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Kitabı oku: «Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band.», sayfa 6

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Der wunderbare Traum

Im Staat Pensylvanien, dicht am nordwestlichen Fuß der Alleghanies, liegt oder lag vielmehr das kleine Städtchen Seneka, das damals, als man es gründete, von Ansiedlern fast überschwemmt ward; denn jeder Einzelne hoffte goldene Berge in dem neu entdeckten Eldorado zu finden und Seneka bald als den Brennpunkt des Staates zu sehen, nach dem sich aller Verkehr, wie die Blumen zur Sonne, hinwenden müsse.

Jetzt sind freilich diese schönen Träume größtentheils in ihr ursprüngliches Element Luft zurückverschwommen, und ein allein und einsam stehendes Farmhaus kündet die Wohnung des »Letzten der Senekaner,« der hier, allen früheren Plänen und Hoffnungen von gepflasterten Straßen und Gaßbeleuchtung entsagend, gar ehrsam Ackerbau und Viehzucht treibt.

Noch vor zwölf Jahren aber, und in derselben Zeit, von der ich hier erzählen will, befand sich Alles in seiner Blüthe; mehre Wirthshäuser waren angelegt, ein Gerichtshaus und ein Gefängniß standen fertig aufgerichtet und wurden auch schon benutzt, denn es fehlte nur noch das Dach zu beiden, mehre kleine Stores oder Läden waren etablirt, in denen der fleißige Städter Whiskey beim Quart und Kaffee, Zucker und Kattun, wie Schuh und Stiefel, Ackergeräth, Kochgeschirr etc. etc. etc., kaufen konnte, und zwei Schul- und Kirchengebäude, das eine den Presbyterianern, das andere den Baptisten gehörig, standen zum frommen Dienst bereit und wurden von der gottesfürchtigen Gemeinde gar häufig benutzt.

Wie es nun aber stets bei so neuerrichteten und gegründeten Städtchen geht, so sammelte sich auch dort ein buntes Gemisch von allerlei oft recht wunderlichen Leuten, und wo viel gute und ordentliche Menschen sind, da bleibt es fast nie aus, daß sich auch ein parr rauhe, wilde und nichtsnutzige Gesellen mit einschwärzen, die dann so lange mit der übrigen Bevölkerung auf einem Fuß stehen und mit ihr gleiche Achtung und gleiche Rechte genießen, bis sie entweder selbst sehen, daß die Zeit naht, wo sich jeder brave Mann von ihnen fern hält und sie ihr Wesen nicht länger treiben können, oder die Gemeinde auch fest und entschlossen auftritt und sie ausstößt.

Ein solcher Bursche, zu allem Schlechten fähig und zu nichts Gutem zu gebrauchen, war ein junger Kentuckier, Hills, der sich eine Zeitlang auf dem Monongahelafluß als Flatbootmann herumgetrieben hatte, und nun einmal versuchen wollte, ob er's nicht schneller und bequemer »in der Stadt« zu etwas bringen könne.

Er lebte oder »boardete« wie man dort sagt, im Hause eines Irländers, eines braven fleißigen Mannes, der mit seiner jungen Frau erst kürzlich aus dem alten Vaterlande herüber gekommen, und von einem der sogenannten Landhaye in New-York auch gleich beredet worden war, sich hier in Seneka, der künftigen Königin aller westlichen Städte anzukaufen und niederzulassen. Hills aber, der an nichts Heiliges, weder im Himmel noch auf Erden glaubte, fand Gefallen an der jungen Irländerin und suchte sich ihr, wenn ihr fleißiger Mann sein kleines Grundstück bearbeitete, zu nähern und sie sich geneigt zu machen. Diese aber wies ihn ernst und strenge zurück und drohte endlich, als Alles das nichts half, ihren Mann von dem nichtswürdigen Betragen seines Hausgenossen in Kenntniß zu setzen.

Eine Zeit lang schüchterte das den Kentuckier ein, denn der Irländer war ein kräftiger Gesell und verstand sicherlich, was seine Hausrechte betraf, keinen Spaß; eines Abends aber, als er der jungen Frau im Walde begegnete, die gerade eine kranke, nicht sehr entfernt wohnende Freundin besucht hatte, und nun zu Hause zurückkehren wollte, schloß er sich ihr an und wurde nach wenigen miteinander gewechselten Worten so frech und zudringlich, daß sie ihm mit lauter Stimme drohte, um Hülfe zu rufen, wenn er sich nicht gleich entferne, als plötzlich mit zorngerötheten Wangen und finster zusammengezogenen Braunen ihr Mann aus den benachbarten Büschen sprang und im nächsten Augenblick neben dem erbleichenden Kentuckier stand.

