Kitabı oku: «Die Regulatoren in Arkansas», sayfa 24
Endlich – endlich kamen die Tritte näher; der Suchende hatte die Schlucht durchkreuzt – er kannte die Stelle, wo der Indianer gelegen, und umging sie – er mußte jetzt an dem Freund dicht vorbeikommen. Wieder tönte der Ruf, und mit vorgebeugtem Körper horchte der Jäger. Johnson versuchte das Äußerste, um wenigstens das Laub mit dem Fuß rascheln zu machen – den jungen Stamm zu schütteln, an dem er festgebunden war – vergebens. Der Wind rauschte und wehte noch in den Zweigen, und das Laub war feucht und weich, es raschelte nicht.
Da kam die Gestalt heran, es war Cotton. Johnson konnte deutlich den Hut erkennen, den er auf dem Kopf trug – er konnte das Gesicht sehen; Cotton kam gerade auf ihn zu – noch zwanzig Schritt in der Richtung weiter, und er mußte auf seinen Körper treten. Da wandte er sich um – er schien seinen Plan geändert zu haben —, horchte noch einmal hinaus in den rauschenden Wald, ob vielleicht jener winselnde Schrei der Wölfe der erwartete Eulenruf sei, und glitt dann, als er sich wiederum getäuscht sah, schnell und lautlos in das nächste Dickicht.
Es war vorbei – keine Aussicht mehr auf Rettung, und verzweifelt sank der Gefangene in sich zusammen. Er achtete nicht auf das Geheul der wilden Bestien, der Tod war ihm nun gleichgültig, wenn nicht erwünscht.
29. Rowson bei Roberts – Die Truthühnerjagd – Ellen und Marion
Das Mittagessen war beendet, das Geschirr abgewaschen und fortgestellt, und vor dem Eingang des kleinen Hauses saßen die Freunde und plauderten von diesem und jenem. Rowson hatte seinen Stuhl neben den von Marion gerückt und hielt die Hand der Braut in der seinen, während Harper an Ellens und Bahrens an des alten Roberts Seite Platz genommen.
Nach welchen verschiedenen Richtungen das Gespräch aber auch immer gehen mochte, auf den Ehestand kam es stets wieder zurück, und Harper war nun schon zum drittenmal gefragt worden, warum er sich nicht nach einer Frau umsehe, die ihm seine alten Tage verschönen könne.
»Davor bin ich sicher – ich wüßte nicht, wie ich eine bekommen sollte. Die einzige Art wäre, daß ich es wie mein Bruder machen müßte, der sich in die Lotterie gesetzt und ausgespielt hat.«
»In die Lotterie gesetzt, Mr. Harper? Sich selbst?«
»Nun, die Sache war sehr einfach; er machte sechshundert Lose, jedes zu zehn Dollar, für Mädchen und Witwen unter dreißig Jahren – bei der Untersuchungskommission hätten Sie sein sollen – und setzte sich selbst mit den also gewonnenen sechstausend Dollar ein.«
»Aber, Mr. Harper!«
»Nun wurde er jedoch bloß fünfhundert und einige dreißig los, behielt also einige sechzig und hatte die starke Hoffnung, sich selber wieder zu gewinnen – ja prosit. Ein junges Mädchen, die drei Zeugen gebracht, daß sie erst achtundzwanzig Jahre alt sei, bekam ihn, und er ist jetzt glücklicher Familienvater. Hier in Arkansas möchte es aber schwer werden, sechshundert Lose anzubringen.«
»Nicht, wenn Sie im Einsatz ständen«, meinte Marion lächelnd. »Ich bin fest überzeugt, die Kandidatinnen kämen von allen Seiten.«
»Und würden Sie auch ein Los nehmen?«
»Warum nicht«, antwortete Marion heiter, »man gewinnt ja manchmal etwas, was man nicht gebrauchen kann. Ich könnte Sie ja an eine gute Freundin verschenken; an Ellen zum Beispiel.«
»Ei warum nicht«, sagte Harper, »ich würde kaum etwas dagegen einzuwenden haben.«
Rowson hatte indessen dem Gespräch zugehört und sich nur selten eingemischt, hielt aber in seiner Hand einen ausgespannten Truthahnflügel als Fächer und scheuchte damit seiner Braut die sie hier und da umschwärmenden Fliegen und Moskitos fort.
Mrs. Roberts nahm ebenfalls einen Fächer, denn die Hitze wurde wirklich drückend.
