Kitabı oku: «Der Jäger und sein Ziel ...», sayfa 3

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Es gelang mir dennoch unter Aufbietung aller Restenergie, wenn auch mit glasigem Blick, meine Frau zu einem abschließenden Einkaufsbummel in die Stadt zu begleiten. Wieder fuhr uns die Hotelkarosse zu unserem Ziel, und der Fahrer begleitete uns zum Herend-Porzellanladen. Teilnahmslos trabte ich hinter meiner Frau drein, hinter uns der Chauffeur. Sie kaufte etwas aus Porzellan, ich zog wie eine Marionette die Kreditkarte und der Fahrer trug die Pakete. Es war wie im Film.

Zwei Stunden in frischer Luft mit einem Spaziergang durch den Park der Margareteninsel brachten mein Inneres langsam wieder ins Lot. Meine Sorge war verflogen, wie ich es schaffen würde, in zwei Stunden den Heimflug anzutreten. Bis zum Flughafen ging alles gut, meine rotgeränderten Säuferaugen hatte ich mit einer Sonnenbrille bedeckt.

Dann kam die Passkontrolle. Wieder unheimliche Kerle in schwarzen Ledermänteln, die misstrauisch in meinem Pass blätterten. Dann ein prüfender Blick in mein Gesicht: „Brillä ab!“, herrschte mich einer von ihnen an. Sicher glich in dieser Stunde das Foto nicht so ganz dem Original.

Seitdem bin ich noch des Öfteren in Ungarn gewesen – nur eines habe ich nie wieder getrunken: Balatonfüredi rizling.

Der Bär vom Kitzbüheler Horn

In meinem ehemaligen, weitläufigen Revier in den Allgäuer Bergen hausen viele Murmele. Sie heißen hier so, anderwärts sind es Mankei, Munggen oder Marmotta. Aus letzterem Namen entstand das Wort „Murmeltier“. In jenem Revier findet man sie fast nur auf der östlich und südlich gelegenen Seite des Stillach-Rappenalptals. Sicher liegt das an den ansonsten zu steilen Hängen. Die für ihren Lebensraum notwendigen Bergwiesen sind geländebedingt rar. An einem besonderen, fast ebenen Platz inmitten der schroffen Bergwelt waren sie zahlreich daheim. Ausgerechnet vor einer bewirtschafteten Hütte, der „Enzianhütte“ unterhalb des Linkerskopfs. Sie waren deshalb die Menschen gewohnt, keinesfalls mehr scheu und pfiffen nur, wenn ein Hund auftauchte.

So erging es mir mit meinem jungen Schweißhund, der zum ersten Mal in seinem Leben mit diesen Gesellen zusammenkam. Nach einer Pirsch in der Höhe gönnten wir uns eine Rast vor der Hütte. Bald darauf schlupften die ersten neugierigen Murmele wieder aus ihren Bauen und beäugten, Mannderl machend, uns Neuankömmlinge. Die junge Hündin vermutete, es wären die ihr verhassten Katzen und sauste los, um denen eine gehörige Lektion zu erteilen. Aber – wie sonderbar, die vermeintlichen Gegner waren sofort vom Erdboden verschluckt. Und sie rochen ganz anders, gar nicht nach den Stubentigern. Ratlos stand Silva vor dem Bau. Das war offenbar nicht ihr Wild. Seit diesem ersten, prägenden Erlebnis stand für sie fest, diese Höhlenbewohner sind genauso uninteressant wie Nachbars schwarze Hühner.

Ein ähnlich enttäuschendes Erlebnis hatte sie im gleichen Jahr bei einem Urlaub an der Nordsee. An einem breiten, endlos langen und menschenleeren Strand robbte vom höher gelegenen Dünenkamm eiligst ein Seehund dem Meer zu. Er hatte wohl dort oben verschlafen. Die Silva startete los, um den sonderbaren Hasen oder Fuchs anzuschauen. Neben dem wunderlichen Tier herlaufend ging’s den Wellen zu. Als dann die Robbe spur- und geruchlos darin verschwand, war die junge Hündin fassungslos. Es fehlte nur, dass sie kopfschüttelnd zurückkam. Dies war wohl das einzige Mal, dass jemals ein Schweißhund mit einem Seehund um die Wette gerannt ist.

