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Kitabı oku: «Eine Gemsjagd in Tyrol», sayfa 9

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13.
Die Nebeljagd

Kalt und trübe brach der nächste Morgen an, und dicker undurchdringlicher Nebel lag im Thal, in dem er erst etwa um zehn Uhr Morgens ein wenig in Bewegung kam. Nichts ist aber peinlicher, als in den Bergen durch schlechtes Wetter einen Jagdtag zu verlieren, und wie sich deshalb auch nur die Luft ein klein wenig günstiger gestaltete, und die Jäger ihr »Ich meinet halt doch es sollt' schon etwas besser werden,« herausgegeben, wurde der Aufbruch bestimmt.

Unser Ziel lag an diesem Tag an dem oberen Theil des Engthals, das vom Laritterthal, in dem wir uns befanden, nur durch einen sogenannten »Hügelrücken« getrennt war, und leicht erreicht werden konnte.

»Leicht erreicht werden,« ja. Der Paß lag allerdings dicht unter der Carwendelwand, und bestand aus nicht sehr steilen Grashängen, was aber hier zu Land ein Hügel heißt, ist anderswo ein Berg – wie ja die Leute auch ein stundenbreites Thal einen Graben nennen. Wir mußten auch, immer noch im dicken Nebel, wacker zusteigen den höchsten Kamm zu erreichen und waren tüchtig warm dabei geworden. Oben wurden wir dann angestellt, und den angeblichen Kessel vor uns – denn sehen konnte man keine fünfzig Schritte weit – die Jäger abgeschickt ihn einzuriegeln. Standen Gemsen darin so mußten sie Wind von den Treibern bekommen, in welchem Fall sie dann rascher flüchtig werden, als wenn sie den Feind erkennen konnten.

Der kalte Luftzug der aus dem Thal heraufstieg that mir im Anfang, nach dem scharfen Steigen wohl – von Erkältung weiß man ja hier überhaupt Nichts. – Ich nahm also meinen Mantel aus dem Bergsack, hing ihn um, drückte mich hinter einen einzelnen Stein von der Größe eines mäßigen Elephanten, der allein zu meiner Bequemlichkeit dort von irgend einem Bergriesen hingeschleudert schien, und erwartete geduldig den Beginn der Jagd – d. h. das Klappern der Steine, das die heranprellenden Gemsen verrathen würde.

Es war ein wunderlicher Platz – der Nebel lag voll und schwer auf dem ganzen Thal, in das der Hügel, auf dessen Kamm ich saß niedersenkte. Der Phantasie blieb dabei der weiteste Spielraum gelassen, sich dort hinein den Horizont des Auges nach Gefallen auszudehnen. Wie ich deshalb so träumend auf das ungewisse milchige Dämmerlicht hinausschaute, aus dem nur, von den Wänden zurückgeworfen, das dumpfe Rauschen des Bergbachs herüber tönte, kam es mir plötzlich vor, als ob ich am kahlen felsigen Strand des Meeres sitze, das an dem Fuß desselben Hügels seine Wellen peitschte, und seiner Brandung Donnern im dumpfen hohlen Brausen zu mir herübersandte.

Lebhafter hab' ich wachend noch nie geträumt, und in der Erinnerung an frühere ähnliche Scenen, konnt' ich mir jetzt schon gar keine Berge dort hinein mehr denken. Das mußte Meer sein. Wie das dumpf kochte und rauschte, und wenn der Nebel sank und dort hinaus dem Auge Freiheit gab, dann lag auch sicher die blaue See vor mir, und einzelne weiße Segel zogen wie leuchtende Punkte darüber hin.

Wenn es nur nicht so schmählig kalt gewesen wäre.