»Wir werden ein Gewitter bekommen«, meinte Roberts und zog seinen Rock aus, »die Luft ist so sonderbar schwül – ich muß doch einmal nach dem Thermometer sehen – apropos Rowson«, fuhr er fort, indem er aufstand, »wißt Ihr, wer die Leute waren, deren Wagen wir, sahen, als Ihr oben bei der Salzlecke zu mir kamt? Tennesseer, frühere Nachbarn von mir, Stevensons, prächtige Leute. Ich habe mich recht gefreut, sie wiederzusehen; und, Marion, die Mädchen sind herangewachsen, die würdest du gar nicht wiedererkennen.«
»Oh, warum sind sie denn nicht bei uns eingekehrt?« fragte Mrs. Roberts, »man sieht doch so selten alte Freunde. Kennen Sie Stevenson auch, Mr. Rowson?«
»Nicht daß ich wüßte«, erwiderte dieser, »und ich habe sonst ein ziemlich gutes Gedächtnis. Stevenson – der Namen jedenfalls ist mir von Tennessee her bekannt, die Familie selbst aber schwerlich.«
»Er ist drüben am Arkansas gewesen, als der letzte Mord geschah«, sagte Roberts, jetzt mit dem Thermometer in der Hand zurückkommend. »Und er hat den Mörder gesehen – dreißig Grad, es ist erstaunlich…«
»Das ist doch nicht möglich!« rief Rowson entsetzt.
»O doch – sehen Sie, über dreißig Grad!« entgegnete Roberts und hielt ihm das Thermometer entgegen.
»In der Tat«, erwiderte Rowson, schnell gefaßt. »Wie aber konnte er das?«
»Konnte was?«
»Wie konnte Mr. Stevenson den Mörder gesehen haben? Es wurde ja behauptet, der Mann habe sich selbst erschossen, eben weil man keine Spur entdeckt hatte.«
»Unsinn«, sagte Roberts, den Kopf schüttelnd. »Stevenson stand hinter einem Baum, an dem die beiden Männer, kaum fünf Minuten, bevor der Schuß fiel, vorbeigekommen sein sollen. Er hat mir versichert, er würde den Burschen unter Tausenden wiedererkennen. – Er ist ein prächtiger alter Mann; er würde Ihnen ungemein gefallen.«
»Ich zweifle gar nicht daran«, erwiderte Rowson, »aber…«
»Nun sagt mir einmal, Roberts«, unterbrach ihn Bahrens, »wie ist denn das Ding da, das Ihr in der Hand habt und ein Thermometer nennt, eigentlich eingerichtet, daß Ihr an dem sehen könnt, ob es warm oder kalt sei?«
»Nun, das Quecksilber steigt bei Wärme«, erwiderte der Gefragte, »und fällt, je kälter es wird!«
»Und danach richtet sich das Wetter?«
»Nein, das Thermometer richtet sich nach dem Wetter!«
»Ihr habt mir aber doch einmal erzählt, in den grünen Gebirgen wäre es 1829 nur deshalb so unmenschlich kalt geworden, weil sie kein solches Ding oben gehabt hätten.«
»Ih bewahre«, sagte Roberts lachend.
»Damals war aber eine Kälte!« rief Harper. »In dem Winter lebte ich am Eriesee in Cleveland, und das Quecksilber fiel Gott weiß wie tief unter Null. Ein alter Pennsylvanier, bei dem ich wohnte, behauptete auch, es wäre noch tiefer gefallen, wenn das Thermometer nur länger gewesen wäre.«
»Wird sich Mr. Stevenson noch einige Tage in dieser Nachbarschaft aufhalten?« fragte Rowson, der bis jetzt in tiefen Gedanken vor sich niedergeschaut hatte.
»Nein – bewahre! Er sagte ja – ja so. Sie kamen erst nachher zu mir – nein, er geht direkt in die Gegend, in der er sich niederlassen will, an den Fuß der Gebirge. Wie er mir aber versicherte, gefällt ihm unser Land hier am Fourche la fave ungemein, und er schien gar nicht übel Lust zu haben, gleich hierzubleiben. Seine Frau jedoch und seine Töchter fürchteten sich sehr von den Pferdedieben, denn da diese, wie sie am Arkansas gehört hatten…«
»Nun, deswegen brauchten sich die Frauen doch nicht zu fürchten«, unterbrach ihn Bahrens, »mit der Gesellschaft werden wir schon fertig.«
»Allerdings , meinte Rowson, »die Leute machen die ganze Sache auch gefährlicher, als sie wirklich ist. Der Fourche la fave hat einen viel schlimmeren Namen, als er verdient und…«
»Hallo – was haben die Hunde da?« rief Roberts aufspringend, »Poppy hat schon in einem fort gewindet, und jetzt geht’s durchs Feld, als ob der Böse hinter ihm her hetzte.«
»Es sind Truthühner, Vater«, antwortete Marion. »Ellen und ich gingen vor Tisch dort unten herum und sahen, gleich am Bach, ein ganzes Volk.«
»Ei, warum habt Ihr denn das nicht längst gesagt?« rief Roberts, aufspringend, »ich habe seit acht Tagen keinen Truthahn geschossen. Geht Ihr mit, Bahrens?«
»Gewiß«, sagte dieser und holte sogleich seine Büchse, die er stets bei sich führte, aus dem Haus. »Und wenn ich nicht irre, so haben die Hunde sie auch schon in den Bäumen.«
»Jawohl, ich erkenne Poppys Stimme. Doch jetzt müssen wir eilen, sonst ziehen sie hinunter in die Niederung, und da kann man schlecht nachkommen.«
Bahrens bedurfte keiner weiteren Aufmunterung, und schnell liefen die beiden Männer an der Fenz des Maisfeldes hinab, wo die Hunde wild unter den Bäumen umherrannten und nicht mehr zu wissen schienen, auf welchem die geflüchteten Tiere saßen. Aber auch die Jäger blickten sich vergebens um, denn das Laub war sehr dicht, und die schlauen Truthühner hatten sich so fest an die Äste gedrückt, daß sie nicht zu erkennen waren.