Was an jenem Abend weiter vorgefallen hat nie ein Mensch erfahren, am nächsten Morgen aber fand man, durch Blut in der Straße aufmerksam gemacht, den Kentuckier mit zerschmettertem Schädel im Gebüsch liegen. Er schien schon mehrere Stunden todt, und jede Hülfe kam zu spät. Noch an demselben Abend wurde er begraben.

Wüthend durchtobten aber indessen die Freunde des Ermordeten die kleine Ansiedlung und forschten nach dem Mörder; ja selbst der stillere Theil der Bevölkerung, die Baptisten und Presbyterianer, waren entrüstet, daß in ihrer ruhigen und frommen Gemeinde so etwas vorgefallen war. Durch einen kleinen Knaben ward endlich der Verdacht auf den Irländer gelenkt, denn dieser hatte ihn noch spät Abends mit seiner Frau zu Hause kommen gesehen, und zwar gerade aus jenem Weg, neben welchem die Leiche lag und der kleine Bursche behauptete dabei steif und fest, der Irländer sei blutig im Gesicht gewesen.

Man forschte jetzt genauer nach, durchsuchte das Haus und fand – sorgfältig hinter einer großen Kiste versteckt, eine baumwollene Jacke, an welcher noch frische Blutflecken nicht zu verkennen waren. Zwar behauptete Mac Ferson (der Name des Iren), einen Hirsch erst an dem Nachmittag erlegt und den Kentuckier wohl gesehen, aber keinen Streit mit ihm gehabt zu haben; in seinem ganzen Wesen ließ sich aber dabei eine gewisse Verlegenheit nicht verkennen, und weder seine Betheuerungen »er sei unschuldig,« noch die Bitten seiner Frau halfen ihm etwas; er wurde gebunden und in das Gefängniß – ebenfalls ein aus starken Stämmen errichtetes Blockhaus – abgeführt.

Dort blieb er den Tag seinen einsamen Betrachtungen überlassen, und wurde am nächsten Morgen, da gerade Gerichtstag im Städtchen war, vor seine Richter, vor die Geschworenen gestellt. Hier aber schien leider Zeugniß auf Zeugniß gegen den armen Teufel auftauchen zu wollen, denn außer dem blutigen Kleidungsstück hatte man noch ganz nahe bei seiner Wohnung einen ebenfalls mit Blut befleckten schweren Knittel gefunden, und mehrere Einwohner sagten dabei aus, Mac Ferson habe sich mehre Male gegen sie geäußert, er glaube, seine Frau gefalle dem Kentuckier, und er wolle sich nur erst Beweise verschaffen, ehe er ihn fühlen lasse, was es heiße, den Rechten eines Irländers zu nahe zu treten. Mac Ferson leugnete dies auch nicht, blieb aber bei seiner Behauptung, an dem Nachmittag keinen Streit mit dem Kentuckier gehabt, ja kein einziges Wort mit ihm gewechselt zu haben und betheuerte nur in einem fort seine Unschuld.

Der Staatsanwalt versuchte jetzt ihn durch Kreuzfragen zu verwirren, Mac Ferson war aber nicht der Mann, der sich, wenn wirklich schuldig, durch einen Advokaten außer Fassung bringen ließ – er blieb dabei, das an der Jacke gefundene Blut sei von einem Hirsch, und man sah sich gezwungen, ihn aufzufordern, die Männer zu der Stelle hinzuführen, wo er den Hirsch geschossen habe. Der Ire war auch gern bereit dazu, aber erst seit kurzer Zeit in Amerika, behauptete er mit dem Wandern im Walde nicht recht vertraut zu sein, indem er nie genau wisse, nach welcher Richtung er sich wenden solle, sobald er einmal mitten zwischen den Bäumen sei, den Ort also auch nicht wiederfinden könne, wo er das Wild erlegt und aufgebrochen hätte. Er bat daher die Richter nur, in dieser Gegend herum mehrere Männer zu postiren, die dann bald aus dem Flug der Aasgeier erkennen könnten, nach welcher Richtung zu die im Walde zurückgelassene Beute läge.

