Kitabı oku: «Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band», sayfa 10
Dazu aber behielten sie keine Zeit; der Steuermann hatte nur zu recht gehabt als er trieb das Boot zu verlassen, denn durch das in den Raum gedrungene Wasser, das besonders die Zuckerladung gleich sättigte, war der Rumpf so furchtbar schwer geworden, daß ihn der Stamm, auf den er jedenfalls aufgesessen, nicht mehr zu tragen vermochte, jetzt ein Stück nachgab, und dann, vielleicht mit der Wurzel ausgehoben, den Vordertheil des Boots niedergleiten ließ.
Die kecksten der Matrosen und Feuerleute, und unter ihnen der junge Wolf, denn Georg war mit den Verwundeten beschäftigt, ließen sich allerdings nicht durch das erste Sinken abhalten, sprangen nur zurück auf das hintere Deck, wo sie sich festhielten, und erwarteten das Weitere, ob dieser Theil des Bootes über Wasser bleiben, oder dem vorangegangenen Gewicht nachfolgen werde. Einen Augenblick schien es auch als ob es sich setzen wolle, aber ein neuer Stoß warnte sie bald auf ihre eigene Sicherheit bedacht zu sein; noch einen Moment schwankte das große mächtige Boot, das jetzt halb seitwärts gegen die Strömung angedreht war, dann preßte diese es auf die Seite; das was es bis dahin noch gehalten gab nach, und schwerfällig die Fluth von sich abstoßend, die vor der andringenden Masse zurückwich, um gleich nachher nur so viel gieriger über die Beute herzufallen, glitt das Wrack in so tiefes Wasser hinein, daß nur der obere Theil seiner Cajüte an der Larbordseite daraus hervorsah, und die schmutzig gelbe Fluth gar unheimlich mit den weiß und gelben Zierrathen der blitzenden Fensterreihe spielte.
Die Leute hatten dabei wirklich kaum Zeit gehabt sich über die Planken hin an Land zu retten, und standen jetzt, ihres Alles beraubt, halbnackt, naß, erschöpft, Einzelne davon selbst ohne Hut und Schuhe, auf dem kahlen Sand der Insel.
Über den Kameraden hinüber gebeugt, der gerade die Augen zu ihm aufschlagen und die Lippen wie zum Sprechen bewegt hatte, stand Georg.
»Wie ist Ihnen, Berger, haben Sie viel Schmerzen?« frug er theilnehmend.
»Wasser,« stöhnte der Unglückliche.
Wolf sprang zum Wasserrand und brachte den gefüllten Hut zurück; der Verwundete that ein paar Züge, dann ließ er den Kopf zur Seite sinken. »Mein Traum,« flüsterte er, »sie – sie – holen – mich« – und sank todt in die Arme des Kameraden.
Über die Leiche gebeugt, mit gefalteten Händen, stand ein anderer Reisegefährte von ihm, Schultze, der auf demselben Boot nach St. Louis Passage genommen.
»Guter Gott« stöhnte er leise vor sich hin – »wie unerforschlich und dunkel sind Deine Wege; wie jubelte der junge Mensch als er sich frei, seinen Verfolgern entzogen sah, und wenige Monate nur, und todt und verstümmelt liegt er auf demselben Boden, dem er mit solch freudiger Hoffnung und Zuversicht entgegenstrebte!« —
»Hülfe – Wasser – « jammerten Andere daneben, und füllten mit ihren Wehklagen die Luft – »oh mein Gott – oh mein Gott! Hülfe, Hülfe!« und die Feuer loderten dazu hoch und glühend auf, und warfen ihren blutrothen Schein über diese Scene des Schreckens und des Jammers.
