Kitabı oku: «Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band», sayfa 9
Philipp, der Knabe des Polen, war nach der Anstrengung des Abends fest eingeschlafen und lag, halb zurück an den Vater gelehnt, mit weit nach hinten gebeugtem Kopf und offenem Mund, die bleichen schönen, aber jetzt verzerrten Züge von der Laterne matt beleuchtet, da, und der Alte saß, den Kopf auf seinen schmutzigen Kaftan vorn stützend, in unruhigem Schlummer, in dem er auf- und niedernickte und das schwere, von seinem Hut voll beschattete Haupt bald auf die, bald auf jene Seite sinken ließ.
Zu seiner Rechten kauerte eine, in ein blaues kurzes Oberhemd, wie es die Bootsleute trugen, gekleidete Gestalt, deren Gesicht von einem breiträndigen Hut ebenfalls ganz bedeckt wurde. Halb über sich herüber, wenigstens die linke Schulter und einen Theil der Brust bedeckend, hatte der Mann einen alten hellen, aus einer wollenen Decke zugeschnittenen Rock, gleichsam als Schutz gegen die frischere Nachtluft gezogen, obgleich es in dem untern Deck noch warm genug war, das entbehren zu können, und auch er schien zu schlafen, und im Schlaf eben mehr und mehr, wie um ein bequemeres Lager zu bekommen, sich an seinen Nachbar anzulehnen. Der Pole, dem das unbequem wurde, sträubte sich im Anfang dagegen, aber in solchem Fall hören alle Rücksichten auf, und der schläfrige Gesell, drei, vier Mal angestoßen, knickte doch immer, so wie er wieder in Schlaf kam, nach seinem etwas höher sitzenden Nachbar hinüber, der ihn zuletzt mußte gewähren lassen, oder auch selber endlich darüber einschlief.
Aber der Bursche schlief nicht, denn unter dem breiten Rand des Hut's heraus blitzten von Zeit zu Zeit ein paar kleine stechende Augen scheu und forschend hervor, überflogen wie suchend den weiten Raum, und hafteten dann wieder mistrauisch und prüfend an der ruhigen Gestalt des Polen. Nach und nach, aber so langsam und allmählich, daß es kaum zu erkennen war, brachte er dabei den rechten Arm mehr und mehr unter seinen übergeschobenen Rock, und die kaum sichtbare aber geschäftige Thätigkeit seines Ellbogens verrieth, daß er ihn nicht nur zum Ausruhen dort hingehoben habe.
Veitel Kochmer nickte und schwankte indessen im Schlaf herüber und hinüber, als er auf einmal, den Kopf auf die Brust gesenkt, den rechten Arm an seiner Seite herunter hängend, daß der Ellbogen jedoch leicht auf dem Beutel mit Geld auflag, oder ihn wenigstens berührte – still und regungslos sitzen blieb. Seinem Nachbar, der jedenfalls ein bedeutendes Interesse dabei hatte ihn in Schlaf zu halten, mochte das verdächtig vorkommen, denn auch er rührte von diesem Augenblick kein Glied mehr, und athmete schwer und regelmäßig, ja schloß selbst unbewußt die Augen unter dem tiefen Schatten des Hutes, als ob das hätte sein Athmen bekräftigen können. So mochten die Beiden wohl etwa zehn Minuten gesessen haben, und kein Laut sonst als die schon vorerwähnten hatte die Stille bis dahin unterbrochen, da fing Veitel wieder an mit dem Kopf zu nicken, schwankte erst etwas rechts, dann etwas nach links hinüber, lehnte den Kopf zurück an das Mittelbret der hinter ihm befindlichen Coye, und fing an leise zu schnarchen. Aber der Bursche an seiner Seite traute dem Frieden noch immer nicht, und den eignen Kopf langsam emporhebend, wie in tiefem Schlaf unbewußt nach einer bequemeren Stellung suchend, blinzte sein Auge scheu nach dem bleichen bärtigen Angesicht des Nachbars auf. Das aber lag regungs- und ausdruckslos an der Bretwand an, und mit dem Drängen der Zeit, denn jeden Augenblick konnte irgend ein Lärm die Schläfer wecken, begann der bis dahin ruhig gebliebene Arm seine Thätigkeit wieder.
Wie die Maschine so still und ruhig mit ihren gewaltigen Armen und Hebeln hämmerte – wie das flywheel schlug und schwirrte, und das Rauschen der mächtigen Räder, mit den rasch und regelmäßig einschlagenden bucketplanks15 zum Takt dazwischen die Wellen peitschte, und sie schäumend hinter dem Boot hinauswarf. Wie so ruhig der Strom da draußen lag, daß man das Murmeln selbst der kleinen Wogen hören konnte, und die schlummernden Gestalten hier im Deck, von dem schon halb verlöschten Lichte der Laterne kaum noch beleuchtet, so ruhig und friedlich schliefen, als lägen sie daheim in ihren weichen Betten, und nicht über Kistendeckel und Fässer, Körbe und Schachteln hin, mit eingezwängten Gliedern. —
»Diebe! Mörder! Diebe!« ein gellender, kreischender Aufschrei schmetterte durch das Zwischendeck die Schläfer wach, und jagte sie, fertig angezogen wie sie ringsum lagen, so rasch empor, als ob sie von einem Zauberstab berührt, aus dem Boden heraufgesprungen wären.
»Hallo! wer ist todt? – wo brennts? – aufgeblasen – bei Gott!« schrieen verschiedene Stimmen, von denen einzelne schon befürchteten, daß dem Boot irgend ein Unglück zugestoßen sei, wild und erschreckt durcheinander.
»Diebe – Mörder! Diebe – Diebe!« dröhnte aber Veitel Kochmers Stimme in gutem Polnischen Deutsch unverdrossen und gellend dazwischen, und die noch halb Schlaftrunkenen sahen wie der Mann mit dem wunderlich spitzen Bart und dem langen seidenen Rock, den sie schon vorher unten mit einer Frau, und oben mit einem Affen verglichen hatten, einen Andern, der sein Möglichstes versuchte von ihm wegzukommen, beim Rockschoß gefaßt hielt und die Hülfe der Übrigen anrief. Allein war er aber nicht im Stande den Mann länger im Griff zu behalten, und ehe die Übrigen sich besinnen und zuspringen konnten, riß der seinen Rockschoß aus dem krampfhaften Griff des Polen, und wollte mit einem Satz hinaus auf die offenen und vollkommen dunklen guards des Bootes springen, als sein Fuß in einem der anderen Schläfer, die hier queerüber der Passage lagen, hängen blieb, und er der Länge nach, mit einem lauten Aufschrei niederschlug. Im nächsten Moment hatten sich auch ein paar stämmige Kentuckier, die unfern von dort ebenfalls gelegen und jetzt aufgesprungen waren, über ihn geworfen und hielten ihn fest, und während er mit Armen und Beinen um sich schlug und austrat, schrie Veitel in einem fort, und ohne irgend eine der von allen Seiten an ihn gerichteten Fragen zu beantworten, »mein Geld – mein Geld – Gott der Gerechte mein Geld!«
»Aber zum Donnerwetter was ist los? – was brüllt der Bursche hier? – was hat der da verbrochen?« schrieen die Amerikaner durcheinander, die wohl eine undeutliche Ahnung haben mochten was geschehen sei, die Sache aber auch genauer erfahren wollten, und von dem Schreien des deutsch Redenden keine Sylbe verstanden.
»Mein Geld – mein Geld!« brüllte aber Veitel und warf sich über den Gefangenen, seine Hände und Taschen zu untersuchen, während sein früherer Dolmetscher den Übrigen die gerufenen Worte übersetzte. Alles drängte jetzt gegen den Gefangenen an, vor allen Dingen das corpus delicti zu finden, und den Verbrecher dadurch zu überführen; dieser aber hatte sich indessen, von den ihn Umdrängenden jedoch noch immer festgehalten, wieder aufgerichtet, und fing nun auch seinerseits an eine eigene Meinung über die Sache zu bekommen.
»Was, im Namen von Hölle und Verdammniß habt Ihr mit mir?« schrie er mit lauter trotziger Stimme, »seid Ihr toll oder betrunken, daß Ihr einen Menschen, den die verrückte Bestie von einem Halbaffen da aus dem Schlafe geschrieen, überfallt und festhaltet, als ob er irgend etwas verbrochen hätte? Was wollt Ihr von mir, was soll ich – weshalb preßt Ihr mir die Arme zusammen, als ob sie von Eisen wären – wer zum Teufel hat ein Recht mich so zu behandeln?«
»Nur ruhig, honey!« rief ihm aber Einer der Irländer, der jetzt seinen Rausch so ziemlich ausgeschlafen hatte, freundlich zu, »nimm's nur kaltblütig mein Herzchen, und wenn Du's nicht kaltblütig nehmen kannst, nimm's doch so.«
»Was wollt Ihr? – weshalb haltet Ihr mich? weil der verrückte Schuft da im Schlafe brüllt? – Da, such, was willst Du von mir, Canaille, ich habe Nichts.«
»Mein Geld! mein Geld!« schrie aber der Israelit, mit zitternden Händen an dem Mann, freilich vergebens, herumfühlend – »er hat mein Geld gestohlen.«
Die nächsten Minuten war es kaum möglich ein weiteres Wort zu verstehn; Alles schrie, tobte, lachte und fluchte durcheinander, und der Ingenieur verließ seine Maschine, die Mannschaft vorn ihre Posten, und was noch wach an Bord war, drängte nach dem Zwischendeck zurück, zu sehn und zu hören was es da gebe. Veitel Kochmer war aber in der Zeit auch nicht müßig gewesen, und das Geld nicht an dem vermeintlichen Dieb findend, suchte er dort, von wo dieser aufgesprungen, und fand da den Sack auf der Erde liegen, mit einem kleinen scharfen und geöffneten Federmesser dicht daneben; rasch an seinen Kaftan fühlend entdeckte er dort zugleich einen breiten Schnitt, der diesen mit der Tasche vollständig offen gelegt, und sogar noch in den leinenen Sack hineingeschnitten hatte, so daß die Thatsache selber Allen, die ihn beim Suchen unterstützten, klar genug wurde. Der Mann mit dem blauen Überhemd leugnete aber Schnitt und Messer ab, wie überhaupt irgend etwas von dem Juden oder seinem Geld zu wissen; er habe dagesessen und fest geschlafen, und sei durch das Brüllen seines Nachbars aufgeschreckt worden, ja im Anfang der Meinung gewesen die Kessel wären geplatzt, und nur im Instinkt der Selbsterhaltung aufgesprungen.
»Ja wohl honey«, lachte der Irländer dabei, während Veitel sein Geld wieder barg und erstaunt von einem zum anderen der Männer sah, ohne ein Wort von dem was sie sprachen zu verstehn, »das glaub' ich Dir schon, daß Du die Geschichte im Instinkt hast, denn es mag nicht das erste Mal sein, daß Du in Gedanken oder im Instinkt in anderer Leute Taschen kommst – wie war also die Sache, Langbart da, woher weißt Du, daß dieser gentleman hier Dein Geld im Instinkt forttragen wollte?«
Andere, die deutsch sprachen, übersetzten dem Polen die Frage, und dieser erzählte jetzt wie er im Schlaf seinen rechten Arm auf dem Geldsack habe liegen gehabt, einmal aber, halb munter geworden, sei es ihm vorgekommen, als ob Jemand langsam daran ziehe. Nicht recht sicher, sei er ruhig sitzen geblieben, bis auf einmal das Geld ihm unter dem Arm fortgeglitten und der Bursche da, als er rasch und erschreckt emporfuhr, in dem Augenblick auch auf und fortgesprungen wäre.
Der Dieb leugnete natürlich Alles, und schrie über Gewalt und Unrecht, das einem Bürger der Vereinigten Staaten auf die schlaftrunkene Anklage eines fremden Juden angethan würde. Das fremde unnütze Gesindel sei überdieß nur da, und komme von Europa herüber sie, die Amerikaner, auszusaugen, ihren Arbeitslohn herunter zu drücken und den Eingeborenen (natives) das Brod vor dem Munde wegzuschnappen.
»Hör' einmal mein Junge!« fiel ihm da Einer der langen Kentuckier in die in Zorn ausgesprudelte Rede – »es will mir beinah vorkommen, als ob Dir die Fremden noch verdammt wenig Arbeitslohn heruntergedrückt hätten. Außerdem wissen wir noch gar nicht einmal ob Du ein Amerikaner bist oder nicht.«
»Ich bin im »alten Staat«16 geboren!« rief der Gefangene trotzig.
»Kein Compliment für den alten Staat« sagte der Kentuckier ruhig, »doch das bleibt sich jetzt gleich. Wir sind hier verdammt, eine Woche mitsammen auszuhalten »in Freud und Leid« wie die Friedensrichter bei den Trauungen sagen, und müssen uns also auch die Luft frei und die Taschen zu halten vor derartigem Gesindel das daran herumschneiden will.«
»Aber was wollt Ihr da von mir?«
»Wirst es gleich hören mein Herz.«
»Werft den Lump über Bord und laßt ihn an Land schwimmen« schrie der Irländer dazwischen.
»Frieden da!« rief aber der Kentuckier, »wir dürfen einen Mann nicht strafen, ohne ihn gehört zu haben; wählt einmal einen Richter unter Euch, Kameraden, und zwölf Geschworene; zu schwören brauchen sie weiter nicht, da wir keinen wirklichen Richter haben, und dann wollen wir der Sache gleich auf den Grund kommen.«
»Hurrah für den Kentuckier!« schrieen eine Masse Stimmen, froh jetzt irgend etwas zu haben die lange Nacht durchzubringen, »wählt eine Jury – wählt einen Richter!«
»Wir wollen den Steuermann zum Richter nehmen!« rief eine feine Stimme durch den Lärm – der Steuermann war mit den übrigen Neugierigen ebenfalls herbeigekommen, zu sehn was es gäbe.
»Was schiert uns der Steuermann!« schrie aber ein langer Bootsmann aus dem Staat Mississippi dazwischen – »wir sind hier Passagiere und was wir untereinander haben, machen wir auch untereinander aus.«
»Ja wohl, ja wohl!« riefen Andere – »der Kentuckier soll Richter sein; Hurrah für den Kentuckier!«
Unter Lärmen, Lachen und Schreien, während der ertappte Dieb jetzt freigelassen war, sich aber so von Wachen umstellt sah, daß an ein Entrinnen nicht zu denken war, wurde jetzt auch eine Jury aus den Passagieren gewählt, wozu man jedoch nur Amerikaner nahm, und den Angeklagten dann frug ob er mit der Wahl zufrieden sei. Dieser aber, dem doch nicht wohl dabei wurde als die Leute Ernst machten, protestirte gegen ein solches Verfahren, verschwor sich noch einmal hoch und theuer daß er von der ganzen Geschichte Nichts wisse, neben dem Juden ruhig geschlafen habe, das Messer gar nicht kenne und ein ehrlicher Mann sei, und verlangte den Capitain zu sehen, der ihn vor einer solchen Behandlung wie sie ihm hier widerfahre schützen müßte, oder er verklage ihn selber in der ersten Stadt an der sie anlegten, wegen Mishandlung seiner Passagiere.
Das half ihm übrigens Alles Nichts, die Leute im Zwischendeck hatten Langeweile, brauchten etwas, das ihnen die Nacht hindurch die Zeit vertriebe, und die Bootsleute selber, Capitain und Steuermann, hüteten sich schon da einzugreifen, wo sie doch recht gut wußten daß ihnen die Macht fehlte, noch dazu da es hätte zu Gunsten eines Burschen geschehen müssen, gegen den doch ziemlich gegründeter Verdacht wenigstens beabsichtigten Diebstahls vorlag.
Dem Angeklagten nun hätte es frei gestanden gegen sechs aus der Jury, Amerikanischen Gesetzen nach, Protest einzulegen, wofür dann andere gewählt worden wären; da er aber gegen die ganze Jury protestirte, und ihr das Recht abstritt über ihn zu urtheilen, wurde sie ganz beibehalten, und das Verhör begann. Veitel Kochmer, der sich jetzt übrigens gern von der ganzen Geschichte zurückgezogen hätte, bekam einen Dolmetscher, und mußte besonders in figura wieder zeigen wie sie Beide gesessen hatten, während man noch alle übrigen Zeugen vernahm, die vorher die beabsichtigte Flucht des Angeklagten mit angesehn.
Als die vernommen worden, wurde der Angeklagte aufgefordert Zeugen für sich selber zu stellen, und ein anderes Individuum, das sich aber weit besser ruhig verhalten hätte, trat jetzt freiwillig auf, und erklärte den Angeklagten schon seit einer Reihe von Jahren als einen braven, in seiner Heimath geachteten, und sonst in jeder Beziehung ehrenwerthen Mann zu kennen. Dem Burschen stand das Wort »Gauner« aber mit so deutlichen Zügen auf der Stirn geschrieben, daß die ganze Jury laut lachte als er von Ehrlichkeit und Achtung sprach, und der Angeklagte selber schien nicht sehr mit der Fürsprache zufrieden zu sein. Es war ein langer hagerer Gesell, der neue Zeuge, mit einer hellgrünen Flanelljacke an, die sehr kurz in den Ärmeln, seine Gelenke und dünnen Armen weiter zeigte als gerade schön sein mochte; auf dem einen Auge schielte er dabei, und da das andere nicht eine Secunde auf ein und demselben Menschen haftete, konnte sich keiner an Bord rühmen dem Blick des Burschen auch nur ein einziges Mal begegnet zu sein. Einen alten zerknitterten Fitz, den er bis dahin auf dem struppigen Haar gehabt, drückte er, so lang er mit der Jury sprach, in den Händen herum.
Der Staatsanwalt, zu dem sich ebenfalls ein junger, ganz ordentlich gekleideter Mann an Bord für diesen einzeln Fall gemeldet hatte, trat jetzt auf und versicherte der Jury, unter dem schallenden Gelächter sämmtlicher übrigen Passagiere, nur nicht der beiden Freunde, daß dieser Zeuge die Sache des Angeklagten eher verschlimmert als verbessert habe, hob dann noch einmal in sehr glücklich gewählten, meist humoristischen Wendungen das ganze Entsetzliche dieses Falles an einem Ort hervor, wo Alle so zusammengedrängt waren daß sie schon ohnedieß Einer die Hände in den Taschen des Anderen haben mußten nur stehen zu können, und eröffnete schließlich den geehrten Geschworenen, daß ihnen kaum etwas anderes übrig bleiben würde als den Mann zu – hängen, wie seinen Freund Landes zu verweisen.
Ein lautes Hurrah! antwortete diesem Vorschlag, der von Allen natürlich als ein Scherz aufgenommen wurde, nur nicht von dem Angeklagten selber, der vielleicht schon früher Zeuge gewesen war, wessen eine Bande müssiger Bootsleute, in Übermuth und Langerweile fähig sei. Die Jury zog sich jetzt auf die Außenguards zurück dort miteinander den Fall zu berathen, kehrte aber nach sehr kurzer Zeit wieder, und erklärte kein Urtheil abgeben zu wollen, bis man nicht weitere Beweise gegen den Mann habe, der zu diesem Zweck zu visitiren sei, ob er nicht irgend etwas Verdächtiges bei sich trage was seine jetzige böse Absicht noch mehr bekräftigen könne.
Dagegen sträubte sich aber der Angeklagte auf das Entschiedenste, machte sogar Miene sich ernsthaft zur Wehr zu stellen und schrie, als ihn ein paar von den baumstarken Flatbootmen unterliefen und hielten, aus Leibeskräften um Hülfe und Feuer und Mord. Das Alles half ihm aber nicht allein Nichts, sondern machte die Leute nur noch mistrauischer gegen ihn, die jetzt ohne weiteres, während ihn Einige festhielten, seine Taschen umdrehten und ihn aufforderten sein Gepäck auszuliefern das er an Bord habe.
Wider Erwarten entdeckte man bei ihm ein mit Geld sehr wohlgespicktes Taschenbuch, in dem sich einige zwanzig ganz neue Banknoten der »White water canal banking company« mit einigen einzelnen Mississippi-Dollar-Noten und einige kleine Münzen vorfanden. Hiervon erregten aber die neuen Noten Verdacht, von denen eine im Kreis herumging, bis sie zu den Händen des Staats-Anwalts, jedenfalls eines jungen Handlungscommis der irgend eine Anstellung im Norden suchte, kam. Dieser erklärte sie nach kurzer Besichtigung für counterfeit money (falsches Geld), und erbot sich sehr freundlich und bereitwillig selber zu hängen, wenn er nicht die Wahrheit gesagt habe und das Geld genau kenne. Mit diesem Ausspruch allein begnügten sich aber die Passagiere nicht, und eine Deputation wurde hinauf in die Cajüte geschickt, zu sehen ob noch Einer von den Buchhaltern wach wäre, dessen Urtheil über die Banknoten zu hören.
Der zweite Buchhalter war kurz vorher vom Steuermann geweckt worden, da das Boot wieder anlegen mußte Holz einzunehmen. Noch halb im Schlaf wollte der freilich die Passagiere erst unwirsch wieder abweisen, ließ sich aber doch endlich bewegen, einen in Neu-York herausgegebenen counterfeit detector, in dem allmonatlich sämmtliche falsche Banknoten veröffentlicht werden, nachzusehn, und erklärte die Banknote dann ebenfalls nach kurzer Untersuchung für falsch. Das war genug und die Sache im Zwischendeck, die bis jetzt mehr in Scherz und Übermuth getrieben worden, drohte einen ernsteren Charakter zu bekommen.
Der Kentuckier nahm vor allen Dingen das als falsch erkannte Geld in Beschlag, zerriß es in Stücken und steckte es unter dem wüthenden Heulen und Schreien des Angeklagten in den Ofen, wo es bald hell aufloderte, das übrige Geld wurde ihm jedoch zurück gegeben, und die Jury ging dann noch einmal auf die guards hinaus, das Endurtheil zu fällen, als die Glocke draußen – das Zeichen zum Landen und Holztragen – ertönte.
»Wood pile, wood pile boys!«17 schrie der Mate oder Steuermann, froh eine Gelegenheit zu haben den Skandal zu unterbrechen, in das Deck hinein – »hinaus mit Euch wer nicht bezahlt hat, Eure Albernheiten könnt Ihr nachher abmachen – Wood pile!«
Das Boot landete, die Planken wurden ausgeschoben, und die Zwischendeckspassagiere, die sich eben zum Holztragen verpflichtet hatten, konnten sich dessen nicht weigern; der Delinquent sollte indessen unter der Aufsicht von drei oder vieren, die nicht mit zu tragen brauchten, zurückgelassen werden; das aber duldete der Mate nicht, der erklärte daß er den Mann nothwendig zum Holztragen brauche; wenn sie was von ihm wollten, könnten sie das ebensogut nachher abmachen, hier in Nacht und Nebel und einem wildfremden Staat würde er ihnen nicht fortlaufen. Die Anderen trauten ihm jedoch nicht, und zwei von den Kentuckiern erboten sich draußen an seiner Seite zu bleiben, und jeden etwaigen Versuch zur Flucht unmöglich zu machen.
Der Bursche, der aber jedenfalls ein böses Gewissen hatte, und vielleicht nicht mit Unrecht fürchtete auch noch andere Sachen an den Tag gebracht zu sehn, schien das Resultat der Jury nicht abwarten zu wollen, denn als er, einmal im Freien, seine zweite oder dritte Ladung aufgenommen, wußte er seine Gelegenheit zu benutzen, warf dem Einen von seinen beiden Wachen den ganzen Stoß Holz auf den Leib, sprang über ihn fort, und war im nächsten Augenblick über die Fenz hin, in einem Baumwollenfeld verschwunden, das Boot wie seine bezahlte Passage im Stich lassend.