»Es wird ein alter Truthahn gewesen sein«, sagte Bahrens, »und der ist doch um diese Zeit nicht besonders schmackhaft.«
»Nein«, meinte Roberts, »aber ich habe erst gestern vier Hennen gesehen, die dieses Jahr auf keinen Fall brüten können. Einen fetteren Braten gibt’s auf der Welt nicht als eine solche Henne in dieser Jahreszeit.«
»Nun, dann müssen wir abwarten«, entgegnete Bahrens, »ruft die Hunde. Bleibt Ihr hier, und ich will dahinüber auf die kleine Anhöhe gehen. Können wir die Hunde ruhig halten, so wird es nicht lange mehr dauern, bis sich die Hennen wieder melden – lange schweigen sie nicht gern.«
Roberts, der völlig mit diesen Vorsichtsmaßregeln einverstanden war, rief seine Hunde, die sich dicht neben ihm niederlegen mußten, und wohl eine Viertelstunde rührte sich keiner der Männer. Endlich ahmte Bahrens leise, aber täuschend den Ruf der Hennen nach, und es dauerte auch nicht lange, so antwortete eine gerade aus dem Baum über Roberts.
Die Hunde sahen erst zu ihrem Herrn empor, dann wieder in die Bäume und fingen an ungeduldig zu werden. Roberts wollte aber warten, bis Bahrens ebenfalls einen Vogel zum Schuß hatte, und erst als mehrere Truthennen von verschiedenen Baumkronen her antworteten und jener die Büchse hob, richtete er sich empor und legte auf sein Wild an.
Die Truthenne war indessen von dem Aste, an welchem sie dicht angeschmiegt gesessen, aufgestanden und schaute eben, den Hals nach allen Richtungen drehend, umher, ob die Gefahr verschwunden sei. Da krachte Bahrens’ Büchse, fast in demselben Augenblicke war aber auch Roberts schußfertig geworden, und beide Vögel stürzten mit schwerem Fall von ihrer Höhe hernieder, wo sie von den Hunden augenblicklich in Empfang genommen wurden.
Mrs. Roberts und Harper hatten indessen, während die beiden Männer dem Wild nachgegangen waren, ein Gespräch mit dem Prediger anzuknüpfen versucht und bald von diesem, bald von jenem begonnen. Rowson schien aber heute wenig zu ausführlichen Antworten geneigt und überhaupt entsetzlich zerstreut zu sein.
Besser unterhielten sich währenddessen die Mädchen, die Arm in Arm vor dem Haus umhergingen. Aber beide vermieden seltsamerweise jede Berührung ihrer Zukunftspläne, vielmehr sprachen sie von ihren Kinder- und Jugenderlebnissen.
»Ach, liebe Ellen«, sagte Marion seufzend, »das waren doch recht schöne Zeiten, und wir wußten damals noch nicht, was Sorge und Kummer ist. Der Übergang aus diesem glücklichen Alter in das reifere Leben ist auch so unmerklich, kommt so allmählich, daß man es nicht eher bemerkt, als bis man alle jene schönen Tage weit, weit hinter sich hat und nun wie vor einem Abgrund…«, sie hielt plötzlich inne, als ob sie sich scheue, den Satz zu vollenden, und wandte den Kopf ab, daß Ellen die Tränen nicht bemerken konnte, die ihr in die Augen traten.