Er war dabei so ernst und ruhig, blieb sich in allen seinen Antworten so gleich, und widersprach sich nicht ein einziges Mal, so daß die Männer, die sein Urtheil sprechen sollten, wirklich anfingen, trotz allen vorliegenden und fast unumstoßbaren Beweisen, an seine so fest betheuerte Unschuld zu glauben und den Bitten des Gefangenen willfahrten. Vergebens aber blieb ihr Suchen; alle Bussards und Adler schienen die Gegend verlassen zu haben, und erst am dritten Tag, als man auch noch ein kleines Scalpiermesser bei ihm gefunden hatte, was der Ermordete an demselben Abend, wo er erschlagen worden, in dem nächsten kleinen Laden aus der Scheide gezogen, um Brod damit abzuschneiden, glaubte man hinlängliche Beweise (circumstantial proofs) zu besitzen, ihn auch ohne sein Eingeständniß zum Tode durch den Strang zu verurtheilen.

Er lauschte dem Spruch ruhig und ohne eine Miene zu verziehen, nur nahm sein Gesicht eine fast noch bleichere, leichenähnlichere Farbe an und er sagte dann, sich mit leiser aber doch deutlich klingender Stimme an die Geschworenen wendend, »daß er sie nicht tadeln könne, sie haben ihre Schuldigkeit gethan, Alles scheine gegen ihn zu sprechen und die Menschen müßten ihn wohl für schuldig halten, Gott aber wisse, wie er schuldlos sei, und wenn es mit seinen weisen Rathschlüssen übereinstimme, so werde er ihn auch wohl noch zu retten und seine Unschuld dazuthun wissen.«

So rückte der letzte Abend heran, und seine Frau, der man den Zutrit zu ihm natürlich gestattete, blieb mehrere Stunden in der engen Zelle, hielt sich aber sehr gefaßt und ruhig und sprach ihm sogar Muth ein – Gott werde ihn schon nicht in dem fremden Lande verlassen – er solle nur auf ihn bauen. Mac Ferson verlangte dann nach dem Priester; es war aber in der ganzen Ansiedelung kein katholischer Geistlicher, und der Ire bat dann, ihm einen Prediger der Baptisten zu senden, da er sich nach dem Trost der Religion sehne, wenn dieser auch aus einem nicht katholischen Munde käme.

Das freute die Baptisten ungemein und machte ihm ihre Herzen sehr geneigt. Der Prediger der kleinen Schaar, ein kleiner hagerer Mann, mit einem etwas abgetragenen blauwollenen Frack, sehr eingefallenen Wangen und etwas stieren gläsernen Augen, auf der scharfgebogenen Nase eine gewaltige Brille, säumte denn auch nicht lange, und versicherte ihm nach kurzer Unterredung, daß er, sei er nun des angeklagten Verbrechens schuldig oder nicht, in wenigen Stunden am Throne des Höchsten Verzeihung für seine Sünden und Gnade in den Augen des Allerbarmers finden würde.

Mac Ferson betete wohl bis zwölf Uhr in dieser Nacht mit dem frommen Manne, beichtete ihm alle seine Sünden, gestand auch, wie er schon, seit er das freie Land Amerika betreten, gewünscht habe dem katholischen Glauben zu entsagen und sich den Baptisten anzuschließen, deren einfache Formen ihm stets am meisten zugesagt, und bewies sich so zerknirscht, so weich und religiös, daß der Prediger diesen Augenblick nicht ungenützt vorüber lassen zu dürfen glaubte, und dem Verurtheilten noch einmal dringend an's Herz legte, das letztverübte Verbrechen zu gestehen, damit er vor Gott Nichts habe, was noch einen schwarzen Schatten auf seine Seele werfen könne. Hier blieb der Unglückliche aber verstockt und behauptete nur, der liebe Gott wollte ihn durch diesen unverschuldeten Tod für all' seine früheren Sünden und Laster strafen, an dem vergossenen Blute sei er jedoch unschuldig und der Kentuckier müsse von einem Anderen erschlagen sein.

»Ich habe einen Verdacht,« sagte er dann wie überlegend nach kurzer Pause, »aber er ist zu weit hergeholt, zu unwahrscheinlich, als daß ich es gewagt hätte, ihn vor den Geschworenen zu äußern; es würde meine Sache vielleicht noch verschlimmert haben.«

»Aber mir könnt Ihr ihn entdecken, armer Mann,« sagte der Prediger – »meinem Herzen könnt Ihr ihn vertrauen; wer weiß, ob nicht vielleicht dadurch noch Rettung für Euch möglich ist.«

»Ach nein, ehrwürdiger Herr,« erwiederte der Ire – »der Verdacht ist zu wild, zu oberflächlich, doch Ihr sollt ihn hören. Erst vorgestern äußerte der Kentuckier – wie auch allenfalls meine Frau bezeugen könnte, denn wir saßen zusammen am Tisch – daß er glaube einen Menschen hier in der Gegend gesehen zu haben, der seinen Wohnort umschliche, und dessen Anwesenheit er eigentlich fürchten solle, da er ihn früher einmal tödtlich beleidigt habe. Damals achteten wir nicht sonderlich auf die Worte, jetzt aber, da der Unglückliche erschlagen ist, kann ich kaum umhin zu glauben, daß jener Fremde die That verübt hat.«

»Aber weshalb erwähntet Ihr diesen so wichtigen Umstand nicht bei Euerem ersten Verhör?« rief der Prediger aus. »Man hätte in der benachbarten Gegend nachforschen und den Mörder, wenn es wirklich jener Fremde war, vielleicht auffinden können.«

»Ich wußte nicht gewiß, ob Jener der Thäter sei,« sagte der Ire mit frommen zum Himmel gerichteten Blicken, »und wollte keinen Unschuldigen in's Verderben bringen.«

So lange blieben die beiden Männer nun noch im Gespräch und Gebet zusammen, bis der Diener des Herrn fast wirklich von der Unschuld des armen Irländers überzeugt war; das einmal gesprochene Urtheil ließ sich aber einer solchen oberflächlichen Vermuthung nach nicht abändern, und die Stunde rückte heran, in welcher der zum Tode Verdammte die Strafe für ein Verbrechen erleiden sollte, das er, wie jetzt ein großer Theil der Bewohner von Seneka zu glauben anfing, gar nicht begangen. Der Baptist hatte nämlich seiner ganzen Gemeinde am nächsten Morgen das in der Nacht erhaltene Geständniß des armen Iren mitgetheilt, wobei er nicht zu erwähnen vergaß, mit welch frommem Herzen er sich ihrer Religion zugeneigt und dem Papstthum entsagt habe, und wer weiß, ob nicht schon aus diesem Grunde eine Art Gnadenakt zu seinen Gunsten ausgeübt wäre, hätten sich die Presbyterianer dabei nicht in's Mittel geschlagen, die schon das mit neidischen Augen betrachtet hatten, daß der Katholik die Religion der Baptisten der ihren vorgezogen.

Der Baptistenprediger suchte etwa zwei Stunden vor der Execution den Verurtheilten wieder auf und frug ihn, ob er vielleicht noch wünsche, seine Frau vor seinem Tode zum letzten Mal zu sehen; Mac Ferson verneinte das aber, indem er sagte, er habe schon Abschied von ihr genommen, und wolle sich das Sterben nicht durch eine zweite solche Scene erschweren. Sein ganzes Benehmen war aber an diesem Morgen so sonderbar, so eigenthümlich, daß es nicht umhin konnte, dem frommen Manne aufzufallen, der dann natürlich gar eifrig in ihn drang, ihm das zu entdecken, was seine Seele noch belaste, damit er rein und sündenfrei vor den Thron des Höchsten treten könne. Der Baptist glaubte nicht anders, als Mac Ferson fange an, durch die Nähe seiner letzten Stunde geängstigt, sein bisheriges verstocktes Leugnen zu bereuen, und wolle nun bekennen, daß er das Verbrechen doch begangen habe.

Mac Fersons ganzes Benehmen schien ihn auch darin zu bestärken, denn erst war er unruhig, ging mit etwas verstörten Blicken in dem engen Raume auf und ab, und beantwortete fast alle an ihn gerichteten Fragen zerstreut und wie mit ganz andern Dingen beschäftigt. Der Mann Gottes bat ihn zwar mehrere Male, seine Blicke nun der Ewigkeit zuzuwenden, an deren Pforten er in wenigen Minuten stehen würde; der Ire schien jedoch das Alles nicht zu beachten, preßte aber oft die Hände gegen die Stirn, als ob ihn ein wilder Traum schrecke oder irgend ein, vor seiner Seele ansteigendes Bild ängstige, bis endlich die Stunde schlug, die zu seiner Hinrichtung bestimmt war, und erst als er den nahenden Sheriff hörte, da warf er sich auf die Kniee nieder, betete mit leiser flüsternder Stimme ein kurzes Gebet, und gestand nun dem Prediger, er habe einen Traum gehabt, von dem er nicht wisse, ob er ihm von Gott, oder von dem Erzfeind, dem Teufel, gesandt sei.

