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Kitabı oku: «Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band», sayfa 12

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»Ja ich weiß es wahrhaftig nicht,« sagte der Professor, »ich habe nie darauf geachtet, und soviel ich weiß seinen Vornamen auch nie gehört – vielleicht ist dieser hier in Amerika gebräuchlich.«

»Soldegg?« sagte der Pensylvanier, an den diese Bemerkung halb als Frage gerichtet war, indem er hinter seinen Schenktisch ging und sich den Namen aufschrieb, »nicht daß ich wüßte; s' ist aber möglich, die Methodisten und Baptisten geben ihren Kindern manchmal ganz artliche Namen, von denen man nie weiß wo sie her sind, aber – wie ich da eben aus dem Brief sehe, habt Ihr die intention Euch hier zu settlen, und eine Farm zu kaufen; ist das wahr?«

»Das war allerdings meine Absicht,« sagte der Professor kopfschüttelnd im Zimmer auf und abgehend, während sich Hopfgarten mit dem Brief in eine Ecke gesetzt hatte, und ihn wieder und wieder durchstudirte, »damals hoffte ich aber keine weiteren Schwierigkeiten dabei zu finden, sondern gleich Jemanden in diesem Herrn Goodly zu haben, der mir mit Rath und That an die Hand gehen könnte. Ich wäre sonst wahrhaftig nicht nur so auf gerathewohl mit Weib und Kindern, Dienstboten und Gepäck hier heraufgekommen.«

»Well, wenn Du bei Allem solch Glück hast, als daß Du den Schuft von Goodly nicht mehr hier findest und in dessen Klauen gefallen bist,« meinte der Pensylvanier trocken, »dann kannst Du es noch zu 'was bringen in den States. Aber Deine Familie hast Du wohl in Cincinnati?«

»In Cincinnati? – hier – unten am Fluß, mit Kisten und Kasten.«

»The devil!« rief der Pensylvanier überrascht aus – fügte aber dann, indem er sich ohne weitere Schwierigkeit auf seinen Schenktisch setzte und sein rechtes Knie zwischen die zusammengefalteten Hände nahm, langsamer und wie überlegend hinzu, »hm – da befindest Du Dich anyhow in einem fix26 – seid heute Morgen mit dem Dampfer gelandet, heh?«

»Ja wohl, mit der Jane Wilmington.«

»Ahem, calculirte so; und wollt eine Farm wirklich kaufen?«

»Wenn ich etwas passendes fände.«

»Mit Vieh und Einrichtung?«

»Wäre mir allerdings das Liebste.«

»Und Gebäuden?«

»Versteht sich von selbst.«

»Und wie theuer äbaut?«

»Ja lieber Herr, das hinge allerdings von Umständen ab, und müßte sich doch entschieden nach der Farm selber richten.«

»Well, vor allen Dingen können wir die Ladies nicht unten an der Landung sitzen lassen,« meinte der Pensylvanier, »und es wird das Beste sein sie hier heraufzumuven – Unterkommen haben wir schon für sie; wir müssen wenigstens sehn, daß wir 'was auffixen – aber so recht bequem wird's freilich nicht werden.«

»Ja ich weiß aber gar nicht,« sagte der Professor unschlüssig, indem er sich an den noch immer den Brief studirenden Herrn von Hopfgarten wandte, »ob ich unter solchen Umständen überhaupt hier bleibe, oder nicht lieber gleich direkt nach Cincinnati gehe. Was meinen Sie dazu lieber Hopfgarten – lassen Sie doch den unglücklichen Brief, Sie lernen ihn wohl auswendig?«

»Auswendig nein,« sagte der kleine Mann aufstehend, »obgleich er's am Ende verdiente, denn ich fange an zwischen den Zeilen zu lesen und ich versichere Sie, lieber Professor, mir wird angst und bange dabei zu Muthe.«

»Aber wie so? – was haben Sie?«

»Lassen Sie nur jetzt, davon nachher; jetzt müssen wir doch wohl an das Ihnen näher Liegende denken.«

»Ja nach Cincinnati wieder fahren,« sagte der Pensylvanier achselzuckend, »das ist so eine Sache. Natürlich könnt Ihr das thun, denn Steamboote dorthin laufen fast alle Tage hier vorbei; heute sind aber schon drei aufwärts gegangen, es ist also sehr die Frage, ob über Tag noch eins kommt, und die Ladies dürfen doch die Nacht nicht gut unten am River bleiben. Außerdem seid Ihr einmal hier, das Land ist hier auch billiger wie um Cincinnati herum, und ich calculire, daß Ihr doch am Ende besser thätet, Euch hier erst einmal ein paar Tage umzusehen; nachher könnt Ihr ja anyhow doch noch immer thun was Ihr wollt.«