»Warum bist du so traurig, Marion?« fragte die Freundin teilnehmend, »du stehst doch am Ziel deiner Wünsche, und ich sollte denken, die Verbindung mit dem Manne, den wir lieben, dürfte uns nicht so traurig und wehmütig stimmen. Daß man sich mit einem gewissen Bangen zu einem solchen Schritt entschließt, finde ich eher begreiflich. Oder hast du einen Kummer?«
»Nein, Ellen«, flüsterte Marion, »nein – ich bin nur töricht und sollte eigentlich recht freudig und mit froher Zuversicht in die Zukunft schauen. – Aber horch, da fielen eben zwei Schüsse – sie scheinen die Truthühner gefunden zu haben. Nun gibt’s für uns beide noch etwas zu tun heut abend«, fuhr sie dann, sich lächelnd zu Ellen wendend, fort. Aber auch in deren Gesicht bemerkte sie Spuren von heimlich vergossenen Tränen und fragte ängstlich:
»Ach, Ellen, liebe Ellen, was fehlt denn dir? Sieh, ich bin ein so verzogenes und nur immer mit mir selbst beschäftigtes Wesen und habe kaum bemerkt, wenigstens nicht beachtet, daß auch du seit einiger Zeit niedergeschlagen und still bist. Willst du mir nicht den Grund sagen?«
»Ja!« erwiderte Ellen, nun wieder lächelnd. »Du sollst alles wissen – doch nicht heute – in einigen Tagen erst, wenn du selbst ruhiger und mit dir im reinen bist. Dann sollst du alles erfahren; aber«, fuhr sie schmeichelnd fort, »habe ich dich erst einmal zu meiner Vertrauten gemacht, dann mußt du mir auch helfen, ja? Ich werde dir auch helfen.«
»Wenn du das könntest, Ellen!«
»Also fehlt dir doch etwas?«
»Mutter rief mich, wenn ich nicht irre, ich bin gleich wieder bei dir«, sagte Marion ausweichend und floh in das Haus. Aber die Mutter hatte nicht gerufen, das Mädchen wollte nur aus der Nähe der Freundin fort und das Gefühl bekämpfen, das sie mit kaum widerstehlicher Gewalt zwang, ihr alles, was sie peinigte und quälte, anzuvertrauen.
Die Männer kehrten jetzt, mit ihrer Beute beladen, von der Jagd zurück, und das Gespräch wandte sich wieder allgemeinen Dingen zu. Die Mädchen hatten jedoch vollauf zu tun, die Truthühner, ehe sie erkälteten, zu rupfen. Beide behaupteten, seit langer Zeit kein so fettes Wild in den Händen gehabt zu haben.
Rowson aber hatte das, was ihn beunruhigt oder gestört, indessen ebenfalls abgeschüttelt und seine sonstige Ruhe wiedererlangt. Er schien sogar an diesem Abend einmal das ernste, strenge Wesen des Predigers beiseite legen zu wollen, zeigte sich lebhaft, ja sogar heiter und war mehr als je, selbst in Marions Augen, zu seinem Vorteil verändert. Mrs. Roberts war entzückt, und der alte Roberts nahm Bahrens zweimal beiseite und gab ihm im Vertrauen zu verstehen, er glaube, der Prediger sei ein anderer Mensch geworden. Erstlich wäre er schon nahezu sechs Stunden im Hause, ohne ein einziges Mal zu predigen, und dann habe er eine so gewisse Ungezwungenheit und Keckheit in Ton und Wesen, wie man sie früher noch nie an ihm bemerkt hätte.
»Er ist heut abend eine ganz andere Person«, rief er nach einer Weile wieder, sich die Hände reibend, »verdammt, wenn’s nicht wahr ist – und merkwürdig hat er sich verändert, aber sehr zu seinem Vorteil, Bahrens, sehr zu seinem Vorteil.«
Dem Gebet sollte Roberts aber dennoch nicht entgehen, denn vor dem Schlafengehen hielt Rowson erst noch eine sehr lange, salbungsvolle Predigt, der sich die Männer in Geduld fügen mußten.
Am nächsten Morgen wurde nun beim Frühstück der Plan zu dem heutigen Sonn- und Festtag entworfen, und Mrs. Roberts war dafür, sogleich gemeinsam aufzubrechen, um die Wohnung ihres künftigen Schwiegersohnes hübsch einzurichten, dort Mittag zu essen und dann am Nachmittag zu dem von dort kaum eine Meile entfernten Haus des Richters hinüberzureiten. Hierin stimmte ihr auch Mr. Rowson bei, bat jedoch die Gesellschaft, nur noch etwa eine Stunde seiner zu harren, da er vorher eine Kleinigkeit zu erledigen habe, jedoch in kurzer Zeit zurück sein würde.
