung wiederholen.“
Doch auf den Befehl „Apport!“ zwickte mein Hundemädchen die Rute ein und verweigerte.
„Na sauber, das geht ja gut los!“ Also nahm ich sie an der Halsung, schüttelte sie und zischte ihr mit wütender Stimme ein befehlendes „Apport!“ zu. Äußerst widerwillig fasste sie nun den Stinker, setzte sich, wie’s sich gehört, und ich nahm ihn ihr erleichtert ab.
„Wie gut“, dachte ich, „dass ich diese kritische Übung nochmals wiederholt habe.“
Bald ging’s los mit Formwert-Beurteilung, sie bekam ein V, und dann sollte als erstes Fach „Bringen von Fuchs über Hindernis“ drankommen. Die Herren Richter standen noch, Notizen machend, beisammen, als ich dachte, wir seien schon dran. Ich warf den Fuchs über den Hindernis-Graben: „Apport!“ Doch meine Cita zischte mit eingeklemmter Rute ab, zwischen Frauchens Beine.
„Au weh, jetzt können wir heimgehen!“ war mein verzweifelter Gedanke. Doch die Richter hatten nichts bemerkt, denn wir waren ja noch gar nicht aufgerufen. Ich nahm mir meine Hündin zur Seite, redete ihr beruhigend zu, sie sei doch meine Beste und Bravste, sie solle mich doch nicht im Stich lassen. Und als wir dann dran waren, sprang sie über den Graben, packte voller Wut den Fuchs und brachte ihn, als wenn das schon immer ihre große Leidenschaft gewesen wäre.
„Puh!“ Große Erleichterung.
Die nächsten Fächer in den kommenden zwei Tagen absolvierte sie mit Bravour und der jeweils höchsten Note. In Wasserarbeit bekam sie sogar eine 4h, weil sie der Ente immer wieder nachtauchte. Alle sahen uns als hohe Suchensieger-Favoriten, bis – ja, bis als letztes Fach die „Fuchsschleppe im Wald“ drankam.
Bisher lag ein prachtvoller Rüde leistungsmäßig gleich, doch bei der Haarwildschleppe war für ihn die Suche zu Ende. Er hatte nämlich das Schleppen-Kaninchen, anstatt es zu bringen, „ratzfatz“ aufgefressen. Die Frau des Führers weinte bittere Tränen: „I hob eahm doch no in da Fruah extra scheane Pfannakuacha bacha! Und jetzat des! Die Schand! O mei, o mei!“
Die Spannung war jetzt für uns ungeheuer, denn ich wusste, welch hohe Klippe das nun war, wenn sie außer meinem Einwirkungsbereich selbst entscheiden musste: „Bring’ ich oder bring’ ich lieber nicht.“
Am „Anschuss“ angesetzt, schnallte ich sie mit einem streng geknurrten „Apporrrrt!“ und meine Braune verschwand lässig mit hoher Nase auf der Schlepp-Spur. Eine Arbeit mit tiefer Nase war für sie in diesem Fall nicht notwendig, denn die Füchse waren nach mehrmaligem Einfrieren und wieder Auftauen schon ein wenig flüssig geworden und verbreiteten eine „leckere“ Witterung. Die Hündin drehte sich sogar nochmals nach mir um, so als ob sie sagen wollte: „Ist das wirklich dein Ernst, dass ich dir so was Verstunkenes bringen soll?“
Dann banges Schweigen, banges Warten. Doch bald sah ich im Unterholz des dunklen Waldes erst die helle Bauchseite des Fuchses heranschweben, dann war meine Brave da, setzte sich, gab aus, und darauf sprang sie mir ins Gesicht und schleckte mir mit dem ganzen, grausig stinkenden Fuchs-Schleim über Mund und Nase.
Das sollte wohl heißen: „Schmeck du auch mal, was ich dir da bringen sollte!“
Ich musste schnellstens hinter den nächsten Baum springen und opferte meine Brotzeit. Jetzt konnte ich den Widerwillen meiner Cita noch besser verstehen. Nie zuvor und niemals hernach hat sie nach dem Bringen so etwas getan.
Die Richter lachten, teils über meine Reaktion, teils auch vor Mitfreude, denn wir zwei waren mit dieser tadellosen Leistung Suchensieger mit der höchsten erreichbaren Punktezahl geworden.
Am Abend, bei der Preisverleihung, war mein Hund der Star. Ich dagegen die Lachnummer, als einer aus der Korona meine Fuchs-Speiberei in aller Deutlichkeit, zum Ergötzen aller zum Besten gab. Doch diese Schadenfreude habe ich gerne und voller Stolz ausgehalten.
Da die Hündin nun in diesem Jahr die Höchstprämierte bayernweit war, kamen natürlich Welpenwünsche auf uns zu. Im Jahr darauf hatte sie einen Wurf von acht prachtvollen Welpen. Wir haben mit den sorgfältig ausgewählten Besitzern dann in unserem eigenen Revier bis zu den ersten Prüfungen Übungstage veranstaltet. Die Ergebnisse waren bis auf einen Hund mit seinem nervenschwachen Führer lauter erste Preise. Noch nach mehr als einem Jahrzehnt bekam ich Anfragen, ob nicht eine Nachzucht aus dieser erfolgreichen Paarung vorhanden wäre.
Doch ich züchtete nur einmal mit ihr, denn die Lady war keine gute Mutter. Cita war ein ausgesprochenes Party-Girl. Wenn wir im Garten grillten oder Gäste hatten, ließ sie die jammernden Welpen im Stich. Die Milch rann ihr aus dem Gesäuge, ihre Kinder waren ihr wurscht, sie wollte lieber bei uns Erwachsenen bleiben und mitfeiern. Mit Strenge mussten wir sie zu ihren Welpen schleppen, die dann gierig schmatzend an der Milch-Bar hingen. Dabei machte sie ein tödlich beleidigtes Gesicht: „Ihr habt mir ja diese Bagage aufgehängt!“
Sobald ein Fotoapparat auftauchte, stellte sie sich jedesmal in Positur, halt wie ein echtes Party-Girl.
Doch im Revier ging’s andersrum. Als wir die Jagd übernommen hatten, gab es im Revier mehr verwilderte Katzen als Hasen. Die Bauern wussten überhaupt nicht, wie viele Maunzen um ihren Hof strabanzten. Bei Cita hatte keine eine Chance. Selbst ein angeschossener Fuchs wurde in voller Flucht eingeholt und von ihr im Nu abgetan.
Dagegen war sie der ideale Hund für unsere Kinder. Sie ließ sich gutmütig die tapsigen Zärtlichkeiten gefallen und stupste nur, wenn’s allzu grob herging, die Kleinen mit der Nase weg. Als die Kinder dann größer wurden und manchen Unsinn anstellten, der eine Zurechtweisung erforderte, verzogen sie sich alle in die Tages-Hundehütte. Dort waren sie sicher, denn die Hündin ließ mit warnend hochgezogenen Lefzen niemand an die bei ihr Schutz Suchenden heran.
Als sie im vierten Feld stand, schlug der „Bayrische Kurzhaarklub“ die Hündin für die „Internationale Kleemann-Ausleseprüfung“ vor. Fleißig trainierten wir Feldmanieren für extrem weite, ebene Flächen. Sie ließ sich bald lässig mit nach links oder rechts geneigtem Kopf in die gewünschte Richtung dirigieren. Doch zwei Wochen vor der Prüfung stoppte ein Unfall unsere hochfliegenden Hoffnungen. In einem Neubaugebiet stürzte sie in einen acht Meter tiefen Kellerschacht. Ihren Sprung darüber hatte sie zu kurz angesetzt. Noch im Fallen schrie sie entsetzt auf. Als ich sie in der Tiefe verschwinden sah, gerann mir fast das Blut in den Adern. Doch sie hatte Glück im Unglück. Sie landete auf allen Vieren. Irgendwie gelang es mir, in den Schacht zu klettern. Die Hündin lebte noch. Schwer unter Schock raste ich mit ihr in die Tierklinik. Dort bestätigte mir die Röntgenaufnahme ein Wunder. Außer furchtbar verprellten Muskeln und einem aufgeschürften Kinn war ihr nichts geschehen. Doch bis sie wieder locker revieren konnte, vergingen einige Wochen. Aus der Traum vom Kurzhaar-Sieger-Titel.
Ihre große Leidenschaft war das Autofahren. Ging es doch immer irgendwohin, wo’s interessant war. Ich war zu dieser Zeit ein manchmal etwas zu forscher Fahrer, der gerne „mit Musik“ um die Kurven fuhr. Stets saß oder lag sie brav im Beifahrer-Fußraum. Aber eines Tages wurde ihr das Herumgeschleudertwerden dann doch zu viel. Sie sprang auf und biss mich sanft, aber sehr bestimmt in den Arm, als wollte sie sagen: „ Mein lieber Freund, so fährt man nicht!“ Gut, auch ich war lernfähig.
