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Kitabı oku: «Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band», sayfa 11

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»Was hab ich mit Euch zu schaffen?« sagte Veitel, aber er packte sein Instrument verdrießlich wieder ein, da er wohl sah daß jetzt keine Zeit sei zu spielen und einzusammeln. Der Knabe, den Zorn des alten Mannes fürchtend, drückte sich indessen wieder zurück in seine Ecke, ihn wenigstens nicht durch seinen Anblick mehr als nöthig auf sich aufmerksam zu machen, blieb jedoch für jetzt mit jedem Zwang verschont.

Die wackere Jane Wilmington verfolgte indessen rasch, und ohne sich irgendwo aufzuhalten, ihre Bahn. Hie und da wurde wohl manchmal am Tag ein Tuch, oder Nachts ein Feuerbrand am Ufer geschwenkt, das bekannte Zeichen daß Passagiere an Bord wollten, und das Boot setzte dann die Jölle aus, oder lief, wenn es der Platz erlaubte, selber dicht an das Land hinan, die Fremden aufzunehmen. Manchmal aber auch, wenn der Capitain mit seinem Fernrohr dem äußeren Aussehn nach vermuthete, daß er nur Zwischendecks-Passagiere zu erwarten habe, schwieg auch wohl die Glocke und das Boot brauste, herzlich von den am Land Harrenden verwünscht, vorbei ohne anzuhalten.

Aber das Ufer an beiden Seiten verrieth auch jetzt weit größere Cultur, als sie, seit sie den unteren Mississippi verlassen, an diesem Strom gesehen. Überall wo ein unbedeutender Fluß oder auch nur ein Bach in den Ohio mündete, lagen kleine Städtchen, die mit ihren neuen, hell gemalten hölzernen Häusern, manchmal noch von dem Wald aus dem sie entsprungen umschlossen, oft aber auch von gut bebauten Farmen dicht umgeben, gar eigenthümlich gegen den dunklen Hintergrund abstachen. Fabrikgebäude standen am Ufer, Kohlengruben sandten ihre Schätze auf improvisirten kleinen Eisenbahnen bis dicht an den Rand des Stromes hin, die Kohlen von überbauten Werften gleich in die darunter gelandeten Boote zu werfen; Heerden weideten auf gelichteten Grasplätzen, Getraide und Heuschober standen aufgespeichert, den Reichthum des Bodens bekundend. Massen von kleinen und größeren Dampfern lagen dabei theils an den besiedelten Plätzen oder kamen den Strom herab, tief mit den kräftigen Produkten des Nordens geladen. Die aufgehenden Dampfer brauchten zugleich ihre Zeit nicht mehr damit zu versäumen an Land zu fahren, ihren Holzbedarf einzunehmen, denn die Holzverkäufer hatten die Klaftern schon in offenen breiten Booten aufgespeichert und fertig liegen. Nur ein Tau wurde ihnen zugeworfen, das befestigten sie an Bord, und während das Dampfboot mit ihnen stromauf lief, wurde das Holz auf seine guards geworfen, der Eigenthümer ging in die Cajüte, sich sein Geld geben zu lassen und steuerte dann sein etwas schwerfälliges Fahrzeug wieder mit der Strömung zurück, dem eigenen Landungsplatze zu.

So liefen sie zwischen Illinois und Kentucky hin, und erreichten am siebenten Tag nach ihrer Abfahrt von New-Orleans die Mündung des ebenfalls schiffbaren Wabasch, der von Michigan herunter kommend und oben queer durch den Staat Indiana durchströmend weiter unten die Grenze bildet zwischen diesem und dem Nachbarstaat Illinois, bis zum Ohio nieder. Kentucky dehnte sich jetzt noch an ihrer Rechten aus, aber zu ihrer Linken lag Indiana.

Herr von Hopfgarten hatte sich indessen entschlossen, ebenfalls mit in Grahamstown an Land zu gehn; er kam noch früh genug nach Cincinnati, und bekam hier zugleich Gelegenheit das innere Land wie die Verhältnisse des Ankaufs, welche der Professor jetzt durchmachen mußte, näher kennen zu lernen. Außerdem waren sie doch nun auch hier ein tüchtiges Stück in Amerika hineingekommen, ja befanden sich in der That ziemlich im Mittelpunkt der ganzen Vereinigten Staaten, die sich hier jedenfalls eher mußten in ihrem urthümlichen Charakter erkennen lassen, als in den großen, volkreichen Städten.