Jetzt wurde der Nebel oben lichter; die Sonne brach sich mit einem einzelnen Strahl wenigstens Bahn, und im Zenith erschien der blaue Himmel. Endlich! Jetzt zog auch der Wind schärfer aus dem Thal herauf – er schnitt im wahren Sinn des Worts durch Mark und Bein – und dort – ich vergaß Gemsen und Jagd über das Schauspiel das sich plötzlich, als ob ein riesiger Vorhang mit einem Wurf zurückgeschleudert würde, vor meinem Blick entfaltete. Mit Windesschnelle öffnete sich der Nebel und wich nach beiden Seiten so zurück, daß er wie durch ein gigantisches Medaillon den Blick hinausgestattete. Vor mir aber – so dicht daß meiner Meinung nach die Armbrust einen Bolzen hätte hinübertragen müssen stieg dunkel und massenhaft, eine Riesenmauer, die Carwendelwand empor, und blaue zerfließende Lichter schossen dabei, wie nach einem Brennpunkt, in der Mitte dieses wunderbaren Bildes zusammen und schmolzen für jetzt noch die einzelnen Theile ineinander. Allmählig löste sich aber auch dies – das Bild wurde rein und klar, und scharf gezeichnet lag plötzlich dort drüben, wo ich die See geträumt und so hoch aufragend daß ich empor schauen mußte ihre dunklen Ränder in dem sich wieder mit Nebel bedeckenden Himmel zu suchen, die schroffe Wand, mit allen ihren einzelnen Spalten und Rissen vor mir da. Während aber fast den vierten Theil der ganzen Höhe, die Reißen einnahmen, die sich der Berg in's Thal hinabgeschüttelt, lag auf diesen Reißen wieder, noch immer von dem jetzt lichter gewordenen blauen Schein übergossen, ein breiter Streifen Schnee den dort der letzte Winter noch gelassen.

Wunderbarer Weise zog sich der Nebelrahmen jetzt mehr und mehr zusammen, die schärfsten Lichter auf die Mitte werfend und dort – auf dem Schnee – deutlich konnte ich es mit bloßem Auge erkennen – regte sich ein dunkler Gegenstand, und kroch langsam und gerade, dem Zug der Wand folgend, darüber hin.

Ich würde es für eine einzelne Gemse gehalten haben, wenn es mir nicht so entsetzlich klein vorgekommen wäre – aber was konnte es sonst sein – vielleicht ein Fuchs? Ich nahm das Fernrohr rasch aus seinem Futteral, richtete es und erkannte in dem kleinen Punkt – einen Menschen – einen Jäger der dort an der scheinbar senkrechten Wand in solcher ungeheueren Entfernung noch seine mühsame Bahn verfolgte.

Als ob der Nebel sich aber nur geöffnet mir das zu zeigen, flossen in diesem Augenblick wieder breite glänzende Strahlen nach der Mitte zu – das Medaillon schloß sich, und dichter als vorher lagerte die weiße Nacht auf Berg und Thal.

Und was für ein kalter Zug mit dem Nebel wieder von da unten herauf und über den Hügel strich – die Zähne fingen mir an zu klappern und in der Aussicht jetzt, daß wir hier sitzen müßten bis der Jäger, den ich eben erst als kleinen dunklen Punkt gesehn, seinen Bogengang um den Kessel her vollendet hätte, wickelte ich mich nur fester und verzweifelter in meinen Mantel.

Wie lange ich so gesessen weiß ich nicht; der Nebel wurde aber immer dichter, und das einzige Vergnügen das ich mir unter der Zeit machen konnte war, an eine recht gut geheizte Stube zu denken. Wie die Aufregung dieses plötzlichen Phänomens, – ich kann es kaum anders nennen – vorüber war, kam der Frost mit verdoppelter Schärfe wieder, und ich fror, wie nur ein unglückseliges auf einem kalten Stein, in einem solchen Nebel und auf solcher Höhe sitzendes Menschenkind frieren kann.

Das Treiben nahm auch kein Ende – der Nebelvorhang war wieder gefallen, und auf's Neue träumte ich mich an der Seeküste – irgendwo in der unmittelbaren Nähe des Eismeers. Endlich – Gott sei Dank das war ein Geräusch – endlich doch ein Wild zum Schuß, denn wenn es hier nur sichtbar wurde hätt' ich es auch mit einem Blasrohr treffen können. Ich machte mich rasch fertig, konnte aber kaum den Hahn der Büchse spannen, so steif war ich gefroren. Da kam's über das lockere Gestein herauf – mit Gewalt brachte ich den Kolben an den Backen – schon sah ich, über den Büchsenlauf hin, sich einen dunklen Schatten bewegen – sobald sich das als ein alter Bock auswies. – Erschrocken setzte ich die Büchse ab und den Hahn in Ruh – der Schatten gehörte einem der Jäger und der Mann stieg in Schweiß gebadet, den rauhen mühseligen Hang herauf. – Ich konnte ihn nur um seine Temperatur beneiden.