»Das ist die Vergeltung – das ist Gottes Gericht!« murmelte da dicht neben Georg, der mit Einem der anderen Verwundeten schon beschäftigt war, und dessen Schmerzen zu lindern suchte, eine leise, heisere Stimme in deutscher Sprache, und als er sich dorthin wandte, erkannte er überrascht die Frau von der Haidschnucke, die auf der damaligen Überfahrt fast fortwährend krank in ihrer Coye gelegen und jetzt, nicht weit von dem einen Feuer auf den Sand gekauert, die beiden mageren Arme um ihre Knie geschlagen saß, und vor sich hin in die Flamme stierend, mit dem Kopfe kalt und unheimlich dazu nickend, murmelte: »das ist die Strafe für begangenen Frevel von dem alten Mann da oben, der mir das Gewissen schon fast in Stücke zerrissen hat auf der langen Fahrt – die Kinder sind uns nachgekommen – die todten Kinder, und haben sich mit auf das Boot gesetzt – die zogen's hinab auf den Grund – tief, tief hinab – ha!« rief sie da plötzlich lauter und zusammen schaudernd – »sie haben ein furchtbar entsetzliches Gewicht.«
»Du wirst Dir das Maul noch verbrennen mit den tollen, wahnsinnigen Reden« flüsterte ihr da der Mann, der sich über sie gebogen, finster und mürrisch in das Ohr – »denk' wenigstens nicht laut, wenn Du denn einmal solch albernes Gewäsch fortwährend im Kopf herumtragen mußt, oder, Gott verdamm' mich, ich – ich kriege die Geschichte einmal satt, und gehe meiner Wege.«
»Wie das Kleine da im Bettchen liegt, mit den rothen gesunden Backen« fuhr die Frau aber fort, ohne auf die Drohung des Mannes zu achten, ja ohne sie wahrscheinlich zu hören – »ich mußte es noch einmal küssen, brach mir doch so beinah das Herz, und gleich wieder schlief es ein und schlief so sanft – so süß.«
»Beim ewigen Gott!« rief da Georg Donner, dem keines der Worte entgangen war, während er zugleich in das von der Flamme hell beschienene bärtige Gericht des Mannes geschaut hatte, indem er aufsprang und auf diesen zutrat – »Ihr stammt aus Waldenhayn, heißt Steffen und seid derselbe, der mit der Frau flüchtig geworden und die eigenen Kinder der Noth, ja dem Hungertode preis gegeben, zurückgelassen hat!«
»Geht zum Teufel – was wollt Ihr von mir?« rief der schwarze Steffen aber ärgerlich »ist Euch auch der Dampf in den Kopf gestiegen? – ich heiße Meier und nicht Steffen.«
»Was ist, was giebts?« rief auch jetzt Wolf, aufspringend und zu dem Kameraden tretend – »was ist mit dem Manne?«
»Das ist der Schuft der seine Kinder verlassen hat?« rief aber auch jetzt Herr Schultze sich gegen den Verbrecher wendend – »das ist der Bursche den sie in Deutschland mit Steckbriefen verfolgt, und den wir auf unserem eignen Schiff mit herüber gebracht haben nach Amerika?«
»Hallo – wo brennts nun wieder?« riefen aber die Amerikaner, die mit um das Feuer standen und kein Wort von der ganzen Verhandlung begriffen hatten, wirr durch einander; »was zum Henker kauderwelscht Ihr da jetzt zusammen?«
Da schilderte ihnen Georg, in edler Entrüstung das Verbrechen der Beiden, und zornfunkelnde wilde Blicke hafteten dabei auf der Gestalt des Mannes, der ihnen finster und trotzig gegenüber stand.
»Tod und Teufel!« schrie ein langer Bootsmann, »da ist's kein Wunder wenn wir, mit solcher Fracht an Bord, aufgeblasen sind – der Schuft verdiente seine Hände zusammengebunden zu haben und hier in's Wasser geworfen zu werden, wo es am tollsten wirbelt.«
»In's Wasser nicht; der würde die Fische vergiften« schrie da ein Kentuckier, sich durch die Übrigen Bahn machend, auf den Burschen zu, »aber an einem der Bäume hier sollte er hängen, zur Verzierung der Insel.«
»Zurück da!« rief aber der Mann, einen Schritt bei Seite springend, als der Amerikaner nach ihm herüberdrängte – »was wollt Ihr von mir? – es sind Lügen und Verläumdungen!«
»Was sagt er?« riefen Andere wieder, die ihn nicht verstanden – »und das da ist die Frau? – eine schöne Mutter!«
»Wie sie geschaut haben werden« flüsterte aber diese, das Toben und Schreien um sie her gar nicht beachtend, indem sie, in derselben Stellung als vorher, sich herüber- und hinüberwiegte – »wie sie geflucht haben werden, als sie am anderen Morgen kamen und die Alten vom Neste geflogen fanden, die Jungen zu füttern hatten – aber – was ist denn das?« – setzte sie unruhiger, sich scheu überall umsehend hinzu – »sie kommen nicht – nicht den ersten Tag – nicht den zweiten – nicht den dritten – das Mehl ist aufgezehrt – die Milch sauer geworden für das Kind – wie es schreit und die Händchen nach der Mutter ausstreckt – großer barmherziger Gott, ich muß zurück – ich muß, ich muß zurück!«
Sie war aufgesprungen, und hatte beide Hände, zwischen denen die matten glanzlosen Augen stier und wild umherschauten, fest gegen die Schläfe gepreßt. Georg, der wohl fühlte wie ihr Geist von den letzten Schrecken, mit dem nagenden Wurm des verübten Verbrechens am Herzen, angegriffen und erschüttert sei, trat da zu ihr, legte ihr die Hand auf die Schulter und wollte sie beruhigen.
»Fort« sagte sie aber leise, ohne sich nach ihm umzusehn – »an Deiner Hand ist Blut – mich schaudert wenn ich Dich anschaue.«
»Sie ist übergeschnappt« riefen jetzt die Bootsleute, die sich um sie drängten, und ihr halb scheu halb neugierig ins Gesicht sahen – »bei Gott sie ist verrückt!« Die Frau aber, ohne sich weiter um die Männer zu kümmern, sank wieder an ihrem vorigen Platz zusammen, zog sich ihr weißes Tuch über, daß es den Kopf völlig bedeckte, und blieb so, still und regungslos neben dem Feuer kauern. Als sich die Übrigen jetzt aber wieder nach dem Manne umsahen, war er in dem dichten, die Sandbank umgrenzenden Unterwuchs und Rohr der Insel verschwunden.
Allerdings wollte ein Theil der Leute den Burschen, der durch seine Flucht sein böses Gewissen hinlänglich bekundet hatte, aufgesucht, und den Amerikanischen Gerichten übergeben haben, die Insel war aber groß, und so lange es dunkel blieb an etwas derartiges gar nicht zu denken. Dann aber nahm auch die eigene Lage ihre Aufmerksamkeit viel zu sehr in Anspruch, sich mit dem Fremden viel länger zu beschäftigen, als man ihn eben sah, und Alles drängte sich jetzt um den zweiten Ingenieur her, der ebenfalls schwer verwundet am Feuer lag, und gerade wieder ein erstes Lebenszeichen gab. Donner sprang zum Wasser hin, tauchte dort sein Tuch ein, es wieder anzufrischen, und legte es dem noch halb Bewußtlosen um die Schläfe, während ihm Wolf die Lippen netzte, und etwas Wasser in das Gesicht spritzte.
Der Mann kam endlich wieder zu sich, und seine Wunden erwiesen sich glücklicher Weise nicht so schwer, an seinem Aufkommen zweifeln zu lassen; andere aber, und unter ihnen zwei Passagiere, ein Deutscher und ein Amerikaner waren von dem heiß ausgeströmten Dampf furchtbar verbrüht worden, und jammerten und stöhnten, und baten um Gottes Willen ihren Leiden ein Ende zu machen.
Während Alles für diese geschah, was der Augenblick nur zu thun erlaubte, hatte sich der Ingenieur wieder so weit erholt, um wenigstens einige Fragen zu beantworten, die der Capitain über die Ursache des Unglücks an ihn richtete.
Was der arme Teufel noch aussagen konnte stimmte mit dem Zeugniß der Feuerleute überein. Er war kurz vorher, ehe die Explosion erfolgte, zu seiner Wacht geweckt worden, und hinunter in den Maschinenraum gegangen, wo ihm das schon auffiel, daß er Niemanden dort antraf. Über die Guards hin rasch den Feuerleuten zugehend, begegnete er hier dem andern Ingenieur den er augenblicklich für halb betrunken erkannte. Er bat ihn jetzt um das Holz, das dieser noch in der Hand hielt, die Stärke des Dampfes zu prüfen, der aber weigerte sich lachend ihm das zu geben, sich noch dabei äußernd daß er ihm dann seinen besten Dampf hinausließe, und das Boot gerade jetzt gegen den Strom anlief wie ein durchgehendes Pferd. Zurückgehend zur Maschine sah er da zu seinem Schrecken, daß die Sicherheitsvalve auf eine Weise beschwert war, die die Sicherheit des Bootes auf das höchste bedrohen mußte – rasch sprang er zu, die Gewichte fortzureißen, und rief dabei nach vorn die Thüren zu öffnen als er, wie er sich zu erinnern glaubt, auf dem Maschinenholz, in der Hast und Angst ausrutschte und in demselben Augenblick zu Boden stürzte, wo der eingepreßte Dampf sich endlich mit Gewalt seinen Weg in's Freie bahnte und die Kessel sprengte. Das allein rettete ihn jedenfalls, er wäre sonst, wie der andere Ingenieur der neben ihm, aber aufgerichtet stand, zu Atomen zerschmettert worden.