Nun sie übrigens ihr Ziel bald erreicht hatten, und die Passagiere, selbst die Damen, durch die längere Dampfbootfahrt zuversichtlicher und sicherer geworden waren, begann Marie, wenn sie bei Tische oder Abends manchmal auf der hinteren Gallerie zusammen kamen, den Reisegefährten zu necken, daß ihre Reise so ganz ruhig und ohne Zwischenfall abgelaufen sei, und Herr von Hopfgarten nun wahrscheinlich wieder den ganzen Weg werde zurück machen müssen, noch einmal von vorn anzufangen. Hopfgarten war aber auch wirklich nicht so ganz mit dem bis jetzt erzielten Resultat zufrieden, denn nicht allein war die Reise bis jetzt so glatt und still vor sich gegangen, als ob sie auf einem Europäischen Dampfer gefahren wären, sondern er hatte auch selbst unter seinen Mitpassagieren noch nicht das geringste Außergewöhnliche entdeckt. Nirgends boxten sich die Leute – als einmal im Zwischendeck und das hatte er versäumt – nirgends sah er Pistolen oder Bowiemesser18 gegen einander gezogen, und wie oft hatte er doch in Deutschland gelesen, daß diese beiden Waffen von Amerikanern bei den geringsten Streitigkeiten aufeinander gezückt würden. Es war ein verzweifelt langweiliges Leben an Bord, und wenn ihn nicht die bunt zusammengewürfelte Gesellschaft der Passagiere selber amüsirt hätte, er würde nicht gewußt haben was mit sich anzufangen.

Die Cajüte eines Mississippi-Dampfboots ist aber auch wirklich für Jemanden, der Charakterstudien zu machen wünscht, der beste Platz der sich nur denken läßt. Im Zwischendeck geben sich die Leute wie sie sind, und sind wie sie sich geben, meist rohes Bootsvolk, das sich nicht wohl in anständiger Gesellschaft fühlt, oder die ärmere Klasse der Einwanderer, die still und anspruchslos alle Unbequemlichkeiten und Entbehrungen dieses Platzes ertragen, weil sie eben wissen, daß sie nicht für mehr bezahlen können.

In der Cajüte ist das anders; die Passagepreise auf den westlichen Dampfbooten sind der ungeheueren Frequenz und des wohlfeileren Brennmaterials, wie der billigen Lebensmittel wegen so niedrig gestellt, daß Jeder, der nicht wirklich zur arbeitenden Klasse gehört, und sich sein Brod im Schweiß seines Angesichts verdienen muß – und selbst von diesen Mancher – in der Cajüte bei guter Kost und bequemem und reinlichem Aufenthalt seine Reise macht. So finden wir neben dem reichen Pflanzer aus dem Süden und dem Crösus aus den östlichen Städten, der in die theuersten und feinsten Stoffe nach elegantem Schnitt gekleidet Passage genommen hat seine Freunde im Norden zu besuchen, den rauhen Backwoodsman oder Hinterwäldler gerad' aus dem Wald heraus, in seinem blauwollenen oder ledernen Jagdhemd, der seine lange Büchse in die Ecke der Cajüte zwischen die seidenen Regenschirme und Fischbeinspatzierstöcke gelehnt hat, und seinen Tabackssaft zwischen den Zähnen durch über Bord spritzt wie – der beste Gentleman der Union; finden den langen Yankee-Sclavenhändler mit grell buntgestreiftem Hemd und unvermeidlichen Frack, den Hut nach hinten in den Kopf gedrückt; finden, dicht neben dem salbungsvollen Gesicht und breiträndigen Hut, dem braunen Rock mit Stehkragen und der weißen Cravatte des Reverend So und So, den Abschaum der Menschheit – den Spieler von Profession – der mit falschen Karten »sein Leben macht« und zu Mord und Straßenraub eher seine Zuflucht nehmen würde wie zu ehrlicher Arbeit; finden den Vieh- und Mehlhändler, und den »Stadt-Speculanten«, der seine Bauplätze irgend einer imaginären Stadt an den Mann zu bringen sucht; den weichlichen Creolen aus Louisiana, und den zähen, derbknochigen Yankee-Uhrenhändler; den Spanischen Kaufmann aus New-Orleans, der nach Cincinnati geht seine Einkäufe in Manufakturwaaren zu machen, und den Ohio-Schweinefleischhändler, der seine gesalzenen Heerden in der Königin des Südens gegen Spanische Dollar vertauschte; finden mit einem Wort den ganzen bunten Extrakt der wunderlich gemischten Bevölkerung Amerikas, mit einer einzigen Ausnahme; wir finden keine Neger oder von farbigen Blut Entsprossene, bis zum Quadroon19 hinunter, in der Cajüte eines Dampfers – außer den Dienern natürlich, Steward, Koch und Aufwärtern – denn dem farbigen Blut ist der Aufenthalt dort zwischen Weißen verboten, und wenn sie über Millionen zu gebieten hätte. Wie würde es einem Weißen einfallen sich mit dem Abkömmling der verachteten Race an einen Tisch zu setzen, oder gar eine Coye mit ihm zu theilen. – Mit den Zwischendeckspassagieren ist das eine andere Sache – Vieh wird auch oft im Zwischendeck befördert, und zwar mitten zwischen den übrigen Passagieren – dasselbe Recht haben die Nigger.