Doch zurück ins Allgäu. Seit Jahren haben die Murmele hier keine Jagdzeit mehr, und nur der Adler darf sie sich erjagen. Wie es jedoch dazu kam, dass unser Berufsjäger mich mit Murmelöl zum Schmieren der Gelenke bedienen konnte, ist wohl sein Geheimnis geblieben.

Meine Schwiegermutter, die aus einem Gasthof im Hintersteiner Tal stammte, wusste von einer anderen Verwendung des Murmelfetts. Im elterlichen Gasthof kehrten zur Winterzeit nach getaner Arbeit immer die Wegmacher ein. Was heutzutage der Straßenräumdienst mit Motorkraft bewältigt, erledigten die Älpler früher mühevoll mit der Schaufel. Das macht Hunger und Durst. Der Wirt spendierte dazu die entsprechende Stärkung. Zur Erhöhung der Bekömmlichkeit von Speis, Bier und Enzianschnaps setzte jeder der Mannsbilder hernach die eigene Flasche mit Murmeleschmalz an und nahm einen kräftigen Schluck. Für diesen Genuss muss man allerdings in hochalpiner Wolle gefärbt sein.

Am südlichen Ende unseres ehemaligen Jagdreviers, welches zugleich der südlichste Punkt Deutschlands ist – man blickt von dort hinunter nach Warth im Vorarlberger Lechtal – liegt eine kleine Hochebene, wo sommers das Vieh hinaufgetrieben wird. Mehrere Hütten bieten Unterkunft für Hirten und Sennen. Hier ist ebenfalls der ideale Lebensraum für die Murmele. Doch überall, wo der Mensch die Umwelt für sich allein beansprucht, kommt es zu Kollisionen. Die Hirten beschwerten sich, dass die Kühe mit ihren Haxen in die Bau-Einfahrten einbrechen und so zu Schaden kämen. Fazit: Die Murmele müssen weg!

Um die aufgebrachten Bauern zu beschwichtigen, wurde eine Eingabe an die Behörde gemacht und um Abschussgenehmigung für ein paar Murmele angesucht. Wie wir hörten, stand die Genehmigung kurz bevor. Als aber eine grün orientierte Beamtin davon Wind bekam, landete das Gesuch im Papierkorb.

Da griffen die Hirten zur Selbsthilfe. Irgendwie hatte sich eine Gruppe der kleinen Höhlenbewohner unter einer der Hütten in eine Kellergrube verirrt, wo sie nicht mehr herauskonnten. Die Bauern erschlugen sie alle. Dem Jäger war die Ernte und Erlegerfreude genommen, die „Schädlinge“ waren erledigt und der bäuerliche Zorn verraucht. Der Amtsschimmel wieherte siegesfreudig.

Die Verwandtschaft dieser Langschläfer ist über die nördlichen Regionen des Globus beinahe weltweit mit etwa vierzehn verschiedenen Unterarten verbreitet. Einige dieser Verwandten konnte ich auf der Steinbockjagd im mongolischen Altai kennenlernen.

Zusammen mit meinem Guide Darmaa pirschte ich in den Gipfelregionen des Hochaltai. Bei einer Rast sahen wir unterhalb unseres Ausgucks eine große Murmelefamilie beim eifrigen Äsen. Nur ein einzelner großer Bär hielt nahe beim Felsenbau aufrecht stehend Wache. Auffallend waren seine Größe und sein fast steingrauer Balg. Auch der Warnpfiff unterscheidet sich von dem unserer Alpenmurmeltiere. Wir hatten bereits auf der Herfahrt bei diversen Rasten den sich ganz anders anzuhörenden Pfiff vernommen. Er klingt eher wie ein Kreischen, halt „Murmelisch“ auf Mongolisch.

Mit dem Spektiv konnte ich dem Sippenchef lange zuschauen, bis er plötzlich mit gellendem Pfiff die ganze Bande in den Bau scheuchte. Was war da los? Da sah ich auch schon einen prächtigen, großen Fuchs – auch er hatte einen mehr steingrauen als roten Balg – heranschnüren. Der Wächter ließ ihn nicht aus den Augen und tauchte auch nicht ab, selbst als der Graue – der „Rote“ kann man in diesem Fall ja nicht sagen – nur wenige Meter an ihm vorbeischnürte. „Reineke mongolicus“ schenkte ihm nicht einmal einen Seitenblick, so als wollte er dokumentieren: „Du interessierst mich gar nicht, wohl bist du auch schon recht zäh!“ Man kennt das ja aus der Fabel, wo dem Fuchs die ohnehin unerreichbaren Trauben sowieso viel zu sauer sind.