In dem Rath lag sehr viel Vernünftiges; das ewige Gepäck herumschleifen bekam der Professor auch satt, und die Passage nach Cincinnati, so gering die Strecke sein mochte, hätte für seine wie des Webers Familie, »a smart sprinkle Geld« gekostet, wie sich der Pensylvanier ausdrückte, da sich die »Steamboote« das Anlegen schon besonders zahlen lassen. Zu dem kam dann noch das Hinaufschaffen der Fracht in ein Gasthaus, der Aufenthalt dort, das Wiederwegschaffen – die Masse Personen – auch von Hopfgarten rieth ihm jedenfalls erst die Umgegend hier einmal in Augenschein zu nehmen; gefiel es ihm dann wirklich nicht, so hatte er doch ein Stück vom Lande gesehen, die Preise und Verhältnisse etwas kennen gelernt und – Erfahrung gesammelt, ohne eben mehr wie ein paar Tage, mit nicht größerem Kostenaufwand als doch nicht mehr zu umgehen war, versäumt zu haben.

Der Pensylvanier ging jetzt vor allen Dingen mit ihnen an die Landung hinunter, dort das Gepäck in Augenschein zu nehmen, um es nachher mit seinem Geschirr heraufzuholen, und die Damen in sein Haus einzuführen. Er war, nachdem er die Absicht der Fremden gehört, und nun doch auch wohl gesehen hatte, daß sie mit jenem übel berüchtigten Goodly in nicht dem geringsten Verhältniß standen, wieder sehr freundlich und zuvorkommend, wenn auch immer auf seine sehr trockene ungenirte Weise geworden. Gegen die Damen aber war er besonders artig, und bot sogar der Frau Professorin, die er in Indiana mit den jungen Ladies willkommen hieß, den Arm an und führte sie den Berg hinauf, und die Männer nahmen Jeder ein Stück des leichteren Gepäcks und folgten. Des Pensylvaniers Wagen wurde dann augenblicklich nach unten geschickt die übrigen Sachen, bei denen des Webers Frau mit den Kindern so lange als Wache bleiben mußte, ebenfalls hinauf und unter Dach und Fach zu bringen – hatte aber dreimal zu fahren, ehe er sämmtliche Kisten und Collis an Ort und Stelle schaffen konnte.

Für diesen Tag war nun allerdings nicht viel mehr zu unternehmen, am nächsten Morgen aber, sobald es den Herren gefiel, erbot sich der Pensylvanier sehr bereitwillig mit ihnen in das Land zu reiten, wo er ihnen sogar, nur neun Miles von Grahamstown und etwa vier oder fünf vom Ohiostrom entfernt, eine kleine reizende Farm offeriren könne. Diese, jetzt von einem seiner Söhne bewohnt, wäre ihm vielleicht feil, »wenn er seine Auslagen bezahlt bekäme«, indem er selber keinen Gebrauch mehr dafür hätte. Die Wirthschaft sagte ihm, seiner Aussage nach, mehr zu als das Farmerleben, und Grahamstown würde und müßte sich in sehr kurzer Zeit so heben, daß sich seine jetzt unscheinbare Inn zu einem Hotel umgestalten könnte. Wenn besonders der Plan verwirklicht würde, an dem das County jetzt arbeitete – den Platz mit der nach St. Louis führenden und schon fast beendigten Eisenbahn zu verbinden, hoffe er das Fabelhafteste für Grahamstown. Er gab dabei nicht undeutlich zu verstehn, daß ein paar hundert Thaler für Bauplätze in der Stadt selber ausgelegt, leicht in drei oder vier Jahren zu ebenso vielen Tausenden werden könnten, und wie er für die Zukunft sogar an dem Bestehen Cincinnatis zweifelte, das mit der weit vortrefflicheren Lage dieses Platzes, unterhalb den bei Louisville gelegenen Stromschnellen, kaum werde auf die Länge der Zeit concurriren können. Er mochte es sich dabei nicht versagen die Fremden, wahrscheinlich um sie noch mehr zu überzeugen, auch in die Anlage des »beabsichtigten« Grahamstown hinauszuführen, und Mainstreet hinuntergehend, was einige Schwierigkeiten der weiter oben häufig queerüberliegenden Bäume wegen hatte, kamen sie etwa 500 Schritt von dem oberen Rand des kleinen Platzes zu dem ausgesteckten und hier und da selbst schon »geklearten« Marktplatz, wo allerdings noch sämmtliches gefälltes Holz wie Kraut und Rüben durcheinander lag, nichts destoweniger aber doch schon der Platz für die Bank, für das Theater und für die Börse – das Court oder Gerichtshaus stand schon in Gestalt eines breiten überwachsenen Blockhauses an der nämlichen Stelle, an der es sich später von massivem Sandstein oder Granit erheben sollte – ausgemessen, und an den noch stehenden Bäumen durch kleine hölzerne Tafeln bezeichnet worden.

Der Professor hätte unter anderen Umständen gewiß über dieß großartige Planmachen, in dem die Amerikaner überhaupt berühmt sind, gelächelt, und sich damit amusirt, denn seinen eigenen Ansichten von Städtebauen nach, soviel er auch Amerikanischer Triebkraft dabei zu Gute schrieb, konnte und mußte wohl ein halbes Jahrhundert vergehn, ehe die Hälfte dessen wahr geworden, über das der Pensylvanier sprach als ob es sich im nächsten Frühjahr ereignen würde. Jetzt aber, mit in den Wirbel schon halb und halb hineingezogen, der hier Alles drehte und mit sich fortriß, schon ein halbes Glied des Ganzen, und doch noch eigentlich nicht dazu gehörig, noch ganz fremd auf dem Boden, den er unterwegs schon gewissermaßen als seine Heimath betrachtet, erfüllte ihn das Alles mit einem unbehaglich drückenden Gefühl, so daß er manchmal ordentlich tief aufathmen mußte, wie eine schwere Last von seiner Brust zu wälzen.

Der Amerikaner dagegen ritt auf seinem Steckenpferd, und die improvements des Bodens und der Stadt, der Wachsthum der Einwohnerzahl, die Erbauung von Kirchen, Schulen, Universitäten, Bibliotheken etc. etc. riß ihn mit einer Phantasie und Einbildungskraft fort, die so innerste Überzeugung schien, daß sich selbst der Professor, trotz seiner niedergedrückten Stimmung, doch zuletzt nicht enthalten konnte wenigstens einen kleinen Theil des in soliden Luftschlössern aufgebauten Bildes für möglich zu halten, und sich in der That, noch ehe sie das Gasthaus wieder erreichten, dabei erwischte wie er eine Zuckerfabrik – den Runkelrübenbau in Amerika einzuführen war eine Lieblings-Idee von ihm – an der blue creek errichtete, mit derselben Wasserkraft eine Säge- und Mahlmühle trieb, und weiter unten eine Talgsiederei anlegte von den Überbleibseln der Heerden, die er nach St. Louis und New-Orleans schickte, den größtmöglichsten Nutzen zu ziehn.

Der Abend ging trotzdem sehr still vorüber – das drückende Gefühl der Heimathlosigkeit, das auf ihnen Allen lag, sie mochten ankämpfen dagegen wie sie wollten, ließ sich nicht so rasch bewältigen, und wenn auch der Pensylvanier Alles that ihnen die Eigenschaften des Landes, auf dem sie sich jetzt befänden, herauszustreichen, und seine Frau, ein freundliches Weibchen aus Louisville, ihre öden Zimmer so behaglich herrichtete wie es unter den Umständen nur möglich war, sie blieben still und einsylbig und selbst Marie, die munterste sonst von Allen, hätte sich am allerliebsten in irgend eine versteckte Ecke gedrückt und recht herzlich ausgeweint – so weh, so eigenthümlich war ihnen zu Allen zu Muthe.

»Apropos,« rief da plötzlich Herr von Hopfgarten, als sie sich gerade für die Nacht trennen wollten (der Pensylvanier hatte ihnen nur drei Zimmer zur Verfügung stellen können – eins für die Damen, eins für die Weberfamilie und eins für die Herren) »was ich Sie noch fragen wollte – kennt eine von den Damen vielleicht den Vornamen unseres gemeinschaftlichen Freundes Henkel?«

»Ja wohl,« rief Marie rasch – »er heißt Joseph; warum?«

»Ganz recht – jetzt fällt es mir auch ein, Joseph!« sagte Hopfgarten schnell; »wie man doch so etwas vergessen kann, ich habe selber den Namen mehr wie hundert Mal gehört.«

»Joseph – ja wohl,« sagte auch jetzt der Professor, »da muß das wirklich sein Amerikanischer Beinamen sein.«

»Sein Amerikanischer Name?«

»Der Brief, von dem ich Euch sagte, ist mit Soldegg Henkel unterschrieben und es war auch mir so, als ob seine Frau wenigstens ihn mit einem anderen Vornamen, nicht Soldegg, genannt hätte.«

»Soldegg – Soldegg – ich habe den Namen nie, auch selbst nicht in Heilingen gehört,« sagte Anna – »lieber Gott was mag Clara jetzt machen; es ist mir immer ein recht trauriges, wehmüthiges Gefühl, daß wir sie krank zurücklassen mußten.«

Herr von Hopfgarten war aufgestanden und ging, mit auf den Rücken gelegten Händen unruhig im Zimmer auf und ab, aber er sagte kein Wort weiter, und da die Frau Professorin etwas über Kopfweh klagte, und die Kinder auch unruhig wurden, verabschiedeten sich die Männer bald, und suchten ebenfalls ihr Lager.

Der andere Morgen brach an, und mit ihm ein wichtiger Tag für die neuen Ansiedler, der vielleicht entscheidend für sie sein sollte, für ihr ganzes Leben und Glück, denn eine neue Heimath sollte gesucht, ein Platz gefunden werden, auf dem sie ihre neue Laufbahn nicht allein beginnen, sondern für den sie auch die Mittel, die sie zu ihrem Fortkommen mit herüber gebracht, auslegen wollten, daß ein Rückschritt nachher ohne bedeutende Verluste nicht möglich gewesen wäre. Und entsprach etwa Alles, was sie bis jetzt von dem Lande gesehen, ihren Erwartungen? durfte der Professor hoffen in dieser Gegend gleich einen solchen Platz zu finden, an dem er es vor sich und seiner Familie verantworten konnte zu bleiben? Er wagte gar nicht sich die Frage vorzulegen, denn der erste Eindruck von Grahamstown war ein gar zu beengender, ja enttäuschender gewesen. Allerdings befanden sie sich in einem neuen Land, und da, wo noch Ackerbau und Cultur in der Wiege lagen und eben deshalb auch dem, der sie weckte und in's Leben rief, so wacker lohnte, durfte und konnte man nicht erwarten ein Land zu finden wie man es daheim verlassen hatte; es war eben eine halbe Wildniß, in der erst gerade durch die geweckte Cultur der Segen aufkeimen sollte, den sich die Auswanderer von Amerika versprachen. Das Alles hatte man sich daheim auch wohl wie oft selber gesagt, und war allem Anschein nach vollkommen darauf vorbereitet gewesen; und doch jetzt da es wirklich so aussah wie man es – innerlich gewiß mit manchem Vorbehalt – aber doch äußerlich nicht anders erwartet, mit den wild umher gestreuten Stämmen, den niederen, jeder Bequemlichkeit mangelnden Holzhäusern, den fremden Menschen, da fühlte sich die Brust beklemmt und sorgenschwer, und der Blick suchte wohl gar einen Augenblick halb unbewußt und scheu nach dem verlassenen Ufer zurück. Aber lieber Gott, das lag weit, weit dahinten; mit der abgerissenen Brücke hinter sich standen sie an dem fremden Strand, und wenn auch keinen Trost doch wenigstens Beruhigung gab ihnen das Bewußtsein jetzt: »Du mußt!« Ein Rückweg war nicht mehr möglich, wenn sie das selbst gewollt hätten, und mit dem Gefühl kehrte auch wirklich mehr Ruhe, jedenfalls mehr Entschlossenheit, in ihr Herz zurück.

Viel gleichgültiger betrachtete der Weber das neue fremde Land, in dem er durch seine Anstellung bei dem Professor schon gewissermaßen festen und sicheren Fuß gefaßt, ehe er es nur betreten. Er war neugierig allerdings, wie er es finden würde, und ob die Erzählungen, die er davon zu Hause gehört und gelesen, jetzt sich als wahr erweisen sollten; aber vor der Hand in seiner und der Seinigen Existenz gesichert, fürchtete er eben Nichts, und konnte die Zeit mit dem, wie sie sich entwickeln würde, ruhig und sorglos erwarten. Seine Ansprüche an das Leben waren auch geringer; Vieles, was der in anderen Kreisen erzogenen Familie des Professors Entbehrung schien, wenn sie sich auch nicht darüber aussprachen oder gar beklagten, war ihm selbst schon eine Verbesserung seines bisher gewöhnten Zustandes, und die Gewißheit nicht allein seine Familie auf ein volles Jahr untergebracht und versorgt zu haben, sondern auch sogar an baarem Geld mehr zu verdienen, als er bis jetzt in seinem ganzen Leben im Stande gewesen war zu erübrigen, ließ ihn dem neuen Leben mit freudiger Zuversicht entgegengehn.

Seine Frau theilte das Gefühl, wenn sie sich auch noch in der fremden Welt gedrückt und unbehaglich fühlte; nur die alte Mutter, der ihre gewohnte Ecke mit dem Spinnrad fehlte sich darin niederzuhocken, der die Sonne an der verkehrten Stelle auf- und unterging, und die Bäume nicht dahin den Schatten warfen wohin sie sollten, der die Vögel nicht zwitscherten wie daheim und die Blumen – ihre Astern – nicht blühten, und die schon zehnmal in Gedanken vor die fremde Thür getreten war die Linde zu besuchen, unter der der Leberecht ruhte, dann immer nur um so viel niedergeschlagener, so viel mürrischer zurückzukehren zu dem selbst nicht gewohnten Sitz, stöhnte und klagte den ganzen Tag und saß, die Hände müßig im Schooß gefaltet, und still und langsam dazu mit dem zitternden Haupte nickend und schüttelnd, auf ihrem Stuhl. Sie fühlte daß sie dem heimischen Boden, den Gräbern ihrer Lieben, der alten Dorfkirche und dem stillen Plätzchen, das sie so lange, lange Jahre das ihre genannt, entrissen, für ewig, und auf Nimmerwiedersehn entrissen sei, und sie glaubte jetzt das Herz müsse ihr brechen.

Der Professor hatte sich übrigens, wogegen der Pensylvanier erst einige Schwierigkeiten machte, dazu entschlossen den Weber auf ihrer heutigen Excursion mitzunehmen, sein Urtheil über das Land dabei zugleich zu hören und seine Meinung über den ganzen Kauf an Ort und Stelle zu haben. Der Wirth schien nicht recht damit einverstanden; er hatte im Anfang kein Pferd mehr für ihn da, dann dauerte es zu lang bis eins geholt werden könnte; der Professor aber, der klug genug war in einer Sache mistrauisch gegen sich selbst zu sein, die doch jetzt über alles Theoretische hinausging und in das praktische Leben direkt eingriff, vielleicht auch in der unbestimmten Furcht vor einem doch möglichen Fehlschlagen, in dem er nachher die Schuld nicht ganz allein zu tragen hätte, ließ keine Ausrede gelten und erklärte, dann lieber noch einen Tag warten zu wollen bis die Pferde gefunden wären, ehe er eben ohne den Weber, dem er vielleicht mehr zutraute als er verstand, die Farm in Augenschein nähme. Als der Pensylvanier endlich sah daß der Fremde von diesem Entschluß nicht abging, waren auch die Pferde nach kaum einer Viertelstunde gesattelt und bereit, und die kleine Gesellschaft, von der sich der Professor selber am unbehaglichsten »an Bord« des etwas hohen Pferdes fühlte, setzte sich in einem scharfen Schritt in Marsch, dem freien Lande zu.

Die hölzernen, mit Fenzen eingefaßten Gebäude ließen sie bald hinter sich, und folgten der sogenannten county-Straße, die noch eine Strecke weit durch den breit ausgehauenen Wald hinführte, wobei ihnen der Pensylvanier mit dem größten Ernst immer noch die schon ausgelegten aber noch nicht einmal »urbar gemachten« Straßen von Grahamstown zeigte. Dort, in das dicke Gebüsch von Hickory und Eichen sollte einmal später das Waisenhaus kommen – da drüben an dem etwas feuchten Fleck wo die Sycomore und Erlen standen war der Platz für den Gasometer ausgelegt – die Telegraphenstation mit der Post mußte unten am Fluß selber sein, in dem Centralpunkt des Handels und Verkehrs, der sich natürlich in den ersten zehn Jahren, und bis die Eisenbahnen von hier aus nach allen Richtungen auszweigten, jedenfalls in der Nähe des Wassers halten müßte. Er selber hatte sich aber auch zwei Bauplätze hier an der Grenze des Weichbildes reservirt, einen an dem nächst zu erwartenden St. Louis, den anderen, an dem Cincinnati-Bahnhof. Wo die Eisenbahn die einmal später nach New-Orleans und Charlestown führte, auslaufen sollte, darüber hatten sich die Bürger noch nicht geeinigt, und es war einer späteren Versammlung vorbehalten worden darüber zu entscheiden.

Der Mann sprach dabei mit solcher Ruhe und Sicherheit, und schien selber von dem rasenden Wachsthum der Stadt so fest überzeugt zu sein, daß sich der Professor nicht allein mehr und mehr mit dem Gedanken vertraut machte sich in der Nähe eines so bedeutenden Platzes, jetzt da das Land noch billig zu haben sei, niederzulassen, sondern sogar schon unbestimmte Wünsche in sich aufsteigen fühlte, selber ein paar Bauplätze in den bestgelegensten Theilen der Stadt – nur nicht zu nahe am Gasometer – zu erstehen. Ezra Ludkins hatte ihn dabei schon aufmerksam gemacht, daß gegenwärtig die passendste Zeit dazu sein würde, da mit dem Winter besonders ihre, nur für jetzt noch aus Holz bestehenden Bauten gewiß am Stärksten in Angriff genommen werden würden, und der Preis der Lots (Bauplätze) mit jedem neu errichteten Hause an Werth gewinnen und steigen müßte.

Der Weber daneben, der ziemlich sicher auf seinem Pferde saß, war ganz Ohr bei der fabelhaften Beschreibung des Landes, und dankte im Stillen seinem Gott und dem Professor, daß er nicht in völliger Blindheit an diesem merkwürdigen Platz vorübergefahren, sondern mit Sack und Pack ausgestiegen sei, und nun natürlich auch im Stande sein würde mit zuzulangen, wenn es hier einmal Brei oder Goldstücken regnete, denn weiter blieb, nach des Amerikaners Beschreibung und Aussichten, wirklich nicht viel mehr übrig.

Am wenigsten achtete von Hopfgarten darauf der, nicht in der Absicht sich hier niederzulassen, wenig Interesse dabei fand in wie fern die Stadt den Hoffnungen, die ihr neuer Freund dafür hegte, entsprechen würde, und mehr darauf achtete das sich jetzt rasch vor ihnen aufrollende Land mit seinen Eigenthümlichkeiten zu beobachten. Das aber fesselte auch bald die Aufmerksamkeit der beiden Anderen, und als sie eine Strecke lang im Wald, durch den sich die Straße um Sumpflöcher und Baumwurzeln hinwand, fortgeritten waren, die erste Lichtung, und mit dieser eine Farm – eine wirkliche Farm im Inneren von Amerika – erreichten, hielten sie wie auf gemeinsame Verabredung ihre Pferde an, und schauten still und schweigend, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, den Platz an, der sich hier vor ihnen ausbreitete. —

Aber wie anders hatten sie sich eine Ansiedlung in Amerika gedacht, wie freundlich sich das ausgemalt, und die stille Wohnung im Walde, mit all dem Zauber geschmückt, den die Natur fähig ist einem solchen Bilde zu geben. Das rege Schaffen der Menschen dabei, muntere fette Heerden, ein freundlicher Garten, schattige fruchtschwere Obstbäume, unter denen die lauschigen Fenster freundlich und versteckt hervorschauten; der reinliche Kies oder Rasenplatz dann vor der Thür, auf dem die Kinder spielten, und die niederen Nebengebäude mit Ställen und Scheunen, die sich dicht an das Wohnhaus schmiegten – Lieber Gott, wie anders sah das hier aus.

Eine sogenannte Wurmfenz – die langgespaltenen Hölzer ohne weitere Befestigung untereinander, nur im Zickzack immer Enden über Enden gelegt – umschloß ein Stück von etwa zehn Acker »geklearten« Landes, wie sich der Pensylvanier ausdrückte, d. h. ein Theil der Stämme vor etwa drei Fuß vom Boden, je nach Bequemlichkeit des Fällers, theils umgeschlagen und das überflüssige Holz auf große Haufen geschafft, verbrannt zu werden, theils standen die übrigen Bäume noch eingeringelt oder »getödtet« dürr und trocken die nackten Arme gen Himmel streckend, einzeln zerstreut über den Plan. Der Wald begrenzte an der Rückseite diese Rodung, aber noch war ihm keine Zeit gegeben da, wo er erst kürzlich seines Schmuckes beraubt worden, wieder frisch auszuschießen, und die grüne Wand die er bildete sah zerrissen, rauh und wüst aus, eben wie der Boden, der mit dem Pflug gelüftet ein wildes trostloses Gewirr und Chaos von Wurzeln, Schollen und zackigen Furchen bot, daß es dem Fremden gar nicht so schien, als ob er je im Leben im Stande sein würde eine ordentliche Erndte zu tragen.