Kaum minder interessant – das Wenige gerechnet was er davon zu sehn bekam – war für unseren Freund Hopfgarten die Damencajüte, in der er gewiß vortreffliche und höchst angenehme Studien Amerikanischen Familienlebens hätte machen können, wenn nicht die magischen Worte no admittance,20 die auf einer rothen Tafel mit goldenen Buchstaben darüber standen, jedes Eindringen in das Mysterium dieser mit rothseidenen Vorhängen verschlossenen Halle unmöglich, oder doch zu einem sehr gewagten Unternehmen gemacht hätten. Manchmal war er allerdings im Stande einen flüchtigen Blick in das sehr elegant ausgestattete und mit weichen Teppichen belegte Gemach zu gewinnen, wenn ein oder die andere Dame, vielleicht absichtlich, einmal den Vorhang hob herauszuschauen, oder wenn die Kammerjungfer, ein allerliebstes Quadroon-Mädchen aus- und einging, ihren nöthigen Beschäftigungen nach. Es ließen sich dann wohl ein paar reizende Gestalten, nachlässig in einen Schaukelstuhl hingegossen, erkennen, die sich, ein Buch oder Kind auf dem Schooß um nur etwas in der Hand zu haben, behaglich herüber und hinüber wiegten; viel mehr war aber nicht davon wegzubekommen, und er selbst zu schüchtern sich irgendwo einzudrängen wohin er nicht gehörte, und wo er glauben konnte vielleicht nicht gern gesehen zu sein.

Des Neuen bot der Strom überhaupt genug, nach jeder Seite hin, und die Zeit verging ihnen, sie wußten selbst nicht wie.

Capitel 8
Die Farm in Indiana

Die Schiffsglocke läutete wieder, und der Platz wo sie jetzt landeten, ein Holzboot in's Schlepptau zu nehmen, lag wie der Farmer sagte, der das Holz an Bord brachte, gerade drei Miles (engl. Meilen) unter Grahamstown; es war für die Passagiere die dort auszusteigen gedachten, die höchste Zeit ihr Gepäck in Ordnung zu bringen.

Über das Wort town (Stadt) hatte der Professor indeß unterwegs seine überseeischen Ansichten in etwas geändert, denn den Fluß entlang, besonders am Ohio, waren ihm schon eine Menge kleiner Nester mit ein paar zerstreuten hölzernen Wohnungen, aber immer unter diesem Titel, vorgestellt worden, daß er eben auch nicht sehr erstaunte – wenigstens nicht so überrascht war, wie er es sonst wohl gewesen wäre – als sie etwa eine halbe Stunde später in Grahamstown einen eben solchen kleinen Fleck begrüßten, den er anderen Falls, beim bloßen Vorbeifahren, gewiß nur für eine gut und bequem angelegte Farm gehalten haben würde. Lange Zeit zu Betrachtungen blieb ihnen aber nicht; wieder hämmerte der Steuermann gegen die Glocke, die Leute standen vorn am Bug mit den zusammengerollten, zum Wurf bereiten Tauen, ein paar Neger am Ufer – aber hier freie Leute, keine Sclaven – sprangen bereitwillig, die Köpfe vorsichtig geduckt daß sie nicht von dem schweren Tau getroffen wurden – herbei es aufzufangen, die Klingel des Ingenieurs, vom Lootsen gezogen, ertönte und gab das Zeichen zum Halten, der Dampf strömte mit einem scharfen jähen Schlag in's Freie, die Räder standen und wenige Secunden später lag die Jane Wilmington fest an Land, ihre Passagiere abzusetzen. Die Planken wurden zu gleicher Zeit ausgeschoben und während die Deckhands und Feuerleute Alles faßten, hinübertrugen und abwarfen, was ihnen gepäckartig in den Weg kam, hatten die letzten der Passagiere kaum das Boot verlassen, als ihnen die langen Breter schon wieder unter den Füßen fortgerissen wurden. Go ahead! tönte der Ruf des Capitains vom Hurricane-Deck aus, und die große Schiffsglocke läutete zum Zeichen daß Alle, die noch an Bord wären und nicht dahin gehörten, das Boot verlassen sollten – aber es war das eine bloße Formalität, denn das Boot war faktisch schon wieder im Strom, gegen den es wenige Secunden später an und – weiter brauste.

Die Passagiere der Haidschnucke schienen die einzigen an Bord der Jane Wilmington die Grahamstown zu ihrem Ziel gewählt; nur noch zwei Amerikaner, die ihr ganzes Gepäck, einen winzigen Lederkoffer, in der Hand trugen und damit ohne weiteres die Uferbank hinaufklommen, waren mit ihnen ausgestiegen. Die ganze Landung ging dabei so rasch und fast möchte man sagen gewaltsam von Statten, daß sie nicht einmal Zeit behielten sich zu erkundigen ob dieß auch wirklich Grahamstown sei. Die kleine Stadt lag übrigens auf einem hier zum Wasser niederlaufenden, etwa zwei hundert Schritt hohen und vollkommen baumleeren Hügelhang; eine sehr ausgefahrene Straße lief schräg an dem Hang hinauf zu den ersten Häusern, und einzelne kleine Holzgebäude, ohne eigentlichen sichtbaren Zweck und Nutzen, standen zerstreut unter dem höchsten Rand. Oben konnte man auch, nachdem die beiden Amerikanischen Passagiere in ihren schwarzen Fracks hinter den Häusern verschwunden waren, hie und da einen Mann erkennen der, die Hände in den Hosentaschen, an einer Fenzecke lehnte und hinunter sah, oder eine Frau mit ihrem großen, den ganzen Kopf verhüllenden Bonnet, die ein paar Stücken Wäsche aufhing, um die Fremden da unten mit ihrem Gepäck, einer ordentlichen Burg von lauter Kisten, Kasten, deutschen Ackergeräthschaften, Koffern und Hutschachteln, schien sich keine Seele zu bekümmern, auch kein Fuhrwerk war zu sehn, mit dem sie hätten hoffen können ihr Passagiergut hinauf zu befördern.

»Lieber Gott wie öde das hier aussieht« sagte Marie, die sich mit der Mutter und den übrigen Geschwistern auf ihre Koffer gesetzt hatte, während der Weber mit seiner Familie, und der Professor mit Eduard und Herrn von Hopfgarten noch eifrig beschäftigt waren, das dicht an den Wasserrand, und hie und da selbst in den nassen Sand und Schlamm geworfene Gepäck ein paar Schritte weiter hinauf, wenigstens auf trockenen Boden zu schaffen. —

»Und kein Mensch zu hören und zu sehn« sagte Anna kopfschüttelnd, »große Freude scheinen die Einwohner eben nicht zu haben daß neue Ansiedler kommen.«

Die Mutter sagte kein Wort, aber sie hielt ihr jüngstes Kind auf dem Schooß, und schaute sich dabei still und mit einem unbeschreiblich unheimlichen Gefühl die ganze ziemlich öde unversprechende Umgebung an.

Nichts macht auch wohl einen so traurigen, beengenden Eindruck auf den Fremden, als das erste Betreten einer neuen »clearing«,21 eines neu angefangenen Platzes in den weiten Wäldern Amerikas. Alles ist noch neu und unfertig, überall liegt Baumaterial und Holz; gefällte Bäume, abgehauene Wipfel, ausgerodete Wurzeln trifft das Auge wohin es fällt; Straßen existiren auch nicht, nur zerfahrene Wege, bald hier bald da hinaus ausweichend, natürlichen Hindernissen des Bodens zu entgehn; Nichts hat noch einen Platz, Niemand selbst von den schon Angesiedelten fühlt sich heimisch, und die zertretenen, zerstampften Plätze um die Wohnungen selbst herum, mit nicht einem Baum stehn gelassen der Schatten gäbe, oder Abwechslung in diese Wüste der Civilisation brächte. Wohl hatten die Eingeborenen recht als sie, die ersten Ansiedlungen der Weißen sehend behaupteten, der Indianer sei der einzige rechtmäßige und von dem großen Geist für sein Vaterland bestimmte Eigenthümer, »denn er entstelle den Platz nicht, auf dem er sich niederlasse«, und nur den Jahren ist es dann vorbehalten das auszugleichen; die Natur selber muß wieder schaffen und wirken auf dem mishandelten Platz, bis es da wohnlich, bis es heimisch wird.

Die Männer hatten indessen ihre Arbeit unten vollendet, als Hopfgarten, sich mit dem seidenen Taschentuch den Schweiß von der Stirn trocknend, zu den Damen trat.

»Das wird Appetit machen« sagte er lachend, »Wetter noch einmal, nach einem so müßigen Leben, kommt einem die Arbeit ordentlich ungewohnt vor; die Bootsleute hätten sich auch ein wenig mehr Zeit lassen dürfen – ich habe ordentlichen Hunger.«

»Ja, wenn wir hier nur überhaupt etwas bekommen können« meinte Marie neckend – »Sie und Papa werden jedenfalls erst einmal recognosciren gehn müssen, um irgend ein Unterkommen zu entdecken, oder wir werden genöthigt sein die Nacht hier zu campiren und von dem Zwieback zu leben, den Mutter für die Kleinen mitgenommen hat.«

»So weit wird es hoffentlich nicht kommen« sagte der Professor, der jetzt ebenfalls zu ihnen getreten war, »aber – aber ich muß gestehn – etwas Anders habe ich mir den Platz, nach Herrn Henkels Beschreibung doch auch gedacht und, was mir das Auffallendste ist, die Leute scheinen hier auf fremde Einwanderung gar nicht vorbereitet zu sein und – brauchen uns entweder nicht, oder – oder glauben vielleicht daß wir gar nicht zu ihnen wollen.«

»Das läßt sich bald erfahren« rief aber Hopfgarten – »wir Beide wollen, wie eben Fräulein Marie vorgeschlagen hat, einmal hinaufgehn und den Herrn aufsuchen, an den Sie, lieber Professor, adressirt sind; jedenfalls werden wir dort gleich erfahren woran wir sind, und was wir hier in diesem Embryo Städtchen zu hoffen haben. Ich für mein Theil trete den Weg mit sehr geringen Erwartungen an, und brauche kaum zu fürchten selbst in denen getäuscht zu werden.«

»Gut« sagte der Professor »dann mag Eduard als Beschützer der Frauen zurückbleiben, und dem Weber indessen helfen das kleinere Gepäck etwas mehr zusammenstellen; hoffentlich hat die Stadt da oben auch ein besseres Aussehn, als wir von hier unten erkennen können. Spätestens sind wir in einer Stunde etwa zurück und bringen Bescheid.«

»Aber sollten wir die Damen nicht doch lieber mitnehmen, als sie allein hier in der Sonne sitzen lassen?« wandte Hopfgarten ein.

»Wir bleiben lieber hier« sagte die Frau Professorin rasch – »ich möchte nicht gern den Platz betreten, ehe ich nicht weiß daß unsere Kinder und das Gepäck ein sicheres Unterkommen finden.«

Der Professor hielt das auch für das Beste, denn ihre Familie war durch die Weberleute natürlich sehr angewachsen, und die beiden Männer machten sich jetzt auf den Weg vor allen Dingen den Mr. Goodly zu finden, an den sie empfohlen waren, wie auch Grahamstown selber, das sich bis jetzt noch sehr passiv verhielt, etwas näher in Augenschein zu nehmen. Sie kletterten also vor allen Dingen den etwas steilen und unbequemen Landungsplatz, den schmutzigen schräg anlaufenden Weg dabei vermeidend, hinan und erreichten bald die ersten, schon von unten auf bemerkten Häuser, wo sie das aber, was sie von der Landung aus für einen freien, noch nicht bebauten Platz, als eine breit in den Wald hineingehauene Straße erkannten, an der allerdings Fenzen entlang liefen und in regelmäßigen Zwischenräumen kleine niedere theils Block- theils frame22 Häuser standen, in der aber auch nur erst die Bäume, die hier ursprünglich den Wald gebildet, gefällt und die Klötze zu den Gebäuden benutzt, die Wipfel zu Feuerholz verbrannt, die Wurzeln und Stümpfe aber noch keineswegs entfernt waren, und der Straße, die ein breites Schild als Mainstreet verkündete, etwas ungemein urthümliches gaben.

Die Straße – in der nur zwei Menschen sichtbar waren, der eine mit einer Axt beschäftigt einen knorrigen Eichenast zu Feuerholz zu spalten, der Andere auf einem umgeworfenen Stamm sitzend, auf dem er, mit einem Zeitungsblatt in der Hand, eingeschlafen schien – bot aber doch etwas, dessen Entdeckung ihnen nicht geringe Freude machte – ein Wirthshaus, auf das sie jetzt rasch und entschieden lossteuerten, dort natürlich an der Quelle alle nöthigen Erkundigungen einzuziehn.

Das Zeichen, das ihnen der Platz verkündete, bestand in einem roh von Stangen aufgerichteten Gerüst, zwischen dem schwebend, an zwei eisernen knarrenden Haken ein Gemälde mit der Unterschrift »Inn« (Wirthshaus) hing. Das Bild allein wäre nun schon hinreichend gewesen die Aufmerksamkeit der beiden Reisenden zu fesseln, und Hopfgarten konnte es sich auch nicht versagen, ein paar Secunden davor stehn zu bleiben und diesen, hier dem Wetter preisgegebenen Kunstschatz, zu bewundern. Es stellte allem Vermuthen nach eine Meerjungfer dar, die höchst sinnreich mit dem zur Kufe ausgebogenen sehr schuppigen Fischschwanz über die jedenfalls gefrorene Oberfläche der See hinlief, und dabei eifrig beschäftigt war mit einem siebenzinkigen riesenhaften Kamm, – das Ding sah aus wie das abgebrochene Wurfeisen einer Harpune – die allerdings sehr struppigen rothen Haare zu kämmen. Sie war dabei gewissenhaft nackt, und außerordentlich kräftig gebaut, ob aber der Maler dadurch das Diabolische ihres Charakters am Besten zu geben glaubte, oder ob es nur Phantasie von ihm war, kurz er hatte der Gestalt, die ihre linke, etwas verdrehte und den Daumen auswärts gehaltene Hand unter den Erfolg des Kammes hielt, mit einer so scheußlichen Galgenphysionomie versehen, daß sie als die Urmutter des ganzen Geschlechts gelten konnte, und wohl kaum einem armen »Schiffer in seinem Kahne« der vielleicht den Ohio herunter kam, gefährlich geworden wäre.

»Nun, wie gleicht ihr das Bild?« sagte da plötzlich, in dem sogenannten Pensylvanisch deutschen, aber eigentlich Amerikanisch deutschen Dialekt, da ihn sehr Viele annehmen die nie Pensylvanien gesehen, eine vierschrötige Figur, die in einem blauen Frack von selbst gewebten Zeug und eben solchen pfeffer- und salzfarbenen nur etwas zu kurzen Hosen, die Hände in den Taschen derselben, und den Cylinderhut auf dem Kopf, in der Thür stand, und die beiden Fremden theils, theils die andere Seite seines Schildes die genau dieselbe Figur darstellte, wohlgefällig betrachtet zu haben schien.

»Oh vortrefflich« sagte Herr von Hopfgarten rasch, und etwas erstaunt über die deutsche Anrede – »aber Sie sprechen deutsch?« —

»Y-e-s« sagte der Pensylvanier langsam und selbstbewußt.

»Aber Sie sind kein Deutscher?«

»No – denke nicht.«

»Und woher wußten Sie daß wir Deutsche sind?« frug der Professor, dem es ein eigenthümliches Gefühl war trotz seiner, keineswegs auffälligen oder außergewöhnlichen Kleidung gleich als Fremder, nicht zum Land Gehöriger erkannt zu sein.

»Well, ich weiß nicht« sagte der Pensylvanier schmunzelnd, »aber Ihr Deutsche seht immer so artlich aus, daß man Euch gleich wie die schwarzen Schaafe unter den Weißen herausfinden kann. Aber wollt Ihr nicht hereinkommen und ein Glas Cider trinken? es ist heiß heute.«

Die beiden Fremden folgten gern der Einladung, weniger des in Aussicht gehenden Äpfelweins als der gehofften Nachrichten wegen, und folgten dem Mann, der sie in den unteren, eben nicht sehr gemüthlichen Raum seines Schenk- und Gastzimmers führte, dort ohne weiteres hinter seinen Schenktisch trat, ein paar Gläser vor sie hinsetzte und ihnen dann eine gelblich trübe Flüssigkeit eingoß die er ihnen als »first rate«23 und honigsüß anprieß. Er lehnte sich dann mit den beiden Ellbogen auf seinen Tisch und sah ihnen freundlich zu wie sie die Flüssigkeit, ein sauersüßes etwas fade schmeckendes Gebräu, mit der bestmöglichsten Miene verschluckten.

»Capitaler Cider das – hat mein Junge selber gemalt, alle beiden Seiten.«

»Was?« sagte Hopfgarten rasch, über sein halbgeleertes Glas hinwegsehend.

»Das Bild draußen mein ich« sagte der Pensylvanier – »die Mermaid – verfluchter Junge, hat es Alles von sich selber gelernt.«

»Oh das Schild draußen – ja, ist wirklich vortrefflich gemacht« stimmte ihm Hopfgarten bei, nur nicht in die Möglichkeit versetzt zu werden den Cider ebenfalls loben zu müssen – »verräth sehr viel Talent.«

»Yes« – sagte der Pensylvanier schmunzelnd – »und noch dazu ohne Pinsel, blos mit einer Zahnbürste.«

Das Gemälde gewann durch diese Nachricht allerdings an artistischem Werth, dem Professor, der sich sonst vielleicht sehr über das Gespräch amüsirt hätte, gingen aber doch in diesem Augenblick zu viel andere Dinge im Kopf herum, und er schnitt die Unterhaltung durch eine direkte Frage nach dem Mann ab, an den er hierher adressirt worden, und für den er freundschaftliche Briefe bei sich trug.

»Mister Goodly – so? – « sagte aber der Pensylvanier, dessen Name Ezra Ludkins war, seine beiden Gäste Einen nach dem Anderen rasch aufmerksamer als vorher von oben bis unten betrachtend – »und Ihr wünscht Mister Goodly zu sprechen und habt Briefe für ihn?«

»Ja mein Herr« sagte der Professor, der sich aber noch immer nicht recht an das Pensylvanische Du gewöhnen konnte, »und Sie würden uns einen großen Dienst erweisen, wenn Sie uns zu ihm führen wollten.«

»So? – hm?« sagte der Wirth wieder, mit den Fingern der linken Hand dabei den Yankeedoodle auf dem Tisch trommelnd – »Mr. Goodly? Und Ihr seid Freunde von Mr. Goodly? – «

»Wenigstens durch einen Freund an ihn empfohlen; und wo können wir ihn wohl finden?«

»Darum hätte der Sheriff viel Geld gegeben wenn er das wüßte« sagte Ezra.

»Der Sheriff? – wie so – ist er nicht mehr hier?« frug der Professor rasch und erschreckt.

»Ich denke nicht« erwiederte der Pensylvanier, mit unzerstörbarer Ruhe – »könnten hier auch nicht care auf ihn tähken,24 denn wir haben noch keine penitentiary

»Kein Zuchthaus?« rief Herr von Hopfgarten – »hat Herr Goodly irgend etwas verbrochen?«

»Well ich weiß nicht ob Ihr das etwas verbrochen nennt, aber er hat erstlich ein halb Dutzend Menschen mit falschem Spiel ruinirt, und dann einer alten Frau, die hier allein in einem Hause wohnte und viel Cash (baar Geld) haben sollte, blos den Hals abgeschnitten. Nachher hat er sich scarce gemacht und bis jetzt haben sie ihn noch nicht wieder ketschen25 können.«

»Aber das ist ja gar nicht möglich!« rief der Professor, »das kann der Goodly nicht sein – Mr. Goodly hat hier eine Farm dicht bei Grahamstown am blue creek, etwa eine halbe Meile von hier – ausgedehnte Rinder- und Schaafheerden, und zieht hauptsächlich Schweine für den Cincinnati-Markt.«

»Well« sagte der Pensylvanier mit dem Kopfe nickend, und ein Glas für sich selber von dem Gesims herunter nehmend, das er sich mit brandy – er selber trank keinen Cider – anfüllte, und auf einen Schluck austrank – »das trifft. Seine kleine cabin stand am blue creek, wie der Platz heißt – er hielt zwei Kühe, und das Weibsbild das er die letzten drei Monate bei sich hatte, und die mit ihm durchgebrannt ist, kaufte sich von Bill Owen ein zahmes Schaaf zur Unterhaltung.«

»Aber das sind keine Heerden – «

»Bah, wenn er's eine Heerde nennt – Grahamstown ist auch noch keine Stadt, wenn wir so wollen.«

»Und Mr. Goodly war wirklich – «

»Der nichtswürdigste Schurke, den je die Welt getragen,« unterbrach ihn der Pensylvanier ruhig, »und ich will Euch wünschen, Leute, daß Ihr noch bessere Empfehlungen mit nach Grahamstown gebracht habt wie an den.«

»Allerdings keine weiter,« sagte der Professor, mit einem aus tiefster Brust herausgeholten Seufzer, denn wie ein Wetterschlag schmetterte diese Nachricht all seine Hoffnungen zu Boden. Was jetzt thun, was machen, wohin gehn? – und seine Familie, rathlos ohne einen Freund in dem fremden Lande, mit seinem Gepäck im Freien und dem Zufall preis gegeben.

»Apropos Fremder,« sagte da der Pensylvanier plötzlich von einem neuen Gedanken ergriffen, »Ihr sagt, Ihr habt einen Brief von einem Freund von Goodly – vielleicht wäre da Auskunft darin über ihn zu finden, wo er jetzt steckt – setze nun den Fall wir machten den Brief einmal auf.«

»Der Gedanke ist vortrefflich«, rief Herr von Hopfgarten, »und ich wäre ungemein gespannt zu sehn was Herr Henkel an ihn schreibt.«

»Ich darf doch keinen Brief von einem Fremden öffnen«, sagte der Professor – »überdieß konnte Henkel Nichts über seine Flucht wissen, sonst hätte er mir den Brief nicht mitgegeben.«

»Nun, vielleicht wünscht ihn der Sheriff zu sehn,« sagte der Pensylvanier, ruhig die eben gebrauchte Flasche wieder zurückstellend, »wäre jedenfalls interessant auch den Freund kennen zu lernen.« Der Mann hatte die beiden Fremden, seit er sie mit jenem anerkannten Gauner in Verbindung gebracht, ziemlich kalt und mistrauisch fortwährend betrachtet, und ein Verdacht war jedenfalls in ihm aufgestiegen, ob es mit deren Ehrlichkeit nicht am Ende ebenso schwach beschaffen sein könne, wie mit der des Burschen nach dem sie frugen, und dessen Abwesenheit besonders den Einen – wie ihm keineswegs entgangen – augenscheinlich in Verlegenheit setzte. Herr von Hopfgarten übrigens, der seine eigenen Beweggründe dabei hatte, drang jetzt selber in den Professor das Schreiben, von dem ihm ja auch Henkel gesagt daß es nur eine Empfehlung sei, zu erbrechen. Henkel selber konnte nicht wissen, daß Mr. Goodly in der Zeit solche Streiche gemacht, und würde, wenn er es später erführe, gewiß sehr damit einverstanden sein, daß sein Brief geöffnet und von ihm selber der Verdacht entfernt worden, in unehrenhafter Beziehung zu dem Entwichenen gestanden zu haben. Der Professor sträubte sich aber noch lange dagegen, und nur erst als sie das Papier gegen das Licht gehalten und dadurch gesehen, daß es wirklich nur wenige Zeilen enthalte, und selbst in der Hoffnung für sich vielleicht einen Fingerzeig zu weiterem Handeln zu finden, entschloß er sich endlich dazu dem Wunsch des Pensylvaniers zu willfahren. Dieser schien außerdem nicht übel Lust zu haben ihm den Sheriff auf den Hals zu schicken, wodurch er am Ende noch in eine ganze Masse unangenehmer Geschichten verwickelt werden konnte, und er hatte von Deutschland her noch einen ganz besonderen Respekt vor jeder Berührung mit den Gerichten, dachte auch nicht daran seinen ersten Schritt in Amerika gleich mit einer ähnlichen Verlegenheit zu beginnen. So endlich öffnete er das Siegel und überlas flüchtig die Zeilen, die er dann achselzuckend an Hopfgarten, während diesem der Pensylvanier neugierig über die Schulter schaute, gab. Der Brief lautete einfach.

»Lieber Goodly.«

»Ich sende Dir hier einen Freund, der Land zu kaufen wünscht – womöglich gleich eine eingerichtete Farm – ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß Du ihm das besorgen wirst. Er hat Geld und ist ein Professor. Es wäre mir sehr angenehm, wenn er einen passenden Platz im Norden fände – ich brauche Dir nicht mehr zu sagen.«

»Ich bin seit einigen Tagen wieder in Amerika – habe sehr gute Geschäfte gemacht und hoffe Dich jedenfalls im Laufe des nächsten Monats in New-Orleans zu sehn. Du mußt kommen. Meine Adresse kennst Du. – O… ist auch hier und immer noch der Alte. Es grüßt Dich bestens

Dein
Soldegg Henkel.«

»Soldegg Henkel?« sagte Herr von Hopfgarten, als er den Brief einmal flüchtig, den Inhalt nur überfliegend, dann langsamer durchlesen hatte – »Soldegg, was für ein sonderbarer Vorname; hieß denn Henkel nicht anders?«

18.Das Bowieknife (sprich Buih), nach seinem Erfinder so genannt, ist ein schweres Messer etwa 12 Zoll lang und drei am Heft breit, mit einer Stärke im unteren Rücken von reichlich ein Viertel, oft ein Drittel Zoll, was ihm zum Hieb eine furchtbare und gefährliche Wucht giebt. Die Spitze ist gebogen und nach hinten etwas ausgeschnitten, aber an beiden Seiten haarscharf, und dieß Messer, selbst in der Hand eines ganz schwachen Menschen, eine entsetzliche Waffe.
19.: Die von der reinen Afrikanischen Race Abstammenden heißen Neger; Abkömmlinge von Weißen und Negern – Mulatten, und von Weißen und Mulatten – Quadroonen – Alle, in den Vereinigten Staaten unter dem allgemeinen Begriff Farbige oder dem Spottnamen Nigger begriffen. Die Kinder von Weißen und Quadroonen – da sich die Quadroonen selber oft kaum von Weißen in Farbe und Haar unterscheiden lassen, sind, selber wenn die Quadroonin Sclavin wäre, frei.
20.Kein Zutritt.
21.Die ersten Anfänge einer Farm, das eben erst urbar gemachte Land.
22.frame Häuser heißen in Amerika die von einem hölzernen Gestell gebauten und auswendig mit Bretern übernagelten Gebäude.
23.erster Klasse.
24.to take care Sorge für etwas tragen.
25.to catch fangen.
Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
270 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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