Mächtige Feuer waren indessen auf der Sandbank und dicht am Holzrand entzündet worden, Gesunden wie Verwundeten ein nur einiger Maßen erträgliches Nachtquartier zu bieten, und vorzüglich hatten die Amerikaner schon für die Damen aus der Cajüte, an einem besondern Feuer, ein dichtes Dach von Zweigen hergerichtet, sie gegen den Nachtthau und die kalte, über den Strom herüberstreichende Zugluft zu schützen; an Schlaf war aber, selbst für die gar nicht Verletzten, kaum zu denken, denn die Unglücklichen stöhnten und winselten in ihrem Schmerz bis an den hellen Morgen. Donner gab sich dabei jede nur erdenkliche Müh' ihre Schmerzen zu lindern, zerriß sein leinenes Hemd, das letzte das ihm geblieben, Verbände zu machen, und suchte vor allem die Fiebergluth der Armen zu kühlen. Aber menschliche Mittel, selbst wenn er Alles zu Händen gehabt hätte was er bedurfte, reichten da nicht mehr aus, und die beiden Verbrühten, die im Maschinenraum als die Kessel explodirten, auf dort aufgestapelten Kaffeesäcken geschlafen hatten, starben ihm unter den Händen, noch ehe die Sonne aufging und die traurig wilde Gruppe beleuchtete.
Bald nach Sonnenaufgang kam ein Boot stromauf, und dicht an der Insel vorbei – das noch zum Theil aus dem Wasser ragende Wrack, wie die Menschen am Ufer verriethen ihm deutlich genug was hier vorgefallen, und es schickte sein Boot an Land Mannschaft und Passagiere aufzunehmen und nach der nächsten Stadt zu bringen, wo sie Hülfe bekommen konnten. Die Verwundeten wurden zuerst an Bord geschafft, in Memphis wieder ausgeschifft zu werden, und nur die Frau, die noch immer regungslos am Feuer saß, weigerte sich ihnen zu folgen. Sie wollte keinen Schritt weiter mit dem Manne gehn, der Fluch und Elend über sie gebracht, und erst als ihr Georg, der die Unglückliche nicht in dem Zustand ihrem Schicksal überlassen mochte sagte, daß Steffen in den Wald entsprungen und nicht zurückgekommen wäre, stand sie endlich auf, strich sich die langen wirren Haare aus der Stirn, und folgte dem jungen Mann von da an willenlos, wohin er sie brachte.
In Memphis angekommen, wurden die Verwundeten gelandet und ärztlicher Pflege dort übergeben, und der Capitain der »Mississippi-Belle« wie das Dampfboot hieß das sie aufgenommen, erbot sich freundlich Passagiere und Mannschaft der Backwoods-Queen die sämmtlich ihr Gepäck mit dem Untergang des Bootes verloren hatten, unentgeltlich mit nach St. Louis zu nehmen, wohin auch er bestimmt war. Die meisten nahmen dieß großmüthige Anerbieten an, obgleich fast Alle, wie auch Wolf und Georg, ihr baares Geld bei sich trugen und gerettet hatten, nur Wolf verlangte seine Passage als Feuermann abarbeiten zu dürfen, wobei sich ihm Donner anschloß. Der Capitain lachte freilich über die eigensinnigen Burschen, ließ sie aber gewähren, und Wolf wie Georg wurden Feuerleute auf der Mississippi-Belle.
Die Frau brachte Georg, kurz vor der Abfahrt des Bootes, in ein deutsches Kosthaus, und bat die Leute dort sich ihrer anzunehmen, bis sie sich erholt habe; er selber wolle dann auf dem Rückweg wieder vorsprechen, und gern die Kosten, zu denen er schon einige Dollar da ließ, tragen.
Die Frau sprach dabei kein Wort – sie dankte ihm nicht, sie sah nicht auf, und saß still und regungslos, wie sie am Feuer gesessen hatte, in der Ecke, als er das Haus verließ.
Capitel 7
Die Deutschen in Cincinnati
Herr von Hopfgarten, den wir auf seiner Fahrt nach Cincinnati verlassen haben, hatte sich indessen in der »Königin des Westens« wie sie ernsthaft, oder Porkopolis – wie sie der ungeheueren Masse Schweine wegen, die dort jährlich geschlachtet und verschickt werden, scherzhaft im Lande heißt, einige Wochen aufgehalten, um sich mit dem Leben und Treiben einer der inneren Städte Amerikas bekannt zu machen.
Die Lage Cincinnatis, das den Centralpunkt aller dort gelegenen deutschen Ansiedelungen bildet, ist reizend; der wunderschöne Ohio (schon von den Indianern O-hy-o – der schöne Strom genannt) bespühlt ihren Fuß und bietet ihr eine treffliche Landung, an der die größten Mississippi-Dampfer ihre Frachten ein- und ausladen können, während freundliche, jetzt schon vielfach mit Reben bepflanzte Hügel die Stadt im Rücken umschließen. Es kam ihm dabei so vor, als ob fast der dritte Theil der Einwohner Deutsche wären, und einzelne Viertel besonders schienen nur von Landsleuten bewohnt, ja auf dem trefflich bestellten Markt hörte man kaum etwas anderes als Deutsch sprechen, und besonders amüsirte es ihn dabei die Verschmelzung der Trachten, den Übergang des deutschen Bauers, der nur erst nach hartnäckigem Widerstand in jeder Hinsicht den deutschen Bauer auszieht, in den Amerikaner zu beobachten.
Wunderliche Transformationen kamen da vor, nicht unähnlich denen, wie man sie überall an wilden Stämmen beobachten kann, und unser deutscher Bauer hat wirklich einige Ähnlichkeit, so sonderbar das klingen mag, mit dem Indianer. An seinen alten Sitten mit einer Zähigkeit hängend die ihres Gleichen sucht, betrachtet er Jeden der ihm daran rütteln will mistrauisch, eifersüchtig selbst – sein Vater hat das so und so gethan und so war's gut, warum sollt's jetzt wohl anders werden – etwa weil »Stadtmenschen mit Brillen auf, die das aus Büchern gelesen haben« – meinen sie könnten es besser machen? die hatten jedenfalls ihre Absichten, suchten ihren Vortheil dabei, das war Alles. So gehn sie auch nach Amerika, nicht etwa weil sie sich dort ein freieres, ungebundeners Schaffen versprechen, sondern weil ihnen Steuern und Abgaben im alten Vaterland zu drückend werden, und Briefe auf Briefe von dort herüberkommen, die ihnen mit goldenen Schilderungen den Mund so lange wässrig machen, bis sie eben nicht länger widerstehen können und nun auswandern. Und nicht um dort zu lernen, und sich den Sitten und Gebräuchen der neuen Heimath zu fügen, betreten sie das fremde Land, sondern fest überzeugt daß sie den Leuten dort noch zeigen müssen wie man ackert und säet. Ihre eigene Sitten, ihr eignes Ackergeräth und Handwerkszeug, so unpraktisch das sein mag, so wenig es den dortigen Bedingnissen entspricht, ändern sie auch deshalb nicht, bis nicht ihre Kinder herangewachsen und den Bettel aus dem Hause werfen, oder die Noth sie zwingt das eine oder andere zu verbessern.
So mit ihrer Kleidung; mit den langen blauen Zimmermannsröcken mit fingerbreiten Kragen, und riesigen, zwischen den Schößen zeitweilig herausfahrenden weißleinenen Taschen, mit dem ausgeschweiften Hut und den kolossalen Schuhen, und die Frauen mit ihren kurzen Röcken und weiten Ärmeln, den wunderlichen Hauben, dick wattirten, wulstigen Jacken und tausendfach gefalteten Röcken, wie lange währt das, bis sie auch nur das kleinste daran ändern, und thun sie's selbst, legen sie das und jenes ab, und dieß und das dafür an, die Art wie sie's tragen bleibt dieselbe, und der Deutsche ist im Nu herauszufinden.
Herr von Hopfgarten hatte Briefe an ein paar deutsche Kaufleute mit. Der Eine, den er zuerst besuchte, hielt einen Laden im Mainstreet, und schien durch Importiren deutscher Waaren ein ziemliches Vermögen erworben, sein Deutsch aber dabei vergessen zu haben. Er sprach nur Englisch – wenn auch freilich mit traurigem Accent – selbst mit seinen deutschen Dienstleuten, die sich abquälen mußten ihn nur zu verstehen – kleidete sich ganz Amerikanisch, d.h. er coquettirte damit einen sehr feinen, aber an dem einen Ellbogen zerrissnen Rock zu tragen, besuchte den ganzen Sonntag Amerikanische Kirchen und – kaute Taback.