Darmaa erzählte mir, dass er es bedauere, dass noch keine Jagdzeit auf Murmele sei. Diese Delikatesse darf erst in einigen Wochen bejagt werden. Dann aber wird Mitte Juli zum Naadam Fest auch „Chorlog“ bereitet.

Auf meine Frage, was das denn wohl Köstliches sei, gab mir der Mongole das Rezept: Man ziehe dem Murmele den Balg wie einen Sack ab, nur mit der Öffnung oben und unten. Dann wird das zerlegte Tier hineingefüllt und beide offenen Sackenden verschlossen. Daraufhin kommt der Murmelesack in heiße Holzasche oder unter glühend gemachte Steine. Nach der Garzeit öffnet man den Sack, und der „würzige“, ölige Fleischsaft ist der kulinarische Himmel aller Steppen-Gourmets.

Darmaa musste bei der Beschreibung dieser edlen Speise vor Appetit schlucken. Vielleicht erging es dem Fuchs auch so?

Auf jeden Fall hätte es mich sehr gefreut, wenn ich wenigstens einmal im eigenen Jagdbann solch seltene Beute machen, mich an Erlegung, Balg und der raren Trophäe von gelben Nagezähnen hätte erfreuen können. Lieber jedoch ohne anschließenden Chorlog – auch wenn Darmaa mich nur zu gerne an diesem Hochgenuss hätte teilhaben lassen.

Als ich einem Jagdfreund von meinem Wunsch erzählte, tröstete er mich mit einer Einladung zur legalen Murmelejagd in Tirol. Er habe einen Freund, der eine kleine Eigenjagd auf dem Kitzbüheler Horn hat. Es gäbe da viele Mankei – dort heißen sie halt so – und der Eigentümer mit dem schönen Namen Severin freue sich über einen Gast.

Heiß brannte die Septembersonne vom wolkenlosen Himmel, als Severin uns hinauf zu den Hochalmen geleitete. Unterwegs bekam ich all die Ermahnungen, die mir aus Literatur und Erzählungen bekannt waren.

„Schieß nie, wenn der Mankei in der Nähe des Baues ist. Er muss im Schnall liegen, sonst ist er verloren. Und – was hast denn für a Büchs?“

Für diesen Fall hatte mir mein Freund seine 222 ausgeliehen, denn all meine eigenen Waffen hatten ein zu grobes Kaliber für das kleine Wild. Die Probeschüsse saßen perfekt, und so war der Gastgeber beruhigt.

Die baum- und strauchlose Hochebene ist eine bucklige Welt. Schon von weitem sahen wir etliche Mankei umherhuschen, und auf gellende Warnpfiffe hin waren sie blitzschnell abgetaucht. Hinter einem Felsbrocken fanden wir Deckung. Es dauerte keine halbe Stunde, da erschienen wieder ihre sichernden Köpfe vor den Einfahrten. Bald waren wieder kleine Affen und größere Bären und Katzen unterwegs zum Äsen. Ich wollte mir einen möglichst starken Bären auswählen, und so wurde mir die Zeit nicht lang, zumal das Bergpanorama allein den Aufstieg gelohnt hätte.

Plötzlich huschte ein größerer Bursche auf einen der kleinen Hügel, richtete sich auf und sicherte rundum.

„Den packsch!“, flüsterte mir der Severin zu. „Herrschaft! Des isch a amol a starker Bär!“

Dort auf dem kleinen Buckel war er weit genug vom Bau entfernt, und mit der guten Auflage an dem Felsen war der Schuss kein Kunststück. Im Knall der kleinen Büchse lag der Bär verendet auf der Hügelkuppe, schlegelte noch einmal kurz und rutschte auf der abgewandten Seite in die Senke. Das ging ja schnell und einfach. Mir ging’s fast zu schnell. Die Freunde beglückwünschten mich mit kräftigem Schulterklopfen, und freudig stiegen wir hinab zur Beute.