Das Treiben war vorbei; die Schützen kamen, ohne daß ein einziger Schuß gefallen wäre, auf dem Hügelrücken zusammen und wie froren sie. Wir sahen alle blau und roth marmorirt im Gesicht aus, und wenigstens eine halbe Stunde scharfen Marschirens war nöthig, mich nur einigermaßen wieder biegsam zu machen.

Heute blieb freilich nicht mehr viel zu thun. Nichts destoweniger wäre es Schade gewesen den ganzen übrigen Tag ohne weiteren Versuch aufzugeben.

Bei dem gestrigen Auszug hatten wir an einer der, dicht unter der Carwendelwand liegenden Reißen zwei starke Böcke gesehen. Wenn die alten Burschen jetzt noch dort oder in der Nähe standen, war es vielleicht möglich ihnen mit Hülfe des Nebels anzukommen. Die Luft schlug abwärts, und wenn die Schützen unten und seitwärts vorgestellt wurden, konnte sie nachher ein einziger Treiber losgehn.

Vorsichtig schlugen wir deshalb, von einem der Treiber geführt, einen schmalen Vieh- und Gemspfad ein, der quer unter den Reißen, aber noch in ihrem Bereich hinführte, und merkwürdig war in der That diese wilde Welt, durch die wir jetzt hinschritten. In eine Wolke von Nebel gehüllt, blieb nur die nächste Nähe sichtbar, und diese bestand einzig und allein aus Steinen die von der Größe eines mäßigen Wohnhauses, bis hinunter zu der eines Chausseesteines in toller Mischung durcheinander lagen. Kein Busch, kein Grashalm war dabei zu sehn, nur Nebel und Felsgeröll und das Rücktheil des vor Einem hinschreitenden Jägers. Und wie mußte das hier donnern und schmettern wenn die Felsstücke von der mehre tausend Fuß hohen steilen Wand unter der wir hinschritten, zu Thal stürzten. Und wenn nun gerade jetzt ein solcher Brocken sich losgebrochen und seinen Weg hierher gefunden hätte? An ein Ausweichen wäre gar nicht zu denken gewesen, denn wie Kanonenkugeln prellen solche Stücke, nur einmal in Schwung gebracht, bergab. Störend war in der That der Gedanke, daß wahrscheinlich in diesem selben Augenblick hunderte solcher Blöcke über uns, nur vielleicht noch durch ein wenig Erdreich gehalten, hingen, und von der geringsten Ursache losgestoßen werden konnten. Wenn die jetzt niederbrachen, über uns – um uns her –

Es ist ein unbehagliches Gefühl an solchen Stellen hinzugehn, an denen das Leben eigentlich nur an einem nicht zu verhindernden Zufall hängt – es hat Aehnliches mit dem Spatzierengehen in den Straßen einer verpesteten Stadt, wo man kaum zu athmen vermag.

Alle Wetter – da oben ging's schon los! –

Wie wir eben an einer Stelle vorüberschritten die solch unnöthiges Baumaterial in außergewöhnlicher Masse geliefert zu haben schien, polterte es plötzlich über uns in den Steinen, und einzelne kleine Carwendelwandsplitter, von der Größe eines gewöhnlichen Kinderkopfes kamen springend nieder.

Das waren jedenfalls Gemsen – deutlich konnten wir sie auch, vielleicht nur wenige hundert Schritt von uns entfernt, davon klappern hören – aber zu sehn war weiter Nichts, als die unerbittliche weiße Decke, die uns umhüllte. Rasch wurden jetzt die nöthigen Befehle ertheilt den Platz auf dem die Gemsen plötzlich zu halten schienen, zu umstellen, und sie doch vielleicht noch zum Schuß zu bekommen. Martin, dem der Boden schon lange unter den Füßen brannte, sprang dann in seinem wolfsähnlichen langen Galop zurück, den äußersten Vorposten so rasch als möglich zu besetzen, während unser Jagdherr selber sich noch weiter vorpirschte, um später mit Rainer die beschwerlichen Reißen hinan bis unter die Wand zu klettern. Waren die Gemsen noch darin, so mußten sie jetzt einem der Schützen kommen, denn die steile vielleicht mehre tausend Fuß hohe Carwendelwand konnten selbst diese Thiere nicht empor. Was nicht Flügel hatte kam da nicht hinüber.