Der Prediger drang jetzt in ihn, ihm den Traum mitzutheilen, der Gefangene wies aber auf den eben eintretenden Sheriff, der mit zwei Constablen in der Thür erschien, und flüsterte leise:

»Es ist zu spät!«

»Nein Mann – nein – es ist nicht zu spät,« rief der fromme Geistliche entsetzt, »das wolle Gott verhüten, daß Ihr in Euerem letzten Augenblick daran verhindert werden solltet mir mitzutheilen, was Euere Seele peinigt – nein – der Sheriff ist ein braver Christ und wird sicherlich nicht solche Verantwortung vor Gott auf sich nehmen wollen.«

Dieser versicherte auch dem Geistlichen augenblicklich, daß er gern bereit sei, noch eine Viertelstunde zu warten, die Zuschauer wären aber versammelt, und länger dürfe er den Ausspruch des Gesetzes nicht verzögern. Er zog sich dann nebst seinen Begleitern zurück und mehre Sekunden sah ihm Mac Ferson sinnend und ernst nach; dann aber wandte er sich an den frommen Mann und sagte mit fester, ruhiger Stimme:

»Ich sehe, ich darf nicht länger zögern; der Augenblick, der mich mit meinem Gott vereinen soll, ist gekommen. Vorher, ehrwürdiger Herr, erfahren Sie aber noch einen Traum, den ich in letzter Nacht geträumt und der mir in diesem Moment fast mehr als Traum scheint – ich habe den Mörder des Kentuckiers gesehen!«

»Großer Gott – wär' es möglich!« rief der Prediger, überrascht von seinem Stuhle aufspringend, »hätte Euch Gott in seiner unendlichen Güte den wahren Mörder gezeigt und wäret Ihr wirklich unschuldig? Wer war es?«

»Ich kenne ihn nicht.«

»Keiner aus dieser Stadt?«

»Nein!«

»Und Ihr habt ihn früher nie gesehen?«

»Nie!«

»Aber was, um des Heilandes willen, soll Euch das nützen? wer wird Euch glauben? wie wollt Ihr den Mann zur Stelle schaffen?«

»Ich kenne seinen Aufenthalt« –

»Ihr? aber woher?«

»Ich sah ihn im Traum – doch hört mich und sagt mir nachher, was ich thun, ob ich schweigen oder dem Volk den Traum bekannt machen soll. Mir war, als ob ich langsam, mit meiner Axt auf der Schulter, durch den Wald, und zwar auf demselben Fahrweg, auf dem der Mord geschehen, hinschlenderte, als ich plötzlich um eine Ecke bog, die hier durch dichtes Gestrüpp und einige umgestürzte Fichten gebildet wurde. Was ich dort wollte, weiß ich nicht mehr, denn ich bin nie so weit mit der Axt in dem Walde gewesen, aber mir war wunderbar leicht zu Muthe und ich hätte von der Erde auffliegen und über die Baumwipfel dahinstreichen mögen. Es kommt Einem ja manchmal im Traum ein ähnliches Gefühl. Da, wie gesagt, bog ich um jenes Dickicht herum und sah ein Schauspiel vor mir, das mir das Blut in den Adern zu Eis erstarren machte. Mitten im Fahrweg lag die große, kräftige Gestalt des Kentuckiers, und über sie hingebeugt, eben wieder zu erneutem Schlage ausholend, stand ein schlanker, schmächtig gebauter Mann, mit rabenschwarzem Haar, einer breiten Binde um das linke Auge, die sein halbes Gesicht verdeckte, und einem gelben, breiträndigen Strohhut auf dem Kopfe. Er trug ebenfalls einen hellen Rock, und wenn ich nicht irre, blaue Beinkleider und Schuhe.«

»Sie erstaunen vielleicht, daß ich das Alles so deutlich und genau behalten konnte, aber als ich den Mörder gewahr wurde, stand er, wie aus Stein gehauen, mit der gehobenen Waffe über seinem Opfer, und mehrere Minuten lang verharrten wir Beide so, starr und regungslos, wie die uns umgebenden Riesenstämme des Waldes.«

»Da fand ich zuerst Leben und Bewegung wieder und stieß einen lauten, durchdringenden Hülferuf aus, denn jetzt durchzuckte mich wie mit Blitzesschnelle der Gedanke: dort steht der wirkliche Mörder und Dich wird man dafür bestrafen, wenn Du ihn nicht ergreifst und festhältst. In demselben Augenblick aber begann auch der finstere Fremde sich zu regen; der schwere, keulenartige Stock fiel noch einmal mit dumpfem Schall auf den schon zerschmetterten Schädel des unglücklichen jungen Mannes nieder, und eilenden Laufes entfloh dann der feige Mörder in das Dickicht. Mir aber ward es in diesem Augenblicke klar. »Er oder Du!« rief ich mir zu, und mit einer Schnelle, die ich damals selber nicht begreifen konnte, folgte ich dem Flüchtling in das wildeste Dickicht der Niederung.«

»Wohl erinnere ich mich, wie ich dabei über meine eigene Kenntniß der Waldpfade erstaunte, ich, der ich sonst kaum zwanzig Schritte weit den gebahnten Weg zu verlassen wagen durfte, aus Furcht, mich zu verirren. So folgte ich dem Mörder, dessen leichte Gestalt immer in gleicher Entfernung vor mir blieb, den ich aber nicht zu erreichen vermochte, bis es mir endlich vorkam, als ob ich ihm, zwar langsam, aber doch sicher, näher und näher rücke.«

»Eine Stunde waren wir auf diese Art, wie mir träumte, gerannt, als wir eine Gegend erreichten, die mir bekannt schien, und ich sah bald, daß wir in einem weiten Bogen Seneka umlaufen hatten. Wir befanden uns nicht weit von der großen Straße nach Pittsburg, gerade da, wo die beiden tiefen Höhlen in den Berg hineingehen, und der Verfolgte mußte wohl in einer derselben Schutz suchen wollen, denn ich war ihm jetzt dicht auf den Fersen und hatte schon die Axt erhoben, um ihn vielleicht zu treffen und nieder zu werfen – als Sie, ehrwürdiger Herr, an die Thüre klopften. Ich fuhr erschreckt empor und – erwachte. Der Traum war verschwunden und anstatt frei im Walde, auf der Spur des wirklichen Thäters, fand ich mich wieder gebunden und eingekerkert, wie ein zur Schlachtbank bereit gehaltenes Opferthier.«

Mac Ferson warf sich stöhnend auf sein Lager zurück und der Prediger stand tief erschüttert neben dem Unglücklichen, den er nicht einmal zu trösten vermochte. Da mahnte ihn das wiederholte Klopfen des Sheriffs an die ihres Opfers harrende Gerechtigkeit und er schritt schnell zur Thür, diese zu öffnen. Rasch hatte er aber auch seinen Entschluß gefaßt, und dem eintretenden Beamten den Gefangenen überlassend, rief er diesem nur mit wenigen Worten zu, noch nicht zu verzagen, der alte Gott lebe noch, und eilte dann flüchtigen Schrittes dem Executionsplatz zu, wo schon die ungeduldig harrende Menge an zu murren, ja an zu toben fing, daß man die versprochene Hinrichtung so lange – verschiebe. – Dieselben Männer, die noch nicht einmal recht von der Schuld des Verurtheilten überzeugt waren, murrten, daß sie eine Viertelstunde länger seinen Tod erwarten sollten.

Da kam schnellen Schrittes der Prediger herbei – er bestieg das Schaffot, mit kurzgefaßten aber klaren und zum Herzen dringenden Worten rief er von dem todmahnenden Gerüst seine Überzeugung herab, daß der Angeschuldigte das Verbrechen nicht begangen, Gott selbst aber ihm durch einen wunderbaren Traum den Mann gezeigt, ja offenbaret habe, der schuldig und zum Tode reif sei.

Mit wenigen Worten erzählte er nun den ganzen Traum Mac Fersons, und wenn auch zwei gerade anwesende presbyterianische Geistliche sehr mitleidig darüber mit den Köpfen schüttelten, so war doch das Volk selbst nur zu gern bereit, einer so geheimnißvollen Enthüllung eines Verbrechens Glauben zu schenken und mit Jubelruf wurde der jetzt herbeigeführte Gefangene empfangen. Zwar hielten die Constabel die Masse zurück und ließen sich den ihnen Überlieferten nicht entreißen, aber dem ganzen Andrang der Menge konnten sie nicht widerstehen. Alles tobte und schrie:

»Nach den Höhlen! – nach dem Schlupfwinkel des Mörders! Gott selber hat seinen Versteck dem rächenden Arme des Gerichts verrathen! nach den Höhlen – fort nach den Höhlen!«

Und den Gefangenen in der Mitte, von dem Baptistenprediger angeführt, wogte die Menge dem etwa drei Meilen entfernten Gebirgszweig zu, an dessen Fuß sich jene, in der Ansiedlung genugsam bekannten Höhlen befanden, in die, wie der Traum gesagt, der Verbrecher geflohen war. Die breitausgehauene Countystraße führte auch in kaum fünfhundert Schritten daran vorüber und auf dieser hin wälzte sich der Zug in unaufhaltsamer Eile. Dort aber angelangt, wo die Männer die befahrene Straße verlassen und die pfadlose Wildniß betreten mußten, hielt sie ein alter Backwoodsman, ein Freund des erschlagenen Kentuckiers, auf und erklärte, daß sie, wenn sie auf solche Art noch weiter vorrückten, den Flüchtling im Leben nicht einholen würden, der ja schon eine halbe Stunde vor ihrer Ankunft den Lärm hören mußte, den sie machten, und dann natürlich nicht warten werde, bis sie herankämen und ihn einfingen. Er schlage daher vor, daß man sechs oder acht Jäger voranschicke, die sich anschleichen und das Terrain vorher recognosciren sollten; bemerkten diese dann vor den Höhlen und in der Nachbarschaft derselben nichts Verdächtiges, dann war es ja noch Zeit, die ganze Masse herbeizurufen.

»Haben wir nachher den Raum umzingelt,« fuhr der rauhe Backwoodsman in seiner Rede fort, »so kann uns nichts Lebendes, was in den Höhlen steckt, entgehen, denn die mitgebrachten Fackeln werden Licht genug geben; und finden wir ein solches Subject, wie unser Gefangener hier im Traum gesehen haben will, nun gut, so mag der seine Stelle einnehmen, denn wenn er ein gutes Gewissen hätte, triebe er sich nicht in den Schluchten und Felsecken herum. Finden wir aber Nichts, wie es mir fast am wahrscheinlichsten vorkommt, so schlag' ich vor, daß wir dann mit dem Wunder sehenden Mosje keine weiteren Umstände machen, sondern ihn an die erste beste Eiche aufhängen, denn umsonst soll er uns doch, beim Teufel, nicht in den April geschickt haben.«

Dieser Plan schien allgemein anzusprechen, schnell und geräuschlos wurden die Männer ausgewählt, die den Grund und Boden vorher recognosciren sollten, und der Sprecher, zum Führer ernannt, ordnete systematisch, wie bei einer Treibjagd, den Plan zum Vordringen.

Nach einigen, mit dem Gefangenen gewechselten Worten, hielt aber der Baptist die eben aufbrechenden Männer noch zurück, und schärfte ihnen besonders ein, den, den sie da treffen würden, lebendig einzufangen, da sie sich ja sonst gar nicht von der Unschuld des Verurtheilten überzeugen könnten; das sahen denn die einfachen Hinterwäldler auch recht gut ein und versprachen, ihr Blei zurückzuhalten, so lange es ginge. »Will er aber in spite auskratzen,« rief Einer, indem er seine Büchse schulterte, »nun dann will ich von Grashüpfern zu Tode getreten werden, wenn ich ihm nicht eins mit meiner langen Betsy auf den Pelz brenne; fort kommt er nicht, wenn er Knochen genug zeigt, um darnach zielen zu können.«

Im nächsten Augenblick waren die Männer im Walde verschwunden und Mac Ferson warf sich auf die Kniee nieder, preßte das Angesicht gegen die Wurzel einer alten hochstämmigen Eiche und betete inbrünstig. Sein Antlitz hatte eine wirklich unheimliche Leichenfarbe angenommen und seine blutunterlaufenen Augen starrten, ehe er sich zum Gebet niederbog, wild von einem der Zurückbleibenden zum andern.

Doch wir wollen indessen den Kundschaftern folgen, die, ihre Büchsen vorher untersuchend und die Messer in den Scheiden lockernd, langsam vorrückten, um sich nicht vor der Zeit zu verrathen. Leslie, der Führer der Schaar, gab endlich, an einer kleinen Waldblöße angelangt, das Zeichen zum Halten, um seine Leute zu vertheilen, und versammelte diese nun leise um sich, während er, erst nach allen Seiten einen scheuen Blick hinüber werfend, flüsternd sagte:

»Hört, Ihr Burschen, mir wird's ganz unheimlich und schauerlich zu Muthe. – Hol' mich Dieser und Jener, 's ist doch curios, einem Menschen nachzujagen, den ein anderer im Traum gesehen hat – es wird Einem ganz grauslich dabei.«

»Der Prediger hat aber doch auch gesagt, daß wir gehen sollten,« bemerkte ein Anderer.