Doch da kam die Enttäuschung wie eine kalte Dusche. Genau in der Senke, in die der Bär abgekippt war, gähnte ein großer Bau. Da war er hineingerollt.

Severin kratzte sich am Kopf. „Der Deixl solls holen!“

Die Baueinfahrt ging mindestens einen Meter weit senkrecht in die Tiefe. Wie es dort weiterging, konnte man nur ahnen. Unsere Arme waren zu kurz, um da hinunterzulangen.

„Jetzt müss’ mer graben“, war Severins Vorschlag. Hier lag eine dicke Humusdecke, unsere Chancen waren gut, ein gutes Stück hinunterzugraben. Bei einem Felsenbau wären alle Mühen vergebens gewesen. So aber fuhr der Bauer zu Tal, um Hacke und Schaufel zu holen.

Jetzt jedoch kam die große Schinderei. Im glühenden Sonnenschein lief uns der Schweiß in Strömen herab. Hemd und Hose mussten wir ablegen. Abwechselnd gruben mein Freund und ich in die Tiefe. Bis zur Hüfte schon waren wir zum Erdmittelpunkt in Richtung Neuseeland vorgedrungen, doch kein Haar des Bären war weder zu sehen noch zu greifen. Und dann die große Enttäuschung: Der Fels begann. Ende der Graberei. Doch ich dachte nicht ans Aufgeben. Weit unterhalb der Almfläche wuchs ein Haselstrauch. Da wollte ich mir eine Gerte holen, um wenigstens zu ertasten, wo der Mankei lag.

Und tatsächlich, vorsichtig, den Stecken um eine Biegung schiebend, stieß ich auf etwas Weiches. Das musste der Bär sein. Doch wie ihn da herausziehen? Der Stecken hatte ja keinen Greifarm. Da fiel mir eine Geschichte ein, die ich einmal gelesen hatte. Da sah es so aus, als würden die Jäger ebenfalls in einem Felsenbau einen Dachs auf die gleiche Weise wie ich den Mankei verlieren. Sie spalteten einen Stecken am Vorderende zu einer Gabel. Mit dieser drehten sie den Stock in die langen Haare der Schwarte und zogen den Dachs langsam und vorsichtig heraus.

Das wollte ich auch probieren. Die Freunde runzelten zweifelnd die Stirn, doch machten sie mir Mut zum letzten Versuch. Also musste ich nochmals zum Haselstrauch hinunter und eine andere, biegsamere Gerte schneiden. Dann stocherte ich mit der gespaltenen Spitze vorsichtig nach dem Murmele. Bloß – wo hatte der die längeren Haare, in die sich der Stecken eindrehen ließ? Sehen konnte ich eh nichts, und so blieb mir nur das Probieren. Immer wenn ich auf den weichen Körper stieß, drehte ich mein Steckerl wie eine Spaghettigabel. Doch umsonst, sie konnte sich nicht festbeißen. Ich musste die langen Haare des Bürzels erwischen, das könnte gehen. Aber ohne Sicht dahin finden? Geduld ist des Jägers wichtigste Tugend, und ich gab nicht auf. Und dann – juhe – plötzlich ließ sich die Gerte nicht mehr drehen. Sie hatte gebissen. Zentimeter für Zentimeter konnte ich sie mit dem Mankei daran herziehen, immer in Angst, sie könnte sich vom Wild lösen. Und nach spannenden Minuten sah ich das schwarze Ende vom Bärenbürzel. Jetzt nur langsam. Den könnte ich jetzt mit den Händen fassen. Dazu musste ich kopfüber in die Grube hinab. Die Freunde hielten mich an den Füßen fest, und endlich gelang es mir, bis zum Mankei hinunterzugreifen. Erdverschmiert, aber glücklich zog ich meine Beute ans Tageslicht.

Der Bär vom Kitzbüheler Horn


Weit hinunter mussten wir graben …

Nach dem Schuss war ich ein wenig frustriert gewesen, dass die ganze Jagerei zu einfach und zu schnell gegangen war. Doch wie man sieht – da man kann sich gewaltig täuschen. Zwischen Schuss und Rucksack kann allerlei geschehen.