Da wir so gut wie jede Stunde ihres Lebens zusammen waren, lernte sie natürlich bestens ihr Herrchen zu lesen. Hunde sind ja ohnedies die schärfsten Beobachter und da brauchte ich oft kein Wort zu reden, denn nur eine Geste, auch unbewusst ausgeführt, sagte ihr alles. Oftmals, wenn ich vom Geschäft mit dem festen Vorsatz heimkam, gleich anschließend ins Revier zu fahren, wich sie mir rutenwedelnd nicht mehr von der Seite, wenn ich mich umziehen ging. Ich hatte jedoch mit keinem Wort erwähnt, dass es jetzt zur Jagd hinaus ginge. Wenn ich an normalen, sprich jagdlosen Tagen heimkam, da ging keine Cita mit mir zum Umziehen. Da sagten meine Gesten der scharfen Beobachterin: „Blöder Tag, heute nix los!“ Nur durch intensives Zusammenleben lernen beide Partner voneinander. Der Hund liest mich und ich verstehe ihn auch ohne Worte. Ein Zwingertier kann niemals diese „höheren Weihen“ erlangen. Gewisse Dinge konnte ich mit meiner Frau nur in Englisch oder Italienisch bereden. Wenn nämlich in unseren Plänen das Wort „fort“, oder „los“ vorkam, war sie sofort aus tiefem Schlummer erwacht und bereit zu neuen Taten.
Ihre Vielseitigkeit bewies sie bei Treibjagden stets aufs Neue. Im Herbst kamen oft Einladungen mit dem Text: „Dein Hund ist herzlich zur Treibjagd bei uns eingeladen. Wenn Du Lust hast, kannst Du auch mitkommen!“
Dabei zeigte sie absolute Bogenreinheit. Rehe hetzte sie lauthals bis zur Schützenlinie und machte sofort kehrt beim Anblick eines vorstehenden Jägers. Sie blieb so lange im Treiben, bis es wirklich leer war. Manchmal, wenn sie meiner Meinung nach allzubald zu mir zurückkam, schickte ich sie mit strengen Worten wieder ins Treiben. Da sie es besser wusste, dass nichts mehr drin war, setzte sie sich, Treiber haben’s beobachtet, außer meiner Sicht nieder, bis abgeblasen wurde.
Bei manchen Treiben saß sie frei abgelegt neben mir. Wenn dann Rehe oft ganz nah an uns vorbeiflüchteten, schaute sie gelangweilt in eine andere Richtung, als wollte sie sagen:
„Heute seid ihr nicht dran, ihr interessiert mich nicht!“
Streit mit anderen Hunden beim Bringen gab’s bei ihr nicht. Wer zuerst am Wild war, dem gehörte es auch. Anders war’s natürlich, wenn sie bei einem Stück Schalenwild abgelegt war. Das war dann bei ihr sicher wie bei einer Tigerin.
Nur einmal gab’s eine böse Rauferei, als sie betrunken war. Ja, Sie haben richtig gelesen. Sie war einmal betrunken. Nach einer Treibjagd bei einem lieben Freund geschah es. Wir Jagdgäste waren am Abend in seinem neuen Bräustüberl zu dessen Einweihung beisammen. In dem stilvoll renovierten alten Gewölbe mit herrlichem Hirnholz-Pflaster-Boden hatte der Jagdherr das von ihm gebraute Bier im Holzfaß aufgestellt. Darunter befand sich eine Holzwanne zum Auffangen des Tropfbieres. Zum Essen gab es knusprig gegrillte Kalbshaxen. Die Hunde lagen bereits gesättigt zu Füßen ihrer Herren. Irgendjemand kam auf die Idee, den Hunden die salzigen Knochen zum Abnagen hinzulegen. Ich konnte diese Unsitte nicht verhindern, als ich meine Cita nagen sah, war es dazu schon zu spät. Durch angeregte Unterhaltung, wie das nach der Jagd so üblich ist, abgelenkt, bemerkte ich auch nicht, dass meine Braune und ihre Freundin Gitta, eine Große Münsterländerin, vor lauter Durst das reichliche Tropfbier aus der Holzwanne in sich hineinschlabberten. Diese beiden Hündinnen kannten sich lange und vertrugen sich bestens. Jetzt, durch ihre Bier-Sauferei plötzlich agressiv geworden, fielen sie übereinander her. Es ging um einen abgenagten Knochen, an dem längst nichts mehr dran war. Ich sehe noch den weißen Fang der Gitta, auf dem nun lauter rote Punkte eingestanzt waren, wo die Cita sie erwischt hatte. Die beiden „Sauf-Amseln“ kamen jetzt an die Leine.
Weil wir schon g’rad beim Bier sind: In der jagdlosen Zeit will der Hund ja auch weiter beschäftigt werden. Da machte ich mir den Spaß und brachte ihr ein kleines Kunststückl bei. Ich ließ sie auf das Kommando: „Geh’ Bier holen!“ die vorher an der Kellertreppe hingelegten Bierflaschen bringen. Das hatte sie schnell begriffen, zumal es jedesmal eine Belohnung gab.
Eines Tages machten meine österreichischen Jagdfreunde auf der Durchreise bei mir Halt. Vorsorglich legte ich für die durstigen Jägerkehlen schon mal eine Batterie Flaschen an der Treppe bereit. Als die Freunde es sich bequem gemacht hatten, fragte ich: „Wie schaut’s aus, mögt’s ihr ein Bier?“
Begeistertes Bejahen.
Dann an meinen Hund gewandt: „Cita, geh’ Bier holen!“
Ungläubiges Staunen. „Jetzt spinnt er!“
Doch das „Hallo“ kannte keine Grenzen, als die Hündin mit einer Flasche nach der anderen erschien. Und weil sie merkte, diese Nummer kommt toll an, brachte sie nacheinander den gesamten Vorrat.
An einem Tage Mitte März, es war zufällig ihr zehnter Geburtstag, waren wir im Revier unterwegs. Wir standen in der Nähe eines kleinen Gehölzes, als ein Sprung Rehe, durch irgendeine Störung aufgeschreckt, an uns vorbeiflüchtete. Interessiert schaute ich mir den Bock an. Sein frisch verfegtes Gehörn war schweißig rot. Plötzlich fegte die Hündin wie der Satan hinter den Rehen her. Alles Pfeifen nützte nichts. Ich war völlig perplex. Die Verlässliche, die nie ein gesundes Reh gehetzt hatte, teufelte jetzt den Sprung „durch Sonne, Mond und Sterne.“ Nach langer Zeit kam sie völlig ausgepumpt zurück. Wortlos nahm ich sie an die Leine. Was hatte sie zu dieser Hatz bewogen? Doch da fiel mir das schweißige Gehörn des Bockes ein. Dessen Witterung, „der ist krank“, war ihr das Signal zum Eingreifen.
Da sich meine Brave nun langsam trotz aller Fitness dem Alter näherte, in dem sie mehr Schonung verdient, glaubte ich, mich um eine Nachfolgerin kümmern zu müssen. Als sie im zwölften Feld war, hatte ich mir einen Welpen aus einer bewährten Linie vom Oberrhein geholt. Die kleine Bianca wurde anfangs, weil sie noch ein Welpe war, freundlich toleriert. Doch je älter sie wurde, umso mehr zog sich die Cita zurück, scherzte auch nicht mehr mit dem Junghund und kündigte mir regelrecht den Dienst. Sie spielte nicht mehr mit. Ich schrieb das alles ihrem Alter zu.
Die Bianca jedoch ließ sich mit ihren Leistungen fantastisch an. Aber eines Tages fing sie, was mir bei Hündinnen noch nie passiert war, zu streunen an. Nie wollte ich einen Zwinger-Hund haben, doch leider musste ich für sie einen zweieinhalb Meter hohen Zwinger bauen. Alle niederen Zäune überkletterte sie. Immer wieder brachten andere Jäger oder die Polizei die ausgebüxte Streunerin zurück. Dann wurde sie krank. Bekam Maulfäule. In der Münchner Uni-Tierklinik konnte man sie nicht heilen. Man vermutete ein psychisches Problem.
Da entschloss ich mich, sie wegzugeben. Das hatte ich noch keinem Hund antun müssen. Trotz ihrer besten Prüfungen war ich dennoch ohne brauchbaren Hund.
Ein Jagdfreund, von dem ich wußte, dass sie es gut bei ihm haben würde, dem gab ich sie. Er war sich aller ihrer Probleme bewusst und bereit, sie zu lösen.
Und das Wunder, oder besser zwei Wunder geschahen. Bianca wurde innerhalb von vierzehn Tagen gesund. Sie streunte nie mehr. Sie lag bei offener Gartentüre in seinem Hof und ging keinen einzigen Schritt vom Grundstück.
Und meine Cita? Am darauf folgenden Wochenende war sie wieder mit auf der Jagd. Da zeigte sie eine Brillianz-Leistung, dass ein mitjagender, erfahrener Rüdemann nur noch bewundernd den Kopf schütteln konnte. Wir jagten an einem deckungsreichen Flusslauf auf Fasanen. Ich wollte sie unter der Flinte vor uns her suchen lassen. Doch die Hündin wusste es besser. Sie lief im Bogen weit, weit voraus und drückte dann langsam auf uns her die Deckung durch. Unbeirrt durch die fallenden Schüsse brachte sie in aller Ruhe einen Gockel nach dem anderen vor unsere Flinten.
Da hatte sie es mir wieder einmal gezeigt: „Du brauchst keinen anderen Hund!“ Von dem Tag an war sie wieder ganz die alte.
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