Der hohe Herr stand senkrecht über mir, und als der Windzug einmal auf Momente die oberen Nebelschichten in Bewegung setzte, daß der düstere Schatten der nahen Wand wie eine drohende Gewitterwolke über uns stand, konnt' ich seine hohe dunkle Gestalt, nur eben wie fast in der Luft schwebend, erkennen. Tiefer im Thal stand ein jüngerer Anverwandter desselben, der schon einige Tage mit in den Bergen gejagt hatte, und neben ihm, seinen schottischen Plaid über der Schulter und seinen breiträndigen Hut auf, der ihm den Namen eines »falschen Spaniers« zugezogen, der Zeichner dieser Skizzen.

Ich hatte mich in einen Laatschenbusch gedrückt, und Platz genug zum Schießen – wenn eben nur etwas kam – auch heute zwei Büchsen neben mir, da die Erinnerung an das gestrige Rudel den Verdacht in mir hatte aufsteigen lassen, daß mir heute etwas Aehnliches wiederfahren würde. Der Mensch giebt sich manchmal solchen angenehmen Träumen hin.

Ein paar Mal schwankte der Nebel, und es schien fast als ob er sich zerstreuen wolle – das wäre für die Jagd prächtig gewesen. Jedenfalls hatte sich der Wind gedreht, und kam jetzt mehr von Norden als heut Morgen – aber der Nebel wich und wankte nicht. Da fing es plötzlich über mir an in den Steinen zu donnern und zu prasseln, daß ich glaubte, der ganze Berg käme herunter. Piff – paff, gingen dabei oben die Schüsse rechts und links – eine Kugel konnte ich auf die Steine aufschlagen hören – und ein ganzes Rudel mußte dort irgend wo aufgestanden und nach allen Richtungen gleich hin flüchtig geworden sein.

Wie als ob Jemand auf dünnem Eise geht, es plötzlich links und rechts um sich knackern hört, und nun in Todesangst, die Augen rasch hinüber und herüber wirft, von welcher Seite die Gefahr, der schlimmste Riß zuerst wohl kommen könne, so hing ich in der Laatsche. Nebel daß man keine dreißig Schritt weit sehen konnte, und jetzt rings um das tolle Poltern, ja sogar soweit das Auge nach rechts und links schauen konnte, niederspringende Steine – es war ein Augenblick der peinlichsten Spannung und Erwartung, einer der wenigen Momente im Leben, in denen man auf jeder Schulter und besonders auf dem Rücken noch ein Gesicht mit ein paar Augen haben möchte, und sich fast den Kopf in den vollkommen nutzlosen Versuchen abdreht, überall hin, zu gleicher Zeit zu schauen.

Schüsse jetzt nach allen Richtungen – Schreckschüsse wie sich später auswies, die Gemsen die oben durchbrechen wollten zurückzubringen und springende Steine von allen Seiten her. – Wie Rettung aus dieser Noth, brachen da plötzlich drei dunkle Schatten quer vor mir hinüber. Wenn ich aber auch ziemlich deutlich sah daß es Gemsen waren durfte ich doch nach der Richtung hin nicht schießen, da leicht schon ein Treiber hier herüber gekommen sein konnte, und die Kugeln auf den eckigen Steinen oft nach ganz verkehrten Richtungen abprallen. Ehe ich aber auch nur hätte anlegen können, waren sie von einer Schlucht oder vom Nebel verschlungen, und ich hörte nur noch, wie sie bergab und der Richtung zusprangen, in der Prinz C. stand.

Paff! knallte ein Schuß, kurz und trocken von dort herüber, und es fiel mir jetzt auf, was ich schon bei den früheren Schüssen bemerkt hatte, wie wenig Schall sie nämlich in solchem Nebel haben. Bei klarem Wetter hätte die rauhe mächtige Wand das Echo sicherlich mit donnerndem Getös hinab in's Thal geworfen.

Aber ich brauchte meine fünf Sinne jetzt zu etwas Anderem, als naturhistorischen Studien. Links von mir hatte ich einen, nur mit Alpenrosenbüschen bewachsenen Hügelhang, den ich eben, als der Nebel vom Wind darüber hingejagt wurde, erkennen konnte. Dorthin hörte ich auch Getrappel und entdeckte gleich nach dem Schuß ziemlich deutlich die dunklen Gestalten zweier Gemsen – so groß dem Anschein nach wie Kälber –, die am Hügelhang flüchtig aufwärts gingen. Das mußten jedenfalls Böcke sein, und das war die letzte Gelegenheit für mich. Wenn sie mir auch in den dichten Nebelschichten ein paar Mal unter den Augen weg verschwanden, schickte ich ihnen doch, sobald sie wieder sichtbar wurden, rasch hintereinander drei Kugeln nach.