»Aber nicht wahr, Mr. Harper und Bahrens, Sie bleiben heute unsere Gäste?« fragte Mrs. Roberts. »Wir müssen diesen Tag zusammen feiern, und ich wünschte nur, Mr. Brown wäre auch hier. Das läßt sich freilich jetzt nicht mehr ändern. Regeln Sie also Ihre Geschäfte recht schnell, Mr. Rowson, und Sie sollen uns, wenn Sie zurückkommen, fertig gerüstet und bereit finden.«
Rowson bestieg das ihm von dem Negerknaben vorgeführte Pferd, winkte noch einen Gruß zurück und trabte, schneller, als es sonst seine Art war, wenn er Roberts’ oder irgendein anderes Haus der Ansiedlung verließ, die schmale Countystraße entlang.
30. Der Hinterhalt
Nachdem Weston Atkins’ Haus verlassen, hatten es sich die beiden Gäste so bequem gemacht, als es die Umstände erlaubten, und Curtis trat jetzt vor die Tür und schaute sinnend zu den blauschwarzen Wolkenmassen empor, die sich im Westen aufzutürmen begannen.
»Sollte mich gar nicht wundern, wenn das Wetter hierher käme«, sagte Atkins an seiner Seite, »seht einmal, wie die weißen dünnen Nebelschleier jagen. Wenn wir nur keinen Hurrikan bekommen. Vor sechs Jahren am Whiteriver sah es ebenso aus, und da war nachher der Teufel los.«
»Wart Ihr vor sechs Jahren am Whiteriver?« fragte ihn Cook, der den beiden Männern gefolgt war.
»Ja, ich wohnte etwa zwei Meilen unterhalb der Straße, die von Memphis nach Batesville führt.«
»Das muß ja zu der Zeit gewesen sein, als sie den Witchalt hingen, der seinen Vater erschlagen hatte, nicht wahr?« fragte Curtis.
»Später«, meinte Atkins, »ich kam etwa vier Wochen danach.«
»Die Whiteriver-Boys übten strenge Gerechtigkeit«, stellte Cook lachend fest, »den Pferdedieb – wie hieß er doch gleich – ließen sie auch baumeln.«
»Das kann ich ihnen nicht verdenken«, rief Curtis, »mit Pferdedieben wird kein rechtlicher Mann Erbarmen haben, das heißt, wenn er selbst Pferde besitzt, nicht wahr, Atkins?«
»Ihr betreibt eure Gerechtigkeit sehr eigennützig«, antwortete dieser ausweichend, »aber – ihr werdet hungrig sein, nicht wahr? Ich will…«
»Danke – danke«, rief Curtis und hielt ihn zurück, »wir haben tüchtig zu Mittag gegessen und können recht gut warten, macht Euch keine Umstände. Eurer Frau wird heute überdies nichts an besonderen Mahlzeiten liegen.«
»Nein, allerdings nicht«, sagte Atkins, »denn das ist eine Wirtschaft da drüben, daß einem Hören und Sehen vergeht.«
»Geht es dem Kind denn noch immer nicht besser?«
»Leider nein – wie wär’s aber auch anders möglich? Es ist schon schlimm genug, wenn ein Kranker einem Doktor in die Fäuste fällt, hier sind ihrer aber elf darüber her, und ich baue jetzt so fest auf meines Kindes Konstitution, daß ich wirklich glaube, sie können’s nicht totmachen, sonst wär’ es schon lange gestorben. – Ich will aber lieber Licht holen, es fängt an dunkel zu werden. Donnerwetter, wie der Wind draußen pfeift, wir haben doch dieses Jahr einen merkwürdig stürmischen Frühling.«
Nach diesen Worten verließ er das Zimmer, und die beiden Regulatoren waren allein.
»Hört, Curtis« , sagte nach einer kleinen Pause Cook zu dem Freund, »um Atkins tut es mir wahrhaftig leid, daß der auch einer von den Schuften ist.«
»Sprecht leiser«, ermahnte dieser, »wer zum Henker weiß denn, ob nicht da oben irgend jemand versteckt liegt. Ja, er ist sonst ein recht ordentlicher Kerl, und ich habe ihn immer ganz gut leiden können.«
»Ich bin neugierig, was sie mit ihm anfangen werden«, fuhr Cook nachdenklich fort, »ich hoffe doch nicht, daß sie ihn hängen! Hört, Curtis – schuld an seinem Tode möcht’ ich nicht sein; Strafe hat er verdient, und ich sehe recht gut ein daß wir dem Unwesen steuern müssen, aber hängen – nein – schon der Frau und des Kindes wegen nicht.«
»Nun, das wäre ein sauberes Schutzmittel«, erwiderte Curtis lachend. »Dann brauchten ja nur alle Schufte zu heiraten, um sicher vor dem Strang zu sein – das dürfte nicht als Hindernis betrachtet werden; aber leid würde er mir auch tun. Nein, hängen sollte man ihn nicht, nur…«
»Still, er kommt«, unterbrach ihn Cook, und der ahnungslose Wirt trat mit einem aus Wachs und Hirschtalg gegossenen Licht in die Stube, stellte es auf den Tisch und zündete es mit einem Kienspan an.
»Das pfeift draußen, als ob es uns das Dach über dem Kopf wegblasen wollte«, sagte er und stocherte ein wenig im Kamin, »wenn’s der Wind nicht vertreibt, so müssen wir das Unwetter in zehn Minuten hier haben.«
»Böse für die, die heute draußen sind«, sagte Curtis, »das Vieh drängte sich auch gegen Abend merkwürdig ums Haus herum.«
»Waren viele Leute vom Petite-Jeanne in der Versammlung?« fragte Atkins.
»Nicht besonders viele«, sagte Cook, »sie hatten sich wohl meistens darauf verlassen, daß sie es morgen näher haben würden. Ein Fremder nur, der seine gestohlenen Pferde suchte.«
»Ein Halbindianer«, erwiderte Atkins, »ja, der war auch hier bei mir und erkundigte sich nach ihnen. Ich konnte ihm aber leider keine Auskunft geben.«
»Ihr habt gar nichts von seinen Pferden gesehen?« fragte Cook, ihn scharf fixierend.
»Nein – wie sollte ich«, erwiderte Atkins, ohne dem Blick zu begegnen. »Ich bin überhaupt seit den letzten vier Tagen nicht aus meiner Fenz herausgekommen, und vor den Häusern werden die Pferdediebe denn doch wahrhaftig die gestohlenen Tiere nicht vorbeitreiben.«
»Schwerlich«, meinte Curtis lächelnd. »Aber was haben denn die Hunde, sie lärmen ja merkwürdig.«
»Vielleicht noch einer der Regulatoren, den das nahende Gewitter hier hereintreibt«, sagte Cook.
»Wahrscheinlich«, pflichtete ihm Atkins bei, »ich will doch einmal nachsehen – Ruhe da – ihr Bestien! Ruhe!«
Er trat mit diesen Worten vor die Tür, und Curtis flüsterte zu Cook: »Das ist Stevenson, paßt auf. Der hat aber eine schlechte Zeit gewählt, das Wetter werden wir auf jeden Fall vorüberlassen müssen. Die im Schilfbruch werden sich übrigens nicht wohl fühlen; da befinden wir uns doch hier behaglicher.«
»Wie weit ist’s noch bis zum Fourche la fave?« überschrie jetzt draußen eine Stimme das Toben der Hunde.
»Pest und Gift«, murmelte Atkins vor sich hin und sprang von den Stufen hinunter, »das wäre ja verdammt schnell gegangen, wenn da schon die zweite Sendung käme. Jones hat mir doch gesagt, es würde noch acht Tage dauern.«
»Er fließt gleich nebenbei«, sagte er dann laut zu dem Mann, der, in einen weiten Regenmantel dicht eingehüllt, auf seinem Pferde saß. »Wer seid Ihr – Sir? Ich heiße Atkins.«
»Habt Ihr gute Weide hier?« war die leise Antwort.
»Von woher kommt Ihr?« flüsterte Atkins ebenso leise.
»Ich bitte um einen Trunk Wasser.«
»Höll’ und Teufel! Jones sagte mir doch, es würde noch acht Tage…«
»Laßt uns die Pferde schnell in Sicherheit schaffen«, unterbrach ihn der Fremde«, ich habe meinen Jungen bei ihnen, und es ist ein fürchterliches Wetter im Anzug.«
»Das Naßwerden wird ihnen nichts schaden«, erwiderte Atkins, »ich habe Fremde im Haus und kann jetzt nicht fort.«
»Aber der Regen würde die Fährte so schön wieder verwaschen«, wandte jener ein.
»Das ist allerdings wahr – wieviel habt Ihr?«
»Drei.«
»Drei nur? Jones sagte mir von sieben.«
»Die anderen kommen morgen abend, wir durften die Fährten nicht zu breit machen.«
»Ist das der Junge, den ich zum Weiterschaffen der Tiere hierbehalten soll?«
»Den Jungen? Ja so, – ja – er weiß um alles.«
»Kennt er auch den Weg nach dem Mississippi?«
»Wir kommen eben…« versprach sich der alte Mann, bemerkte aber noch glücklicherweise zeitig genug seinen Fehler und fuhr nach kurzem Husten fort, »von Westen zwar, der Junge ist aber auch schon oft in der Gegend gewesen. Doch macht fort, es fangen schon an große Tropfen zu fallen.«
»Gut – dann wartet nur einen Augenblick, ich will denen da drinnen sagen, Ihr sähet selbst nach Eurem Pferde oder sonst irgendwas – hallo – wer ist das?«
Ein Mann näherte sich der Fenz, gab sich aber gleich darauf als Weston zu erkennen.
»Ach – Ihr kommt mir gelegen, Weston«, rief Atkins, »geht mit ihm hinten herum und bringt die Tiere in Sicherheit, nachher kommt herein. Ich kann die beiden Regulatoren nicht gut allein lassen!«
»Regulatoren habt Ihr da drinnen?« fragte der Alte scheinbar erschrocken.
»Es sind Gäste, die bloß hier übernachten«, beruhigte ihn Atkins, »aber Ihr müßt wahrhaftig warten, bis das Wetter vorüber ist, es wird augenblicklich losprasseln. Wenn die Pferde im Bach stehen, schadet’s auch nichts; da hinterlassen sie keine Spuren.«
»Im Bach?« fragte der Fremde, »sie stehen aber nicht im Bach. Ich habe sie oben an der Feldecke.«
»Ei, so hol Euch der Henker; warum brachtet Ihr sie denn nicht auf den alten Platz?«
»Es ist das erstemal, daß ich hier hin.«
»Ja, dann nehmen wir sie doch lieber gleich herein«, rief Atkins ärgerlich, »da oben an der Fenzecke möchte ich nicht gern morgen früh Hufspuren haben – der Indianer ist noch in der Nähe. Führt Ihr ihn also bis an die hintere Tür, Weston, ich will erst einen Augenblick ins Haus gehen und komme gleich nach.«
Entschuldigt, Gentlemen«, sagte er dann zu den beiden Regulatoren, als er wieder ins Zimmer kam und die Tür hinter sich geschlossen hatte; »es ist ein Fremder gekommen, der sehr eigen zu sein scheint und sein Pferd selbst unter Dach und Fach bringen will. Er wird gleich hereinkommen. Aber hallo – da bricht das Wetter los – nun wahrhaftig, das tobt nicht übel.«
»Sonderbar, wie hell es wird«, sagte Curtis, durch ein kleines, in die Holzwand gehauenes Fenster schauend, »bei einem solchen Blitz kann man die ganzen Felder mit einem Blick übersehen.«
»Wollen Sie sich nicht an den Kamin setzen, Gentlemen?« bemerkte Atkins etwas unruhig, »es zieht dort, und hier ist’s behaglicher.«
»Warum nicht«, rief Cook, den Stuhl heranschiebend, »kommt, Curtis – laßt das Wetter draußen toben und dankt Gott, daß Ihr Eure eigene Haut trocken wißt.«
»Dafür bin ich auch dankbar«, erwiderte Curtis, indem er eine Flasche aus der Satteltasche nahm, »und damit Ihr seht, wie ich es zu würdigen weiß, so wollen wir gleich einmal auf den Schock trinken. – Wo wollt Ihr denn hin, Atkins?«
»Ich muß auf einen Augenblick hinüber zu meiner Frau, die Weiber fürchten sich am Ende, wenn sie so allein sind. Ich bin gleich wieder hier.«
Er schlüpfte schnell aus der Tür, und einige Minuten blieben die beiden Regulatoren noch lautlos auf ihren Stühlen sitzen. Dann aber sprang Cook in die Höhe und flüsterte leise:
»Curtis, mir fängt das Herz merkwürdig an zu klopfen. Was das für eine Nacht ist – die Blitze riechen ordentlich nach Schwefel. Nun, die im Schilfbruch draußen werden gehörig eingeweicht.«
»Das läßt sich nicht ändern«, erwiderte Curtis, im Zimmer umherblickend«, also da liegen zwei Büchsen – über jeder Tür eine, das ist vorsichtig. Das beste wird sein, wir machen sie unschädlich. Wir werden sie nicht gebrauchen, und Atkins könnte am Ende doch Schaden damit anrichten.«
Dabei stieg er auf einen Stuhl und nahm erst die eine und dann auch die zweite herunter. »Wahrhaftig, beide geladen; puh – hier auf der liegt Staub. Nun, ich denke, wir blasen ihm das Pulver ein wenig von der Pfanne. Zum Aufschütten bekommt er doch keine Zeit. Sonst noch Waffen?«
»Ich sehe weiter keine«, sagte Cook, überall im Zimmer umhersuchend, »er müßte sie denn versteckt haben.«
»Untersucht einmal das Bett, ist da nichts?«
»Nein, ich fühle nichts – aber – ja hier – wahrhaftig – zwei Pistolen. Oh, nicht übel, recht hübsch bei der Hand, wenn Not am Mann ist. Nun warte, Schelm, dir wollen wir den Spaß verderben, so – ihr seid auch besorgt. Jetzt möchte ich sehen, welches von den vier Schießeisen am ersten losgeht.«
