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Kitabı oku: «Eine Gemsjagd in Tyrol», sayfa 2

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»Und im Leichwald; am Falken?«

»Da wimmelt's,« versichert Rainer. – »Am Falken – das giebt ein Haupttreiben, da stehn wenigstens 200 Gemsen.«

Der hohe Herr zieht ein bedenkliches Gesicht und schüttelt den Kopf, Rainer aber, durch den Zweifel gekränkt fährt eifrig fort »Hocheit, sollen mir den Hals abschneiden, wenn's nicht wahr ist.«

Da von dem Anerbieten für jetzt noch kein Gebrauch gemacht wird, ergeht er sich dann in näherer Beschreibung des Terrains und der dortigen Rudel, die allerdings das Außerordentlichste verspricht. Beiläufig muß ich aber hier nur bemerken, daß dies berühmte Falkentreiben später wirklich gemacht wurde und statt der 200 Stück versprochenen Gemsen, sieben darin waren, aber nicht zum Schuß kamen. Rainer erwähnte dabei nichts weiter von seinem Hals.

»Und wie steht's mit dem Rothwild?« geht nun die Frage auf den anderen Zweig der Jagd über, der allerdings jetzt nicht zur Ausübung kommt, da die Jahreszeit für die Hirsche schon zu weit vorgerückt ist, und diese schon fast sämmtlich abgebrunftet haben.

»Drüben am Roßkopf haben zwei starke Hirsche noch gestern geschrien; an dem Leckbach drei – Hirsche hört man überall und Wildpret spürt sich auch überall auf den Pirschwegen.«

»Aber viel eingegangen ist doch im letzten Winter?«

»Acht Stück sind im Ganzen gefunden,« lautet die traurige Bestätigung, denn der Winter war gar zu streng, der Schnee zu tief und dauernd, und das arme Wild konnte nicht dagegen ankämpfen. Starke Hirsche selbst wurden, im Schnee stehend, todt entdeckt, und auch viel Rehwild war eingegangen. Rehwild hält sich überhaupt nur spärlich in den Bergen.

»Und was machen wir morgen?« lautet jetzt die direkt auf die Gegenwart bezughabende Frage – »was hast Du Dir gedacht?«

»Nun ich dachte so – wenn Hocheit vielleicht morgen oben die Fleischbank trieben oder den Waldeckelgraben – leer ist's nicht, und schießen thäten's gewiß; dafür bin ich beinah ganz überzeugt.«

»Und wie wollt Ihr's treiben?«

»Nun ich dachte so, daß der Wastel und Weinseisen mit dem großen Ragg vom unteren Pirschweg den Graben dußemang heraufstiegen und sich nur manchmal sehn ließen und ich mit dem Martin dann die Wand von drüben herein brächte.«

»Und ich soll mich dann oben an den Graben stellen?«

»So war meine Meinung – wenn Sr. Hocheit was Besseres wissen –«

»Und da treibt Ihr mir die Gemsen ruhig in den Seitengräben hinauf; denn daß Ihr sie nicht bis oben hin bringt, wißt Ihr, und ich stehe zum Spaß dort zwei oder drei Stunden lang.«

»Wenn's da nicht wenigstens vier, fünfmal schießen, sollen Sie mir den Hals abschneiden,« erbietet sich Rainer zum zweiten Mal leichtsinniger Weise – »die anderen Schützen stellen wir dann an der hervorderigen Seite oben und unten hin.«

»Nun gut,« sagt der Herr resignirt, »dann kommen die Herren wenigstens zum Schuß, ich aber stehe zur Abwehr da oben. Du wirst sehen.«

Rainer macht eine halb verzweifelte, halb unglückliche Geberde über das schmerzende Mistrauen, schweigt aber –

»Sonst noch etwas?«

»Draußen« sagt Rainer, der überhaupt dem Gespräch eine andere Richtung zu geben wünscht »steht der neue Jäger von der Au. Hocheit haben ihn hieher beordert, und er wünscht unterthänigst den Grund seines Daseins zu wissen.«

»Er soll nur kommen.« Alle lachten.

Rainer ist entlassen, und gleich darauf tritt ein anderer erst kürzlich einberufener Jäger aus den entfernteren Thälern, mit einer kurz abgeknickten Verbeugung, aber mit offenem, freundlichen Gesicht herein, und bleibt nicht etwa schüchtern an der Thür stehn, sondern geht gerade auf seinen Herrn zu.