Nach jedem Schuß – und das Einschlagen der Kugeln mußten sie an dem steilen Hang hören – blieben sie allerdings einen Moment wie erstaunt stehn, setzten aber auch dann eben so ungenirt ihre Flucht fort, bis mir Hügelhang und Gemsen und Nebel vor den Augen zu einer grauen unbestimmten Masse zusammenschmolz.

Bei der Nachsuche später fanden wir übrigens keinen Tropfen Schweiß, und ein älterer erfahrener Schütze der mit unten gestanden und das Wild weit näher gehabt als ich, aber nicht geschossen hatte, weil er behauptete es sei eine Geis und Kitz gewesen, versicherte: die alte Geis wäre nach jedem Schuß stehen geblieben, hätte sich nach dem Kleinen umgesehn und zu ihm gesagt, »komm nur mit, mein Kindchen, du hast gar Nichts zu fürchten.«

Unser Jagdherr hatte in dem nichtswürdigen Nebel ebenfalls vorbeigeschossen oder doch eine Gemse nur gestreift; die Nachsuche am nächsten Tag ergab trotz hie und da gefundenem Schweiß kein Resultat.

Glücklicher dagegen war mein junger Nachbar gewesen, und als wir hinunter kamen, fanden wir Michel emsig damit beschäftigt einen prachtvollen Bock, der in voller Flucht den Berg hinunter gekommen und im Feuer zusammengebrochen war, zu zerwirken.

Merkwürdig ist, wie sehr man sich bei solchem Nebel in den Formen und Umrissen, besonders flüchtig gehenden Wildes täuscht, während die stete Aufregung, Gemsen überall, vielleicht in Schußnähe, um sich zu wissen und zu hören, und doch Nichts sehn zu können, dem Schützen auch die letzte Ruhe nimmt. Ich wenigstens, obgleich sonst auf der Jagd gar nicht so übermäßig hitzig, befand mich bei diesem Nebeltreiben in einer ganz unbeschreiblichen Aufregung – ein Anderer soll ruhig dabei bleiben.

Während wir wohl noch eine halbe Stunde mit der vergeblichen Nachsuche verloren, war es fast dunkel geworden. Ein frischer Wind der sich zugleich erhob trieb jetzt die oberen Nebelschichten vor sich her, und als wir dicht unter der senkrecht niederfallenden Carwendelwand hingingen, zeigte sich über uns der blaue reine Himmel, an dem einzelne lichte, von der Sonne erhellte Wolken rasch nach Süden zu vorüber zogen. Zu gleicher Zeit wurde die ganze dunkle zackige Wand sichtbar, und wir Alle blieben fast erschreckt vor dem Anblick stehn, der sich hier uns bot.

Die Wolken zogen von uns weg, über die Wand hinüber, und wie es bei halbklarem Himmel, wenn der Mond oben steht, gerade so aussieht, als ob jene ihren Platz behaupteten, und nur der Mond in wilder Flucht hindurchjage, so war es jetzt in wirklich Herz beklemmender Täuschung, als ob die ganze furchtbare düstere Steinmasse, die ihre scharfen Zacken in die klare Luft hineinreckte, langsam nach uns herüber schwankte, und Alle im nächsten Augenblick mit ihrer riesigen Wucht zerschmettern müßte.

Ich wußte, es war nur Augentäuschung, und doch mußte ich den Kopf wegwenden. Wie schön der Anblick war, so über alle Maßen furchtbar und bewältigend war er auch.

Wieder schloß sich da der Nebel, und des zurückkehrenden Martin Bericht brachte uns bald auf andere Gedanken.