Auf der Weiherwiese

„Kommt schnell, ihr werdet staunen, um die Randbäume der Weiherwiese drängelt sich eine Riesenversammlung von Rehen! Der reinste Wahnsinn! Grad wutz’ln tut’s. Schaut’s euch das an! Los! Auf geht’s! Diesen Anblick werdet ihr nie vergessen!“

Mit dieser aufgeregt hervorgesprudelten Meldung polterte ich in die Jagdhütte meines Freundes Hubertus. Mit einem „Gell, du Zweifler, da siehst du mal, wie das Zaubermittel Buchenholzteer wirkt!“, sprang er mit seinen beiden Söhnen rasch ins Auto und brauste davon, dass der Kies aufspritzte.

Zurück blieb ich bei seiner Frau, die mich stirnrunzelnd und voller Zweifel anblickte.

„Da stimmt doch was nicht!? Oder?“

Nun konnte ich nicht mehr länger das Lachen zurückhalten und rückte mit der Wahrheit heraus. Ich hatte den Freund in den April geschickt.

Vor einigen Tagen war er, der großzügige Jagdherr, bei dem ich unbeschränktes Jagen genießen durfte, auf die Idee gekommen, Rehe mittels Buchenholzteer anzulocken. In einem Inserat in der Jagdzeitung pries ein Hersteller dieses Wundermittel mit folgendem Werbespruch an: „Sie werden staunen! Unvorstellbare Wirkung!“ In der Beschreibung stand, dass davon nicht nur Sauen – die gab es damals noch nicht in unserem Revier –, sondern auch Rehe magnetisch angezogen würden. Man müsse nur einige Baumstämme damit bestreichen, dann – nun ja, siehe oben.

Ich lachte den Freund aus, das sei Blödsinn, nur ein plumper Verkäufertrick. Doch nein, alle meine Argumente halfen nichts. Werbung lügt nicht. Punkt! Er bestellte einen Eimer von dem „Wundermittel“ und schickte mich los, um die Randbäume an der Weiherwiese mit dem schwarzen Zeug zu bestreichen. Diese Wiese war ein überaus beliebter Platz für unsere Rehe. Hufeisenförmig, sanft hügelig ansteigend umrahmte sie der Wald. An der offenen Stelle des Hufeisens, an eine Erle gelehnt, erwartete eine Kanzel den Jäger. Zu jedem Waldsaum im großen Halbrund war es von hier grad einen guten Kugelschuss weit. Rechts, im Rücken der Kanzel, träumte ein kleiner Weiher, etwa fünfzehn Meter im Geviert. Seine schilfigen, von Erlen gesäumten Ufer waren eine Heimstatt für allerlei Lurche. Dort quarrten sommers die grünen Teichfrösche, läuteten die Gelbbauchunken und lärmten bei Sonnenuntergang die Laubfrösche, dass man meinte, die Luft vibriere. Linkerhand, wie von den rodenden Bauern vergessen, wuchs eine kleine Buschinsel aus einem Brennnesseldschungel. Hier bildete der Wiesenboden eine sumpfige Senke. Das saure Binsengras rentierte keine Mahd. Das ließ die Insel überleben.

Nach einer halben Stunde kehrten die drei mit langen Gesichtern zurück. An der Weiherwiese, nachdem die „Reh-Demo“ dort offensichtlich beendet war, waren ihnen erste Zweifel an meiner Sensationsmeldung aufgekommen. Unser homerisches Gelächter bei ihrem Eintritt zerstreute alle Bedenken. Hubertus ertrug den „Aprilscherz“ mit Humor. Letztendlich lachte er mit – und der Teereimer verschwand.

Es ist wohl eine menschliche Eigenschaft, immer mehr, immer Besseres zu wollen. Dabei war dieser Platz an der Weiherwiese immer schon ein Eldorado für Rehe. Für gute Böcke. Die Waldstücke, welche die Wiese im weiten Bogen umgeben, boten ruhigen Einstand. Das Dorf war weit. Spaziergänger verirrten sich niemals hierher. Nur ich blies zuweilen meiner Frau mit dem Jagdhorn ein Ständchen. Das Echo, der Hall waren hier wie in einer riesigen Kathedrale, dass man meinte, der ganze Wald würde erklingen. Wir beide hatten in dem über tausend Hektar großen Revier freie Büchse, nachdem wir unser eigenes Revier – es war das Nachbarrevier – ein paar Jahre zuvor verloren hatten.