»O der Prediger mag zu – Grase gehn!« rief Leslie, »deshalb thu' ich's beim Teufel nicht – ich will nur sehen, ob so ein Schuft noch da herumkriecht, der heimtückischer Weise einen Mann wie Hills zu erschlagen gewagt. – Oder ich will mich wenigstens selber überzeugen, daß Keiner da ist,« fuhr er, ärgerlich mit dem Fuße stampfend, fort, »denn – Tod und gelbes Fieber – verdammt will ich sein, wenn ich ein Wort von dem ganzen Unsinn glaube.«

Der alte ehrliche Backwoodsman suchte durch halbunterdrücktes Fluchen das unheimliche Gefühl zu ertödten, das sich ihm unwillkürlich aufdrang; er selbst aber zweifelte keinen Augenblick, daß hier irgend ein böser Geist, vielleicht gar der Teufel, sein Spiel treibe, und begriff nur nicht recht, was die Prediger dabei zu thun hätten.

So beschränkt aber auch seine Ideen in geistiger Hinsicht sein mochten, so ganz war er am Platz, wo es galt, einen Feind zu beschleichen oder irgend einen vermutheten Lagerplatz, wie es hier der Fall war, zu umzingeln. Schnell und umsichtig traf er seine Maßregeln. Er kannte auch das Terrain genau und wußte, nach welcher Richtung hin ein Mensch, der sich hier wirklich verborgen halten wolle, entfliehen könne, sobald er Gefahr ahne, und nur Einen deshalb auf einem Umwege dem steilen Bergkamm zusendend, in dessen Fuß die Höhlen hineinliefen, postirte er die Übrigen in einen weiten Halbkreis und gab, durch täuschend nachgemachten Eulenruf, das Zeichen zum gemeinschaftlichen Vorrücken.

Er selbst aber glitt, von einem jungen Hinterwäldler allein gefolgt, auf einem schmalen Fußpfade, der gerade zu den Höhlen hinführte, weiter, und eine kleine Anhöhe übersteigend, sah er plötzlich Rauch von dorther durch die hohen Kiefernwipfel emporwirbeln.

Ein zweiter Eulenruf fesselte Jeden an die Stelle, auf der er sich befand, und Leslie kroch nun auf beiden Knieen und auf den linken Ellbogen gestützt, während er die treue Büchse mit der Rechten fest auf der rechten Schulter hielt, jenem Orte zu, von woher der Rauch zu kommen schien.

Der Wald bestand hier größtenteils aus Nadelholz, mit sehr wenig Unterholz vermischt, der Boden war deshalb auch fast einzig und allein mit Fichtennadeln bedeckt, und geräuschlos – hier und da die niedergebrochenen, trockenen kleinen Äste und Zweige vermeidend, um sich nicht durch das Knacken derselben zu verrathen – schlich der geübte Jäger dem Eingang der ersten Höhle näher und immer näher. Gerade auf dem Kamm der ziemlich flachen Anhöhe lag jedoch eine umgestürzte Fichte, mit der Wurzel der verdächtigen Stelle zu, und sich vorsichtig um den Wipfel herumbiegend, glitt er am Stamme hin und befand sich nun hinter dem Erdwall, der in den durch den Sturz der Riesin mit ausgerissenen Wurzeln hängen geblieben war. Hier aber kauerte er mehrere Sekunden lang laut- und regungslos nieder – das Herz schlug ihm schwer und ängstlich in der Brust, und er getraute sich kaum den Kopf zu heben, um über das niedere Bollwerk hinwegzuschauen. Dort sollte er ja das Wesen sehen, das er, er wußte selbst nicht weshalb, zu den Überirdischen rechnete, weil seine Existenz einem Sterblichen durch ihm unbegreifliche Mittel verrathen war, und lange konnte er sich nicht entschließen, das mit eigenen Augen zu erblicken, was zu glauben sein Verstand sich sträubte. Endlich faßte er ein Herz, hob leise den Kopf empor und – hätte vor Überraschung fast laut aufgeschrieen, denn in kaum zweihundert Schritten Entfernung – das Gesicht ihm zugewandt – saß – Zug um Zug – die von dem Gefangenen beschriebene Gestalt.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
180 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain