Kitabı oku: «Der Politiker», sayfa 2
Im Amtshaus /1922
«Herr Wolf sofort in den Ratssaal», ruft die Sekretärin des Bürgermeisters, «schnell es herrscht dicke Luft!»
Nach rund zehn Minuten ist der Ratssaal mit diskutierenden Männern gefüllt. Alle sind da, nur der Bürgermeister fehlt noch, aber seine Schritte hallen schon durch den Gang. Schon sein Tritt verrät, dass er schlechte Laune hat.
«Sind alle da?», ruft er in den Saal, ohne die Antwort abzuwarten, legt er los, «meine Herren, wir haben ein Problem, die Gewerkschaft hat zum Streik aufgerufen. Wir müssen mit Unruhen rechnen. Die Preise steigen monatlich und nun verlangt die Gewerkschaft, dass der Lohn angeglichen wird. Es ist zum einen ein Problem der Stadt Worms, aber in den anderen Städten ist es ähnlich. Will sich jemand dazu äussern?»
«Das linke Pack sollte man einsperren», ereifert sich Herr Wolf, «zur Zeit des Kaisers, hätte man nicht lange gezögert.»
Im Saal wird es laut, die kaisertreue Zentrumspartei hat im Stadtrat zwar eine knappe Mehrheit, doch bei den letzten Wahlen haben die Sozialisten zugelegt. Deshalb arbeiten jetzt auch einige Linke im Stadthaus und die protestierten gegen das Votum von Wolf.
Der Bürgermeister lässt die erregte Diskussion eine Zeitlang laufen, dann erhebt er die Stimme: «Wir wollen uns doch nicht selber in die Haare geraten. Was wir brauchen sind konkrete Vorschläge. Denken sie daran, unsere Partei steht für christliche Werte ein.»
Die Diskussionen in kleinen Gruppen gehen weiter. Wolf hält sich zurück. Er hat die bösen Blicke einiger Mitarbeiter gesehen. Einigen ist durchaus zuzutrauen, dass sie handgreiflich werden. Zudem käme auch ihm eine Lohnerhöhung gelegen, es ist wirklich so, alles wird teurer.
Nach einer halbstündigen Sitzung, einigt man sich darauf, dass zumindest die berechtigten Forderungen erfüllen werden müssen.
«Die Sitzung ist geschlossen!», verkündet er, «seid vorsichtig, bitte keine Provokationen. Die Stimmung ist heikel, ein Funke und es gibt eine Katastrophe. - Wolf kommen sie noch in mein Büro, wir müssen die finanziellen Möglichkeiten abklären.»
Schmitz holt noch das Kassenbuch. Den ganzen Vormittag sitzen sie über dem Kassenbuch und rechnen verschiedene Möglichkeiten durch.
«Also, wenn ich das richtig verstanden habe», fasst der Bürgermeister zusammen, «dann könnten wir zehn Prozent Lohnerhöhung verkraften. Die Gewerkschaft verlangt aber mehr. Meine Partei rät ebenfalls auf die Forderungen einzugehen.»
«Wenn wir auf fünfzehn erhöhen, brauchen wir einen Kredit von der Bank.»
«Richtig, im Moment sollte das kein Problem sein. Zudem werden, bei steigenden Löhnen auch die Steuern höher ausfallen, es gäbe also Mehreinnahmen. Auf lange Sicht, wäre es für die Stadt sogar von Vorteil. Das Problem ist, wenn wir die Löhne anheben, dann muss die Industrie nachziehen, die werden keine Freunde haben.»
«Der soziale Frieden ist mir sehr wichtig. Das sehen auch die Freunde in der Partei so. Sie meinen Geld kann man drucken, das kostet nicht viel. Wir halten uns an die Richtlinien der Zentrumspartei und gehen auf die Forderung ein. Die Wirtschaft angekurbelt ist im Moment das Wichtigste. Nur das garantiert den sozialen Frieden.»
«Wenn sie meinen», nickt Wolf, «bestellen wir bei der Zentralbank einige tausend Mark und füllen damit die Lohntüten der Arbeiter. So kurbelt man die Wirtschaft an, haben Sie dabei keine Bedenken?»
«Ich halte mich an die Weisungen der Partei», erklärt der Stadtpräsident, «wenn die sagen, wir sollen auf die Forderungen eingehen, dann machen wir das so.»
«Ist mir auch recht», willigt Wolf ein, «ich werde mich um die Kredite kümmern.»
«Übrigens!», wendet sich der Bürgermeister an Wolf, «die Zeit des Kaisers ist vorbei! Das sehen sogar die in der Parteileitung so. Bedenke, dass es der Kaiser war, der uns diesen Scheisskrieg aufgedrängt hatte. Jetzt sind andere Zeiten, wir müssen uns jetzt mit dem Frieden arrangieren.»
«Ich meine nur, zur Zeit des Kaisers ging es uns noch gut.»
«Vor dem Krieg vielleicht, aber auch da nicht allen.»
«Ja den Revoluzzern, die sich nicht anpassen wollten. Aber die waren selber schuld.»
«Du bist unverbesserlich Wolf! Die Zeiten haben sich geändert. Bedenke, - unsere Partei vertritt die Kirche und die muss den Armen und Schwachen helfen.»
«Ja vielleicht, aber wenn jeder machen kann was er will, wo kommen wir da hin?»
«Ist gut Wolf, du änderst dich wohl nie! Geh und kümmere dich um den Kredit.»
Als Wolf zum Mittagessen nach Hause geht, muss er sich durch eine Menschenmenge drücken. Die Stimmung ist gereizt. Noch scheint sich nicht herumgesprochen zu haben, dass die Löhne steigen. Möglichst unauffällig drückt er sich vorbei und erreicht die Querstrasse, an der sein Haus liegt.
Sein Frau Rosa ist bereit für das Mittagessen. Auch Wilhelm sitzt bereits mit gewaschen Händen am Tisch.
«Wegen diesen asozialen Kerlen kommt man noch zu spät zum Mittagessen», brummt er. Dann spricht er das Tischgebet und kurz danach, schöpft ihm Rosa einen Löffel voll Gemüsesuppe in den Teller. Es wird kein Wort gesprochen, jeder löffelt den Teller leer.
Danach wird Schmorbraten mit Kartoffeln serviert. Erst als Rosa mit einer Tasse Kaffee erscheint, ist das Sprechverbot aufgehoben.
«Wie war es in der Schule?»
«Wir lernen jetzt die Zahlen über tausend. Es sei nötig, sonst können die Kinder nicht mal einkaufen gehen.»
«Soll das eine Anspielung sein? - Ich muss wohl mit Ihr sprechen. Sie soll sich aus der Politik heraushalten.»
«Das ist nicht Politik», verteidigt Rosa die Lehrerin, «man ist heute bei vielen Einkäufen schnell bei eintausend Mark. Es macht also Sinn, wenn die Kinder lernen mit diesen Zahlen umzugehen.»
«Ist ja gut», brummt der Vater.
«Heute Abend könnten wir doch ins Kino gehen, es läuft ein Film von ...»
Weiter kommt Rosa mit ihrem Vorschlag nicht. Franz unterbricht sie und erklärt, in keinem Widerspruch duldendem Ton, dass heute Donnerstag ist und er in den Schachklub muss.
«Dieses neumodische Kino sagt mir nichts.»
«Du warst ja noch gar nie im Kino», stellt Rosa mutig fest, «alle gehen hin.»
«Ich bin eben nicht wie alle», erklärt er leicht erzürnt, aber bestimmt, «dieses amerikanische Kino brauchen wir nicht. Pasta!»
Damit ist das Thema erledigt, jede weitere Diskussion erübrigt sich. Er trinkt seinen Kaffee aus und macht sich auf den Weg ins Stadthaus, dort wartet eine Menge Arbeit. Rosa schaut ihm noch nach, bis er das Gartentürchen schliesst. Mit einem Winken verabschiedet sie sich. Ihr Franz ist schon ein toller Mann.
Am Sonntag, gleich nach dem Frühstück, lässt Franz vom Wilhelm den Leiterwagen aus dem Schuppen holen. Noch vor Sonnenaufgang marschieren sie los.
Rosa hat etwas zum Mittagessen eingepackt. Nach einer guten Stunde erreichen sie den ersten Bauernhof. Den Bauer finden sie im Stall, nicht beim Melken, er ist bereits am ausmisten.
Der Bauer ist misstrauisch. Was wollen diese Städter hier? Nach einem kurzen Gespräch übers Wetter und die zu erwartende Ernte, kommt Franz auf das Wesentliche zu sprechen. Er will möglichst viele Kartoffeln kaufen, natürlichen nur, wenn der Preis stimmt.