»Nun, Johann, wie steht es bei Euch da drüben?«

»Gut,« sagte der Mann mit einem kurzen, ihm eigenthümlichen Kopfnicken, indem er seinen Hut in der Hand rasch herumdreht – »es macht sich mit den Gemsen.«

»Sind starke Rudel drüben?«

»Nu ja,« nickt der Jäger und lehnt sich mit dem Ellbogen zutraulich auf die hohe Lehne desselben Stuhles, auf dem der Herr sitzt. Dieser lächelt still vor sich hin, läßt aber den Mann gewähren. Es ist ein braver Bursch und wenn er die Sitte draußen im Land nicht kennt, weiß er dafür desto besser in seinen Bergen Bescheid. »Es giebt schon hübsche Rudel drüben, und besonders viel Kitzgeißen das Jahr.«

»Und der Winter hat ihnen nichts gethan?«

»Ih – ich denk,« lächelt der Jäger kopfschüttelnd, »wenn nicht einmal eine oder die andere von einer Lawine erwischt wird – im Uebrigen hat's keine Noth.«

Es folgt jetzt ein ausführlicher, ziemlich befriedigender Bericht des dortigen Gems- und Wildstandes, und der Jäger wird endlich wieder freundlich entlassen.

Die Nacht ist jetzt weiter vorgerückt, und die heutige noch ungewohnte Anstrengung, mit der feineren reineren Bergluft macht auch ihr Anrecht geltend, als der Ruf »da schreit ein Hirsch!« von draußen, halbflüsternd aber doch laut genug hereintönt, die Aufmerksamkeit rasch dorthin zu lenken. –

Wir treten hinaus vor die Thür. – Wie still die Nacht hier auf den Bergen liegt. Nur das Rauschen des Stromes tönt herauf, und das einzelne Zirpen einer Grille mischt sich in das leise heimliche Flüstern und Rascheln der Zweige. – Drüben liegen in schweigender Majestät schwarz und düster die mächtigen Bergrücken wie schlummernde Riesen – kein Laut weiter unterbricht die Todtenstille.

»Huh – a – h!« tönt da langsam und faul, aber tief und gewaltig der Brunftschrei eines starken Hirsches weit aus dem unten liegenden Thal herauf.

»Das ist ein braver Hirsch,« geht der leise geflüsterte Ruf, den Schreienden nicht etwa zu stören und »da ist noch Einer« ruft Martin, als drüben vom »Roßkopf« herüber ein anderer schwächerer herausfordernd antwortete.

Wie wunderbar das in dem stillen Walde klingt; wie seltsam feierlich, und doch so wild. Nur das Herz des Jägers füllt der Ton mit unbeschreiblichem Entzücken. – Was ist Nachtigallenschlag, was irgend eine Symphonie dagegen, die sonst im Lande drin vielleicht sein Herz entzückt. Das ist Musik, das zittert durch die Nerven, und macht das Herz rascher schlagen, das Auge glühn und leuchten.

– Jetzt ist wieder Alles still – da noch einmal tönt der Ruf herauf, aber weiter nach rechts. Der alte Bursch unten hat die Ausforderung angenommen und zieht hinüber nach dem andern Hang, den Gegner zu bekämpfen oder zu vertreiben. – Nun ist Alles ruhig; – nur die Grille zirpt fort, und der Bergstrom unten rauscht sein volltönendes brausendes Lied durch die stille Nacht. –

Es ist das überhaupt ein eigenthümliches Gefühl, das den aus dem unteren Land heraufgekommenen Jäger die erste Nacht erfaßt – diese ungewohnte heilige Stille der Natur. Kein Wagenrasseln, kein Nachtwächterruf, kein Glockenschlag, kein lauter Tritt der durch öde Straßen hallt – es ist Alles Frieden und Ruhe, als ob hier oben gar keine Leidenschaften tobten und stürmten. Nur das leise Flüstern des Laubes legt mit sanftem, wohlthuenden Finger den Schlaf auf unsere Augen – und wie gut schläft sich's in den Bergen.

3.
Aufbruch zur Jagd

– Draußen schlägt ein Hund an – der langsame Schritt eines Jägers auf dem Steinboden wird laut; – durch das verhangene Fenster dringt der erste dämmernde Schimmer des jungen Tags – der erste freudige Bote begonnener Gemsenjagd.

Frisch und stärkend schlägt die kühle Morgenluft in das weit geöffnete Fenster und dort? – träume ich denn noch oder wach' ich, und kann das wundervolle Bild das dort, den staunenden Blicken ausgebreitet in all seiner Pracht und Herrlichkeit liegt, Wahrheit – Wirklichkeit sein?

