Kitabı oku: «Raus aus der Krise», sayfa 3
Die enormen Leistungen, welche vor viertausend Jahren vollbracht wurden, versetzen uns in Staunen und doch gibt es auch Darstellungen, welche wir heute wohl schöner zeichnen würden. Es gibt auch keine Hinweise auf abstrakte Kunst, was wohl bedeutet, dass das Fotografieren noch nicht bekannt war. Das Ziel war immer noch etwas so darzustellen, wie man es sah. Noch mehr Probleme hat Max mit den Göttern, welche Kreuzungen zwischen verschiedenen Tieren darstellen.
«Welchen Schluss soll man daraus ziehen?», fragt sich Max. Gab es die Götter in dieser Form wirklich? Dies würde einige Hinweise in alten Schriften auf die Sodomie bestätigen. Aber man findet keine Mumien und Skelette von solchen Wesen. Wo sind sie geblieben, wenn sie doch Götter waren, müssten sie zuerst in den Sarkophagen zu finden sein. Man findet sie jedoch nur auf Bildern und in Stein gemeisselt. Waren es die falschen Götter, welche vom Richtigen Gott vernichtet wurden? Oder haben die Erdbewohner Ihre Götter, nie zu Gesicht bekommen, so dass sie, als sie verschwunden waren, in diese wilden Phantasien projiziert wurden? Versuchten die Priester, dem einfachen Volk, nur Eindruck zu machen, indem sie ihnen solche Wesen zeigten? Vor allem früher bewunderten die Menschen, die überlegenen Tiere, welche schneller laufen, länger schwimmen, oder Dürreperioden besser überstehen konnten und meistens auch mehr Nachwuchs zeugenten.
Mit Mustafa hat er eine Woche lang alle Tempel und Ruinen der Umgebung besucht. Mit zwei alten Fahrrädern gelangen sie überall hin, auch wenn es manchmal recht anstrengend ist und oft geschoben werden muss. Besonders die Fahrt nach Abu Simbel war eine harte Angelegenheit, obwohl sie einen grossen Teil der Fahrt auf dem Schiff zurücklegten. Von den Ruinen war Max enttäuscht, irgendwie wollte die Faszination, welche von anderen Orten ausging, dort nicht aufflammen. Vermutlich ist die moderne Technik doch noch zu gegenwärtig. Es fällt ihm auf, dass praktisch keine Touristen Abu Simbel besuchen.
Allmählich erkennt Max, dass die Ägyptenreise sehr interessant verläuft, aber die wesentlichen Fragen nicht beantwortet werden. Mit jeder möglichen Antwort sind neue Fragen verbunden. Er hat genug vom oberen Niltal gesehen und will zurück nach Kairo.
Er besorgt zwei Tickets. Diesmal bucht er die Fahrt nach Kairo, in der zweiten Klasse. Für Mustafa ist das die reinste Verschwendung. Am Anfang der Fahrt fühlen sie sich wie Könige und geniessen es, sich vom Kellner bedienen zu lassen. Herrscht in der dritten Klasse ein unglaubliches Gedränge, so ist es hier die Einsamkeit, welche einem bedrückt.
Erstaunt stellen sie fest, dass kein einziger Europäer im Zug reist. Er wundert sich darüber, denkt sich aber nichts dabei und geniesst die reichliche und qualitativ gute Mahlzeit, welche serviert wird. Danach legen sie sich ins gemachte Bett und schlafen schnell ein.
Max hat noch nicht tief geschlafen, als er plötzlich geweckt wird. Der Zug wird mit einer Vollbremsung gestoppt. Der Schaffner gestikuliert in Panik wie wild vor Max herum. Max realisiert, dass etwas nicht stimmt. Mustafa klärt ihn kurz auf.
«Der Zug wird von religiösen Fanatikern gestoppt. Der Schaffner befürchtet, dass sie es auf die Touristen abgesehen haben. Schnell ziehe deine arabische Kleidung an, wir müssen versuchen zu flüchten!»
Während sich Max schnell umzieht und seine Habseligkeiten im Rucksack verstaut, richtet der Schaffner das Abteil so her, dass man nicht mehr erkennen kann, dass es belegt war. Die Seite im Gästebuch reisst er heraus und wirft sie aus dem Fenster, dann führt er Max und Mustafa in die Küche, wo sich Max im Kasten für den Abfall verstecken muss. Mustafa wird schnell in einen Küchenburschen verwandelt.
Max kauert im Abfallschrank und wagt kaum zu atmen, was auch fast nicht möglich ist, bei dem Gestank, welcher hier herrscht. Max spürt, wie mehrere Leute den Wagen besteigen und einen kriegerischen Lärm verbreiten. Ein lautes Wortgefecht mit dem Schaffner und dem Koch ist zu hören. Jetzt betreten sie offensichtlich die Küche, die Rebellen durchsuchen die Vorräte und sind zufrieden, als sie keinerlei Alkohol und auch kein Schweinefleisch finden. Das Palaver scheint endlos zu dauern und Max erstickt beinahe in seinem Gefängnis. Auch das Verhör von Mustafa verläuft für die ungebetenen Gäste zufrieden stellend. Er kennt sich bestens aus, sowohl über den Koran und die moslemischen Gesetze und nach einer endlosen Zeit, hat die Überprüfung der Küche ein Ende gefunden. Max muss immer noch in seinem Versteck ausharren, aber wenigstens kann Mustafa die Tür einen Spalt öffnen, so dass Max etwas frische Luft bekommt. Noch immer herrscht um den Zug herum grosse Aufregung, ab und zu wird sogar geschossen, es sind aber nur Schüsse, welche in die Luft abgegeben werden. Trotzdem, die Lage bleibt angespannt. Wie sich herausstellt, ist Max der einzige Europäer im Zug, die Reisebüros haben mit solchen Aktionen gerechnet und ihre Gäste schon letzte Woche schnellstens ausgeflogen. Max hat bei seiner Gastfamilie nichts davon mitbekommen. Immer wieder fragt er sich, wie geht es hier weiter? Zu was sind Fanatiker fähig, welche ausser Kontrolle geraten sind? Wenn die merken, wie befriedigend es ist, Macht auszuüben! Wenn man sich mit einem Gewehr in der Hand, stark fühlen kann und erst noch die Überzeugung hat, in den Augen Allahs das Richtige zu tun. Auf alle Fälle ist die Situation, in der sich Max befindet, höchst gefährlich, auch für seinen Freund.
Max hat zurzeit wirklich kein Glück, die Scheidung, arbeitslos und nun ging es ihm endlich besser und jetzt so etwas. Langsam fährt der Zug weiter. Mustafa späht aus dem Zug und beobachtet unauffällig den Gang, in welchem anscheinend immer noch die Zugsbesetzer patrouillieren.
Plötzlich, nach unendlich langer Zeit, flüstert Mustafa: «Komm!», blitzschnell verlässt Max sein Versteck, hastet das kurze Stück durch den Gang zur Tür und springt vom langsam fahrenden Zug, in die Finsternis und landet, für ihn völlig überraschend im Wasser. Er getraut sich fast nicht aufzutauchen, doch langsam geht ihm die Luft aus. Vorsichtig schaut er sich um, er ist offensichtlich im Nil gelandet und der Zug fährt, ohne seine Fahrt zu verlangsamen weiter. Ihre Flucht ist von niemandem bemerkt worden.
In langen Zügen schwimmt er dem Ufer entlang, bis er eine Stelle findet, an der er an Land robben kann. Er hört Mustafa neben sich flüstern, «Geht’s dir gut?»
«Ja und dir?»
Mustafa hat den Sprung ebenfalls unverletzt überstanden. Nun kann ihn Mustafa aufklären. Die Fundamentalisten haben zum Sturz der Regierung aufgerufen. Die Lage ist noch total verworren, niemand weiss, auf welcher Seite das Militär steht, aber das kümmert die Fanatiker nicht, auch wenn es Tote gibt, für eine gerechte Sache lohnt es sich zu sterben.
Max merkt, dass es Mustafa im Prinzip mit den Putschisten hält, doch nun ist er unerwartet auf die falsche Seite geraten, denn einen Freund lässt man nicht aus einer politischen Überzeugung hängen. Max ist erleichtert, dass er endlich weiss, was los ist. Er muss sich so arabisch wie nur irgendwie möglich präsentieren. Das Äussere ist eigentlich kein Problem, sein von der Sonne gebräuntes Gesicht und seine hagere Gestalt machen ihn nicht verdächtig. Schwieriger wird das Sprachproblem sein, auch die Ausweise, welche in solchen Situationen, doch sehr oft gezeigt werden müssen, könnten ihn verraten.
Da auch Mustafa keine Ahnung hat, wo sie sich genau befinden, schleichen sie dem Ufer entlang auf der Suche nach einem Versteck. Wo sind sie sicherer? In der Wüste, oder sollen sie versuchen, in einer Ortschaft in der Menge unterzutauchen?
Bis zum Morgengrauen halten sie ein abgelegenes Versteck für besser, nachts fällt man auch in einer grösseren Ortschaft auf, also verlassen sie das Nilufer und schleichen auf eine Hügelkette zu, welche bereits in der Wüste liegt.
In einer Felsnische setzen sie sich und versuchen abwechslungsweise zu schlafen, was allerdings nicht gelingt. Am Morgen will Mustafa an das Nilufer zurückkehren, um sich besser zu informieren.
Als Mustafa aufbricht, verabschieden sie sich, als ob es für immer wäre. Max gibt ihm ein Teil seines ägyptischen Geldes, damit er Verpflegung kaufen kann. Für den Fall, dass sie durch die Wüste flüchten müssen, soll er versuchen, einen Esel zu beschaffen. Aus seinem Versteck späht Max Mustafa lange nach, bis er hinter einem Felsvorsprung verschwindet. Wird Mustafa wiederkommen? oder rettet er seine eigene Haut und verschwindet mit dem Geld? Max will auf der Hut sein. Er verändert seinen Standort so, dass ihn Mustafa, falls er ihn verraten würde, nicht so leicht findet. Ausserdem will er einen besseren Rundblick, damit er bei Gefahr Zeit zum Reagieren hat. Er klettert deshalb eine steile Wand hinauf. Der Fels ist recht griffig, so dass er leicht vorankommt. Bald ist er mit seinem Standort zufrieden, hoch auf dem Felsen, hat er eine gute Übersicht auf das vor ihm liegende Niltal, er kann sich notfalls in einer Felsspalte so gut verstecken, dass er vom Nil aus nicht gesehen werden kann. Diese Stellung hätte er vermutlich lange verteidigen könne, auch wenn er kein Gewehr hat. Wie bei der Schlacht am Morgarten die Eidgenossen, sucht er sich einige Felsbrocken zusammen und ist vorbereitet, sich zu verteidigen, komme da was wolle. Der schwache Punkt liegt eigentlich nur darin, dass er keine Verpflegung hat, und dass ihm schwindlig wird, wenn er nach unten schaut.
Als am Mittag Mustafa noch immer nicht zurück ist, macht er sich Sorgen. Auf jeden Fall muss er den Abend abwarten, ehe er seine Stellung aufgibt. Er hat grossen Hunger und ist durstig. Doch er kann sich damit abfinden, in solchen Situationen stellt der Körper automatisch auf Notfall um und ist bedeutend weniger anspruchsvoll.
Seine Gedanken durchwandern noch mal sein Leben, als ob das Ende nahe wäre. Seine schönste Zeit hatte er, als er mit seinen drei Freunden die eigene Firma betrieb und auch die ersten Jahre mit seiner Frau waren recht glücklich. War das nun das Ende? Wieso hängt er eigentlich noch so an seinem Leben, wenn er daran denkt, was ihn in Olten erwartet, gibt es eigentlich keinen Grund, Angst zu haben, er hat den Zenit in seinem Leben überschritten. Doch dann denkt er wieder an Rebekka, an die Frage, welche er ihr noch beantworten will und die nach diesen Erlebnissen noch schwerer zu beantworten sind.
Gegen Abend erspäht er eine Gestallt auf einem Esel. Ist es Mustafa, oder jemand der zufällig hier vorbei reitet? Max ist insofern beruhigt, dass die Person allein kommt, denn wenn es die Polizei oder die Revolutionäre wären, dann würde sicher eine ganze Horde von Leuten anmarschieren, so eine Verhaftung ist etwas, bei der man Lorbeeren ernten kann. Da kommt sicher nicht einer allein. Nachdem er den Eseltreiber einige Zeit beobachtet hat, weiss er, dass es sich um Mustafa handelt und er macht sich an den Abstieg.
Sie begrüssen sich hastig und ziehen sich wieder in die Felsnische zurück. Mustafa informiert Max über die Lage. Zurzeit putschen die religiösen Führer, sie wollen Ägypten in einen streng muslimisch geführten Staat verwandeln. Wer in diesem Machtkampf die Oberhand gewinnt, ist zur Stunde noch offen, im Moment ist es für jeden Ausländer, respektive nicht Moslem, gefährlich. Für die religiösen Führer sind die Touristen das Hauptübel für den Sittenverfall im Land.
Mustafa hat herausgefunden, dass sie etwas südlich von Girga aus dem Zug gesprungen sind. Es ist klar, dass Max Ägypten verlassen sollte, nur wie? Der Weg über Kairo ist zu gefährlich, da gibt es viele Kontrollen, ausserdem ist der Flughafen zurzeit geschlossen. Durch die Wüste nach Libyen? Über die Berge zum Roten Meer und dort versuchen ein Schiff zu finden, oder südwärts in den Sudan bis nach Karthum? Aber das sind fast fünfhundert Kilometer.
Das Rote Meer liegt rund hundertfünfzig Kilometer weit weg, man muss aber noch den Nil überqueren. Sich nach Libyen durchschlagen ist sowieso zwecklos. Erstens ist die Wüste lebensfeindlich, zweitens wird die Grenze sehr gut bewacht und drittens herrscht in Libyen Chaos.
Nach gründlichem Abwägen entscheiden sie sich, für das Rote Meer. Mustafa wird sich sofort mit seinem Esel auf den Weg machen und auf einer Fähre versuchen über den Nil zu gelangen. Er übergibt Max einige Datteln, dann verabschiedet er sich von seinem Freund. Bis zum Einbruch der Nacht zieht er sich in sein Versteck zurück.
Vorsichtig, jede Deckung ausnützend, schleicht er an das Ufer des Nils und sondiert die Lage. Es ist niemand zu sehen. Max versucht abzuschätzen, wie stark die Strömung ist und wie weit das andere Ufer entfernt liegt. Bevor er sich in das Wasser wagt, verdrückt er noch die restlichen Datteln, welche ihm Mustafa als Proviant mitgegeben hat. Dann beginnt er zu schwimmen.
Ohne Hast, Zug um Zug schwimmt er los. Die Strömung ist stark. Er muss sich nicht allzu sehr beeilen, denn es dauert lange, bis das nächste Dorf kommt. Er versucht seinen Körper so im Wasser zu halten, dass ihm die Strömung hilft, an das andere Ufer zu treiben.
Der Aufenthalt im Wasser kommt Max endlos vor, dank seinem dosierten Krafteinsatz, hat er keine Konditionsprobleme, das Wasser ist angenehm warm. Nur die Strudel sind eine echte Gefahr. Wenn er aufpasst, kann er sie rechtzeitig erkennen und es gelingt ihm auszuweichen. Endlich steht Max tropfnass am andern Ufer und versteckt sich sofort hinter einem Strauch.
Nach Mitternacht macht er sich auf den Weg zum Eingang der Schlucht. Max wählt nicht den Weg im bewachsenen Teil des Tals, sondern entfernt sich sofort vom Ufer. Der Felswand entlang schleicht er weiter, auch wenn er sich nun schlechter verstecken kann. Er hat Angst, dass er im Landwirtschaftsteil, überraschend auf Häuser treffen könnte. Wenn sich die Bauern Hunde halten, könnten diese angeben und sie verraten.
Vorsichtig schleicht er der Felswand entlang nach Süden. Er ist doch sehr weit nach Norden abgetrieben worden, so dass ein längerer Fussmarsch auf ihn wartet. Er erreicht den Treffpunkt noch vor der Morgendämmerung und ist sehr froh, als er die Stimme von Mustafa flüstern hört. Bis zur Dämmerung können sie sich noch einige Kilometer weit das Tal hinaufkämpfen und finden wieder eine Felsnische, in welcher sie den Tag verbringen wollen.
Abwechselnd wird geschlafen. Das einzige kleine Problem ist der Esel, der einfach nicht schlafen will und einen übermütigen Eindruck macht. Es gibt trotzdem keine Komplikationen, da es sich um eine total verlassene Gegend handelt. Wenn Max Wache schieben muss, mustert er die Umgebung. Für einen Europäer ist die Wüste etwas faszinierendes, diese scheinbare Leblosigkeit, entpuppt sich, bei näherem Hinsehen, als ein wahres Paradies für Lebewesen. welche sich dieser extremen Landschaft ideal angepasst haben.
Gegen Abend ziehen sie schon früh los. In dieser verlassenen Gegend ist das Risiko, dass sie von jemandem entdeckt werden gering. Es wird ein strapaziöser Marsch und Max ist froh, dass sie einen Esel bei sich haben, welcher ihnen wenigstens die Lasten schleppt. Wenn es leicht bergab geht, kann einer reiten, doch das Hinterteil von Max schmerzt ihn so, dass er bald freiwillig darauf verzichtet.
Im Morgengrauen haben sie erhebliche Probleme, ein geeignetes Versteck für den Tag zu finden. Die Gegend ist sehr flach und sie müssen noch weit in den Tag hinein marschieren, bis sie sich in einer Bodensenke wenigstens teilweise unsichtbar machen können.
Das Rote Meer erreichen sie in der vierten Nacht. Weit und breit ist keine Siedlung auszumachen, sie wenden sich nach Süden. Nach weiteren zwei Stunden Marsch taucht hinter einem Felsen eine Stadt auf. Sie ruhen sich nochmals aus, dann will Mustafa sich in der Stadt umsehen und frische Lebensmittel kaufen. Max wartet gespannt auf seine Rückkehr. Ist der Spuk bereits vorbei? So ein Putsch dauert manchmal nur ein paar Stunden, und meistens, nach zwei bis drei Tagen, ist wieder alles ruhig.
«Wir sind in der Nähe der Stadt Marsa Alam», berichtet Mustafa, als er nach mehreren Stunden von seiner Erkundungsreise zurückkehrt.
«Am Besten verstecken wir uns in einem verlassenen Hotel», schlägt Mustafa vor, «die sind alle verwüstet. Einrichtungen die mit dem Tourismus zu tun haben, wurden alle zerstört.»
Max findet die Idee gut, die Hotels sind nicht mehr interessant. Alles ist zerstört, aber es rechnet niemanden damit, dass sich jemand dort verstecken könnte. Alle Touristen sind vertrieben und zum Plündern gibt es auch nichts mehr, das ist bereits am ersten Tag der Revolution geschehen.
Als es dunkel wird, lassen sie den Esel an seinem Pflock angebunden und machen sich auf den Weg zu den Hotels. Man hat sich auf ein zweistöckiges Hotel geeinigt und bezieht im ersten Stock Quartier. Das Hotel hat zwei Treppenhäuser und einen übersichtlichen Vorplatz, so dass man nicht so leicht überrascht werden kann.
Mustafa schafft mit dem Esel die Lebensmittelvorräte zum Hotel. Max richtet sich in der Zwischenzeit ein. Als Mustafa zurückkehrt, hat Max schon die Boote inspiziert, mit welchen die Touristen das Korallenriff besichtigen. Eines scheint noch einen dichten Schiffsrumpf zu haben, allerdings ist die Glasplatte im Bootsboden eingeschlagen. Nach langer Suche findet er eine neue Glasplatte in einem kleinen Lager und er versucht, die Platte auszuwechseln. Noch bevor Mustafa zurückkommt, ist Max klar, dass er noch heute Nacht in See stechen will. Er ist mit der Vorbereitung der Bootsreise beschäftigt, als Mustafa mit den Lebensmittelvorräten auftaucht. Das Boot ist schon mit der neuen Glasplatte bestückt, ausserdem bastelt er aus einem Surfbrett ein Segel, ob der kleine Motor noch funktioniert, wagt er nicht auszuprobieren. Für den Fall, dass es ihm doch noch gelingt den Motor zu starten, sucht er in allen Booten nach Benzin. Die Ausbeute ist gering, er wird den Motor nur kurz einsetzten können. Als Antrieb kommt somit nur Segel und Ruder in Frage.
Mustafa hält ihn für verrückt, als er ihm erklärt, er werde noch heute Nacht allein in See stechen. Mustafa will ihn unbedingt begleiten, nach langer Diskussion sieht er ein, dass er in Ägypten nicht gefährdet ist, dagegen hätte er Probleme, im Ausland als Flüchtling anerkannt zu werden.
Als abgewiesener Flüchtling hätte er sicher mehr Probleme. Bei Diktaturen ist das immer dasselbe, solange man sich in der anonymen Masse versteckt, wird man in Ruhe gelassen, nur wenn man sich in irgendeiner Form verdächtig macht, ist es mit der Ruhe und oft auch mit dem Leben vorbei.
Nach der kurzen, aber heftigen Diskussion gibt sich Mustafa geschlagen und hilft Max, sein Boot so gut wie möglich auszurüsten. Alle Lebensmittelvorräte, die sie haben, werden ins Boot gebracht, Mustafa wird sich mit dem Rest des Geldes morgen neue kaufen. Das Hotel wird nochmals durchsucht, alles was nützlich sein könnte, wird eingesammelt.
Beim Plündern mussten die Plünderer darauf achten, dass nur die Dinge mitgenommen werden, welche für einen Moslem nützlich sind. Die Touristendinge wurden nur zerstört. Es ist natürlich interessanter brauchbare Dinge zu finden, als zu zerstören. So konnten doch noch einige brauchbare Utensilien zusammengetragen werden. Ein Kompass, ein Teil eines Spiegels, Töpfe, mit denen er Wasser Schöpfen kann, einige leere Flaschen, welche sie mit frischem Wasser füllen und sogar eine Angelrute verschwindet im Boot.
Der Esel wird vorgespannt und mit vereinten Kräften wird das Boot ins Wasser gezogen. Die Spannung ist gross, schwimmt es noch? Tatsächlich, es schwimmt.
Jetzt muss alles sehr schnell gehen, Mustafa und Max umarmen sich, wünschen sich viel Glück und Max bedankt sich bei seinem Freund nochmals sehr herzlich für alles. Mustafa verspricht, dass er ihm seine Kamera zuschicken wird, oder mindestens will er ihm die Fotos schicken. Max verspricht, zu schreiben, wenn es die politische Entwicklung erlaubt. Auf einer Karte stellt Max noch fest, dass eine Seereise von fünf bis siebenhundert Kilometer auf ihn wartet.
Es ist schon ein grosses Risiko, auf das er sich einlassen muss. Eine letzte Umarmung und Mustafa stösst in vom Ufer ab. Langsam gleitet das Boot durch den kleinen Hafen auf die Ausfahrt zu. Das Rudern ist nicht einfach, das Boot ist für zwei Ruderer eingerichtet. Max erinnert sich an seine Jugend, als er im Wasserfahrverein mitmachte, dort hatte er gelernt, mit einem Stehruder zu rudern. Er befestigte das Ruder mit Seilen so, dass er im Stehen rudern kann. Einem Gondoliere gleich verschwindet Max aus dem kleinen Hafen.
Auf dem offenen Meer wird es im Boot unruhiger. Vom Berg her weht ein frischer Wind, welcher Max unterstützt. So gelangt er noch vor Anbruch der Morgendämmerung ausser Sichtweite des Ufers. Nun gibt Max das Rudern auf und versucht das Segel des Surfbretts zu setzen, was ihm nach einigen Schwierigkeiten auch gelingt. Mustafa hat ihm noch den Tipp gegeben, mehr auf der saudi-arabischen Seite zu segeln, da es dort eine günstigere Strömung gibt. Im Osten wird es langsam heller und kurz darauf erlebt Max den schönsten Sonnenaufgang, den er in seinem Leben je gesehen hat.
Vom Wind getrieben geht es immer Richtung Osten. Max hat keine Ahnung, wie breit so ein Meer ist, auch wenn es hier verhältnismässig schmal ist. Im Augenblick wartet Max geduldig ab, der herrliche Sonnenaufgang, die unendliche Weite des Meeres und die sanfte Ruhe versetzen Max in eine Stimmung, in welcher er die Welt vergessen möchte.
Die Sonne steht schon etwas höher, als er das Gefühl hat, einen Streifen Land am Horizont zu sehen. Da er keinerlei Risiko eingehen will wechselt er seinen Kurs auf Südost. Nun bläst aber der Wind von der Seite und er hat mit dem Boot ohne Kiel grosse Probleme, beinahe wäre er gekentert, als er vorsichtig die Richtung ändert. Vom Segeln hat er keine Ahnung, vom Physikunterricht sind einige Grundlagen vorhanden. Schliesslich setzt er das Segel quer zum Schiff, so dass es nur etwa ein Meter über den Bootsrumpf hinausragt. Es zeigt sich schnell, dass er so ein stabiles Boot in der Hand hat, welches sich gut steuern lässt. Jetzt baut er sich noch ein kleines Vordach, damit er vor der Sonne geschützt ist und macht es sich so gemütlich, wie nur möglich.
Die Zeit verstreicht nur langsam, aber er glaubt, dass er gut vorankommt. Nur nicht ungeduldig werden, sagt er sich immer wieder. Essen will er nur, wenn er hungrig ist. Durch den Glasboden in seinem Bootes betrachtet er stundenlang, die Fische. Welche ein Unterschied zur Wüste, dieser Überfluss an Leben. Besonders über einem Riff, hatte er das Gefühl, direkt im Paradies zu sein. Die gemächliche Ruhe, in welcher die Lebewesen auf ihre tägliche Nahrungssuche gehen, ist beeindruckend. Man hätte glauben können, die Welt sei noch in Ordnung. Dabei sind nur wenige Kilometer entfernt, Menschen am kämpfen. Ist das nur ein Überlebenskampf, oder geht es einzig um die Macht?
In Ägypten sind die Religionsführer nicht eingeschränkt und schon gar nicht in Gefahr. Jeder akzeptiert ihre Gesetze, ohne zu murren. Es gibt schon solche, welche dem westlichen Luxus frönen, Alkohol konsumieren, ab und zu, auch ein Gebet auslassen und ein Stück Schinken essen, doch die grosse Masse respektiert die Gesetze des Korans. Also, was wollen sie noch mehr? Max vermutet es geht darum, Wehret den Anfängen! Vielleicht stellten sie fest, dass die Einnahmen der Moscheen zurückgegangen sind oder sie registrierten eine Schwäche der Regierung und daraus geschlossen, dass es günstig ist, die eigene Position zu verbessern.
Das Meer wird etwas unruhiger und Max merkt, dass er sich schon lange auf keinem Schiff mehr aufgehalten hat, der Seegang ist nicht sehr hoch, aber Max wird es schlecht. Das wird sicher bald besser werden, hofft er, aber da irrt er sich. Zur Freude der Fische muss er sich übergeben, doch er fühlt sich danach nicht besser. Den ganzen Tag kämpft er gegen die Übelkeit, die Naturschönheiten interessieren ihn im Moment nicht mehr. Bis zum Abend muss er sich noch dreimal übergeben, dann schläft er ein und erwacht erst in der Nacht wieder.
Er verdrängt den Wunsch zu wissen, wo er sich befindet, denn es ist praktisch unmöglich die Position zu bestimmen. Seine Hoffnung, dass ihn eventuell ein Schiff entdecken würde, erfüllt sich nicht. Vermutlich ist der Suezkanal geschlossen, so dass er noch lange vergeblich auf ein Schiff hoffen kann. Vielleicht wird die Chance grösser, wenn er etwas weiter nach Süden vorgestossen ist.
Den zweiten Tag dämmert Max nur so vor sich hin. Seine Übelkeit hat auch den Vorteil, dass seine Lebensmittelvorräte nicht angetastet werden, dafür wird er merklich schwächer. Nur ab und zu gönnt er sich einen Schluck Wasser. Am dritten Tag fühlt er sich besser und nimmt feste Nahrung zu sich, ohne dass er sich gleich übergeben muss. Langsam nimmt er auch seine Umgebung etwas bewusster war und er macht einen ersten Versuch, seine Position zu bestimmen. Er steckt einen Stock durch ein weisses Blatt Papier und macht jede Stunde am Schattenspitz ein Zeichen. Wenn er die Punkte verbindet, entsteht ein gestreckter Bogen. Noch weiss er nicht was er damit anfangen soll. Doch es tut ihm gut, wenn er sich mit etwas beschäftigt. Vermutlich wird er erst nach zwei bis drei Tagen einen Unterschied feststellen können, der ihm dann hilft, seine Position wenigstens ungefähr zu bestimmen.
Am vierten Tag stellt er Abweichungen fest. Ein sicheres Zeichen, dass er seine Position verändert hat. Er kann auch etwas mehr essen und wird aktiver. So versucht er, während Stunden erfolglos einen Fisch zu fangen. Ein grosser Haifisch, der unter seinem Boot auftaucht, versetzt ihm einen Riesenschreck. Sofort zieht er die Angel wieder ein, denn ein solcher Fisch ist ihm doch zu gross und er will ihn mit seinem Köder nicht anlocken.
Am fünften Tag hat er sich bereits gut ans Schaukeln gewöhnt. Heute will er versuchen seine Position zu bestimmen. Er steuert mehr in Richtung Osten, dabei beobachtet er den Horizont, um nach dem Ufer Ausschau zu halten. Bereits nach einer Stunde Ostkurs, sieht er einen schmalen Streifen am Horizont, er bleibt noch einige Zeit auf Ostkurs, bis er Einzelheiten am Ufer erkennen kann. An einer Stelle sieht er die Silos einer Industrieanlage. Das könnte Shoaiba sein. Wenn er jetzt genau auf Südkurs geht, dann muss er Massaua in Eritrea erreichen. Er versucht die zurückgelegte Distanz abzustecken und in Tageskilometer umzurechnen. Wenn er mit gleicher Geschwindigkeit weitersegelt, so müsste er Massaua in etwa fünf bis sieben Tage erreichen.
Er wechselt sofort auf Südkurs und langsam verschwindet der Landstreifen wieder am Horizont.
In den Morgenstunden erlebt Max auch das erste Erfolgserlebnis als Fischer. Auf dem Kocher bereitet er sich die erste selber gefangene Mahlzeit zu.
Die nächsten zwei Tage verlaufen gleich eintönig. Er zählt seine Lebensmittel, wenn er so weiter isst, hat er noch für drei Tage zu essen, es ist also angebracht zu sparen. Das Meer wird auch immer unruhiger.
Inzwischen ist aus der idyllischen Fahrt ein Kampf auf Leben und Tod geworden. Max wird immer schwächer und die Stunden, in denen er nur dahindämmerte werden länger. Wenn er wach liegt, sucht er den Horizont nach Land ab. Er versucht seine Beobachtungen mit seiner Sonnenuhr zu vervollständigen und kontrolliert immer wieder seinen Kurs. Aber der erlösende Landstreifen taucht nicht auf. Er stellt sich immer wieder die Frage, wo ist er? Warum taucht kein Land auf? Ist er etwa schon im Indischen Ozean? Diese Frage kann er zum Glück verneinen, denn mit seinem Südkurs, käme er nicht am Golf von Aden vorbei, sondern würde auf alle Fälle in Somalia landen. Er beschliesst mehr nach Westen zu segeln. Das Ägyptische Festland müsste jetzt hinter ihm liegen. So langsam erachtet er auch eine Landung in Ägypten, als das kleiner Übel. Er kann diese Reise nicht mehr länger durchhalten. Inzwischen verliert er selbst das Gefühl, wie viele Tage er schon unterwegs ist, aber all das wird unwichtiger.
Immer öfter zieht Max auch Bilanz über sein Leben. Realistisch gesehen werden ihn nicht viele Leute vermissen und auch sonst wird nicht viel von ihm übrigbleiben. Vielleicht ein paar Software Programme, aber auch die werden nicht mehr lange laufen. Das Nachdenken über sein Leben ergibt nur wenig positive Aspekte, aber er kann nichts mehr ändern, wenn er nicht überlebt, ist er schnell vergessen. Zum Glück schläft er bald wieder ein.
Durch einen starken Ruck wird Max plötzlich geweckt. Schlaftrunken kämpft er mit dem Gleichgewicht, denn das Boot schwankt sehr stark in der Brandung. Der Strand, den er erreicht, ist menschenleer. Mit letzter Kraft schleppt er sich an Land.
Er entscheidet sich, in südlicher Richtung dem Strand entlang zu marschieren. Das Boot lässt er am Strand zurück und nimmt nur das Nötigste mit, Geld, den Rest des Proviants, leere Flaschen, die Karte und seine Ausweise. Nach einigen hundert Metern erlebt er die erste freudige Überraschung, er überquert einen kleinen Bach, welcher Süsswasser führt. Es ist nicht besonders sauber, aber es schmeckt für ihn wie Champagner. Er beschliesst, an diesem Bach die Mittagshitze abzuwarten und will erst gegen Abend weitermarschieren. Am Strand jagt er mit einem spitzen Stock nochmals Fische und dank einem Feuer schmeckt der Fischbraten köstlich. Zum Dessert gibt es Muscheln. Nach einem kurzen Mittagsschläfchen, wandert er gegen Abend weiter nach Süden.
Mit letzter Kraft schleppt er sich vorwärts. Meter um Meter muss er kämpfen, aber er hat sich entschieden zu Fuss, weiter zu gehen und nicht mit dem Boot der Küste entlang zu fahren, denn er hat genug vom Boot und ausserdem ist die Brandung gefährlich. Nach jeder Klippe hofft er, endlich eine Hütte oder ein Dorf zu entdecken, aber er muss weiter leiden. Wie ist es möglich, dass es auf der Welt, so verlassene Orte gibt? Langsam wird es dunkel und er hofft, dass er irgendwo ein Licht ausmachen kann, doch die einzigen Lichter bleiben die Millionen von Sternen, welche vom Himmel funkelten. Er sucht sich erneut einen Platz, an welchem er die Nacht verbringen kann.