Nach einem Schnaps in der Stube des Hofs, ist das Geschäft abgeschlossen, beide schlagen ein. Franz hat soeben dreihundert Kilo Kartoffeln gekauft. Mit dem Leiterwagen kann er die natürlich nicht mitnehmen. Der Bauer liefert sie nächste Woche mit dem Fuhrwerk, das Geld blättert Franz bereits auf den Tisch.
Vater und Sohnemann machen sich auf zum nächsten Hof. Bis zum Abend kauft Franz noch weitere fünfhundert Kilo Kartoffeln und die gleich Menge Mehl. Auch das wird geliefert. Im Leiterwagen liegen bereits fünf grosse Schinken. Damit geht es jetzt nach Hause. Wilhelm hatte an diesem Tag ausreichend Gelegenheit bis tausend Mark zu rechnen. Franz geht ein grosses Risiko ein, er hat heute sein Bargeld in Waren umgesetzt.
«Davon erzählt du niemanden etwas», erklärt er Wilhelm, «das bleibt unser Geheimnis.»
Am Montag muss Franz wieder ins Stadthaus. Nach dem Nachtessen haben er und sein Sohn zu tun. Sie Räumen den Schuppen aus. Die Gartengeräte werden hinter dem Häuschen draussen gestapelt. Im Häuschen macht er Platz für das Mehl. Die Kartoffeln kommen in den Keller.
Die restlichen Tage der Woche ist er selten in der Schreibstube des Stadthauses anzutreffen. Er muss bei den Banken über den Krediten für die Stadt verhandeln. Bei dieser Gelegenheit beschafft er sich ebenfalls Kredite für sich. Er beleiht sein Haus mit einer zusätzlichen Hypothek. Genau so hoch, wie die Banken noch gewährt.
Am nächsten Sonntag marschieren die beiden wieder los. Diesmal in die entgegengesetzte Richtung. Nochmals wird tüchtig eingekauft. Diesmal ist Franz an Äpfel und Käse interessiert. Erschöpft kommen die beiden abends nach Hause und Rosa macht ihnen ein ausgiebiges Nachtessen. Wilhelm fällt todmüde ins Bett.
Nun brauchen sie nur noch zu warten bis die Preise steigen. Der Schuppen ist voll mit Lebensmitteln. Regelmässig kontrolliert er, dass keine Äpfel faulen oder sich Schimmel verbreite. Es läuft gut, es gibt ab und zu ein Apfel bei dem sich ein Flecken zeigt. Diesen sondert er aus und bringt ihn Rosa, die bäckt damit einen Apfelkuchen.
Im Januar 1923 steigen die Preise so stark an, dass er die ersten Verkäufe mit gutem Gewinn tätigen kann. Soll er damit die Schulden tilgen? Neue Lebensmittel kann er jetzt nicht kaufen, das lohnt sich nicht mehr, die sind schon zu teuer. Schulden tilgen ist ebenfalls nicht nötig, die Zinsen sind weiterhin tief. Er entscheidet sich zum Kauf von einer Tonne Kohle. Er muss nur noch einen Ort finden, wo er sie lagern kann. Im Winter wächst im Garten eh nichts, er lässt die Tonne Kohle im hintern Teil des Gartens zu einem Haufen aufschichten, dann organisiert er Wellblech, um sie vor der Nässe zu schützen.
Inflation /1923
Im Stadthaus herrscht Panik. Die Kredite müssen laufend erhöht werden. Franz macht sein Möglichstes. Die Löhne der Beamten steigen mit der Teuerung ohne dass die Steuereinnahmen im gleichen Masse ansteigen. Zum Glück gewährt die Landesbank weitere Kredite. Die lassen die Druckerpresse für Banknoten Tag und Nacht laufen. Zudem gelangen neu Banknoten mit höherem Wert in den Umlauf. Franz reibt sich die Hände, je stärker die Teuerung zunimmt, umso höher ist der Wert seiner im Schuppen gelagerten Güter.
Die einzigen Ausgaben für die Stadt welche sinken, sind die Unterstützungsgelder für Arbeitslose. Die sind im abklingen und haben sich im letzten Halbjahr um die Hälfte reduziert. So gesehen ist diese Geldflut ein Segen, es gibt wieder Arbeit.
Der Bürgermeister ist zufrieden. Die Arbeiter sind ruhig gestellt, der Wiederaufbau nach diesem furchtbaren Krieg kommt voran. Der Staat finanziert mit dem neu gedruckten Geld, grosse Projekte. Eisenbahnen, Strassen und Brücken werden wieder aufgebaut. Es gibt genug zu tun und dank der neu eingeführten fünfzig Stunden Woche wurde die Arbeit auf mehrere Arbeiter verteilt.