Die Straße die hindurchlief und an beiden Seiten von Fenzen eingefaßt war hatte man, kein besonderes Zeichen für den Werth des Landes – fast vierzig Schritt breit gelassen, und der Fuhrweg zog sich, sumpfigen Stellen, Klötzen und Stümpfen aus dem Weg gehend, herüber und hinüber in ausgefahrenen Gleisen, während einzelne niedere Blockhäuser, mehr Ställen als Wohnungen gleichend, zerstreut über den Platz weglagen, und mit dem Rauch der aus ihren Schornsteinen stieg nur zu wohl verriethen wie sie bewohnt seien.

Und nichts – gar nichts Freundliches boten sie, kein Gärtchen schmiegte sich an sie an, kein Fruchtbaum verrieth die sorgsame Hand des Gärtners – keine Blume blühte, kein Grashalm fast war hier soweit das Auge reichte zu sehn, die Einzackungen der Fenzen ausgenommen, die Pflug- oder Wagengleis nicht hatte erreichen können; Alles war umgewühlt und roh, und einzelne Schweine die in den Pfützen arbeiteten und mit dem Rüssel den Schlamm aufschaufelten, schienen hier in der That den Ton anzugeben und auch die einzigen Wesen zu sein, die sich wirklich wohl und behaglich fühlten.

»Und das ist eine Farm?« sagte Herr von Hopfgarten, der zuerst die Sprache wieder gewann, und mit keineswegs freudiger Überraschung die Scene um sich her betrachtete; »guter Gott, die Geschichte habe ich mir doch eigentlich anders gedacht.«

»Das ist eine Farm Gentlemen« sagte aber Ezra Ludkins freundlich – »oder soll vielmehr erst eine werden, denn die Leute haben erst vorigen Winter angefangen den ersten Baum zu fällen und es sieht noch eher ein Bischen wild und unbehaglich aus; die Sache kriegt aber ein anderes Ansehn, wenn hier erst das corn (Mais) zwölf und vierzehn Fuß hoch mit seinen armstarken Kolben und wehenden grünen Blättern steht, wenn ordentliche Cabins gebaut und Obstgärten angelegt sind, und die Leute erst beginnen sich ein wenig comfortabel zu fühlen – nachher »schwätze mer anders« und die railroad (Eisenbahn) wird keine zweihundert yards von hier vorbeilaufen.«

»Es ist das der erste Beginn« sagte aber auch jetzt der Professor seufzend, »der erste Kampf der Civilisation gegen die Wildniß; die erste Verschmelzung, wie man beinah sagen könnte, des Waldes mit der Cultur, in der der Mensch wieder mit zurück in seinen Urzustand gezogen wird, und ein Stadium, das wir allerdings ebenfalls gezwungen sein werden durchmachen zu müssen. Wie gefällt es Ihnen, Brockfeld?«

»Mir?« sagte der Weber, wie überrascht durch die Anrede, »ih nu – es ist – es ist recht hübsch hier – scheint gutes Land zu sein und – und recht viel Platz; nur noch ein Bischen wild. Tüchtiges Stück Arbeit noch, die Baumstümpfe alle herauszukriegen, ehe man mit dem Pflug hinein kann.«

»Mit dem Pflug hinein?« sagte der Pensylvanier sich erstaunt nach ihm umdrehend – »das ist ja hier schon gepflügt.«

»Das hier?« rief der Weber, sich erstaunt im Sattel aufrichtend, »aber wahrhaftig es sieht so aus, als ob hier Jemand mit einem Pflug drin herum gekratzt wäre – nun das ist ein Kunststück? wie kommt man denn damit einem Pflug durch? Da muß unser Einer freilich wieder von vorn anfangen zu lernen.«

»Aber kommt Gentlemen, kommt« sagte der Amerikaner, »wir verlieren hier zu viel Zeit und haben noch einen guten Ritt vor uns.«

»Sollten wir uns nicht einmal lieber hier die Häuser im Inneren ansehn?« sagte der Professor.

»Verdammt wenig, was wir da würden zu sehn kriegen« lachte Ludkins; »so kahl wie's von außen ist, sind auch die Wände im Innern, und die Leute haben höchstens einen Kasten oder gum27 zum draufsitzen, und einen roh zusammengenagelten Tisch, ein paar Blechbecher, einen Kaffeetopf und ein skillet (Bratpfanne). Das finden wir auch wohin wir kommen; wer aber Lust dazu hat, kann sich das selber bald ganz anders und viel behaglicher einrichten – diese squatter wissen es eben nicht besser.«

Er hatte dabei seinem Pferd langsam den Zügel gelassen, und die Männer ritten durch die lange »lane« oder eingefenzte Straße hindurch, wieder in den Wald hinein, bis sie zu einer anderen, eben solchen Lichtung kamen. Die nächste Farm stand aber schon etwas länger, und zum Theil wenigstens mit Mais bepflanzt der reif und abgetrocknet noch im Feld gelassen war, bot sie ein freundlicheres Bild. Die Gebäude freilich sahen eben nicht viel besser aus und aus den Thüren schauten, als sie vorüberritten, das etwas bleiche Gesicht einer jungen Frau in einem lichten baumwollen Kleid, und vier oder fünf blondhaarige sonst aber sehr vernachlässigte Kinderköpfe heraus.

Ezra Ludkins begann jetzt, freilich mit sehr geringem Erfolg, ihnen die Grenzen der verschiedenen Besitzungen, ja sogar hie und da die Bäume zu zeigen, an denen die Ecken der Sectionen mit Buchstaben und Zahlen angemarkt waren; er besaß darin eine außerordentliche Ortskenntniß der verschiedenen Stellen, und wurde nicht müde ihnen die Vortheile der einzelnen Sectionen, mit ihrem Fruchtboden und ihren Weidegründen auseinanderzusetzen. Die Krone der Ganzen war aber seiner Aussage nach doch die Farm, die er für sie bestimmt hatte, ebenso in Lage, wie in Boden, Gebäuden und Baumwuchs, wenn sie auch jetzt noch, wie er übrigens vorsichtig dazu setzte, ein wenig unpromising (wenig versprechend) drein schaute, und der Verbesserungen noch manche bedürfe ehe sie vollkommen wäre.

So waren sie eine Strecke recht eigentlich mitten im Walde, der nur hie und da von kleinen Lichtungen mehr gestört als belebt wurde, hingeritten, ohne selbst von diesem mehr gesehn zu haben, als in ihrem Wachsthum gestörte grüne Wände, die ihre zerbrochenen Zweige und mishandelten Stämme wie anklagend gen Himmel streckten; als sie endlich durch dünnes Kiefergebüsch und über dürren Boden fort, für den selbst der Pensylvanier keine Entschuldigung fand, vielleicht eine englische Meile berganreitend den Kamm eines Hügels erreichten, und hier ihren Pferden überrascht in die Zügel fielen.

»Mein Gott wie schön!« rief der Professor fast unwillkürlich, als sich ein weites sonniges Thal, im Ganzen dicht bewaldet und nur hie und da von freundlichen grünen Lichtungen unterbrochen, vor ihren Blicken soweit das Auge reichte ausspannte, und nur im Hintergrund von blauen, wellenförmigen, aber ebenfalls holzbedeckten Hügeln begrenzt wurde. Die Wildniß lag hier in aller Pracht und Herrlichkeit vor ihren entzückten Blicken, und der Herbst, der in keinem Lande der Welt den Bäumen solchen Farbenschmuck verleiht wie in Amerika, hatte den Wald mit seinen wundervollen Tinten förmlich übergossen. In roth und grün in gelb und braun und lilla schmolzen die Lichter, hier in blitzenden Flächen glühend, dort in sanften Schatten verschwimmend abscheinend durch einander, und während die jungen schlanken Hickorystämme wie flammende gelbe Lichter aus dem dunkleren Hintergrund hervorstachen, prangte Ahorn und Eiche in so wundervollem Purpur und saftigem Braun, das nur von dem hindurchgeflochtenen in allen Farben schillernden wilden Wein fast noch übertroffen wurde, und zitterten die Pappeln mit ihrem silberleuchtenden Schmuck in dem blitzenden Sonnenlicht, daß das Auge, geblendet von der Pracht, die Wunder dieser neuen Welt kaum zu fassen, zu begreifen vermochte.

26.to be in a fix, sich in schwieriger Lage befinden.
27.gum von Gumbaum nennt man in den ersten Ansiedlungen abgesägte Stöcke hohler Gumbäume, die von den »Settlern« theils zum Aufbewahren von Salz und anderen Sachen, wie auch als Stühle benutzt werden.
Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
270 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain