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Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band.

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Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band.
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Ein Versuch zur Ansiedlung, oder wie's dem Herrn von Sechingen im Urwald gefiel

Amerika – Urwald – Indianer – Tomahawk – Scalpiren – Schlingpflanzen – Panther – »Oh, wer doch einmal im Urwald sein und das Alles so recht in der Nähe mit ansehen könnte« – ruft der entzückte Leser, während vor seinem inneren Auge eine wunderliebliche Camera obscura ihm all die obenerwähnten Sachen klein und zierlich, aber mit dem vollen Zauber reicher Phantasie übergossen, vorspiegelt.

»Da muß ich hin!« hatte auch »von Sechingen,« ein junger unabhängiger deutscher Edelmann gesagt, als er Coopers »Ansiedler« auf's Sopha warf, emporsprang, die an der Wand hängende Büchse ergriff und auf einen, im Geist heraufbeschworenen Panther schnell und sicher anlegte.

Er nahm sich kaum Zeit, das Buch auszulesen; noch in demselben Monat ordnete er seine Geschäfte, und acht Wochen später trug ihn die wogende, blaue See hinüber zu dem Lande seiner Hoffnungen und Träume. Dort, im stillen Wald – im rauschenden Schwanken der Urbäume, wollte er sich seine Hütte bauen, den Bär und Panther jagen und mit den rothen Eingeborenen verkehren; dort von allen Sorgen und Ärgernissen des alten Vaterlandes entfernt, hoffte er die Ruhe zu finden, nach der er sich gesehnt, und die Oberlippe warf er stolz und verächtlich empor, als er jetzt an all das Complimenten- und Etikettenwesen der alten Welt zurückdachte, was Gott sei Dank nun hinter ihm lag.

Die Reise war höchst glücklich – nach schneller Fahrt erreichte er New-Orleans, hielt sich aber hier kaum lange genug auf, die Stadt flüchtig anzusehen, sondern nahm, als am nächsten Morgen ein für den Arkansas bestimmtes Dampfboot stromauf lief, auf diesem Passage, und erreichte neun Tage später Little Rock, die Hauptstadt des Staates.

Hier nun strömten, wie das stets bei ankommenden Booten der Fall ist, eine Masse von Menschen an Bord, um vielleicht hie und da einen Bekannten zu treffen oder Zeitungen und Briefe in Empfang zu nehmen, und von Sechingen, dem das Treiben noch ganz neu und ungewohnt war, konnte nicht umhin, einen kleinen freundlichen Mann zu bemerken, der, etwa ein Achtunddreißiger, einen grauen, verschossenen Überrock mit Messingknöpfen, ein paar dunkelfarbige Sommerbeinkleider, grobe Schuh, ein hellblaues Halstuch und einen ziemlich mitgenommenen schwarzen Seidenhut trug.

Der kleine Mann trat nämlich mit einer unbeschreiblichen, wohlbehaglichen Sicherheit auf, schien dabei Jeden auf dem Boot zu kennen, und war auch wirklich von Allen gekannt, denn des Zunickens und Handdrückens wurde gar kein Ende und »wie gehts Charley – noch immer munter, Charley? – bless me Charley, wie dick Ihr geworden seid!« tönte fast von jeder Lippe. – Es war Charles Fischer, dessen Name bei allen dort gewesenen oder reisenden Deutschen fast unzertrennlich von dem Namen der Stadt selbst geworden, denn schon seit langen Jahren wohnhaft in der Stadt, die er, wie er gern erzählte, »noch als ein Dorf gekannt,« hatte er durch Fleiß und Sparsamkeit (er war ein Tischler) und besonders durch Glück, bei allen seinen Unternehmungen eine hübsche Summe gespart, später ein paar kleine Häuser gebaut, dann eine Art Wirthshaus und Schenkstand angelegt und jetzt steigerte sich mehr und mehr sein Verdienst, da er Alles, was er brauchte, von New-Orleans oder Cincinnati – wo Provisionen wie Getränke sehr billig sind – bezog, und dieses dann in Little Rock zu einem enormen Preis wieder verkaufte. Dazu als eine gute, harmlose Seele beliebt, und schon so lange an jenem Ort wohnend, daß ihn Hin- und Herreisende immer wieder auf derselben Stelle, der Erste an Bord jedes anlangenden Bootes, und eine halbe Stunde später hinter seinem Schenktisch fanden, wurde Charles Fischer gewissermaßen die Hausnummer, die man auf alle nach Little Rock oder auch ganz Arkansas addressirten Briefe setzte, wenn man nicht den Ort, wohin Brief oder Passagier bestimmt war, ganz genau angeben konnte.

Charles Fischer war also, und ist selbst jetzt noch, das Policeibüreau für sämmtliche nach Little Rock kommende Deutsche, auf dem sie sich nach jedem Interessanten erkundigen können, das aber dafür auch Alles, was den Fragenden angeht, wissen will. Selbst übrigens selten oder nie, seit er in Amerika ist, aus Little Rock herausgekommen, wechselt er auch seine Ansichten nicht besonders, und wenn Jemand von ihm wissen will, wo in Arkansas gutes Land liegt, so schickt er ihn seit funfzehn Jahren an den Fourche la fave; wünscht man von ihm zu erfahren, wie die »Zeiten« sind, so schimpft er und holt ein Paketchen kleiner Banknoten, die er mit einem starken Bindfaden in einem Westenknopfloch befestigt hat, aus der Tasche und sagt »man müsse in Little Rock das Geld anbinden, sonst liefe es fort;« erkundigt man sich nach seiner politischen Meinung, so ist er Demokrat mit Leib und Seele – er ließe sich, behauptet er, lieber todtschlagen, ehe er zu den Whigs überginge, läßt sich aber nie auf nähere Erörterungen ein, da ihm der Unterschied zwischen Whigs und Demokraten noch selbst in vielen Stücken sehr dunkel ist; fragt man ihn aber, was seine Frau macht, so stößt er Einem den Zeigefinger in die Rippen, blinzt das linke Auge zu, was verschmitzt aussehen soll, und lacht.

Außer Little Rock existirt weiter keine Welt für ihn, er verschmäht jede Einladung, einmal auf das Land zu seinen Freunden zu kommen, und behauptet bei solchen Gelegenheiten stets, sich mit innigem Behagen die Hände reibend, »es gäbe doch nur ein Little Rock,« und darin hat er vollkommen recht, denn es wäre fürchterlich, wenn auf der Welt noch solch ein zweiter Platz existirte.

Eben hatte Charley, wie er von Allen freundschaftlich genannt wurde, mehre Briefe vom Buchhalter in Empfang genommen, die zwar an ihn adressirt, keineswegs aber für ihn bestimmt waren und wollte das Boot wieder verlassen, als von Sechingen, der jetzt genug von ihm gesehn und auch den Namen so oft gehört hatte, um ziemlich sicher zu sein, wer vor ihm stehe, auf ihn zutrat, und freundlich grüßend fragte, ob er »das Vergnügen habe, mit Herrn Carl Fischer zu sprechen?«

»Charley – of course – gewiß –« sagte der Kleine, »eben von Deutschland gekommen, eh? haben Sie dort auch letztes Jahr so nasses Wetter gehabt, wie wir hier? aber apropos, was ich Sie fragen wollte, wie weit sind Sie denn bei Stuttgart mit der Eisenbahn?«

»Es thut mir leid, Ihnen darüber keine genaue Auskunft geben zu können,« lächelte der Fremde »ich komme aber mit einer Bitte um Rath zu Ihnen, Herr Fischer, indem ich von New-Orleans aus durch einen dort zufällig getroffenen Freund an Sie gewiesen bin, mir die beste Gegend für Land hier in Arkansas zu nennen. Ich beabsichtige mich anzukaufen und weiß selbst noch nicht recht, ob ich meine Nachforschungen von hier aus beginnen, oder mit dem Boot bis Fort Gibson hinauf gehen soll.«

»Land kaufen?« sagte Charley, wie er sich selber nannte, »Land kaufen? keine bessere Gegend in der Welt, als am Fourche la fave – Land nicht todt zu machen – Weide, unverwüstlich – Wild unmenschlich.«

»Viel Wild? so?« frug der Fremde, und wurde aufmerksamer – »und wo liegt dieses paradiesische Land?«

»Etwa vierzig Meilen von hier, über die Berge fort, Sie gehen jedoch am Besten mit dem Boot bis an die Mündung des kleinen Flusses selbst, und dann soll es noch etwa zwanzig Meilen von da bis zu der deutschen Ansiedlung sein, Sie können nicht fehlen, immer am Fluß hinauf.«

»Was fang ich aber indessen mit meinen Sachen an? denn wenn ich eine Fußtour unternehmen soll, muß ich die auf jeden Fall zurücklassen.«

»Können Sie zu mir hinstellen,« sagte Charley, »ich habe ein kapitales Lokal – unten ein großes Barzimmer mit einem Schlafkabinet.«

»Barzimmer?« frug der Fremde.

»Nun ja – Barzimmer, ach so, Sie wissen nicht was Bar ist, nun Schenkzimmer, das ist ja wohl deutsch – eine Treppe hoch habe ich einen Tanzsaal, sollen einmal den Tanzsaal sehen, wie ich den herausgeputzt habe – und auch ein Schlafkabinet, und oben unter dem Dach noch zwei Schlafkammern, wo, wenn es ordentlich eingetheilt wird, an die vierzehn Betten stehen können.«

»Aber wo wohnen Sie denn da?« sagte erstaunt der Fremde.

»Im Sommer wohn' ich im Tanzsaal und im Winter unten, neben dem Barzimmer.«

»Und vierzehn Betten in zwei Dachkammern?«

»Ja, und wie viel meinen Sie, daß im letzten Winter, wo ich den großen Ball hatte, dort oben in eilf Betten Menschen gelegen haben?«

»Nun vielleicht gar zwei und zwanzig Personen?« lachte der Deutsche.

»Zwei und zwanzig?« rief Charley die Nase rümpfend, »wegen denen wären die Umstände nicht nöthig gewesen – sieben und dreißig.«

»Aber wie ist das möglich?«

»Möglich? in Amerika ist Alles möglich, das werden Sie auch wohl noch erfahren, ehe Sie sechs Monate im Lande sind.«

»Dann kann ich also Alles zu Ihnen in's Haus schaffen lassen?«

»Ja wohl – versteht sich, wollen gleich einen Mann rufen, hey – Sam! oh Sam! hierher!«

Der Zuruf galt einem großen, breitschultrigen Mulatten, der neben seinem zweirädrigen Güterkarren am Ufer stand und mit der Peitsche knallte – »hier ist ein Gentleman, der Sachen nach meinem Hause zu schaffen hat.«

»Ay, ay, Mr. Charley,« rief der Mulatte, freundlich grinsend, während er über die Planke an Bord lief, und in wenigen Augenblicken oben neben ihnen stand, »soll richtig besorgt werden,« fuhr er fort, indem er den getheerten Matrosenhut neben die Peitsche auf das Verdeck legte, »aber Mister Charley, nicht wahr, Sam bekommt dann auch einen Schluck von dem Peach brandy

»Ist der schwarze Teufel schon wieder durstig,« rief Charley erstaunt, »hat er nicht erst vorgestern eine halbe Flasch voll ausgetrunken?«

»Aber Mister Charley –«

»Nun schon gut, schaff nur die Sachen ordentlich und schnell hinauf – ich komme gleich mit und da wollen wir sehen.«

 

Drei Koffer, zwei Hutschachteln, mehrere Gewehrfutterale, ein Reisesack und noch verschiedene andere kleine Kistchen und Kasten wurden jetzt von dem geschäftigen Mulatten in fast unglaublich kurzer Zeit an's Ufer, zu dem nur wenige hundert Schritt vom Wasserrande entfernten Hause Carl Fischers befördert, und der Fremde, nachdem er das Fuhrlohn wie einen Trunk für den Karrenführer bezahlt hatte, und Alles besorgt sah, wandte sich hier zu seinem freundlichen Wirth und sagte:

»Wenn es Ihnen recht ist, so möchte ich jetzt ein wenig Toilette machen, denn in diesem Aufzug kann ich doch auf keinen Fall in den Urwald dringen. Haben Sie Bären hier in der Nähe?«

»Bären?« frug Charley verwundert, »die Leute da oben leben von weiter Nichts als Bärenfleisch; wie die Schweine laufen sie im Walde herum, nach den Hirschen schießen sie gar nicht mehr.«

»Die Bären?«

»Die Jäger, of course

»Nun« rief der Fremde, »dann werde ich ja auch wohl noch heute Abend zum Schuß kommen, will also doppelte Kugeln einladen.«

Sie waren unterdessen in die Wohnung oder vielmehr das »Barzimmer« des kleinen Charley, wie es dieser nannte, getreten, und in dem daranstoßenden Kämmerchen verwandelte sich der junge Mann bald, was wenigstens das Äußere betraf, aus einem Stutzer in einen Jäger, mit grüner Pikesche, ledernen Beinkleidern, hohen Wasserstiefeln, umgeschnalltem Hirschfänger, gewaltiger lederner Waidtasche, und schöner Suhler Büchsflinte, dabei wohl ausgerüstet, was Schrotbeutel, Pulverhorn, Zündhütchenaufsetzer, Messer, kurz Alles das betraf, was er nach deutscher, richtiger Waidmannsart »fertig gerüstet« nennen konnte.

»Nun kann's losgehen!« jubelte Charley und schlug vor Freuden in die Hände, als er den Jäger erblickte. »Da sieht man' s doch auch, daß es ein Jäger ist; – hier zu Lande laufen sie mit ihren langen Schießprügeln auf der Schulter, den Kolben nach hinten, in alten ledernen Jacken und wollenen Fracks im Wald herum und haben dünne hirschlederne Lappen an den Füßen, durch die man jedes Sandkorn fühlt. Ich habe selbst einmal so ein paar Dinger angehabt, bin aber beinah lahm geworden; weiß der Böse nur, wie sie noch 'was schießen, es muß aber wohl so viel draußen sein, daß sie's selbst nicht ändern können.«

»Gehen Sie denn nie auf die Jagd?« frug der Fremde.

»Ich? nein – bewahre –« lachte Charley, »ich müßte mich auch gut mit einer Flinte ausnehmen; ne, da draußen im nassen Walde herumzukriechen, den ganzen Tag ein schweres Stück Eisen auf der Schulter zu schleppen und dann auch noch d'raus zu schießen – ne – das ist meine Passion nicht. Ich habe gern Alles in der gehörigen Ordnung, Abends mein gutes Essen und ein warmes Bett, und am Tag – aber sie läuten schon wieder auf dem Boot – daß Sie's nur nicht versäumen. Was mir aber noch einfällt, es wäre doch eine Möglichkeit, daß Sie sich verliefen, denn im Walde sieht ein Baum wie der andere aus, und hier neben an wohnt ein Indianer, wenn Sie dem einen Dollar und einen Schluck Whiskey geben so geht er mit Ihnen durch's Feuer.«

»Ein Indianer?« rief der Fremde entzückt, »o rufen Sie ihn her, ich will ihm geben was er haben will, der muß mit mir gehen, das ist zu romantisch.«

»Wie heißen Sie denn eigentlich?« frug Charley jetzt, dem der letzte Ausdruck wahrscheinlich auffallen mochte.

»Mein Name ist von Sechingen,« erwiederte der Fremde.

»Ach Herr von Sechingen, ist mir sehr angenehm Ihre werthe Bekanntschaft – aber der Teufel soll mich holen, wenn's da nicht schon zum zweiten Male läutet – laufen Sie auf's Boot, ich bringe den Indianer.«

»Ja – aber er muß sich doch erst zurecht machen.«

»Ist immer zurecht gemacht,« erwiederte Charley, »nur fort, sonst werden Sie noch zurückgelassen. Also wohl gemerkt – an der Mündung des Fourche la fave lassen Sie sich aussetzen, und wenn Sie Alles in Richtigkeit haben, so kommen Sie nur her, und holen sich Ihre Sachen – apropos – grüßen Sie mir die Deutschen oben.«

Herr von Sechingen eilte jetzt auf das Boot, es dauerte jedoch gar nicht lange, bis Charley mit dem versprochenen Indianer nachkam und ihn auch kaum noch abliefern konnte, denn eben schellte die Glocke zum dritten und letzten Mal, die Taue wurden eingenommen, ein flüchtiges Lebewohl den am Ufer Bleibenden zurückgerufen, und fort schoß der Koloß, das »schwimmende Gasthaus« gegen den Strom an, dem fernen, fernen Westen zu.

Der Deutsche versuchte indessen mit dem Indianer ein Gespräch anzuknüpfen, fand diesen aber zu einer langen Unterhaltung keineswegs aufgelegt, und konnte auf seine Fragen, da dieser noch dazu sehr gebrochen englisch sprach, nur kurze, und meistens unbefriedigende Antworten erhalten, so daß er seine Erkundigungen endlich einstellte und bei sich dachte, im Walde würde der rothe Sohn der Wälder auch wohl gesprächiger werden.

Dieser rothe Sohn der Wälder sah übrigens ganz anders aus, als sich Sechingen eigentlich die Indianer, jene stolzen, kriegerischen Häuptlinge gedacht hatte. Ein früher einmal blau gewesenes, baumwollenes Jagdhemd hing ihm lose um die Schultern, die Beine staken in grau wollenen Beinkleidern, die Füße in mächtigen groben Schuhen, auf dem Kopf saß ihm, bis tief in die Augen hinein, ein alter zusammengedrückter Strohhut, unter dem die langen, schwarzen Haare wild und unordentlich hervorquollen, und im Gürtel, der sein Jagdhemd zusammenhielt, stak ein kurzes, schmales Messer, während an seiner rechten Seite eine kleine lederne Tasche, auf seiner linken Schulter eine zusammengewickelte wollene Decke hing und eine lange, keineswegs prachtvoll aussehende Büchse mit Feuerschloß, die Bewaffnung und Ausrüstung dieses sonderbaren Wesens beendete.

Dem jungen Sechingen blieb jedoch kaum Zeit, dieß Alles an seinem neuen Reisegefährten und Begleiter zu bemerken, denn fast sämmtliche, sich auf dem Dampfboot befindenden Amerikaner drängten sich um ihn her und begannen mit der liebenswürdigsten Unbefangenheit von der Welt seine Waffen und ganze Ausrüstung anzustaunen und zu betrachten. Einer nahm ihm, mit einem freundlichen »if you please« (wenn Sie erlauben) die Büchse aus der Hand und knackte unzählige Male die Schlösser, ein Anderer zog, ohne zu sagen »if you please,« den Hirschfänger aus der Scheide und untersuchte die Schärfe desselben, ein Dritter zupfte an dem Patentschrotbeutel, bis er die Kapsel glücklich herausbrachte und eine ganze Ladung Schrot auf's Deck streute, kurz es fehlte nicht viel, so hätten sie ihn wie eine Puppe aus- und wieder angezogen.

Von Sechingen ließ sich im Anfang wirklich Alles mit vieler Gutmüthigkeit gefallen, es schien sogar seiner Eitelkeit etwas zu schmeicheln, von Jedem so bewundert zu werden; nach und nach ward ihm die Sache aber doch ein wenig lästig und er nahm, ohne viele Umstände, sein verschiedenes Eigenthum wieder an sich. Die Amerikaner frugen ihn jedoch fast bei jedem Stück, wie er es verkaufen wolle und wunderten sich sehr, als er ihnen sagte, daß er Nichts von alle dem veräußern würde. Einer wünschte sogar zu wissen, wie er seine Stiefeln gegen ein paar andere, erst wenige Wochen getragene vertauschen, d. h. ob er noch Aufgeld haben wolle, denn daß er sie, wenn ihm der Handel gut schiene, überhaupt vertauschen würde, verstände sich, glaubten die Leute, von selbst.

Sechingen bekam die Gesellschaft schon recht überdrüssig, als er endlich zu seiner Freude den Ausruf des Indianers vernahm, der, mit dem Finger vorwärts deutend, auf einen Anwuchs niederer Baumwollenholzschößlinge hinwies.

»Ist das die Mündung des Flusses,« rief er freudig – »nun Gott sei Dank – aber werden wir auch halten?«

Die Bootsglocke beantwortete seine Frage, der Ruf des Lootsen sandte die »Deckhands« oder Matrosen nach der, hinten am Boot befestigten Schaluppe – der Deutsche und Indianer sprangen hinein und fanden sich, wenige Minuten darauf, an der Spitze einer Sandbank, welche gerade überhalb des Flusses Mündung eine kurze Strecke in den Arkansas hineinlief. Das leichte Fahrzeug, was sie hierher gebracht, war indeß zum Boot zurückgekehrt – das Zeichen wurde gegeben, puffend und schnaubend brauste der schöne Dampfer stromauf, und die beiden Männer standen allein auf der kleinen, sandigen Landzunge.

Sechingen blickte entzückt um sich her – Alles – Alles mahnte ihn daran, daß er jetzt im Begriff sei, zum ersten Mal die Amerikanische Wildniß, den Urwald zu betreten, und von wonnigen Schauern durchbebt, wandte er sich gegen den dunklen Wald. Zu seiner Linken, am andern Ufer des kleinen Flusses, thürmten sich schroffe, mit Kiefern und Eichen bedeckte Hügel empor, rechts von diesen, in der Richtung, die er einzuschlagen gedachte, lag eine dichte grüne Baum- und Laubmasse und hinter ihm wälzte sich der gewaltige Arkansas dem »Vater der Wasser«, dem Mississippi zu, während der schmale Sandstreifen, auf dem sie standen, etwa eine Meile lang bis zu dem wieder steiler werdenden Ufer hinauflief.

Noch war der Deutsche in staunender Bewunderung des Heiligthums versunken, das er kaum zu betreten wagte, als der Indianer, dessen christlicher »Robert« in den bequemeren »Bob« umgetauscht worden, das Schweigen brach und dem jungen Mann mit wenigen Worten andeutete, wie er nicht gesonnen sei, hier die ganze Nacht auf offener Sandbank halten zu bleiben.

»Wollen gehn –« sagte er, und drehte dabei den Kopf nach allen vier Himmelsgegenden, um Wolken, Sonne und Luft genau und prüfend zu betrachten – »kaum noch eine Stunde Tag, besser an einen trockenen Platz vor Abend – Feuer anmachen – groß.«

»Und welchen Weg nehmen wir jetzt?« frug Sechingen.

»Weg?« sagte der Indianer verwundert, »kein Weg von hier – lauter Wald.«

»Ha, desto besser!« rief der Deutsche, »das ist herrlich; lauter dichter, finsterer Wald, und dann das Nachtlager, – o das muß köstlich werden.«

»Will der Weiße die nächste Richtung, ganz durch den Wald gehen, oder fünf Meilen um, über die Hügel – weit oben läuft ein gebahnter Weg!« sagte Bob.

»Oh unbedingt den nächsten Weg durch den Wald, wie weit ist es wohl?«

»Funfzehn Meilen – aber viel naß,« sagte der Indianer, und zeigte mit dem Finger gerade auf den Wald.

»Ich habe große Stiefeln an,« lachte Sechingen, »und wenn Sie sich nichts daraus machen« –

»Bob kann schwimmen,« erwiederte dieser lakonisch, schritt jetzt, ohne ein Wort weiter zu verlieren und die dünnen Baumwollenholzbäumchen auseinander biegend, durch diese hinweg und betrat, von dem Deutschen gefolgt, während sie die sandige, angewaschene Landzunge hinter sich ließen, den eigentlichen dunklen Wald.

Sechingen hatte vom ersten Augenblicke an, als er festen Grund und Boden unter den Füßen fühlte, die Doppelbüchse von der Schulter genommen und zum großen Ärgerniß Bob's, der fortwährend nach ihm hinschielte, beide Hähne aufgezogen, ging auch jetzt, stets im Anschlag, vorsichtig und aufmerksam umherspähend, hinter dem Indianer her, bis dieser endlich, trotz dem ihm angeborenen stoischen Gleichmuth, das Gefühl nicht länger ertragen konnte, in dem dichten Gewirre von Schlingpflanzen eine gespannte Büchse hinter sich zu haben, und von nun an neben dem jungen Mann blieb.

Die Sonne sank indessen mehr und mehr und verschwand eben hinter den gewaltigen Bäumen, nur noch hie und da einen der höchsten Wipfel mit ihrem rosigen Schein übergießend. Im Walde herrschte tiefe Stille, die nur selten durch das Quaken eines Frosches oder das Gezirpe einer Grille unterbrochen wurde; es war ein wunderlieblicher, entzückender Frühlingsabend, dem schönen Wald von Arkansas so eigenthümlich; dennoch aber schien sich der Herr von Sechingen dieses langersehnten Genusses nicht so recht zu erfreuen, oder wenigstens keine Zeit dafür zu haben, denn bald schlug er sich mit der flachen Hand auf die Stirn, bald in den Nacken, bald auf die andere Hand; oder nahm die Mütze ab, mit der er um sich herumschlug, und endlich blieb er gar in allem Unmuth stehen und rief aus:

»Wo kommen denn nur um Gotteswillen alle diese verwünschten Mücken her? das ist ja zum Rasendwerden.«

»Mücken?« sagte Bob, »was das? Mosquitos meint Ihr; nicht viele hier! mehr davon weiter vorne; aber lagern jetzt – gleich dunkel.«

Damit, ohne weiter eine Antwort seines Begleiters abzuwarten, warf er seine Decke und Kugeltasche ab, lehnte die Büchse an einen Baum und schlug Feuer, das er bald mit Hülfe des dürren Laubes zu einer Flamme anfachte, die, von trockenem Holz genährt, in wenigen Minuten zur hohen Gluth emporloderte.

»Hier also sollen wir bleiben?« sagte Sechingen etwas kleinlaut, indem er sich an dem Orte, auf welchem sie sich befanden, umsah, »ja – es wäre recht hübsch hier, wenn die verdammten Mücken nur nicht wären. Also das sind Mosquitos?« – fuhr er fort, als er eben wieder vier mit einem Schlage auf dem Rücken seiner Hand vernichtet hatte – »nun Gott sei Dank, es sind doch wenigstens genug von ihnen da, um sich abzulösen, wenn ein Theil satt oder müde werden sollte.«

 

»Fremder legt sich auf diese Seite vom Feuer, unter den Rauch – keine Mosquitos!« – bedeutete ihn Bob. Sechingen befolgte auch schnell den guten Rath, und fand sich hier, in dem weichen, gelben Laub, das mehrere Zoll hoch den Boden bedeckte, bald von seinen Quälgeistern verlassen, die durch den über ihm hinweggehenden Rauch verscheucht wurden. Bob schien sie gar nicht zu achten.

»Lieber ein Dach machen – kann regnen die Nacht,« sagte der Indianer jetzt.

»Regnen?« lachte Sechingen, »wo soll denn der Regen herkommen? es ist ja keine Wolke am Himmel?«

»Schadet Nichts,« meinte Bob – »Regenfrosch gutes Zeichen.«

»Ach nein – hier ist's herrlich,« betheuerte Jener, der, von seinen Plagegeistern für den Augenblick befreit, wieder das so lang gehegte und genährte romantisch wilde Sehnen in sich erwachen fühlte – »hier ist's so wundervoll, mit dem grünen Laubdach über uns, dem blauen sternbesäeten Himmel als Decke, und dem dunkelen, rauschenden Wald um uns her; wozu da noch ein Dach, was uns doch nur den Anblick des prachtvollen Firmamentes entziehen würde; kommen Sie hierher, Bob, legen Sie sich neben mich und erzählen Sie mir etwas aus Ihrem Leben.«

»Bob ist hungrig,« war die lakonische Antwort.

»Nun ja, da es einmal erwähnt wird,« meinte der Deutsche, »so wäre mir auch ein Bissen Warmes nicht so unerwünscht, ein Tasse Thee könnte besonders gar Nichts schaden.«

»Viel Thee im Wald,« sagte Bob.

»Thee? grüner Thee?«

»Gewiß grüner Thee – will der Weiße Thee haben?«

»Das wäre nicht so übel,« erwiederte Sechingen, »auf alle Fälle können wir es versuchen.«

Bob riß hierauf einen kleinen, neben ihm wachsenden grünen Strauch aus der Erde, wischte die Wurzel so rein als möglich mit seinem Jagdhemd ab, schnitt sie in dünne Spähne, that sie in den Blechbecher, den er an seiner wollenen Decke hängend trug, füllte diesen dann voll Wasser und setzte ihn auf die Kohlen.

»Und das wird Thee?« frug Sechingen ungläubig.

»Ahem,« war Bob's Antwort, der nur mit dem Kopfe nickte.

»Es ist aber doch sonderbar,« sagte der Deutsche nach einer wohl viertelstündigen Pause, in der er träumend zu den funkelnden Sternen hinaufgeschaut hatte, »daß wir jetzt schon über eine Stunde durch den dichtesten Wald gegangen sind, ohne eine Spur von Wild gesehen zu haben.«

»Sonderbar?« entgegnete die Rothhaut, »Bob hat drei Tage hier gejagt und keine Klaue gefunden.«

Das stimmte nun freilich nicht mit Charles Fischers Aussagen überein, doch blieb ihm für den Augenblick keine weitere Zeit zu ferneren Erörterungen, denn der Thee war fertig und wurde Sechingen dargereicht.

»Etwas Zucker und Milch wäre jetzt sehr an seinem Platz,« meinte dieser – »aber halt – ich habe ja Rum bei mir; der mag den Dienst versehen,« und aus einem kleinen Fläschchen, das er aus dem Jagdranzen nahm, goß er etwa ein Spitzglas voll in den Becher, und reichte die Flasche dann an Bob hinüber, der sie schon mit gierigen, verlangenden Blicken betrachtet hatte und jetzt einen langen, langen Zug that. Mit augenscheinlichem Widerwillen mußte er zuletzt absetzen, um Athem zu holen und Sechingen schob sie wieder in den Ranzen zurück. Der Thee war indessen etwas kühl geworden, – aber welch entsetzliches Gebräu.

»Pfui Teufel!« rief der junge Deutsche aus, indem er den Becher zurückschob und aufsprang. »Bob, das können Sie allein trinken, das schmeckt ja abscheulich.«

»Indianer trinkt nur Thee, wenn krank ist.«

»Ich bin aber nicht krank,« rief Sechingen.

»Ich auch nicht,« sagte Bob und begann mit großer Ruhe die Lederriemen aufzubinden, die seine Decke zusammenhielten.

»Daß mich auch der Böse plagen mußte, mit keiner Sylbe an Lebensmittel zu denken,« murmelte Sechingen ärgerlich vor sich hin, – »ich glaubte aber sicher, noch vor Dunkelwerden irgend ein Stück Wild erlegen zu können.«

»Bob kann warten,« brummte dieser und rollte die jetzt gelöste Decke auf.

»Nun so erzählen Sie mir wenigstens etwas,« bat ihn der Deutsche, »ich möchte gar so gerne einige Skizzen aus dem Leben der Indianer, von den Lippen eines Indianers hören, und da wir doch nun einmal im Wald sind, so lassen Sie mich auch einige Anekdoten von Ihren Jagden mit Büffeln oder Bären, von den Kämpfen mit anderen Stämmen, dem nächtlichen Überfall, dem Schlachtschrei und den genommenen Scalpen hören – was hilft mir denn der Wald und der Indianer, wenn wir schlafen wollen?«

»Weiß Nichts zu erzählen,« sagte Bob, indem er seine Decke nahe zum Feuer ausbreitete und dieses dann wieder von Frischem aufschürte – »habe nie einen Büffel gesehen und noch keinen Bären geschossen; – kam vor sechs Jahren von Georgien mit ganzem Stamm.«

»Und was haben Sie in den sechs Jahren getrieben? – Jagd?«

»Nein – Schuhmachen!«

»Schuhmachen?« frug Sechingen entsetzt – »Schuhmachen? ein Indianer – in Arkansas? aber Ihr Vater war doch ein Jäger und Krieger? fiel vielleicht in der Schlacht – in einem nächtlichen Überfall.«

»Mein Vater starb in Georgien an den Blattern – war ein Korbmacher.«

Bob schien jetzt zu glauben, daß er über sich und seine Familienangelegenheiten hinlängliche Auskunft gegeben habe, denn er rollte sich in die Decke, und war wenige Minuten später, wie sein lautes, regelmäßiges Athmen bewies, sanft eingeschlafen. Sechingen aber spießte, auf den linken Ellbogen gelehnt, mit seinem Genickfänger höchst mißvergnügt die vor ihm liegenden, gelben Blätter auf.

Er hatte sich Alles so romantisch gedacht – das Heulen der Wölfe, das Geschrei des Panthers, die Erzählungen eines rothhäutigen Kriegers von Jagden und Kriegszügen, und dazu das Rauschen des mächtigen Urwaldes – Ja! Der Urwald umgab ihn, in all seiner Pracht und Herrlichkeit, mit seinen Riesenstämmen und wild durchwachsenen Dickichten, mit den gigantischen Weinreben, die sich von Stamm zu Stamm schlangen, und im unzerreißbaren Netze die gewaltigen verbanden, den einzigen Laut aber, den er vernehmen konnte, war das Summen der Mosquitos, die, von der kühlen Nacht nicht eingeschüchtert, nach dem warmen Blute des Fremdlings lüstern, dessen Lager umschwirrten.

Höchst verdrießlich schob er sich endlich die Jagdtasche unter den Kopf, und wollte ebenfalls schlafen, als er, wie von einer Natter gestochen, wieder emporsprang, und nach der Büchse griff, denn dicht neben ihm – es konnte kaum zwanzig Schritte entfernt sein – vernahm er den sonderbarsten, wildesten Laut, den sich seine Phantasie nur je gedacht, nur je geträumt hatte.

»Huhu, huhu – huhu, huhu – a – h!« tönte es so klagend, so schauerlich, daß er, sprachlos vor Jagdeifer und innerem Entsetzen, den Arm seines schläfrigen Gefährten ergriff, und den Ruhenden mit aller Macht schüttelte, während er dabei in der Rechten die schnell gespannte Büchse fertig zum Schuß hielt.

»Bob, – Bob, – Bob!« – flüsterte er dabei mit unterdrückter Stimme – »ein Panther – Bob!«

»Ein was?« rief dieser, und sprang schnell auf die Füße, ergriff seine Büchse und sah den Fremden groß an. »Wo? wo Panther?«

»Pst!« winkte Sechingen – »dort war's – gleich in dem Busch da – er muß auf einen Baum geklettert sein, mir kam es hoch vor.«

»Huhu, huhu – huhu, huhu – a – h!« riefen die schauerlichen Töne auf's Neue, diesmal aber auf der entgegengesetzten Seite.

»Horch – horch – er hat uns umschlichen – erst war er hier.«

»Das der Panther?« frug Bob.

»Nun? was soll es sonst sein? ein Wolf steigt doch nicht auf die Bäume?«

»Eule!« sagte Bob, und legte sich wieder, ohne ein Wort zu verlieren, nieder.

»Teufel!« murmelte Sechingen ärgerlich vor sich hin, indem er den Hahn seiner Büchse in Ruhe setzte, »das nur eine Eule, und hat eine Stimme wie das stärkste, gewaltigste Thier.« Bob hatte aber ganz recht, es war wirklich eine Eule, die ihr einsames Nachtlied krächzte, und unwillig warf sich der in seinen schönsten Erwartungen Getäuschte in das gelbe Laub zurück.