Als er nämlich, wie er erzählte, vorher war abgeschickt worden dem Rudel, das wir poltern gehört, den Weg abzuschneiden, glückte ihm dies so vollkommen, daß er, vom Wind und ihrem eigenen Steingerassel dabei begünstigt, dicht an sie hinankam. Im ersten unbedachten Schreck flohen sie auch, wie sie den Menschen gewahr wurden, soweit es ihnen der starre Fels erlaubte, grad' an der Wand hinauf. Dorten aber kamen sie bald zu einem gezwungenen Halt, während ihnen der jetzt aufspringende Martin den Rückweg abschnitt oder doch wenigstens verstellte. Ein paar Minuten blieben sie so – und das muß wundervoll ausgesehen haben – an der steilen Felswand, eine hinter der anderen kleben, bis der Jäger endlich, um sie dort herunter zu bringen, einen Schreckschuß abfeuerte. Aber jetzt kamen sie, und zwar so rasch daß Martin versicherte: »Jetzt mußt' ich aber gemach daß ich fortkam,« denn kollernde und springende Steine und Gemsen, Alles durcheinander, brachen und prasselten plötzlich zusammen und hintereinander her den schroffen Hang nieder. Im Nu waren sie aber auch im Nebel verschwunden und nur ihr Geklapper auf den lockeren Reißen verrieth die Richtung die sie genommen.

14.
Die Nachsuche

Es giebt in unseren Naturgeschichten einige althergebrachte Anekdoten von Menschen und Thieren die einmal »gang und gäbe« sind und die Einer dem Anderen so unbefangen nacherzählt, als ob es sich nur um allgemein anerkannte Thatsachen handelte. So versteht es sich von selbst daß der Löwe ein höchst großmüthiges uneigennütziges Thier sei, der Rinaldo Rinaldini unter den Bestien, der eine bestimmte Aversion gegen den Blick des Menschen habe, und demselben unter keinen Umständen begegnen könne. Bei der Klapperschlange heißt es, daß sie mit ihrem Blick allein Vögel anlocke, banne und – verschlinge. Ein Gemsjäger ferner ist, für die Jugend wenigstens, untrennbar von dem Bilde eines Menschen der, mit einem sehr spitzen Hut, auf einer sehr steilen Eiszinke steht und sich die Fußsohle aufschneidet. Ich selber kann mich auch noch recht gut aus meiner Jugendzeit erinnern, daß ich das Fußaufschneiden als vollkommen identisch mit der Gemsjagd hielt, und so natürlich und einleuchtend, wie das Anziehen von Ueberschuhen bei schmutzigem Wetter fand. Wie hätten sie anders an solchen Eiszacken herumklettern wollen. Kommt man dann aber später in das wirkliche Leben und auf den Schauplatz solcher außerordentlichen Ankündigungen hinaus, so findet man nicht allein bei diesen, sondern auch bei noch vielen anderen, mit großer Entschiedenheit aufgestellten Behauptungen, daß sich irgend ein biederer Gelehrter daheim im warmen Studirzimmer bei einer Pfeife Tabak und mit Hülfe einer unbestimmten Anzahl von Folianten derlei Schlüsse excerpirt und combinirt, und mit großem Selbstvertrauen in die Welt hinausgestreut hat. Natürlich glaubt er das am Ende selber was er geschrieben, und darf das Nämliche nun auch von Anderen verlangen.

Wenn die Klapperschlangen aber nur davon leben sollten was sie mit den Augen fangen, würde es bald keine mehr geben, und wenn sich der Gemsenjäger dadurch forthelfen sollte daß er sich des einzigen Mittels dazu durch einen Riß in die Sohlen beraubte – seiner gesunden Füße – so hätten die Gemsen wahrlich gute Zeit.

Nichtsdestoweniger ist das Steigen in den Bergen doch eine keineswegs so leichte Sache, und wenn der noch nicht recht darin Geübte auch gerade nicht an solche Stellen hinzugehen braucht, die selbst den alten Steigern »schiech« vorkommen, findet er doch Gelegenheit genug zu versuchen ob er schwindlig ist und einen festen Schritt hat.

Die Jagd selber bietet dabei noch nicht das Schlimmste, denn dort kann sich der Schütze und selbst der Treiber doch immer noch den gangbar scheinenden Weg aussuchen und die schlimmsten Stellen vermeiden. Auf der Nachsuche dagegen, um ein angeschossenes Gemsthier, führt dieses selber den Jäger, der ihm auf dem Schweiß folgen muß, und daß sich die kranke Gems nicht die bequemsten Wechsel aussucht läßt sich denken. Die Nachsuche ist jedenfalls der wildeste und gefährlichste Theil der ganzen Gemsenjagd, und eine recht hübsche Probe habe ich wenigstens davon bekommen. Am Heimjoch hatte ich eine Gemse, die flüchtig auf dem Pirschgang vor mir in die Laatschen sprang, angeschossen, und Rainer war ihr schon an dem Abend soweit auf dem Schweiß gefolgt, bis er eben nicht weiter nach konnte. Die Nacht regnete es was vom Himmel herunter wollte, und um das angeschossene Wild nicht zu verlieren, ging ich am nächsten Morgen mit ihm, Wastel und zwei Hunden aus, dort wo er gestern die Spur verlassen, heute »verloren« nachzusuchen.

Da dem Platz, wie Rainer versicherte, von oben nicht gut beizukommen war, versuchten wir es von unten, die Klamm aufwärts, und mit Steigeisen an den Füßen, jetzt an steilen Klüften hinauf, wo wir den Hunden nachhelfen mußten, jetzt durch die nassen Laatschen kriechend, über glattes Gestein und bröckelige Reißen, an Abgründen und Felsspalten hin, erreichten wir endlich die Stelle wo der Jäger vermuthete, daß sie sich eingestellt haben möchte. Wastel war ein Stück zurück geblieben, in ein paar andere Felsspalten hinein zu schauen, ob sie dort nicht vielleicht verendet läge, als plötzlich die Hunde dicht vor mir laut wurden. Und sie hatten Ursach dazu, denn aus den Laatschen heraus, durch die steile Schlucht vor, an deren Wänden wir hingen sprang plötzlich die angeschossene Gems, machte ein paar Sätze und stellte sich dann kaum zehn Schritt von mir entfernt auf eine kleine spitze Felskuppe.

Jetzt kam ein Moment den der Amerikaner sehr treffend mit dem Sprichwort bezeichnet »den Teufel zu bezahlen und kein Pech heiß.« Das Schloß der Büchse hatte ich, die Nässe davon abzuhalten, mit dem Taschentuch umwunden, und an einer Stelle wo ich mich nicht einmal umdrehen konnte, während ich mit dem linken Arm um einen Laatschenzweig hing, war ich nicht im Stande den verwünschten Knoten der nassen Seide aufzubekommen. Lang' hielt sich die Gemse aber auch nicht auf, die Hunde waren ihr zu dicht auf den Fersen, und nur einen halberstaunten, halberschrockenen Blick auf uns werfend sprang sie, von den Hunden verfolgt und augenscheinlich krank den Hang hinunter. Bergmann besonders, der kleine Teckel, warf sich mit wahrer Todesverachtung, und ganz auch seine kurzen krummen Beinchen vergessend, hinter drein. Ein Stück Wegs sah ich ihn auch wirklich auf dem Rücken, die Beinchen in der Luft, hinabrutschen; aber er kam richtig wieder auf die Füße, und es dauerte gar nicht lange so hatten sie unten die kranke Gemse gestellt, die der herbeigeeilte Wastel todt schoß.

Rainer hatte seine innige Freude daß die angeschossene Gems gefunden worden – die Leute setzen einen Stolz darein Alles wobei sie betheiligt sind mit Erfolg gekrönt zu sehn.

»Ich wußte daß wir ihn heut' bekommen würden,« rief er, als der Schuß von unten herauf, und das plötzliche Schweigen der Hunde den Tod der Beute kündete – »wie ich nur den Schweiß gestern observirte wußt' ich es. Was aber der Bursch noch springen konnte. Er setzte mit wahrer Tolleranz die Wand hinunter.«

Außerdem entwickelte er bei dieser Gelegenheit auch noch eine, auf praktische Erfahrung gegründete Theorie der Bergschuh, insofern sie auf Lannen und Felsen verschiedene Eigenschaften besitzen müssen. Er hielt nämlich die Schuh für gefährlich, die außer den Randnägeln auch noch eiserne Nägel in der Mitte hätten. »Auf den steilen Lannen und Grasboden,« sagte er dabei, »schadet das Nichts, da ist Eisen die Hauptsache, aber wenn man auf Steine kommt, dann ist es auch nöthig daß man Leder unter dem Schuh zu fühlen bekommt. Das Eisen rutscht auf den Steinen eher ab, aber das Leder ist mehr »elektrisch« – das hält!«

Die Jagd! Die frohe herrliche Jagd! oh wie viel könnt' ich dem Leser noch davon erzählen, müßt' ich nicht fürchten ihn zuletzt zu ermüden. Es ist ein Unterschied das mit durchzuleben, oder es nur erzählen zu hören, obgleich der, der selber Jäger ist, sich wohl leicht und gern in das herrliche Leben solcher Berglust mit hineindenkt, und selbst der Laie für kurze Zeit Theil daran nimmt. Lieber Gott, die Poesie liegt uns, in der altbackenen Wirklichkeit unseres Daseins, meist so fern, daß man eigentlich froh sein sollte noch einen Platz in gar nicht so weiter Ferne zu wissen, in dem sie in all ihren Reizen prangt und thront. Wenige Herzen sind es ja außerdem, die den Sinn, die das Gemüth und den freien männlichen Muth haben sie dort festzuhalten.

Wie eine Schnur kostbarer Perlen reiht sich da ein Tag an den anderen, keiner dem vorigen ähnlich, alle wieder neue Abenteuer, neue Scenen, neue Erfahrungen bringend, und alle gleich werthvoll, gleich schön in der Erinnerung. Heute ein Treiben in wild zerrissener und zerklüfteter Klamm, während der Sturm durch die Berge heult, und wie Kanonendonner durch die Schluchten saust, die Laatschen wie ein grünes Meer durchwogt und schwere Steine von den Wänden reißt – Morgen ein stiller Pirschgang in früher Morgenstunde über die Joche hin und durch die Gräben nieder, und gerad' Beschwerden und Gefahr genug dem wahren Manne das Herz mit Lust und Wonne bis zum Rand zu füllen.

Auch daß die Jagd nicht alle Tage glückt, verleiht ihr einen weit höheren Reiz, als wenn man eben nur hinauszugehen brauchte das Wild todt zu schießen. Es ist wirkliche Jagd, und hat deshalb auch gar keine Aehnlichkeit mit den Hasenschlächtereien des flachen Landes. Was man erlegt, hat man sich wahrlich sauer und schwer genug verdient. Wenn man dann auch drei oder vier Tage umsonst die schwersten Touren gemacht, bringt der Erfolg des fünften hundertfachen Lohn.

So verfliegt der Tag draußen in den Bergen, daß man oft gar nicht weiß wo er hingekommen, und der Abend am lodernden Kamin vergeht nicht schneller fast. Müde wird der Körper ja überhaupt nicht in dieser reinen Luft, selbst nach Anstrengungen, die im flachen Land den stärksten Mann zum Tod erschöpfen würden. Die Zeit dann zwischen Jagd und Jagd ist deshalb nicht Erholung, sondern wieder nur ein Vergnügen anderer Art. Man hat eben nicht zu jagen aufgehört weil man müde – sondern einfach weil es dunkel wurde, und beginnt frisch, wie am vorigen Morgen, sobald die Sonne sich im Osten zeigt – bis der Schnee kommt.

Der Schnee ist des Gemsjägers Feind, und so erfreulich ein Neues im flachen Lande sein mag, Wild zu bestätigen, und den Wald nach Raubzeug abzuspüren, so derb und mächtig tritt er dort in den Bergen gewöhnlich auf, wenn er erst einmal beginnt.

Oft geschieht es allerdings, daß es oben auf den Jochen in der Nacht einen Fuß Schnee herunterwirft, und um Mittag herum die Sonne, von dem warmen Boden begünstigt, auch das Letzte an der Südseite der Hänge wieder aufgesogen hat. Er liegt dann auch weit lockerer dort wie im flachen Land. Das geht aber ein- oder zweimal so – nachher wird's Ernst, und hat er sich erst einmal ordentlich da festgesetzt, dann ist's auch in den Alpen mit der Jagd vorbei, – wenigstens mit der Treibjagd. Ja selbst der Pirschende wäre gezwungen alle gefährlichen und selbst nur steilen Plätze zu vermeiden, und hätte sich noch außerdem vor Lawinen und Schneestürzen arg zu wahren.

Die Gemsen sollen sich bei heftig eintretendem Schneewetter in den Wald hinunterziehn. Sobald es aber aufgehört hat zu schneien, gehen sie wieder auf die Höhen, und wo die Lawine den Schnee in's Thal hinunter reißt, öffnen sich für sie nicht allein vollkommen sichere, sondern auch treffliche, von der hemmenden Decke freie Aesungsplätze.

Daß Gemsen von Lawinen erfaßt und begraben werden geschieht außerordentlich selten. Die klugen Thiere kennen schon die gefährlichen Plätze wie die gefährlichen Zeiten, und meiden sie sorgfältig. Weit eher wird ein Stück Wild von diesen »Schrecken der Berge« überrascht, wie denn auch das Roth- und besonders das Rehwild, weit eher dem schweren Schnee erliegt.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 eylül 2017
Hacim:
170 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain