Kitabı oku: «Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band», sayfa 8
»Flatboot ahead – look out to starbord!« schreit der Mann der ganz vorn oben auf das oberste Deck (hurricane deck) gestellt ist, dem Lootsen, der in dem kleinen Glashaus oben aufsteht, Nachricht zu geben wenn er irgend etwas im Strom sieht, das dem Boot gefährlich werden könnte, oder das sie vermeiden müssen – das Steuerrad dreht sich rasch, den Bug des Dampfers nach Larbord hinüber zu werfen, und dicht an ihnen vorbei, so dicht daß das Radhaus den einen auf Decke gelegten sweep des unbehülflichen Fahrzeugs faßt und abreißt, und die dunkle schwerfällige Masse wie ein Schatten an ihnen vorüber fliegt, schießt das Boot vorbei. An Deck des Flatboots aber rennt die erschreckte und für Fahrzeug und Leben nicht mit Unrecht besorgte Mannschaft wild und kopflos durch einander, und schreit und flucht noch drohend nach, wie die Gefahr schon lange für sie vorüber ist, und die nachschäumenden Wellen den ungelenken Kasten nur noch tanzen und schaukeln machen.
Wie der Mond jetzt dort so still und freundlich über den niederen dunklen Waldstreifen heraufsteigt, und sein mildes Licht über die lauschigen Plätze am Ufer, über das matt glitzernde Wasser des Stromes gießt; dicht am Land schnauben wir wieder hin, und können jetzt das Rauschen der hohen stattlichen Bäume, das Quaken der Frösche hören, die in den Sümpfen drin ihre Nacht feiern. Und dort? – o wie so süß der leise Flötenlaut des mocking bird klingt, der sich im niedern Busche sein Nest gebaut hat, und jetzt die Kleinen in Schlaf singt, die auf den Zweigen träumen – die Amerikanische Nachtigall nennen ihn die Creolen, und er verdient's. Wie sich das so heimlich fährt, so dicht am Ufer hin, wenn man die Wellen an den Damm plätschern und das Lachen und Sprechen von Menschen am nahen Lande hört, in Sprunges Nähe fast an ihnen hingleitet und doch in einer ganz anderen, ganz verschiedenen Welt als jene lebt. Wie es dem Luftschiffer zu Muthe sein mag, der in stiller Nacht langsam und tief über dem großen Ameisenhaufen, den wir Menschen eine Stadt nennen, hingleitet, nieder in die erleuchteten Fenster, auf die rauchenden Schornsteine sieht, und dem Summen und Treiben der lebendigen Welt unter sich, der er in diesem Augenblick nicht mehr gehört, dann lauscht; so braust das Boot, eine kleine abgeschlossene Welt in sich selber mit seiner staatlichen und bürgerlichen Einrichtung, dem Ufer fremd an dem's vorüberschießt, dicht an dem dunklen Lande hin. Am Ufer drüben grünt's und blüht's, die Blumen duften stärker in der Nacht dort, im traulichen Familienkreis sammeln sich die Glieder um den geselligen Tisch – Hunde bellen – Gänse schnattern und die regelmäßigen Schläge der Axt, die Brennholz in die Küche liefert, tönen noch, selbst durch die Nacht im Takt herüber – Alles fremde Laute, und nicht dieser Welt gehörig, in der die Schürstange die blitzenden Funken zum schwarzen hohen Schlot hinaus gegen den dunklen Himmel jagt, und das Rasseln und Klappern der Maschine, das dumpfe Brausen der Räder, den Sang der Nachtigall vertreten muß.
Weiter – weiter – dort drüben leuchtet ein Feuer am Ufer, von einem Neger geschürt, der hier den Mosquitos zum Trotz die Wache hat. Es ist das ein Zeichen für die Dampfboote daß dort Holz zu verkaufen liegt, und die Landung gut ist, und der Neger, wenn er auf solche Art ein Boot in der Nacht zum Landen bringt, hat einen Viertel Dollar Prämie von seinem Herrn – dafür muß er sich aber den Schlaf selber abstehlen und zündet manches Feuer vergebens an. Die Glocke läutet jetzt, die Heizer werfen die Thüren auf, aus denen eine Gluth herausströmt Blei schmelzen zu machen, und die ihnen oft auf viele Schritte Entfernung die Kleider am Leib versengt, und Blasen in die Haut zieht. Der breite Bug dreht sich dem Lande zu, von dessen Levée aus Hunde klaffen, und Stimmen, auf die Frage von Deck aus, Preis und Art des Holzes herüberschreien. Vorn zu Starbord, ein zusammengerolltes Tau in der Hand, steht ein Matrose zum Wurf bereit, und sobald das Ende nur das Ufer erreichen kann, springen Neger, von denen indessen eine Menge zusammengelaufen, hinzu es zu fangen. Jetzt fliegt es aus, wird gefaßt, in Land gezogen dort in Hast um einen Baum oder Stumpf geschlagen und »hawl in!« tönt der Ruf; die deckhands an Bord fassen zu, und holen das Tau zurück an Bord so weit es reicht, es dort zu festigen, Planken werden ausgestoßen und die Bootsmannschaft mit einem Theil der Zwischendeckspassagiere, die ihre Passage billiger bekommen wenn sie sich verpflichten mit Holz zu tragen, strömen hinaus, schichten die einzelnen Scheite der lang aufgestapelten »Korde« auf die Schultern, und eilen damit an Bord zurück.
Wie eigen doch das aussieht – die hellen Feuer die auf der Levée jetzt zu lichter Gluth geschürt werden, daß sie hoch aufflammen und den Platz erleuchten, die neugierigen Gesichter der Neger mit den großen blitzenden Augen und hellen prachtvollen Zähnen, in ihren weißen Jacken und Röcken, Männer, Frauen und Kinder, die den Ort mit einem gewissen Wohlbehagen umdrängen auch einmal weiße Leute arbeiten zu sehn – eben wie Neger; der Verkäufer des Holzes selbst, gewöhnlich der Oberaufseher der Plantage, in lichtgestreifter Jacke und Hose, den breiträndigen Hut auf und das Pferd, von einem der Sclaven geführt, gesattelt hinter sich, mit den wildmalerischen Gestalten der Dampfbootleute, die sich neues Material holen für ihr nächtiges Werk. Rechts davon der stille Frieden des Landhauses mit seinen lauschigen Schatten, links das weißgemalte Boot mit den vielen hellerleuchteten Thüren und Fenstern, den buntgekleideten und gemischten Gestalten auf seiner Gallerie, und den riesig dunklen Schornsteinen, wie es da innerlich kochend und brausend aber festgebunden liegt, und nur mit den Rädern noch langsam, fast wie ungeduldig, gegen die Strömung anarbeitet, einem gefesselten Stier nicht unähnlich der mit den Füßen scharrt, und den Augenblick nicht erwarten kann der ihm wieder den Gebrauch seiner mächtigen Glieder giebt.
Wieder tönt die Glocke! »Alle an Bord« schallt der, den Leuten willkommene Ruf des Steuermanns – was noch am Lande ist und dort nicht hingehört eilt zurück, die Planken werden eingeholt »let go!« das Tau am Ufer losgeworfen, der Bug vom Lande mit langen dazu besonders gehaltenen Stangen abgestoßen, und schärfer schlagen die Räder ein – höher kräuselt die Fluth am Bug; der Koloß ist frei und arbeitet wieder, seine Bahn verfolgend, in den Strom hinaus.
Capitel 6
Leben an Bord des Dampfers
Aber wir müssen uns auch zu dem Inneren des gewaltigen Bootes wenden, denen tausende unserer Landsleute Leben und Eigenthum auf Tage und Wochen anvertrauen, ihr weit im Lande d'rin gelegnes Ziel, sei es, in welchem Staat es wolle, zu erreichen.14
In der Cajüte, einem sehr geschmackvoll eingerichteten geräumigen Salon, der an beiden Seiten seine bequemen staterooms oder Einzelcajüten für zwei Passagiere zusammen hatte, war die größte Zahl der Reisenden um die lange Tafel versammelt, die in der Mitte stand, und bei den Mahlzeiten zum Eßtisch, später in ihren einzelnen Theilen auseinander genommen, meist zu Spieltischen verwandt wurde. Hie und da hatte sich auch schon ein kleines Spiel arrangirt, und sich drei und drei zu einer Parthie Whist oder Eucre, oder zwei zu einem Schach oder Domino zusammengefunden; die Leute waren aber noch nicht recht bekannt mit einander geworden. Das unbehagliche Gefühl, sich selber fremd an einem Ort zu wissen, den man auf kurze Zeit zu seiner Heimath machen soll, hatte sich noch nicht überwinden lassen, und Manche gingen auch, theils allein, theils in Gesellschaft, in der Cajüte auf und ab, miteinander plaudernd und eben Bekanntschaft knüpfend.
Hopfgarten allein hatte noch eine Zeitlang volle Beschäftigung seine Coye, wie er sich das schon früher gedacht und ausgemalt, ordentlich herzurichten. Ein life preserver (Lebenserhalter) ein großer Ring von luftdichtem Zeug zum Aufblasen, hing vor allen Dingen über seinem Bett; er war dabei so fest überzeugt daß sie auf dieser Fahrt irgend ein – Unglück konnte er es eigentlich nicht nennen, – aber irgend einen Zufall haben würden, daß er dem Professor schon die bittersten Vorwürfe gemacht hatte, sich nicht besser auf etwas derartiges vorgesehn, und besonders für die Damen die nöthigen Vorkehrungen getroffen zu haben. Außerdem hatte er aber, auch nach anderer Seite hin gerüstet zu sein, einen zweischneidigen Dolch und ein paar Pistolen bei sich, von denen der erste vorn unter seiner Weste, dem Auge verborgen, der Hand aber erreichbar, ruhte. Aber das nicht allein; er führte auch eine kleine Taschenapotheke mit, in der Heftpflaster, Charpie, Wundbalsam etc. etc. einen sehr vorragenden Platz einnahmen; ebenso war er mit Lanzetten, Verbänden, Bandagen etc. versehn, und besaß in der That Alles, einen menschlichen Körper nach allen Arten von Hieb-, Stich- und Schußwunden, Quetschungen, Brüchen etc. etc. wieder soviel nur irgend möglich auf die Beine zu helfen.
Nachdem er dieß nun Alles, soweit sich das hier thun ließ, sorgsam geordnet und zum augenblicklichen Gebrauch bereit gelegt, trat er durch die allgemeine Cajüte auf das vorn liegende Boilerdeck hinaus, wo Professor Lobenstein, die Hände auf dem Rücken, dem Gewirr von Sprachen und Menschen ein klein wenig entzogen zu sein, still und allein spatzieren ging, sich aber nicht besonders wohl darin zu fühlen schien. Unbehaglich dabei war ihm schon die, allerdings sonst höchst wohlthätige Einrichtung an Bord, die Herren und Damen, außer der Tischzeit in abgesonderte Räume verwiesen und getrennt zu sehn. Den Herren allerdings die Damen ihrer Verwandtschaft an Bord haben, ist es gestattet unter Umständen die Damencajüte zu betreten, aber die Menge fremder Damen verleidete ihm das bald, während es Herrn Hopfgarten den Besuch direkt abschnitt und unmöglich machte. Er konnte sich nur bei dem Professor nach ihrem Wohlbefinden erkundigen, und wie er darüber gute Auskunft erhalten, gingen die beiden Männer, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt, eine Weile nebeneinander auf und ab, als Hopfgarten, jedenfalls seinen bis dahin verfolgten Ideeen Worte gebend, plötzlich sagte:
»Aber ich weiß doch nicht – sein Betragen in der letzten Zeit hat mir gar nicht gefallen.«
»Wessen Betragen?« frug der Professor erstaunt.
»Wessen Betragen? Henkels.«
»Aber wie kommen Sie denn jetzt auf Henkel?«
»Sprachen wir denn nicht von ihm?«
»Wir haben nicht daran gedacht; aber wie so – wie verstehn Sie das? sein Betragen in gesellschaftlicher Beziehung da weiß ich doch nicht; er hat sich immer höchst anständig benommen.«
»Oh das dank' ihm der Teufel!« rief Hopfgarten rasch, »nein ich meine sein Betragen gegen seine Frau.«
»Ich habe Nichts bemerkt was mir aufgefallen wäre« sagte der Professor gutmüthig.
»Das ist sehr leicht möglich« meinte Hopfgarten, »auffällig war aber jedenfalls, daß die beiden Leutchen die letzten Tage gar nicht mehr zusammen an Deck erschienen sind, oder wenn es geschah, kein Wort mit einander gewechselt haben. Was ich nicht gleich an Bord bemerkte oder beachtete, ist mir nachher, bei ruhigerem Nachdenken erst wieder ein- und aufgefallen und es muß etwas, kurz vor unserer Landung zwischen den beiden Gatten vorgefallen sein, was sie uns übrigen Passagiere eben nicht wollten merken lassen.«
»Wenn das wirklich der Fall war, so hatten sie da aber auch vollkommen recht« lachte der Professor – »es muß nicht Alles gleich an die große Glocke geschlagen werden, was zwischen Eheleute tritt und sie vielleicht auf kurze Stunden entzweit – das Alles gleicht sich dann bald wieder aus.«
»Ja das ist allerdings richtig« sagte Hopfgarten nachdenkend, »aber die plötzliche Krankheit der Dame dann nachher, das furchtbar bleiche Aussehn – das stille Wesen, sie die noch kurz vorher die lebendigste heiterste Frau unseres ganzen Schiffs gewesen war. Es kam uns nur das Land und die Landung und all das Neue dazwischen, und es thut mir jetzt wahrhaftig leid, nicht noch kurze Zeit in New-Orleans geblieben und der Sache besser auf die Spur gekommen zu sein. – Es war ein gar zu liebes nettes Weibchen,« setzte er nach kurzer Pause, wie mit sich selber redend, hinzu.
»Bah, junge Eheleute haben auch manchmal einen kleinen Tanz miteinander« sagte der Professor kopfschüttelnd, »und wenn das zum ersten Mal kommt, nimmt sich's die junge Frau gewöhnlich um so mehr zu Herzen, weil sie vielleicht bis dahin geglaubt hat, daß so etwas in ihrer Ehe gar nicht vorfallen könne, und solche Enttäuschung ist immer schmerzlich. Das giebt sich aber bald, und sind nur Gewitterwolken, die um so rascher wieder dem schönsten blauen Himmel weichen müssen.«
»Hm – ja – ich will es hoffen – wenn ich aber nur eine Idee hätte, daß der Mann die Frau schlecht behandelte oder unglücklich machte, wahrhaftig, ich kehrte mit dem nächsten Dampfboot wieder nach New-Orleans zurück und – «
»Und?« – frug der Professor ihn lachend dabei anschauend – »und was wollten Sie dann nachher thun? wie und auf welche Art könnten Sie sich in die Familienverhältnisse irgend eines Hauses mischen?« —
»Ich forderte ihn!« rief Hopfgarten entschlossen.
»Bah« sagte aber der Professor kopfschüttelnd, »damit würden Sie nicht einmal der Frau, noch weniger aber sich selber einen Gefallen thun – sich mit dem Mann für dessen Frau schlagen, hahahaha, das wäre wahrhaftig nicht so übel. Übrigens« setzte er hinzu, als Hopfgarten mit fest verschränkten Armen finster und schweigend neben ihm auf- und abging »haben Sie sich da nur selber irgend etwas in den Kopf gesetzt, was wahrscheinlich nichts weiter ist als eine Geburt Ihrer Phantasie. Meine Töchter sind doch auch viel mit ihr zusammengewesen, und haben Nichts gemerkt.«
»Sie haben wahrscheinlich noch gar nicht mit ihnen darüber gesprochen?«
»Nein, allerdings nicht.«
»Nun sehn Sie – die Sache geht mir furchtbar im Kopf herum, aber es läßt sich in diesem Augenblick freilich Nichts dagegen thun, und in einigen Wochen denke ich so wieder unten in New-Orleans zu sein.«
»So rasch?«
»Vielleicht etwas später, das kommt eben auf Verhältnis an; jedenfalls werde ich einige Zeit das nördliche Land durchkreuzen und den Mississippi nach verschiedenen Richtungen befahren.«
»Ihrem alten Projekte nach?« lächelte der Professor.
»Zum Theil« lachte Hopfgarten, »aber doch auch in der Absicht das Land kennen zu lernen und dessen Charakter; ich bin deshalb besonders nach Amerika gekommen, und habe mir eben nur ein paar tausend Dollar zu der Reise ausgesetzt – sind die verthan, so gehe ich wieder nach Deutschland zurück.«
»Weshalb ist Herr von Benkendroff eigentlich nach Amerika gegangen?« frug der Professor.
»Gegründete Ursache zu haben über Amerika schimpfen zu können« lachte Hopfgarten – »ich bin fest überzeugt er hat keinen andern Grund. Ich freue mich schon darauf ihn nach einigen Wochen wieder zu sprechen.«
»Sie werden ihn dann aber schwerlich finden, denn er durchreist doch gewiß ebenfalls das Land.«
»Kommt aber auch sicher wieder nach New-Orleans zurück, und hat mir für dort schon seine Adresse gegeben. Doch es wird kühl, wir wollen hineingehen; Sie spielen ja Schach, da können wir uns die Zeit mit einer Parthie vertreiben.«
In dem großen hellerleuchteten Saal herrschte eine angenehme Temperatur; an den verschiedenen Tischen saßen jetzt mannichfaltige Gruppen spielend oder plaudernd, mit einer Flasche Wein oder gemischten spirituösen Getränken zwischen sich; es wurde gelacht und erzählt und das Ganze, mit den dazwischen herumgehenden Aufwärtern die neuen Vorrath von Getränken herbeitrugen, oder gebrauchte Gläser fortschafften, gab der Cajüte fast das Ansehn eines großen geräumigen und sehr eleganten Cafés in irgend einer bedeutenden Stadt – nur daß es über einen Krater gebaut stand, unter dem die Maschine hämmerte, die Räder wirbelten, die Kessel siedeten, und oft schon gerade ein solches sorgloses Stillleben mit einem furchtbaren Schlag in Tod und Vernichtung geschleudert haben. Ein dumpfer Knall – ein Prasseln und Brechen, ein gellender Schrei, und die zerstückten Leichname der fröhlichen lebenslustigen Menschen, die vergoldeten und mit Bildern behangenen, hellerleuchteten Wände flogen zerrissen, zerfleischt, zerstückt hinaus, und der gierige tanzende Strom spielte mit den entsetzlichen Resten.
Aber was thuts? – wir können deshalb nicht langsamer fahren, weil das und jenes Boot einmal seinen Kessel sprengte, und eine Anzahl Passagiere zu früh in die Ewigkeit sandte – auf dieser Fahrt wird es nicht gleich platzen lautet der gewöhnliche Trost der Reisenden, und kaum eine Stunde an Bord, vergessen sie die Gefahr, ja reizen sie wohl sogar noch selbst in dem oft still gedachten, oft laut geäußerten Wunsch, das oder jenes Boot was eben in Sicht vorausläuft, zu überholen. Niemand will auf einem langsamen Dampfer fahren, an die Möglichkeit einer Zerstörung wird kaum noch mehr gedacht, und das Völkchen lacht und plaudert und trinkt und schläft so sicher und ruhig über dem Vulkan, wie – die buntere, wild gemischtere Schaar, die hinter der Maschine, im sogenannten Zwischendeck ihr Lager im eigentlichen Sinn des Wortes aufgeschlagen.
Was für ein Unterschied zwischen den beiden Plätzen, die nur durch eine Reihe Planken und dünner Balken voneinander getrennt liegen. – Oben Luxus und Bequemlichkeit, Alles vergoldet und tapezirt, mit Teppichen belegt und blank polirt, Licht und Glanz den ganzen Raum durchströmend, und elegant und reinlich gekleidete Leute im behaglichen Bewußtsein ungestörter Ruhe das Alles genießend – unten, nur rohe und unbehobelte Breter zu Verschlägen angeschlagen – Kisten und Koffer überall im Weg, der ja freie Boden von Tabakssaft schlüpfrig gemacht; eine Masse Volk, zusammengewürfelt aus allen Schichten der Gesellschaft, selbst bis zur letzten nieder, und in der letzten gar nicht selten am häufigsten vertreten, durch einander drängend und fluchend und schreiend – Niemand mit einem gewissen Platz, die Wenigen ausgenommen, die zuerst gekommen waren, und einen der Verschläge für sich besetzen konnten. Hier ein Trupp Bootsleute, schon halb betrunken, die vollen Flaschen noch zwischen sich auf einer Auswandererkiste, gleichviel wem sie gehört, die Nacht durchzuschwelgen und zu toben, weil sie doch keinen Platz haben sich hinzulegen; dort ein paar andere bei einem schmutzigen laufenden Talglicht – Privateigenthum – über einen Kasten und ein altes Spiel kaum erkennbarer Karten gebückt. Dort weinende und schreiende Kinder, die von ihren Müttern mit eben so gellender Stimme in Schlaf gesungen werden sollen, und dort drüben ein Bursche, der trotz allem Lärm und Toben, mitten in dem Gewirr ruhig an einem Pfeiler lehnt, und zum Besten seiner Bootsmannschaft, mit der er auf einem Flatboot den Strom herabgekommen, wie aller Anderen die es hören und nicht hören wollen, eine alte wahnsinnige Violine mishandelt.
Ein fast glühender Ofen, in solcher Temperatur gehalten die verschiedenen Töpfe und Geschirre mit Wasser zum Kochen zu bringen, in denen sich die verschiedenen Familien nach der Reihe ihr Abendbrod selber kochen müssen, wird besonders von den Frauen mit rothheißen Gesichtern umlagert, und verbreitet drückende Schwüle und einen fatalen Fettgeruch durch den ganzen, schon ohnedieß vollgedrängten und dunstigen Raum. Eine trübe mattbrennende Laterne wirft zu gleicher Zeit ein unsicheres zuckendes Licht über das Drängen und Treiben unter sich, und das Rasseln und Klappern und Schleifen und Schütteln der dicht daneben befindlichen Maschine donnert den Chor zu dem ganzen Lärm.
Ha was war das? – die hellen reinen glockenähnlichen Töne die da plötzlich das dumpfe Murmeln und laute Schreien, sogar die gellenden Kinderstimmen und scharfen Discorde der Violine überwältigen, und plötzlich aus all dem Wirrwarr herauszittern, sind sie nicht wie Öl in die stürmische See gegossen, dem sich die bäumenden Wellen selber, im Aufruhr der tobenden Elemente schmiegen? Selbst zum Ingenieur, der vorn an den Kesseln steht und eben den Stock gehoben hat die Dampfstärke zu proben, sind sie gedrungen, und er bleibt in der Stellung und biegt den Kopf zurück, dem ungewohnten, fremden Ton zu lauschen – das Toben und Kreischen vorher hatte er gar nicht mehr gehört. Und in dem Zwischendeck selbst – welch wunderbare Veränderung brachte der leise schwimmende Laut. Die Violine schweigt mitten in einer Parodie auf Alles was nur Harmonie und Takt genannt werden konnte, der Spieler vergißt seine Karten zu mischen, die Frauen den siedenden Topf vom Feuer zu nehmen, die schwatzenden, lachenden, singenden, brüllenden Gruppen öffnen sich und drängen, und suchen dem einen Orte zuzukommen. Selbst die Trinker stoßen nur noch ein wildes »Juch!« aus, und horchen der neuen wunderlichen Musik, die jetzt in weichen aber wunderbar harmonischen Tönen gerade aus dem Mittelpunkt des Zwischendecks herüber tönt, und von Niemand Anderem herrührte als unserem alten Bekannten, dem Polnischen Juden Veitel Kochmer.
Mit weiter keinem Gepäck als einem kleinen, mit altem Seehundsfell überzogenen Kistchen, das neben der Holzharmonika alle seine wie des Knaben irdische Habseligkeiten enthielt, hatte sich Veitel Kochmer, der aus Gott weiß welchem Grunde mehr Vertrauen zum Norden gefaßt zu haben schien Geld zu verdienen, oder sich vielleicht auch noch in der warmen Jahreszeit fürchtete ein so heißes Klima für seinen gefütterten Kaftan zu wählen, als New-Orleans um diese Zeit noch war, auf dem ersten besten Dampfer eingeschifft der stromauf ging, und hielt die Zeit jetzt für vollkommen passend, den Grund zu dem in Amerika zu erwerbenden Vermögen zu legen.
Auf einer gerade dort stehenden breitdeckeligen Kiste, die sich vortrefflich zum Resonanzboden eignete, breitete er bei dem Schein eines dazu geborgten Stückchen Lichts, seine Hölzer aus; die Umstehenden, neugierig was der wunderliche Fremde beginnen würde, gaben ihm gern Raum, und Veitel ließ jetzt die ersten Töne erschallen, die mit ihrer wunderbaren aber doch durchdringenden Weise, bis in die entfernteren Räume drangen, nur erst einmal die Aufmerksamkeit der Passagiere auf sich zu lenken. Das gelang ihm auch vollkommen, und von allen Seiten ergingen jetzt Aufforderungen an ihn zu spielen, und sein Instrument hören zu lassen. Veitel Kochmer war aber nicht der Mann der etwas umsonst gethan hätte, wo Aussicht auf Gewinn sich zeigte; so also einen Landsmann, den er sich schon unter den Passagieren aufgefunden und der vollkommen gut englisch sprach, in der Geschwindigkeit eine große Geschichte aufbindend, erzählte er ihm, daß er, der Musikus, ein armer eingewanderter Pole sei, der den politischen Verfolgungen in Europa entflohn, im Canal Schiffbruch gelitten und fast Alles verloren habe was er sein nannte, und nun gezwungen wäre sein Brod in dem neuen Vaterland, dem Lande der Freiheit, mit Musikmachen zu verdienen. Der Deutsche mußte das den Amerikanern übersetzen und hinzufügen, der arme Mann habe nur sein Instrument gestimmt und in Ordnung gebracht, und wolle damit, wenn es der Capitain erlaube, in die Cajüte hinauf gehn, um sich dort bei den Cajütspassagieren ein paar Dollar einsammeln zu können.
»Verdamm die Cajütspassagiere!« rief aber da Einer der Bootsleute dazwischen, der, die Taschen voll Geld von verkaufter Ladung, sich in seinem Stolz gekränkt fühlte, weniger gelten zu sollen als die »Swells« – »wir haben hier ebenso viel Geld wie die da oben, wenn nicht noch mehr, ob wir gleich im Zwischendeck fahren; sind eben so gut gentlemen wie die »fine folks« in der Cajüte, und wenn Musik eben für Geld zu haben ist, können wir's gerade so gut bezahlen.«
»Ja wohl, ja wohl!« schrieen Andere dazwischen, froh irgend etwas zu haben, ein paar Stunden der langweiligen Nacht zu vertreiben »spiel auf Pole, spiel auf, und was die Dir da oben geben, geben wir Dir auch.«
Veitel Kochmer verlangte gar nicht mehr; die Cajüte lief ihm überdieß nicht weg, und er war gern bereit dem allgemeinen Verlangen zu willfahren. Der Knabe trat jetzt ebenfalls an seinen Platz, und die Zwischendeckspassagiere jauchzten und jubelten, als sie die merkwürdig reinen Flötentöne des Kindes hörten, wollten es auch im Anfang gar nicht glauben daß er es mit der Stimme allein mache, und drängten sich dicht um ihn her, und sahen ihm starr in's Gesicht, ob er nicht doch noch eine heimliche Flöte irgendwo versteckt habe. Die Sammlung fiel dabei viel reichhaltiger aus, als der Alte je gedacht haben mochte; Viertel Dollar regnete es von allen Seiten und Veitel füllte seine ganze Tasche mit Silber. Nach der Sammlung mußte er aber wieder spielen, und die Bootsleute besonders, die den Ton hier anzugeben schienen, verlangten jetzt auch ihnen bekannte Lieder, wie Lord Howes hornpipe, Washingtons Marsch, Napoleons Retirade, the star spangled banner und besonders den Yankee doodle. Die Melodieen kannte aber der Alte nicht, und ein langer Yankee setzte sich vor ihn hin auf eine Kiste, spitzte den Mund und begann ihm die einzelnen Melodieen vorzupfeifen.
Die Unruhigsten der Schaar fingen aber schon an sich über das viele Musiciren, das ihnen überhaupt nicht laut genug war, und dessen fremden Melodieen sie, wie sie sich ausdrückten, »nicht verstanden«, zu ärgern und langweilen, und wie der Yankee die ihnen bekannten Weisen zu pfeifen begann, stimmten sie, jeder nach seiner eigenen Tonart, mit ein. Nicht einmal den Beginn eines ganz anderen Liedes respektirten sie dabei, und nach kaum einer Viertelstunde wogte ein Gewirr von Mistönen durch den Raum, daß der alte Polnische Jude sein Instrument in Verzweiflung einpackte und wegstellte.
Ein neuer Lärm, der am anderen Ende des Decks stattfand, lenkte aber auch die Aufmerksamkeit der Leute wieder nach anderer Richtung. Zwei Irländer waren sich über ihr Kartenspiel in die Haare gerathen, der Eine sollte betrogen haben und suchte jetzt seine Unschuld dem Andern mit der Faust zu beweisen; das aber war ein Spiel was dieser auch verstand, und die beiden stämmigen Burschen flogen in voller Wuth gegeneinander an, bald mit ordentlichem Boxen, wobei sie einander die Augen schwarz schlugen, bald wieder in einander gehakt mit Armen und Beinen, daß ihre Köpfe gegen Pfeiler und Kistenecken anschlugen, den Kampf zu entscheiden. Die Weiber kreischten, die Kinder schrieen dazu und die Männer jauchzten und jubelten, brüllten Hurrah und klatschten in die Hände.