Am Morgen des elften Januar beginnt der Telegrafenapparat im Büro des Bürgermeisters zu tickern. Die Sekretärin zieht den Papierstreifen aus dem Gerät und beginnt zu lesen.
«Französische und belgische Truppen marschieren über die Grenzen», liest sie dem Bürgermeister vor.
Franz, der eben das Büro des Bürgermeisters betritt, erschrickt. Die Franzosen könnten ihm gefährlich werden. Er kann nur hoffen, dass die sein Lager nicht finden, sonst könnte es ungemütlich werden.
«Was meinst du Wolf», fragt der Bürgermeister, «sollen wir uns wehren?»
«Hätten wir eine Chance?»
«Militärisch sicher nicht, es bleibt wohl nichts anderes übrig, als zu kuschen.»
«Aber wir sollten es den Eindringlingen so schwer wie möglich machen.»
«Ich werde bei der Parteileitung nachfragen, wie wir uns verhalten sollen, noch sind die Soldaten nicht in Worms.»
«Die Partei rät zu passivem Widerstand!», erklärt der Bürgermeister, nachdem das Telegramm von seinem Parteifreund eingetroffen ist.
«Schnell gesagt», meint Wolf, «wie macht man das?»
«Einfach so weiterarbeiten wie du immer arbeitest!», meint der Bürgermeister scherzhaft, «nur nichts überstürzen. Das kannst du doch recht gut?»
Franz findet den Scherz seines Chefs unangebracht und gibt keine Antwort. Er geht zurück in sein Büro. Was soll’s, noch hofft man darauf, dass die Franzosen nicht bis Worms kommen.
Die Hoffnung verfliegt drei Tage später, als die ersten Lastwagen mit Soldaten in Worms eintreffen. Sie stoppen direkt vor dem Stadthaus. Ein Offizier meldet sich beim Bürgermeister und verlangt ein Quartier für seine Soldaten.
«Franz, kümmere dich darum», befiehlt er Franz, indem er seine Bürotür einen Spalt öffnet.
«Ich komme gleich», meldet Franz pflichtbewusst, lässt sich aber noch Zeit, er will die Geduld der Franzosen auf die Probe stellen. Bereits nach fünf Minuten ist die Geduld des Offiziers zu Ende und er kommt wütend in das Büro von Franz.
«Alle vite!», schreit er und verschafft sich mit einem Griff an die Pistole Respekt.
Inzwischen hat Franz nachgedacht, auf der anderen Seite der Stadt gibt es eine grosse Lagerhalle, die kann man vielleicht herrichten. Für ihn ist wichtig, dass das Lager der Franzosen möglichst weit weg von seinem Schuppen liegt. Mit Wilhelm hatte er die vergangenen Tage dazu genutzt, den Schuppen zu tarnen. Gut den Schuppen kann er nicht verstecken, aber zumindest sind die Gartengeräte wieder im Schuppen und versperren die Sicht auf die gelagerten Lebensmittel.
Er gibt dem Offizier ein Zeichen, ihm zu folgen. Im Vorbeigehen informiert er den Bürgermeister über seinen Plan. Der gibt sein Einverständnis, er ist froh, wenn er sich nicht mit Details herumschlagen muss.
Franz fährt mit dem Fahrrad voraus. Bewusst nimmt er den schlechten Weg, welcher dem Lastwagen einige Probleme bereitet. Wenn es gerade günstig ist, versteckt er sich kurz, nach einigen Minuten kommt er aus einer Seitenstrasse und spielt den unschuldigen. Die Fahrt zur Lagerhalle dauert beinahe doppelt so lange, wie auf dem kürzesten Weg. Die Franzosen sind sichtlich genervt, machen aber gut Mine zum Spiel.
Stolz präsentiert Franz dem Offizier die grosse Halle. Mit Handbewegungen zeigt er an, dass reichlich Platz vorhanden ist. Immerhin scheint der Offizier mit der Halle zufrieden. Er hat mit einem kleinen Keller gerechnet. Gut, gemütlich ist es hier nicht, aber das kann man ändern, zumindest ist es trocken.
Die nächsten Tage besucht er die Franzosen regelmässig und fragt, ob er etwas für sie tun könnte. Meistens kann er ihre Wünsche erfüllen, wenn es auch immer sehr lange dauert, aber das sind die Franzosen von Haus aus gewohnt.
Schlimmer für Franz ist, dass der Offizier täglich in seinem Büro auftaucht und die Bücher studiert. Er will sich ein genaues Bild über die Finanzen der Stadt machen. Jeder Posten in der Finanzbuchhaltung wird überprüft, ob nicht etwas für die Besatzer abfällt. Der Kohlenkeller im Stadthaus wird zur Hälfte geplündert. Man muss bereits die Heizung zurück drehen.
Langsam spielt sich die Zusammenarbeit mit dem Feind ein. Franz ist gut angesehen, schliesslich ist er zuständig, wenn der Offizier etwas braucht. Das gibt ihm eine Sonderstellung, dank der kommt er sehr früh an wichtige Informationen. Geschickt gelingt es ihm, die Franzosen von seinem Haus fern zu halten.
Was das Verkaufen seiner Schätze betrifft, braucht Franz Geduld. Der Winter ist streng und ab März lassen sich sowohl Lebensmittel, als auch Kohle mit viel Gewinn verkaufen. Wieder hat Franz das Problem, dass er viel Bargeld besitzt. Neue Ware zu kaufen ist ungünstig. Er steigt notgedrungen auf Tauschhandel um. In seinem Schuppen verändert sich das Lagermaterial. Aus Lebensmittel werden jetzt Gebrauchsgegenstände. Natürlich nur solche, die ihren Wert behalten, dabei sind Uhren und Schmuck besonders interessant. Was nützt einem ein goldener Ring in der Schatulle, wenn der Magen knurrt. Da ist es ein Leichtes, solche Gegenstände für Lebensmittel einzutauschen.
Bis zum Frühling müssen sowohl die Kohlen, als auch die Lebensmittel verkauft sein. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass es bei Franz immer etwas zu handeln gibt. Er muss den Käufern nicht nachrennen. Natürlich bleibt nicht verborgen, dass sich in seinem Schuppen die Wertgegenstände anhäufen, auch wenn er bemüht ist, dass die Wertsachen gut versteckt sind. Zur Sicherheit hat er sich einen Schäferhund zugelegt. Der Wilhelm muss sich um den Hund kümmern. Vor dem Kauf hat er sich informiert, dass dieser sehr aggressiv und wachsam ist. Es dauerte einige Zeit, bis er Wilhelm als Chef akzeptierte. Auch Franz gehorcht der Hund inzwischen aufs Wort.
Nachts ist der Hund beim Schuppen angekettet, die Kette ist lang genug, dass er den Schuppen verteidigen kann. Bereits das Knurren reicht meistens aus, um Diebe abzuschrecken. Jeder der am Garten vorbei geht, wird so angebellt, dass er sofort weiter zieht.
Das grössere Problem ist, dass im Stadthaus niemand von seinen Schuppen erfährt. Jeder der ihn im Stadthaus fragt, ob er Lebensmittel verkauft, wird mit der Bemerkung: Woher sollte er die haben? abgewiesen. Nur wer ihn zuhause oder auf dem Weg zum Schachklub fragt, hat Aussichten bei ihm etwas zu kaufen. So läuft nun mal der Schwarzmarkt, das weiss inzwischen jeder. Schwarz einkaufen muss gelernt sein.
«Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Millionäre werde», konstatiert Franz, als ihm der Stadtpräsident den Wochenlohn aushändigt, «jetzt verdiene ich bereits in einer Woche fast zwei Millionen.»
«Ja aber du musst es gleich ausgeben, sonst hat es Ende Woche nur noch die Hälfte Wert.»
«Daran gewöhnt man sich», meint Franz, er lässt sich nicht anmerken, wie ihm das Steigen der Preise gefällt, «ich bin gespannt, wann die erste Milliardennote herausgegeben wird. Man braucht bereits eine Tasche um zum Einkaufen zu gehen, nicht wegen dem Einkauf, nur damit man genug Geld dabei hat.»
«Irgendwie müssen wir das wieder stoppen», sinniert der Stadtpräsident, «so kann es nicht weiter gehen.»
«Wieso? -hast du von deinen Parteifreunden irgendwelche Informationen?», fragt Franz nach, «ist da etwas im Busch?»
«Offiziell nicht», wehrt der Stadtpräsident ab, «aber so kann es nicht weitergehen.»
Franz spitzt die Ohren, er muss vorsichtiger werden. Nun, egal was passiert, wer die Waren hat, ist besser daran, als die mit einer Schubkarre voll Banknoten. Jetzt muss er aufpassen, auf jeden Fall muss er anfangen die Schulden zu begleichen. Vielleicht läuft es bald in die andere Richtung.
Mit der vollen Lohntasche geht er bei Arbeitsschluss zur Bank. Mit einem Wochenlohn kann er die erste Hälfte seiner Schulden bezahlen. Da er den Bankbeamten gut kennt, vereinbart er, dass der Schuldbrief so getilgt wird, als ob es ihn nie gegeben hat. Für den Bankbeamten kein Problem, es spart ihm eine Menge Schreibkram. Der Kredit verschwindet einfach aus den Büchern, das merkt keiner, die Abrechnung stimmt trotzdem.
Die nächste Woche kann die Familie von den Lebensmitteln im Schuppen Leben, da ist noch genug da. Eine Woche später sind die Schulden ganz getilgt, das Haus gehört jetzt ihm. Er lacht sich ins Fäusten, vor drei Jahren, als er das Haus gekauft hatte, musste er hunderttausend Mark aufnehmen, mühsam stotterte er jede Woche etwas ab, doch dann kam seine Chance, er investierte alles Geld in Waren, jetzt hat er ausgesorgt. Im Schuppen lagern viele Uhren und Schmuck, dazu Nähmaschinen und sogar drei Motorräder, die kommen jetzt in Mode.
Als Franz drei Wochen später im Stadthaus zur Arbeit erscheint, ruft ihn der Stadtpräsident zu sich ins Büro.
«Es ist etwas am Laufen», erklärt er mit wichtiger Mine, «ich denke der Mark geht es an den Kragen, die wollen in Weimar eine neue Währung einführen, jedenfalls vermutet das unser Parteipräsiden.»
«Was würde das für uns bedeuten?»
«Wenn ich das wüsste, vermutlich kannst du dann die Markschein zum einheizen brauchen.»
«Und von was sollen wir dann Leben»?
«Von der Hand in den Mund, da ändert sich nicht viel, du musst ja jetzt auch dein Wochenlohn sofort in Ware umtauschen, sonst hat er nichts mehr Wert. Ich denke, die Ersparnisse kannst du vergessen, dafür kriegst du keine neuen Markscheine.»
«Das ist ja eine Katastrophe», jammert Wolf, «alles futsch.»
Dass er gar keine Ersparnisse mehr auf der Bank hat, braucht der Stadtpräsident ja nicht zu wissen. Das Vermögen von Franz ist sicher in seinem Schuppen verwahrt, da soll das neue Geld nur kommen, er hat genug Waren um zu tauschen.
Im Verlauf des Nachmittags tickern die ersten Informationen über den Telegrafen ein. Es wird eine Rentenbank ins Leben gerufen. Was das soll bleibt ein Rätsel, aber der Stadtpräsident hält es für eine wichtige Neuerung.
Am nächsten Morgen kann man es im Wormser Tagblatt lesen. Die Rentenbank beschlagnahmt den Boden von Deutschland, dieser soll als Sicherheit für die Währung dienen. Eine komplizierte Sache. Noch blickt niemand durch. Alle laufenden Hypotheken werden neu berechnet und der Zins muss an die Rentenbank bezahlt werden.
Von was und in welcher Währung dieser Zins bezahlt werden muss, ist noch offen. Die ersten Zahlungen werden erst in einem halben Jahr fällig. Im Schachklub vermutet man, dass bis dann eine neue Währung eingeführt ist. Aber noch weiss man nichts Genaueres.
«Witwe Kunz hat uns zum Schulabschluss eingeladen», erklärt sein Frau Rosa, als er nach Hause kommt, «sie gibt im nächsten Schuljahr die Klasse an einen anderen Lehrer ab, da möchte sie sich mit einer kleinen Feier im Schulhaus verabschieden.»
«Das finde ich sehr nett», stellt Franz fest, «da solltest du einen Apfelkuchen oder besser zwei mitbringen. Die meisten Kinder bekommen sehr wenig zu essen. Das hat mir Wilhelm am letzten Sonntag erzählt. Die meisten haben kriegsversehrte Väter zuhause, die kaum Arbeit finden.»
«Das finde ich ein guter Vorschlag», antwortet Rosa, «ich habe auch daran gedacht, war mir aber nicht sicher, ob ich an deine Äpfel darf.»
«Aber Rosa, bin ich denn ein solcher Geizkragen?»
«Manchmal schon», stellt Rosa fest, «aber das müssen Steuerbeamte wohl sein.»
«Ja, es sind harte Zeiten, da muss man sein Geld zusammenhalten, aber ein Apfelkuchen liegt drin, meinetwegen zwei.»
Am Freitagabend trifft sich eine bunte Gesellschaft im Schulhaus. Witwe Kunz kann einige Bänke und einen langen Tisch organisieren. So müssen sich die Erwachsenen nicht in die engen Schulbänke zwängen. Mit den Kindern hat sie den Tisch schön dekoriert. Als Tischdecken haben die Kinder Zeichnungen gemalt.
Der Anlass wird mit drei Lieder der Kinder eröffnet. Dann begrüsst Witwe Kunz die Eltern mit einer kurzen Ansprache.
Anschliessend stellen sich die Eltern kurz vor. Die kleine Feier kann beginnen. Witwe Kunz serviert den Kindern frische Milch. Für die Eltern entkorkt sie ein Flasche französischen Wein.
Wenn die wüssten, wie sie diese verdient hat, die Spiesser würden sich wundern und vor Entsetzen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, denken sie für sich.
Franz Wolf mit seiner Rosa sitzt neben den Uhrenmacher Goldberg, welcher zur Feier des Tages eine Flasche Schnaps auf den Tisch stellt. Witwe Kunz spielt die entrüstete. Schnaps, den sollen die Männer trinken. Zudem wird man sich einig, dass der Schnaps erst nach dem Kuchen eingeschenkt wird.
Die anfänglich etwas steife Atmosphäre wird, nachdem man mit dem Wein angestossen hatte und sich darauf geeinigt hatte, dass man sich mit den Vornamen anredet, etwas lockerer.
Dass Franz sich neben Josef setzte, ist kein Zufall. Josef könnte beim verkaufen der Uhren noch nützlich sein. Noch erwähnt er seine Uhren nicht. Das hat Zeit, sowas muss man im privaten Rahmen besprechen. Für heute reicht es, wenn man sich besser kennenlernt.
Witwe Kunz, Entschuldigung, natürlich Maria ist mit Rosa in ein Fachgespräch über Apfelkuchen und andere Kunstwerke, welche Rosa in ihrer Küche herzaubert, beschäftigt. Maria hört gespannt zu, denn ehrlich gesagt, ist sie nicht die beste Köchin. Für sich kocht sie nur einfache Mahlzeiten.
Die Stimmung wird immer lockerer. Hungrig muss niemand vom Tisch. Jetzt öffnet Josef die Schnapsflasche und schenkt ein. Die Proteste von Maria nutzen nichts, sie bekommt ebenfalls ein Glas und Josef achtet darauf, dass es auch gut gefüllt ist.
Während die Schüler zur Auflockerung noch ein Lied anstimmen, schunkeln die Erwachsenen dazu. Rosa fordert Josef auf, sich zwischen sie und Maria zu setzen. Ein kleiner Schauer durchläuft Maria, als Josef sie um die Hüfte anfasst. Jetzt ist diese Berührung, welche vor einem Jahr noch nicht zustande kam, doch noch Tatsache geworden. Noch fasst sie Josef eher zaghaft an, während Maria auf jedes Zeichen achtet. Natürlich ist Josef nervös und sehr scheu, doch je länger das Lied dauert, umso lockerer wird seine Umarmung.
Nun ist das Lied zu Ende, die anderen Gäste haben längst ihre Hände wieder auf den Tisch. Josefs Hand liegt immer noch um die Hüfte von Maria. Er tut einfach so, als ob er auf das nächste Lied wartet. Nur das kommt nicht, denn die Kinder schicken sich an, den Anlass zu beenden und beginnen mit wegräumen.
Die Hand von Josef, welche immer noch um ihre Hüfte gelegt ist, versetzt sie innerlich in heftige Aufregung. Sie wagt sich kaum zu bewegen, weil sie befürchtet, dass eine Bewegung von Josef falsch interpretiert werden könnte. Schliesslich nimmt sie allen Mut zusammen und streicht sanft über seine Hand. Nach ein paar Sekunden drückt sie sie leicht und signalisiert damit, dass es ihr gefällt.
Inmitten der beginnenden Aufräumarbeiten, sitzen die beiden immer noch da und geniessen den Augenblicke. Als es Maria auffällt, drückt sie nochmals fest die Hand von Josef und steht auf, um sich an den Aufräumarbeiten zu beteiligen. Etwas verwirrt hilft nun auch Josef und trägt den Abfall nach draussen.
Witwe Kunz steht jetzt an der Schulzimmertüre und verabschiedet die ersten Gäste. Den Kindern wünscht sie schöne Ferien und einen guten Start beim neuen Lehrer. Bei den Eltern bedankt sie sich und wünscht ihnen alles Gute. Joshua und Josef sind ganz am Schluss noch da und Josef verabschiedet sich mit einem festen Händedruck und einem tiefen Blick in Marias Augen.
«Haben Sie», er korrigiert sofort, «hast du Lust, einmal mit mir ins Kino zu gehen?»
Im letzten Moment kann er mit der Frage noch die Situation retten, mit leicht zitternden Knien wartet er auf die Antwort von Maria.
«Gern», flüstert sie, «ich melde mich bei dir, wenn ein Film läuft, der mich interessiert. Ich schaue dann mal in deinem Laden vorbei, ich weiss wo der liegt.»
«Bis später, ich freue mich», mehr bringt er nicht zustande. Er hat das Gefühl, dass ihn alle beobachten und das ist ihm peinlich.
Es dauert eine Woche bis sich Maria auf den Weg zum Uhrengeschäft von Josef macht. Als sie in das Geschäft tritt, bedient Josef noch einen Kunden. Sie muss warten und schaut sich im Laden um. Es sind wirklich schöne Uhren die in der Auslage liegen.
«Ach du bist es!», meint Josef, als er endlich den anderen Kunden loswird, «entschuldige, dass du warten musstest.»
«Ich will nicht lange stören», meint sie und tritt nervös von einem Fuss auf den andern, «im Kino bringen sie Der Glöckner von Notre-Dame, ich hätte den gern gesehen.»
«Wann hast du Zeit?»
«Wie wäre es mit heute Abend?»
«Ja gut, ich muss nur meiner Schwester Bescheid sagen, dass sie auf Joshua aufpasst.»
«Um acht Uhr im Restaurant Vorstadt, ist das für dich in Ordnung?»
«Ich freue mich, um acht Uhr, ich werde dort sein.»
Es reicht noch zu einem zarten Händedruck, dann betritt der nächsten Kunden den Laden und Maria tritt auf die Strasse. Es ist überstanden, das erste Mal seit Jahren, dass sie mit einem Mann verabredet ist. Sie hat noch Schulferien und den ganzen Nachmittag für sich. Sie schlendert durch Worms, etwas das sie schon lange nicht mehr gemacht hat. Beim Schneider lässt sie sich ein neues Kleid zeigen. Eigentlich kann sie es sich nicht leisten, sie wird es vom Essen absparen müssen, aber es steht ihr gut und passt wie massgeschneidert.
Als sie um zwei Minuten vor acht das Restaurant Vorstadt betritt, sitzt Josef an einem Tisch, von dem er gute Sicht auf den Eingang hat.
Mit einem strahlenden Lächeln winkt er ihr zu.
«Die Tickets habe ich schon, der Film fängt in einer halben Stunde an.»
Sie setzt sich zu Josef. Das erste Mal können sie ungestört miteinander reden. Die anderen Gäste in der Vorstadt kennen sie nicht und die interessieren sich nur für Fussball. Maria erzählt, dass sie mit einer Freundin zusammen, in einer kleinen Wohnung am Stadtrand wohnt.
Josef beklagt sich, dass sein Haus für ihn viel zu gross ist. Eigentlich möchte er eine kleinere Wohnung, doch sie gehört zum Laden dazu und liegt direkt über seinem Uhrengeschäft. Das ist natürlich sehr praktisch, er hat keinen langen Arbeitsweg.
Beinahe hätten sie vor lauter plaudern den Anfang des Films verpasst. Nun sitzen sie nervös im dunkler werdenden Kinosaal. Die Oberarme, berühren sich leicht. Josef wagt kaum sich zu bewegen. Endlich fängt der Film an.
Als Quasimodo die schöne Esmeralda entführt, schmiegt sich Maria schutzsuchend an Josef. Der legt jetzt seinen Arm um ihre Schulter und zieht sie zärtlich zu sich. Beide entschweben auf Wolke sieben. Vom restlichen Film bekommen sie nicht mehr viel mit. Sie haben mit sich selber zu tun.
«Wenn du willst kannst du bei mir schlafen», schlägt Josef vor, «der Joshua bleibt heute bei meiner Schwester.»
Jetzt geht es Maria doch etwas zu schnell, doch sie gibt sich einen Ruck. Wer mit vier Franzosen fertig wird, wird auch mit dem scheuen Josef fertig.