»Seht Euch lieber mit den Pistolen vor – sie feuern manchmal doch, und ein einzelner Funke…«
»Ich habe ein wenig Tabaksaft hineingespritzt – tut das bei den Büchsen lieber auch.«
»Mich sollte es gar nicht wundern, wenn der Sturm das Dach vom Haus risse – hörtet Ihr eben den Baum stürzen? Alle Wetter, mir fängt es an unheimlich zu werden; ich wollte doch, wir hätten eine ruhigere Zeit abgepaßt.«
»Das Herz klopft mir wie ein Schmiedehammer«, erwiderte Cook, hastig im Zimmer auf und ab gehend, »wir werden den Pfiff durch das Toben draußen gar nicht hören.«
»Das bleibt sich ziemlich gleich: unsern Posten dürfen wir doch nicht verlassen – aber – ich wollte, ich könnte etwas sehen. Es kommt mir gerade so vor, als ob man nachts im Walde lagert, hört etwas rauschen und weiß nicht, wo und was es ist.«
»Oder in einer weiten Höhle mit der Kienfackel, und man hört den Bären winseln und kann nicht herausbekommen, auf welcher Seite er steckt. Ich – das muß eingeschlagen haben, Blitz und Donner waren ja fast zusammen!«
»Hörtet Ihr nichts?«
»Nein – was soll man denn bei dem Toben draußen hören! Der arme Stevenson dauert mich nur, und sein Junge – na, die werden an Arkansas denken!«
»Ist denn der Kanadier mit bei denen im Schilfbruch, oder haben sie ihn in den Wald postiert?«
»Ei bewahre – der ist mit bei den Angreifern, und ein tüchtiger Bursche dazu. – Was war das?«
»Ich habe nichts gehört. Was nur die Frauen drüben dazu sagen werden?«
»Mich dauert’s, daß das Kind gerade krank sein muß.«
»Das läßt sich nicht ändern, warum – bei Gott, das war der Pfiff – jetzt, Cook, aufgepaßt – der Tanz beginnt!«
»Kommt schnell«, flüsterte Atkins den draußen an der Fenz wartenden Männern zu, »haben wir es erst einmal hinter uns, ist’s so viel besser, denn das Wetter vernichtet jede Spur – aber straf’ mich Gott, wenn es nicht zu arg ist, in solchem Regen draußen zu sein. Jones sagte mir doch, Ihr würdet erst in acht Tagen kommen.«
»O zum Donnerwetter, spart Euer Geschwätz, bis wir im Trocknen sind«, brummte, sich mürrisch stellend, der Alte, »ist das ein Wetter zur Unterhaltung? Ich habe weiter nichts dabei zu tun als die Tiere abzuliefern und wollte bei Gott, ich hätte es einem andern überlassen. Solchem Regensturm den Rücken hinzuhalten, könnte einem den Tod geben.«
»Wo stehen die Pferde?«
»Da oben an der Ecke irgendwo – mein Junge ist bei ihnen, das heißt, wenn’s den armen Burschen nicht heruntergewaschen hat.« Er schob bei diesen Worten den Finger zwischen die Zähne und pfiff leise, aber scharf.
»Was, zum Teufel, macht Ihr?« fragte Atkins erschrocken.
»Hört Ihr? Da drüben antwortete er«, sagte der Alte, »er lebt wahrhaftig noch. Wo habt Ihr den Eingang?«
»Gleich da oben, Ihr seid nicht weit davon entfernt. Wenn Ihr aber wiederkommt, so reitet etwa hundert Schritt weiter aufwärts in den Bach hinein. Seht Ihr dort!«
»Sehen? Um Gottes willen, bei solchem Wetter sehen! Keine Hand vor Augen kann man sehen, ausgenommen, wenn’s blitzt. Doch da ist der Junge – he, Ned – kommt hierher; lebst du noch?«
»Ja, Vater«, flüsterte der junge Mann, »es ist aber ein entsetzliches Wetter. Mir graust’s.«
»Unsinn – werden schon wieder trocken werden, komm, folge uns. Haben die Tiere ruhig gestanden?«
»So ziemlich – nur der Rappe scheute bei den Blitzen.«
»Natürlich, welches Vieh soll denn dabei auch ruhig stehen. – Aber was macht Ihr? Legt Ihr die Fenz nieder?«
»Ja«, sagte Atkins, »ich habe absichtlich hier oben keine Tür, sondern Futtertröge in der Ecke angebracht. Es sind zuviel Spione in der Nachbarschaft, und das geringste erregt gleich Verdacht. – So, kommt hier herein. – Nehmt Euch in acht, dort liegen noch abgehauene Stämme. Ah – der Blitz kam wie gerufen!«