Der Eine von ihnen bekam die Sache aber, da sich Niemand weiter hinein mischte, doch endlich satt, und schrie »genug!« wonach ihn sein Gegner für vollständig überzeugt hielt, und wurde von seinen Freunden halb besinnungslos fortgeschleppt; der Andere aber erging sich in seiner Freude in allerlei ungewöhnlichen Capriolen, schlug sich mit den flachen Händen auf die Lenden, krähte wie ein Hahn, sprang dann in tollem Übermuth im Deck herum, und bot Jedem der »gentlemen« fünf Dollar, der sich mit ihm prügeln wollte. Es dauerte lange ehe der, von Whiskey halbtolle Mensch konnte beruhigt und zu Ruhe gebracht werden. Der Abend war aber indessen auch weit vorgerückt, das Holztragen vorüber, und die Passagiere mußten daran denken Plätze zu suchen, wo sie sich für die Nacht nur einiger Maßen unterbringen konnten.
Viele hatten sich das weit leichter gedacht als es sich auswieß; die unverhältnißmäßig wenigen Coyen, da ein Dampfbootcapitain an Zwischendeckspassagieren aufnimmt was er eben bekommen kann, waren sämmtlich besetzt und in Beschlag genommen, die einzelnen Kisten zu kurz sich darauf auszustrecken, und der Boden selber so von Tabakssaft der kauenden Amerikaner verunreinigt, daß selbst ein solches Lager zur Unmöglichkeit wurde. Manche krümmten und rollten sich doch noch auf Kisten und Koffern, oft in den verdrehtesten Stellungen zusammen, Andere kauerten sich in eine Ecke, und suchten auf diese Art der Nacht eine Stunde Schlaf abzupressen. Wer so glücklich war irgend eine Art Rücklehne zu finden, setzte sich auf was er eben kam, und ein Theil versuchte sogar mit Auf- und Abgehen in dem vollgedrängten Deck die Nacht hinzubringen, mußte das aber bald aufgeben, und drückte sich nun in dem Maschinenraum auf dort aufgespeicherte Zuckerfässer, oder selbst auf die guards hinaus, trotz der feuchten Nachtluft, wo der Zimmermann des Bootes eine Hobelbank stehen hatte, und die beiden Plätze, darunter und oben drauf, den vollen Werth einer Coye bekamen. Es war ein entsetzliches Gewirr von Gliedmaßen, das hierdurch, über- und ineinander lag.
Ein paar deutsche Familien, und unter ihnen die mit der Haidschnucke erst nach New-Orleans gekommenen Webersleute, hatten sich, so gut das gehen wollte, in die eine Ecke ihre Kasten zusammengerückt, wenigstens für die Frauen und Kinder einen in etwas geschützten Ort zu bekommen, und unfern von ihnen kauerte auf seinem kleinen Kistchen, den Knaben zu seinen Füßen, an einer Stelle, von der sie erst eine größere Kiste weggeschoben, Veitel Kochmer. Das an dem Abend eingenommene Geld hatte Veitel aber in einen leinenen Beutel gesteckt, und in eine Seitentasche seines Kaftans geschoben, die neben ihm ihrer Schwere wegen, mit auf dem Kistchen stand. Nicht vermeiden ließ es sich dabei, daß mehre der anderen Passagiere dicht um ihn herum ihren Platz nahmen, wie es der Raum gerade gestattete, und kaum ein wild gemischteres Bild ließ sich auf der Welt denken, als dieß Deck mit seinen bunt und toll zusammengewürfelten, halb liegenden, halb kauernden, über und durch einander gestreckten Gestalten, über welche das matte Licht der Laterne nur seinen ungewissen zitternden Schein warf, und hie und da dichte Schatten ließ, aus denen in der und jener Ecke ein paar Beine oder Arme, oder ein unnatürlich zurück gebeugter Kopf hervorschauten.
Es war indessen, im so schrofferen Gegensatz zu dem früheren Toben, still und ruhig hier geworden; nur hie und da tönte das regelmäßige Schnarchen eines der Glücklichen vor, die eine Coye erbeutet hatten und auf dem Rücken, wenn auch auf harten Planken, doch ausgestreckt liegen konnten, und Brust und Lunge frei behielten. Auch ein leise gemurmelter, aber darum nicht minder herzlich gemeinter Fluch theilte da und dort die Lippen Einer der ineinander gekrümmten Gestalten, wenn sich der Gegenmann oder Antipode im Schlafe streckte und ihm vielleicht mit den rauhen Füßen über Gesicht oder Brust fuhr. Die Maschine allein klapperte und schleifte dabei regelmäßig fort und der Ingenieur, der mit der Öllampe daran herumging, die einzelnen Gelenke derselben anzufeuchten, schien das einzige lebendige, bewußte Wesen in dem ganzen unteren Raum.