Gerad gegenüber, und hoch in die reine duftige Morgenluft hineingebaut, ragen die grauen lichtumflossenen Kuppen der Falken hinein – rechts hebt der Stuhlkopf sein breites mächtiges Joch, und tief da unten, weit zwischen beiden hinein, und im Hintergrund von einer schroffen wallartigen Wand, dem Carvendelgebirge begrenzt, zieht sich ein tiefes grünes Thal, in das der Schöpfer zu dieser frühen Morgenstunde all seine wunderbarsten Tinten und Schatten, von all der zauberhaften Pracht der Alpenwelt übergossen, hineingeworfen hat.

Vom Carvendelgebirge nieder springt der Johannisbach wie ein silberschlängelnder Faden zwischen dichtem Waldesteppich durch, der rechts und links in leichten wellenförmigen, selten schroffauflaufenden Hügeln die Seitenwand erklimmt. Kleine saftgrüne Grasflächen, hie und da mit Spuren hineingestreuter Hütten und Einfriedungen sind dazwischen sichtbar, und über dem Ganzen liegt ein leichter, durchsichtiger blauer Duft, der in dem dunklen Grün der Tannen über dem Silber des Baches, über dem Lichtgrau der in die Wälder hineinragenden Reißen seine Schattirung wechselt, während klar und schroff die hohen nackten Kuppen und Joche der umschließenden Gebirge dies wunderbare Meer von Licht und Farbenpracht überragen. – Jetzt plötzlich erglühen diese in dem ersten Strahl der aufgehenden Sonne, während ihre Zacken in ganz fremdartigem Licht und Raumtäuschung die weiten Schatten werfen, und unten im Johannisthal zittert, von den oben hellerleuchteten Wänden reflectirt, ein mattes rosiges Licht über das bläulich dunkle Grün der Waldung, das gegen den fremden Schimmer anzukämpfen scheint. Farben führen aber nur auf schlechten Bildern und geschmacklosen Kleidern Krieg mit einander; in der Natur ist Alles Harmonie. In wenigen Minuten ist das Ganze zu einem Rosenduft verschmolzen, in dem die tiefe Landschaft glühend liegt. Wie aus dem Grund heraus heben sich dabei die dunkleren Schatten der Waldung mit ihren eingerissenen und jetzt weit schärfer hervortretenden schwarzen Schluchten und Spalten; klarer schneidet sich der silberhelle blinkende Bach heraus, auf dem das Auge jetzt schon die kleinen schneeweißen Schaumwellen erkennen kann. – Der Rosenhauch geht in einen helleren, lichteren Duft über, und wie die Sonne drüben hinter dem Sonnenjoch emporsteigt und ihre Strahlen hell und mächtig in die Thäler wirft, schwinden die zitternden Tinten der Morgenluft in ihrem Schein und – es ist Tag.

Heiliger Gott, wie ist deine Welt so schön und reich, daß du selbst in die geheimsten Schluchten dieser Erde solch wunderbare Pracht gestreut. Worte fehlen da auch, solcher Allmacht gegenüber, und wie die Lerche draußen im Land wirbelnd ihr frohes Dankgebet zum Himmel trägt, wie der duftende Baum sein Weihrauchopfer haucht, wie die Berge, im Wiederglanz des himmlischen Lichts höher und freudiger erglühn, so bringt die zitternde Thräne im Menschenauge, bringt das jubelnde Herz in Menschenbrust dem unerkannten Wesen über uns seinen stillen Dank, den es mit Worten und Gebeten nimmer so heiß, so glühend sprechen könnte.

Und doch vergessen ist im Nu die vor uns ausgebreitete Pracht und Herrlichkeit. –

»Da drüben steht ein Hirsch!« ruft mit seiner heiseren Stimme Martin (kein Tyroler Jäger), der ein Auge wie der Falke hat – »und dahinter noch zwei Stück Wild!« Zu gleicher Zeit zieht er das immer händige Perspectiv hervor und richtet es nach dem Hang des Roßkopfs hinüber, der in einer Entfernung vor uns liegt als ob ihn eine Büchsenkugel leicht erreichen müßte.

Vergebens aber sucht das Auge, noch nicht an diese Lichttäuschung in der Ferne gewöhnt, durch die offenen Blößen des dort ziemlich lichten Waldes, nach dem gemeldeten Wild. Nirgends läßt sich auch nur das geringste Lebendige erkennen.

»Dort weiter oben steht auch noch ein Altthier mit einem Schmalthier, und links davon ein Sechsender. – Donnerwetter, ist das da unten ein starker Hirsch!« murmelt Martin dabei vor sich hin, indem er durch sein ausgezogenes »Bergspectiv« (wie es die Tyroler nennen) hinüber schaut.

»Aber wo? um Gottes Willen?«

»Gerad dort drüben auf der offenen Stelle; dicht neben der umgefallenen Tanne, wo der gelbe Fleck im Boden ist – gleich links darüber.« –

Der gelbe Punkt? – wenn man nach einem Kaninchen ausgeschaut hätte, würde man etwa ein lebendes Wesen von der Größe in der Entfernung erwartet haben, und jetzt ist das ein starker Hirsch, zehn- oder zwölfendig, der sich dort ruhig an der Lanne im Walde äst, und nur manchmal nach den, nicht weit über ihm stehenden Thieren auf äugt. Jetzt wird der Blick auch erst auf die verhältnißmäßige Größe der Bäume aufmerksam, die da drüben wie zierlicher Nipptischschmuck, trotz der Entfernung in der reinen Luft mit jedem kleinen ausgezackten Zweig fast sichtbar, stehn, und steigt man zu ihnen hinüber, zu mächtigen Stämmen anwachsen.

Das Wild äst sich indessen langsam in die Dickung hinein – wird wieder auf einer kleinen Blöße sichtbar, und verschwindet endlich in den Laatschen. Aber die kostbare Zeit verschwindet ebenfalls, und rasch wird das leichte Frühstück eingenommen, das nur ein kleines Intermezzo draußen nicht etwa stört, sondern eher noch würzt.

Der rothe Schweißhund, Pirschmann, von guter tüchtiger Race – ob aus misverstandenem Eifer oder Langeweile – es läßt sich kaum vermuthen aus eigennützigen Zwecken – hat den etwas primitiv angelegten Keller auf seiner nächtlichen Runde entdeckt, und der dort niedergelegte Kern eines gekochten Schinkens war verschwunden. Pirschmann läugnete allerdings hartnäckig, oder weigerte sich wenigstens, wozu er auch nicht gezwungen werden konnte, gegen sich selber zu zeugen; und Rainer dem die Ueberwachung der Hunde übertragen, bekam vom Mundkoch die von ein oder dem andern verdiente Nase.

Aber keine Zeit ist's mehr für solche Dinge. Die Jäger stehn draußen gerüstet, den Bergsack auf dem Rücken, den Stock in der Hand, die Büchsflinte oder den Wender über der linken Achsel; die Sonne scheint voll auf die markigen malerischen Gestalten, auf die offenen treuherzigen, und oft doch so verschmitzten Züge, und geduldig harren sie des Zeichens zum Aufbruch. –

»Und nun vorwärts!« ruft der Herr der Jagd, der in der leichten Jägertracht, den Bergstock in der Hand, nur statt des spitzen zum Pirschen, seiner Höhe und dunklen Farbe wegen nicht einmal ganz praktischen Tyroler Hutes, eine einfach graue sehr leichte Mütze trägt. Die Jäger reißen, als er an ihnen freundlich grüßend vorübergeht, rasch die Hüte herunter, und während er den schmalen Pirschpfad voranschreitet folgen mit so wenig Geräusch als möglich, die übrigen Schützen und Jäger in bunter Reihe und ächt indianischem Marsch, Einer hinter dem Andern. – Bietet der schmale Weg doch oft kaum Raum für den einen Fuß. –

Langsam windet sich so der Zug bergauf. Der Tyroler Jäger und überhaupt der Alpenjäger hat einen langsamen aber stäten Schritt; den aber behält er bei, ob er eine sanfte Anhöhe, oder eine steile Wand ersteigt. Ruhig setzt er Fuß vor Fuß, der Brust dazwischen Zeit zum Athmen lassend; aber er rastet nie. Wenn er nicht pirschen geht, wo die ganze Jagd nur im Vorschleichen und wieder Halten und Umheräugen und Lauschen besteht, fällt's ihm nicht ein sich auszuruhen, Stunden lang, – er müßte denn eine schwere Last mit sich tragen. Die ächten Bergsteiger haben auch alle einen etwas vorwärts gebogenen Gang, aber desto sichereren Schritt, und Schwindel kennen die Leute nicht. Bricht ihnen nicht einmal an gefährlicher Stelle ein Stein unter den Füßen weg, oder schleudern über ihnen losgegangene Gemsen auf ihrer Flucht nicht lockeres Geröll auf sie nieder, das sie mit in den Abgrund nimmt, so wandern sie auf ihren schwindelnden Bergpfaden und an den hängenden Wänden so sicher hin, wie der Bewohner des flachen Landes auf seinen breiten Straßen. Der Gefahr müssen sie aber doch stets in's Auge sehn; der Tod lauert auf sie in mancherlei Gestalt und Art, und weil sie das wissen und ihm doch begegnen, deshalb auch ist ihr Blick so frei und offen, ihr Schritt so fest und keck und männlich.

Jetzt haben wir den oberen Pirschpfad erreicht, und von der Stelle, an der wir einen Augenblick halten, sehn wir das, vor einer halben Stunde etwa verlassene Pirschhaus wie ein kleines aus Marzipan gebackenes Zuckerwerk tief hinter uns im Schatten der Bäume liegen. Hell schimmert das Dach aus der dunklen Umgebung vor, und heller noch jener schneeweiße Punkt der sich daneben zeigt. Es ist der Mundkoch, der mit seiner weißen Jacke, Schürze und Kappe vor seiner Thür stehend, die Jäger noch mit den Blicken am Berggelände suchen will. Aber die Erd- und Steinfarben gekleideten Gestalten sind lange aus seines Auges Bereich, und ihre Umrisse verschwimmen mit dem Boden auf dem sie stehn.

Wieder wechseln hier die Bilder von Berg und Schlucht um uns her, aber das Auge forscht jetzt nach anderem Ziel: – Gemsen. Ueber den Weg laufen die Fährten eines ganzen Rudels das hier vom Joch nieder dem vorderen »Graben« zugezogen ist. Die Jäger sehen, wie sie darüber hinschreiten die Fährten an, und deuten mit der Hand auch wohl hie und da auf die besonders tief eingedrückten breiten Spuren eines alten Bockes; aber keiner von ihnen spricht mehr ein Wort. Wir sind hier im eigentlichen Gemsrevier. Spuren wie frische Losung zeigen überall die Nähe des scheuen Wildes, und der Klang der menschlichen Stimmen schallt weit auf diesen Höhen.

Aber nichts Lebendes zeigt sich noch. Hie und da hüpft in einem Laatschenbusch einer der kleinen befiederten Bergsänger umher, und lenkt den Blick der Vorüberschreitenden rasch und forschend auf sich. Nichts Lebendes, was sich im Sehkreis regt, und überhaupt Bewegung hat entgeht dem Auge der aufmerksamen Jäger. Fünfzig Mal dabei getäuscht, sei es durch einen Vogel, eine raschelnde Maus, oder einen losgebröckelten Stein, – er ermüdet nicht, und wieder und wieder sucht das Auge nach Leben und Bewegung hier im Wald, und die Hand greift unwillkürlich nach der Waffe.

Jetzt ist »der Graben« der getrieben werden soll erreicht, und in einem Dickicht, noch unter dem Rand, daß in der Nähe sitzende Gemsen nicht die sich regenden Gestalten der Jäger auf dem Abhang erkennen könnten, bleibt der Herr stehn.

»Und wie wollt Ihr's nun machen?« lautet die mit unterdrückter Stimme an die herbeitretenden Jäger gerichtete Frage.

Rainer beginnt jetzt, mit eben so vorsichtig gedämpfter Stimme seinen nochmaligen Vortrag: Dort unten auf einem bezeichneten Felsenkamm, der den Schuß nach rechts und links hinein in die steile, lawinenzerrissene Klamm erlaubt, an der und jener Wand, und dort und da sollen die Schützen stehn, und wenn die Treiber dann von dort und da herüber kommen, weiß Rainer auf ein Haar, in welchem Graben, welch eingerissene Spalte und Klamm die aufgescheuchten Rudel ihre Flucht hin nehmen müssen.

Jetzt werden rasch die verschiedenen Jäger als Treiber oder Abwehr nach rechts und links geschickt und vorsichtig, auch das geringste Geräusch vermeidend, pirscht sich Jeder zu dem angegebenen Stand. Den Bergstock verkehrt in der Hand, die eiserne Spitze nach oben, daß sie nicht zufällig vielleicht einen Stein berühre und durch den fremden Metallklang die Gemsen schrecke, mitten in die Laatschen hinein an deren Zweigen sich die rechte Hand anklammert, während die linke den Bergstock hält und zu gleicher Zeit die Büchse aus dem Weg der Aeste rückt, schleicht der Schütze nieder. Hier einen kleinen Vorsprung benutzend, durch einen Busch gedeckt den Ueberblick über einen vielleicht lichten Fleck zu bekommen, dort der ausgewaschenen Rinne eines jetzt trockenen Bergquells folgend, indem er dadurch wenigstens das Geräusch der zurückgebogenen Zweige vermeiden kann; jetzt auf dem Boden nieder unter den Büschen durchkriechend, jetzt dazwischen hin den Weg suchend. Da wird es plötzlich licht. – Dort vor uns liegt der Rand der Klamm, und vor sich abäugend erst, ob nicht vielleicht ein einzelner alter Bock dort unten schußgerecht steht und durch längeres Zögern verscheucht werden könnte, sucht man sich jetzt, da sich die Hoffnung nicht bestätigt, einen zugleich gedeckten und doch freien Fleck, den größtmöglichsten Raum in der Nähe überschießen zu können, und so wenig als möglich durch nahe Büsche verhindert zu sein, nach verschiedenen Richtungen hin die Pässe und Wechsel zu beherrschen.

4.
Das Riegeln

Trefflich für solche Lausch- und Anstandsplätze eignen sich die, diesen Gebirgen eigenthümlichen schmalen Ausläufer vorgeschobenen Gesteins, die gewöhnlich von beiden Seiten in die Ränder der Klammen hineinreichen, und oft bei nur wenigen Fuß Breite, mit Laatschen oben bis zur äußersten Spitze bewachsen, nicht allein den größten Theil der Klammen überschauen lassen, sondern auch nach drei Seiten hin einen freien Schuß gewähren.

Auf einer solchen wunderbaren, oben kaum anderthalb Fuß breiten aber vollkommen sicheren Steinkoulisse sitzen wir jetzt, der Leser und ich, und obgleich rechts und links ein tiefer Abgrund gähnt, und man den Bergstock nicht einmal dicht vor sich einstoßen dürfte, weil er hinunter in die Tiefe fallen würde, haben wir doch nicht das Mindeste zu befürchten. Die den Armen eines Kronleuchters nicht unähnlichen zähen Laatschenzweige halten fest und gut, und während wir den Raum in der Mitte rasch mit dem Jagdmesser etwas ausgehauen, ragen die Zweige um uns her wie ein künstlicher grüner Schirm empor, und halten uns dahinter dicht versteckt.

Nur eine Vorsicht muß der versteckte Jäger gebrauchen: nicht unvorsichtig auf die elastischen Zweige zu drücken, die durch ihr Auf- und Niederschaukeln dem scharfen Blick der noch so weit entfernten Gemse nicht lang verborgen blieben.

Was für ein wundervoller Platz das ist, und wie so still und schweigend der dunkle wilde Wald hier um uns liegt. Auf dem aushängenden Felsen, dessen schmalen Verbindungsweg man, rechts und links umschauend, nicht einmal erkennen kann – und viele Bewegung verstattet der kaum fußbreite Sitz auch nicht – hängt man da; gleichsam abgeschnitten, über der wild zerrissenen, zu Thal stürmenden Schlucht, und von steilen, mit überhängenden Laatschen überall besetzten Wänden fest und drohend eingeschlossen.

Der Graben, wie diese steilen Bergthäler genannt werden, bildet im Ganzen eine weite gewaltige Schlucht, wie denn auch der ganze breite Gebirgshang an der Südseite in solche Thäler oder Gräben ziemlich gleichmäßig vertheilt ist, während zwischen ihnen von oben nach unten laufende und dicht bewaldete Abschüsse oder Hänge sie von einander trennen. Im Einzelnen reißt sich aber ein solcher Graben wieder in hundert und hundert kleinere und größere Einschnitte, Schluchten, Felsspalten und Klammen, jede im Kleinen und in sich selbst, das große Bild des Ganzen wiedergebend.

Die schroffen Wände, an denen kein fruchtbarer Boden halten kann, stehen da drinnen freilich kahl, und in den Schluchten, wo sich zur Regenzeit der Bergbach das reingewaschene ausgeschwemmte Bett gewühlt, kann auch kein Pflanzenleben gedeihen; aber die zähe Laatsche dringt doch ein, wo sie's nur irgend möglich machen kann. Nicht allein auf den Nacken der Felsen hin kriecht sie, und wirft ihre Zweige zwölf und sechzehn Fuß weit nach rechts und links bis über den Abgrund hin, nein auch, wo nur irgend eine Felsenspalte eine Hand voll von oben niedergeschwemmter Erde aufgefangen und gehalten, säet sie ihren Samen, treibt Keime und Schößlinge, und klammert sich mit den festen Wurzeln ein. Wo sich ein solcher Anhaltspunkt, und sei er noch so unbedeutend, bietet, findet man diese Büsche, die Nadelspitzen oft klein und kümmerlich, die Zweige dünn und kurz, aber immer fest und sicher in die Felsspalte eingeklemmt, und gar willkommene Anhaltspunkte sind das dann für den Steigenden. Der einmal gefaßte Zweig bricht nicht ab in der Hand, und, wenn er das ganze Gewicht seines Körpers daran hinge.

Ha – was war das? ein zischender Pfiff der von dort herüber schallt. Eine schreckende Gemse, der irgend woher der verrätherische Luftzug die fremde Witterung des Feindes zugetragen – und dort drüben? – ein rollender Stein, der von den scharfen Klauen eines aufgescheuchten Thieres losgestoßen, hinunter zu Thal die springende Bahn nimmt. – Aber zu sehn ist noch Nichts und der forschende Blick sucht rasch und mistrauisch all die hundert kleinen Schluchten und Spalten ab, aus denen allen das ersehnte Wild im Augenblick herausfliehen kann.

Todtenstille herrscht – da bricht ein Schuß von oben dröhnend und donnernd in's Thal nieder und weckt das Echo in den Bergen von Wand zu Wand. Das war des Jagdherrn Büchse – wie den Schall die gegenüberliegenden Gebirge jetzt wiedergeben, und wie er sich prasselnd und schmetternd die Bahn hinunter bricht in's tiefe Thal. Und doch ist das hier in den Bergen so eigenthümlich mit eben dem Schall, daß ein im Nachbargraben Stehender den Schuß vielleicht nicht einmal hören konnte.

Da poltert's und bricht's über das Felsgestein, ganz in der Nähe. Wie mit einem Messer sticht's bei dem Ton dem lauschenden Jäger in's Herz hinein, und bebt und zittert ihm durch alle Glieder. Und ob er von Kindheit an die Büchse geführt und der Spur des Wildes gefolgt wäre, dem ersten, unwillkürlichen, fast krampfhaften Herzklopfen beim plötzlichen Erscheinen eines Stücks Wild, beim Rascheln oder Rauschen das seine sichere Nähe verräth, entgeht er nicht. – Aber es dauert nicht lange, und in der nächsten Minute schon muß er die alte Ruhe wieder erlangt haben, und hat sie auch – einzelne Fälle natürlich ausgenommen.

Wie das dort rasselt und tobt durch die kleine Schlucht. Drunten heraus aus ihrer Mündung kollern und springen die losgegangenen Steine schon vor, und den Berg hinab. Das muß ein ganzes Rudel sein. – Und richtig, dort in den Laatschen zeigt sich plötzlich der schwarze Körper einer alten Geis mit den weißen Backenstreifen und den hohen scharf umgebogenen Krickeln. Wenn sie allein käme könnte man sie recht gut für einen Bock halten. Aber ein Rudel wird meist immer, ja fast ohne Ausnahme von einer alten Geis geführt, oft der Stammmutter des ganzen Trupps, die so von Kindern und Kindeskindern gefolgt, den Berg durchzieht. Jetzt werden die andern auch sichtbar – leider außer Schußweite, denn das ganze Rudel ist wohl noch vier- bis fünfhundert Schritt entfernt. Auf einem mit Laatschen dünn bewachsenen Felsrücken tauchen sie auf, eine hinter der andern – jetzt eine braune Geis mit schwarzem Rücken, das kleine munter springende Kitz an der Seite, jetzt ein junger zweijähriger Bock der ernst und gravitätisch, wie er es von den älteren gesehn, eine Weile daher schreitet. Dann aber plötzlich, als er das munter seitwärts springende Kitz um sich her tanzen sieht, vergißt er, wenn er auch vorn seinen stolzen Ernst beibehält, hinten doch die Gravität, und macht mit den Hinterläufen einen Jugendsprung. Mehr und mehr drängen herauf und bleiben Kopf an Kopf auf der kleinen Lichtung stehn, alle hinauf nach der Klamm äugend und windend, von der der Schuß tönte. Ehe die Altgeis weiter geht, denkt keins daran sich von der Stelle zu rühren.

Von drüben herüber ist das Rudel gekommen, jedenfalls von dem Schuß aus sicherer Ruhe aufgeschreckt. Jetzt aber mag doch irgend ein Geräusch der von unten herauf brechenden Treiber von dem scharfen Gehör der Leitgemse erfaßt sein, oder ihr Blick hat auch wohl die sich da unten regende Gestalt, sei sie noch so weit entfernt, gesehn, ihre Nase die fremde gefährliche Witterung gefangen. Da unten ist's jedenfalls nicht recht geheuer, was es auch sei, und seitwärts an der Wand auf der sie gestanden niedertretend, läuft und rutscht sie halb die fast senkrechte Steinplatte hinab, an der sich, von hier aus wenigstens, nicht der geringste Anhaltpunkt erkennen läßt. Jedenfalls will sie schräg durch den Graben dem anderen Ausläufer zu; ihr aber folgen auch, ohne weiter zu fragen weshalb oder wohin, die andern Gemsen. Zuerst die Geis mit dem Kitz, dann der zweijährige Bock, wahrscheinlich ein Herr Sohn vom vorvorigen Jahr, dann wieder zwei Kitzgeisen und nun ein starker Bock. – Wetter noch einmal, ob der Bursche nicht aussieht wie ein Wildschwein, als er da breitspurig und bequem den halsbrechenden Pfad ohne die mindeste scheinbare Anstrengung hinuntergleitet. Wenn der zum Schuß herüberkäme, der wär' recht. – Jetzt folgen noch ein paar wahrscheinlich gelte Geisen oder schwächere Böcke – es läßt sich von hier aus nicht so deutlich erkennen – dann wieder Kitzgeisen dazwischen, und zum Schluß noch ein alter Bock. Im Ganzen ein Rudel von drei und zwanzig Stück.

Jetzt ist Alles wieder still – die Gemsen haben irgend einen bewaldeten Hang angenommen, und ziehen geräuschlos und gedeckt darin fort.

Es ist aber, selbst für den geübten Gemsjäger, gar nicht etwa so leicht Geis und Bock von einander zu unterscheiden, ja in der Ferne fast ganz unmöglich, wenn nicht die Geis eben ihr Kitz als Legitimation mit sich führt. Die Farbe der Gemsen ist im Sommer lichter als im Winter, und schmutzig isabellfarbenartig nur mit dem dunklen Rückenstreifen. Im rechten Winter werden sie aber ganz schwarz, und alte gelte Geisen die allein kommen, und oftmals gar starke ansehnliche Krickeln tragen, sehn genau so aus wie ein Bock. Nur in der Nähe unterscheidet sie der längere dünnere Hals, wie auch der etwas zierlichere Kopf vom Bock. Ebenso stehn ihre Krickeln mehr parallel zusammen auflaufend, während die Krickeln des Bocks gleich unten von der Wurzel aus etwas stärker sind und sich ein wenig auseinander biegen. Allerdings nur schwache Unterscheidungszeichen in der Ferne.

Links, dicht neben uns flattert etwas – welch prächtiger gewandter Vogel sucht sich da sein Mahl an dem nackten Felsen? – Es ist ein Alpenspecht, der mit den scharfen Klauen einkrallend in den Stein, die Flügel ausgespannt und wie zur Stütze an die Wand gestemmt, den Kopf zurückgebogen, auf und ab, bald rechts bald links hinüberläuft, und blitzschnell mit dem nur leicht gebogenen spitzen Schnabel in Ritz und Spalte fährt, Käfer und kleineres Gewürm daraus hervorzuholen. Und welche Pracht in dem Gefieder. Der ganze kleine Bursch ist in seiner Haupt- und Grundfarbe schön stahlgrau mit schwarzem Kopf und dunklen Streifen auf Schwung- und Deckfedern, aber über die zierlichen Flügel läuft ein rosenrother Streif, in dem Grau verschmelzend, wie an den Schwingen des Weinvogels, jenes zierlichen Nachtfalters, und die kleinen schwarzen Augen schauen so scharf, so klug umher. Ist er so wenig furchtsam daß er den, nur wenige Fuß von ihm kauernden Jäger gar nicht scheut? – Ja, der rührt und regt sich nicht, und sitzt da wie hineingewachsen in die Laatsche. Die erste Bewegung freilich – was war das? – Dort flattert auch schon der Alpenspecht zur Seite. Aber was kümmert uns jetzt der – gerade da drüben in der schmalen Klamm, die seit ab aus dem Walde niederführt, rollte ein Stein; dort unten springt er vor und da – wieder der Stich in's Herz – da drüben auf der nächsten Felsenspitze, auf einem Raum den ich mit der Hand bedecken könnte, steht ein schwarzer etwa drei- oder vierjähriger Bock, den klugen Kopf mit dem weißen Backenstreif nach unten gedreht, wo in diesem Augenblick ebenfalls eine Kitzgeis sichtbar wird.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 eylül 2017
Hacim:
170 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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