Noch war hier der Maiswahnsinn nicht ausgebrochen, sodass die Rehe, so sie nicht im Getreide standen, ihren Einstand im Wald fanden. Bei jedem Ansitz – ich führte ein kleines Notizbuch, in dem ich jetzt nachschlage – hatte man Anblick. Unglaublich, was ich da lese. Ob Mai, August oder Oktober, zu jedem Datum sind da ein, zwei, drei Böcke, Geißen, Schmalrehe oder Kitze verzeichnet. Und das war am Ende der noch gar nicht so lang vergangenen Achtzigerjahre. Und – ob man’s glaubt oder nicht – der Wald steht dennoch immer noch prächtig da.

Von drei Seiten her strebten die Rehe aus ihren Einständen zur Äsung auf die Wiese, die noch natürlich war, das heißt bunt von vielerlei Kräutern, Blumen und Gräsern. Das Waldstück rechterhand mit altem Baumbestand und Unterwuchs von Weichhölzern war relativ klein, ging aber in eine lang gezogene Dickung über. Hinter den beiden anderen Seiten jedoch erstreckte sich tiefer Wald in verschiedenen Altersklassen. Von hierher kamen die meisten seiner Bewohner.

Im 87er Jahr machte die Weiherwiese ihrem legendären Ruf alle Ehre. Im Juni hatte ich dort einen recht ordentlichen, reifen Sechserbock bestätigt. Da meine Frau in dem Jahr noch blanken Büchslauf hatte, riet ich zur Weiherwiese und beschrieb ihr diesen Bock genau.

„Etwa drei Zentimeter kurze Sechserenden, eine Hand breit über Luser hoch, normal weit gestellt. Da brauchst du dich mit dem Ansprechen nicht lang zu plagen, der ist gar nicht zu verwechseln.“

Mit dieser Empfehlung wünschte ich ihr für den Ansitz Weidmannsheil.

Im Dämmern, ich saß jenseits des Waldes, fiel bei ihr ein Schuss. „Na wunderbar“, dachte ich, „das ging ja ganz nach Programm!“ Als ich sie dann beim erlegten Bock abholte, schaute sie mich zweifelnd an. „So alt, wie du meinst, scheint er doch nicht zu sein.“

Der Unterkiefer bestätigte ihre Vermutung. Der Bock war nicht älter als höchstens drei Jahre. Wie konnte ich mich so irren!? Es ist wohl am schwersten, so tröstete ich mich, unter allen Schalenwildarten Rehe altersmäßig genau anzusprechen.

Drei Wochen darauf schoss ich den als unverwechselbar beschriebenen Bock. Er war etwa siebenjährig und die ziemlich genaue Vorlage für sein leider zu früh erlegtes Abbild. Wenn es eine typmäßige Vererbung gibt, dann war der Bock meiner Frau mit Sicherheit sein Sohn. Selten habe ich eine solche Duplizität der Erscheinung gesehen. Die beiden ähnelten sich dermaßen, dass eine Verwechslung durchaus verzeihlich ist. Damals machten wir uns den Vorwurf mangelnder Sorgfalt. Doch bei allem modernen Zeitgeist – von wegen „Zahl vor Wahl“ – ich würde ihn mir auch heute noch machen.

In den Tagen zwischen diesen Erlegungen ereignete sich auf der Weiherwiese Überraschendes. Ein Freund von mir sollte seinen ersten Rehbock bei mir schießen. Wochen zuvor hatte ich einige geringe Böcke ausgemacht, die so recht als Erstlinge infrage kamen. Dem jungen Jäger war das Erlebnis in Begleitung seines alten Freundes das Wichtigste. Auch ging’s ihm gar nicht um was Besonderes, er wäre, so versicherte er mir, auch mit einem Knöpfler zufrieden. Diese Einstellung fand ich absolut richtig, denn ein anderer junger Jäger, der in meinem ehemaligen Revier vom Treiber zum Jäger geworden war, fuhr extra nach Ungarn, um dort seinen Ersten zu erlegen. Das musste für ihn was ganz Tolles sein, und so schoss er einen 550-Gramm-Bock. Danach bereitete ihm alles, was geringer war, keine besondere Freude. Er achtete nicht das Erlebnis, entscheidend war für ihn nur die stetige Steigerung des Trophäengewichts und der Punktezahl.

Aber mein Freund hatte Pech. In diesem Revier, wo man denkt, man könne jeden Tag einen passenden Bock erlegen, fanden wir nur Zukunftsböcke. Es war wie verhext. An seinem letzten Tag wollten wir’s noch auf der verlässlichen Weiherwiese probieren. Aber außer einem nachdenklich vor sich hinmümmelnden Hasen zeigte sich nichts. Im letzten Licht jedoch zog aus der kleinen Buschinsel ein körperlich geringes Reh.

„Pass auf, jetzt kommt einer für dich!“, raunte ich dem Freund noch zu, da fiel mir beinahe das Glas aus der Hand. Was da heranwechselte, war der Bock der Böcke. Knuffig und rau geperlt schien hier das Geweih mit dem Bock spazieren zu gehen. Zwischen den Lusern war alles „voll“. Aus der grobstacheligen Perlung ragte ein kleines viertes Ende. Ein ungerader Achter! Jeden Widerspruch ausschließend, drückte mir der junge Jäger seine schussbereite Büchse (ich hatte die meinige nicht dabei) eilig drängend in die Hand und zischte mir zu: „Schnell, schieß du, das ist so nicht abgemacht! Das ist kein Erstlingsbock für mich!“ Flüsternd ging’s noch kurz hin und her, doch als der Bock, der von unserem Getuschel offenbar was bemerkt hatte, sich bereits abwenden wollte, gab’s für mich kein Zögern mehr. In beinah letzter Sekunde fiel der Schuss, und der Kapitale versank nach kurzer Flucht in den Brennnesseln.

Als wir vor dem erlegten Bock standen, fiel mir der Freund um den Hals und mir ein Stein vom Herzen. So herzlich gratulierte er mir, dass ich, obwohl ich mich ob meiner unerfüllten Gastgeberpflicht ein wenig schämte, nun erlöst meiner unbändigen Freude freien Lauf lassen konnte. Ich habe davon ein wenig auf anderen Blättern erzählt, auch dass der Freund im nächsten Jahr einen Bock – nun war’s sein zweiter – in meinem Hochgebirgsrevier erlegen konnte. Und der konnte sich wahrlich sehen lassen.

Das Hallo auf der Hütte meines Gönners war groß. Neidlos gratulierte er mir zu meinem (bis auf den heutigen Tag) stärksten Bock. Niemand hatte ihn zuvor in Anblick gehabt. Und freudig nutzte Hubertus jetzt seine Chance zur Retourkutsche für den „Aprilscherz“: „Den Bock hast du nur dem Buchenholzteer zu verdanken.“

Dieses unverhoffte Weidmannsheil erweckte bei einem anderen Mitgänger, dem alten Martl, wilde Jagdlust. Er kombinierte, wo ein Guter geht, da geht vielleicht noch so einer; da muss ein Nest sein. Jeden Tag lauerte er morgens und abends auf der Weiherkanzel. So eine Idee des Reh-Doppelpacks würde jeder andere als reichlich naiv abtun – aber – wie’s die Waldgeister manchmal so einrichten, Glück haben bevorzugt Kinder und Narren. Der beinah achtzigjährige „Narr“ schoss ein paar Tage später am gleichen Platz einen ebenfalls sehr guten und reifen Bock.

Auf der Trophäenschau – damals hieß das noch so – behängte man meinen Bock mit einer Goldmedaille. Er war der beste des an guten Rehböcken wirklich reichen Landkreises. Der des alten Herrn bekam eine Silbermedaille. Das wurmte den Alten ganz arg, da doch sein Bock nach seiner Ansicht viel mehr hermachen würde, als der meine. Auf sein Klagen hin nahm ich das Goldtaferl von meinem Bock herunter und hing es dem seinen über die Stange. Da ging ein Strahlen über das Gesicht des alten Jägers. Wie man mit einem Stück goldfarbenen Metalls solch eine Beglückung auslösen kann! Ich hab’s ihm von Herzen vergönnt. Vielen Jägern bedeutet eine solche Auszeichnung sehr viel. Als „Jäger und Sammler“ freue auch ich mich an einer reifen und starken Trophäe. Mir geht’s jedoch in erster Linie um das Drum und Dran des Erlebnisses, ich messe Jagdfreude nicht an Geweihgewicht, Punkten und Medaillen.

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