»Wie er sich räuspert und wie er spuckt,
Das habt Ihr ihm glücklich abgeguckt.«
Das vernachlässigte, Widerliche des Amerikanischen Charakters nehmen diese Art Leute an, das aber, was seinem ganzen Wesen die innere Triebkraft giebt, das Bewußtsein seiner Freiheit, sein Nationalstolz, mit dem er sein Vaterland wachsen und gedeihen sieht, wie noch kein Beispiel die Geschichte je geliefert, das leider Gottes liegt ihnen unerreichbar fern. Sie sagen sich nicht allein los vom deutschen Vaterland – das ist gut, das Vaterland kann sie verschmerzen und hat des Gelichters noch leider mehr als genug – nein sie schämen sich auch Deutsche zu sein, schimpfen nicht auf das was Deutschland so niedergedrückt hat und zu Boden gehalten, sie haben das nie begriffen noch gefühlt, nein auf den deutschen Stamm, dem ihre eigene Mutter angehörte, und spreitzen sich in ihrem fremden Wesen, mit dem gewonnenen Reichthum, von dem ordentlichen Amerikaner ausgelacht, von dem wackeren Deutschen verachtet, in einem kleinen Raum herum, den ihr eigener Dunstkreis bildet, und den sie für die Welt halten.
Hopfgarten konnte sich nicht wohl bei diesen Menschen fühlen; diese vornehme Gemeinheit widerte den wackeren Mann an, und er suchte sich eine andere Schicht der Bevölkerung unter den Deutschen.
Er wurde bei einem Landsmann, der eine Apotheke in – street hatte eingeführt und sehr freundlich aufgenommen, und lernte hier einige Doktoren, Advocaten und Geistliche kennen, aber ein steifer Ton herrschte auch in diesen Zirkeln; von einem herzlichen Verstehen war zwischen ihnen nicht die Rede. Die Doktoren waren natürlich nur solche die zur Ausführung ihrer Recepte die Patienten nach seiner Apotheke schickten, die Advocaten und Pastoren »gute« Patienten von beiden, aber auch hier wurde kein freundliches Wort über die Landsleute gesprochen. Alle diese Männer befanden sich noch nicht in den Verhältnissen ihren Beruf aufzugeben und von ihren Zinsen zu leben, ja Manche waren erst seit kurzer Zeit von Europa herübergekommen und suchten sich erst eine Carriere oder Stellung zu gründen. Der Apotheker protegirte Manche von diesen, und war außerdem, seiner Äußerung gegen Herrn von Hopfgarten nach, stolz darauf ein »Bürgerlicher« zu sein.
Hopfgarten lachte damals über diese etwas wunderliche Bemerkung, und meinte darauf, Herr Hohlziegel habe dazu wohl eben so wenig Grund, als wenn er auf seinen Adel stolz sein wolle, da sie als vernünftige Männer doch wüßten wie des Menschen Handeln seinen Werth bestimme – aber wohl konnte er sich dennoch nicht zwischen den Leuten fühlen. Es war auch dabei von Nichts die Rede als von Geschäften, und wenn ein Mann genannt wurde, mußte die Zahl seines Vermögens den Zunamen bilden – das ganze Geschlecht wurde in gut und nicht gut geschieden. Selbst der Geistliche, der neu angekommen, in den nächsten Tagen eine Probepredigt zu halten hatte, damit sich dann die Gemeinde entscheiden könne ob sie ihn haben wolle oder nicht, sprach nur von dem Effekt seiner Rede, von dem »Packen der Menge« und von seinem Gehalt.
Diese Leute verschmähten es, oder hielten es vielmehr unter ihrer Würde in ein deutsches Bierhaus zu gehn, und tranken mit kleinen Stückchen sehr trockenen, staubig schmeckenden Confekts, einen nichtswürdig saueren Amerikanischen Wein, der das Einzige zu seiner Entschuldigung hatte, daß er auf Herrn Hohlziegels eigenem Weinberg gereift war, und dieses Meinung nach, einmal ein »famoses Gewächs« werden mußte.
Hopfgarten stand eines Abends, nach einem schrecklich verlebten Nachmittag in Verzweiflung unten in der Apotheke und beschloß schon Cincinnati mit seiner prachtvoll gebauten Unterstadt, und den Holzbaraken des Canalviertels in Mismuth zu verlassen, als der Provisor, ein behäbig aussehender Mann, mit fettem Unterkinn und kleinen lebhaften Augen, seinen Hut aufsetzte, dem anderen jungen Mann in der Apotheke zurief daß er mit dem »fremden Herrn« ausgegangen sei, und diesen dann sehr zu dessen Erstaunen ohne weiteres unter den Arm nahm und hinaus auf die Straße führte.
»Wenn Ihr Magen von dem verdammten Grüneberger Ausbruch noch nicht ruinirt ist,« sagte er dabei, »und Sie noch eine halbe Stunde aufsitzen können ohne einzuschlafen, wie es die »Honoratioren« gewöhnlich machen, so denk' ich Sie zu einem guten Glas Bier zu führen, wo wir auch muntere Gesellschaft finden. Gemischtes Publicum allerdings, aber nette Kerle, und Cincinnati Bier mit Limburger Käse.«
»Oh Sie scherzen,« rief Hopfgarten rasch, »Limburger? ächter Limburger? Herr, das ist eine schwache Seite von mir.«
»Sie werden ihn riechen sobald wir in's Haus kommen,« sagte Bohle, der Provisor. Überhaupt aber ziemlich schweigsamer Natur, ließ er sich auch unterwegs auf kein großes Gespräch weiter ein, sondern beantwortete alle an ihn gerichteten Fragen so einsylbig als irgend möglich.
Sycamorestreet hinauf und in eine der Queerstraßen, die mit dem Strom parallel laufen, einbiegend, erreichten sie endlich ein Haus, das nicht mit dem entsetzlichen »Deutsches Coffe-Haus« wie fast alle Schnapskneipen die Überschrift tragen, versehen war, sondern wo ein weiß und blaues Schild – ein Stückchen Heimweh des bairischen Bierbrauers – dem durstigen Wanderer mit lakonischen aber zum Herzen sprechenden Worten kündete, daß hier ein gutes Bier verzapft werde. Es war keine Prahlerei mit dem Worte Bairisch dabei, kein Coquettiren mit der Zugabe »Amerikanisch« – es hieß nur »gutes Bier« und ein kleines hölzernes Täfelchen was darunter hing trug, anscheinend mit dem in Stiefelwichse getauchten Finger geschrieben, die Worte:
Limburger Käse!
Schweizer Käse!
Rettiche!
Der Platz bedurfte weiter keiner Empfehlung, und Hopfgarten betrat mit einer gewissen Art von heimischem Wohlbehagen den kleinen niederen, schon von zahlreichen Gästen belebten Raum, wo sie kaum seinen Begleiter erkannten, als ihnen auch an einem der Tische Raum gemacht und sie freundlich eingeladen wurden sich dort niederzulassen.
»Meine Herren,« begann da Bohle seinen Gast vorzustellen, »ich bringe Ihnen hier ein Opfer der Etikette, einen Unglücklichen, den Hohlziegel mit Cincinnati-Ausbruch vergiftet und der Doktor Held außerdem aus der Haut getrieben hat vor langer Weile. Der Herr hier ist erst vor kurzer Zeit von Deutschland herübergekommen, heißt von Hopfgarten und würde Cincinnati mit der moralischen Überzeugung verlassen haben, daß es der ekelhaft langweiligste Platz unter der Sonne sei, und die Deutschen darin nicht einmal deren Scheinen verdienten. Ich habe ihn gerettet, unter den Arm genommen und bin mit ihm hierher an Land geschwommen – bitte meine Herren, stellen Sie sich jetzt eigenhändig vor, damit unser neuer Freund weiß woran er ist, und in welch anständiger Gesellschaft er sich eigentlich befindet. – Sie Lochhausen, fangen Sie einmal an; aber hallo hier Brand, bringen Sie uns doch Bier, zum Donnerwetter, sollen wir denn an der Quelle verschmachten. Zwei Quart Bier und einen halben Limburger Käse! also Lochhausen.«
»Ich heiße von Lochhausen,« sagte der junge Mann, der dicht neben Herrn von Hopfgarten saß, ein junger blondhaariger Bursche mit blauen treuen und doch lebendigen Augen, »und bin Zeitungsträger beim Volksblatt, wie auch Exzeitungsträger des Christlichen Apologeten, habe aber die Hoffnung, wenigstens das Versprechen der betreffenden Behörden, denen ich durch meine Familie dringend empfohlen bin, eine feste Anstellung als Straßenkehrer für Sycamore und Wallnutstreet zu bekommen.«
Hopfgarten sah seinen Führer von der Seite an, denn unwillkührlich stieg der Verdacht in ihm auf, daß man sich vielleicht auf seine Kosten amüsiren wolle, und ihn für »grün« genug halte zu glauben was man ihm eben aufbinde. Bohle, der aber etwas Ähnliches vielleicht vermuthen mochte, sagte freundlich:
»Fürchten Sie nicht, lieber Herr, daß Ihnen Einer der Leute hier eine Unwahrheit erzählt, sie würden Alle über ihn herfallen; die ganze Geschichte soll Ihnen auch eigentlich nur einen Beweis liefern, wie uns das Schicksal hier zusammengewürfelt hat, und was wir treiben. Am Tag müßten Sie Gott weiß wo überall umherkriechen uns anzutreffen, Abends finden wir uns aber gewöhnlich hier von selber zusammen; nicht aus freiem Willen übrigens, sondern durch die Nothwendigkeit zu einander getrieben, einen Anhalt in uns selber gegen das praktische Leben draußen zu haben. Jetzt kommen Sie Höfner.«
»Meinen Namen haben Sie eben gehört« sagte der also Aufgerufene, mit einer leichten freundlichen Verneigung gegen den Fremden; »ich bin der Sohn des früheren Justizministers Höfner aus – seit zwei Jahren in Amerika und im ersten halben Jahr in einer Kohlengrube in Pennsylvanien beschäftigt gewesen. Die Arbeit war mir zu hart, ich ging deshalb als Koch auf ein Dampfboot, wurde später Bäcker in Dayton und drehe jetzt Cigarren, in welchem Geschäft ich mir schmeichle ziemliche Fertigkeit erlangt zu haben.«
»Ich heiße Sorgfeld,« sagte der Dritte, »war früher Officier in Braunschweigischen Diensten, kam vor drei Jahren nach Amerika, wurde Farmer, d.h. diente anderthalb Jahr als Ackerknecht, bekam Streit mit einem Amerikanischen Advokaten in der Nachbarschaft, und flüchtete in Folge eines Duells nach Ohio, wo ich jetzt Bilderrahmen in der Spiegelfabrik von Hoppe & brothers vergolde.«
Der vierte war eine etwas schwammige, eben nicht übermäßig reinliche, in einen grauen Sommerrock eingeknöpfte Gestalt mit einem dicken aufgedunsenen Gesicht, in dem aber Humor und viel Gutmüthiges lag, trug eine Brille schief auf der Nase, daß er über das eine Glas hin und unter dem anderen weg sah, und hatte eine Gewohnheit sich mit den Fingern durch das lange dünne feuchte Haar zu fahren.
»Ich heiße Müller,« sagte er, dabei still vor sich hinlächelnd, »und bin Redakteur des Volksboten – ultra demokratischer Würgengel und Hackklotz des Christlichen Apologeten wie »Wahrheitsfreundes«14 – Principal jenes jungen blondhaarigen Menschen da, dem ich etwas mehr auf die Finger sehen muß, da ich nicht begreife wie er mit dem geringen Absatz meines Blattes so viel Biertrinken vereinigen kann – habe früher in Deutschland jura studirt und eine Zeitlang hier Recht verdreht, dann, als das nicht mehr gehn wollte, und die Eisenbahnspeculation begann, bei der ich mich auch in etwas betheiligen wollte, zwei Monate an der St. Louis-Bahn mit geschaufelt und gegraben, bin dann, da die Arbeit meiner Constitution nicht zusagte, hierher nach Cincinnati gekommen, wo ich eine Zeitlang für einen hiesigen Kürschner, meinen Nachbar hier, Felle zupfte, und habe nachher, einem »dringenden Bedürfniß« abzuhelfen, den »Volksboten« gegründet, an dem mich jetzt meine Zeitungsträger und Setzer ruiniren.«
»Ich bin der Kürschner Helfich,« sagte ein kleiner Mann mit einem großen Höker auf der linken Schulter, mit dem er nicht viel mehr als eben auf den Tisch hinauf reichte. »Habe hier in Amerika eine Ladung Pelze gekauft, dieselben nach Deutschland hinüber zu schaffen, litt dicht vor dem Hafen Schiffbruch, bekam, da die Assecuranzcompagnie einfach bankerott machte, nur fünf Procent, etwas über meine Einzahlung vergütet, und begann nun hier, da ich solcher Art nicht zurückkehren mochte, ein kleines Geschäft ganz von vorn; habe auch Clavierunterricht und Zeichenstunde gegeben, und werde mich im nächsten Frühjahr einer Gesellschaft anschließen, eine Reise mit der Pelzcompagnie in die Felsengebirge zu machen.«