Kitabı oku: «Unter Palmen und Buchen. Dritter Band.», sayfa 2
Zweites Capitel.
Jung gefreit; hat's Niemand gereut?
Wochen waren seit dem letzten Ball vergangen und Krowsky und Benner indessen oft zusammengewesen. Beide bedurften auch einander gegenseitig, denn mit wem Anderen hätten sie sich aussprechen können, wer anders hätte sie verstanden oder ihre verschiedenen Lebensansichten getheilt? Aber nie kam der Lieutenant auf jene Andeutung zurück, die ihm Benner am Ballabend gemacht, und die er natürlich für ein nur im halben Rausch gethanes Prahlen hielt. Benner konnte sich solcher Art doch auch wahrlich nicht den Rückweg in die alte Heimath muthwillig und für immer abschneiden, was durch eine solche Heirath jedenfalls geschehen wäre, und je weniger deshalb darüber gesprochen wurde, desto besser.
Ihre Zusammenkünfte in der Woche waren auch wirklich sehr spärlich, und Beide zu sehr und anhaltend beschäftigt; Abends auch viel zu müde, um noch nach vollbrachter Arbeit lange aufzusitzen.
Und was trieben Beide, die daheim nur in der haute volée gelebt, nur in den ersten Cirkeln der Stadt ihre Gesellschaft gesucht und nie davon geträumt hätten, mit dem »gemeinen Mann« in anderer Art, als wie zwischen Dienern und Herren zu verkehren? Womit beschäftigten sie sich hier, nachdem sie, übersättigt von den mißbrauchten Genüssen des Lebens, die Geduld ihrer Verwandten ermüdet, in tollem Jugendtrotz eine neue Welt aufgesucht, um hier herüber wo möglich ihr altes Leben zu tragen? Waren die Träume erfüllt, mit denen sie sich die transatlantische Erde ausgemalt? waren ihre Ideale zur Wirklichkeit geworden? –
Der Apotheker Schrader hatte nicht Unrecht, wenn er behauptete, Herr von Benner sei Handlanger und Herr von Krowsky Kindermädchen geworden.
Benner war nicht im Stande gewesen, in Adelaide irgend eine ihm nur halbweg zusagende Beschäftigung zu finden, denn man konnte ihn eben zu nichts gebrauchen. Daß er eine leidliche Hand schrieb, genügte nicht – es wurde bei Jedem außerdem vorausgesetzt. Und seine übrigen Fähigkeiten zeigten sich sehr geringer Art. Er ritt allerdings ausgezeichnet und spielte vortrefflich Whist und Billard, aber zu alle dem brauchte ihn Niemand. Als das wenige mitgebrachte Geld endlich verzehrt war, wanderte er in Verzweiflung zu Fuß nach Tanunda und fand hier Arbeit bei einem deutschen Maurer, der gerade Tagelöhner brauchte. Er mußte eben leben und war zu stolz zum Betteln. Im ersten Vierteljahr ging es ihm freilich sehr knapp, aber bald arbeitete er sich hinein, so daß er schon im Stande war, eine einfache Mauer aufzuführen und sonstige kleine Arbeiten zu machen. Sein Lohn stieg damit, und da er Abends manchmal und regelmäßig Sonntags, für die deutsche Zeitung in Adelaide – allerdings um ein sehr mäßiges Honorar correspondirte, begannen sich seine Aussichten zu bessern.
Von Krowsky lebte in ganz ähnlichen Verhältnissen; nur hatte er sich nicht dazu bequemen können, bei deutschen Handwerkern in Arbeit zu gehen. Er wollte arbeiten, ja, so hart wie Einer, aber die deutschen Erinnerungen waren ihm noch zu frisch im Gedächtniß, und da er ziemlich gut englisch sprach, fand er endlich im Haus des Friedensrichters ein Unterkommen. Dort wurde er theilweise mit der Feder beschäftigt, mußte aber auch im Garten mit anfassen, und die junge Frau des Richters, wenn sie mit ihrem Mann spazieren ging, verwandte ihn gar nicht etwa so selten dazu, in der Zeit »ein wenig auf das Kind Acht zu geben.« Krowsky war dabei wirklich sehr gutmüthiger Natur und hatte Kinder gern: daß er dann zu Zeiten das Kleine auf den Arm nahm und damit herum tanzte, war natürlich. Der Volkswitz bemächtigte sich aber auch rasch dieser Thatsache und eintreffenden Fremden besonders wurde mit Vorliebe erzählt, daß sie hier einen österreichischen Offizier hätten, der Kindermädchen geworden wäre.
Es war wieder ein Sonntag Abend und Krowsky ging ungeduldig in seinem kleinen Zimmer auf und ab, da Benner versprochen hatte, dort vorzusprechen, aber er kam heute spät, und der junge Mann hatte eben seinen Strohhut aufgegriffen, um selber fortzugehen, als der Freund in der Thür stand und lachend ausrief:
»Du bist ungeduldig geworden, wie?«
»Du bist in der That länger geblieben, als ich dachte.«
»Und wenn Du wüßtest, wo ich gewesen bin,« sagte Benner, »und was ich in der Zeit Alles gethan habe, würdest Du mir doch eingestehen müssen, daß ich mich wacker geeilt?«
»Und wo warst Du?«
»Beim Schuhmacher Peters.«
»Läßt Du bei dem jetzt arbeiten?«
»Natürlich werde ich bei meinem Schwiegervater arbeiten lassen,« lachte Benner, »ich darf ihm doch die Kundschaft nicht aus dem Haus hinaustragen.«
»Deinem Schwiegervater? Mensch, bist Du toll?« schrie Krowsky wirklich erschreckt.
»Die Sache ist abgemacht,« sagte aber Benner in voller Ruhe, »ich habe bei ihm in aller Form um die Hand seiner Tochter Henriette angehalten, und wenn ihm auch im Anfang die Verwandtschaft zu vornehm war, willigte er zuletzt ein.«
»Er hat eingewilligt?« rief der Lieutenant.
»Wundert Dich das?« lachte Benner. – »Anfangs wollte er allerdings nicht. Er fragte mich, ob es wahr sei, daß mein Großvater Minister gewesen und mein Vater noch bei der Regierung wäre, und als ich das nicht ableugnen konnte und wollte, schlug er mir das Mädel rund ab.«
»Weißt Du, daß der Schuhmacher der Vernünftigere von Euch Beiden war?«
»Ich danke Dir. – Traust Du mir nicht zu, daß ich weiß was ich thue?«
»Wenn Du die Schusterstochter wirklich heirathest, nein,« sagte Krowsky finster, – »und zu einem Spiel ist das arme blutjunge Ding zu gut.«
»Krowsky, Du pochst wirklich auf unsere Freundschaft.«
»Weil ich Dir ehrlich die Wahrheit sage? Wie alt bist Du?«
»Sieben und zwanzig Jahre! – Ich denke, ich bin mündig.«
»Leider!« seufzte der junge Offizier. »Und wie willst Du mit der Frau je nach Deutschland zurückkehren?«
»Aber wer sagt Dir denn, daß ich das will?« rief Benner heftig aus. »Meine Seele denkt nicht daran. Mit meiner Familie bin ich fertig – meine Mutter ist todt, mein Vater, ein starrer Büreaukrat und Geldmensch, hat mich mit kaltem Blut, mit eiserner Ueberlegung von seiner Schwelle verstoßen. Glaubst Du, daß ich ihm je wieder bittend nahen würde?« –
»Aber er selber kann Dich zurückrufen.«
»Wenn Du ihn kenntest, würde Dir nie ein solcher Gedanke möglich scheinen. – Nein – aber selbst wenn er es thäte, wenn ihn reute, wie er an dem einzigen Sohn gehandelt, es wäre jetzt zu spät, und er mag nun büßen, was er an mir verbrochen.«
»Aber Benner,« sagte Krowsky treuherzig, »Du sprichst da wahrhaftig wie ein Kind, das seinen Trotzkopf behauptet. Wen strafst Du denn damit am meisten, Dich selber oder ihn? Komm, überleg' Dir die Sache ordentlich, und Du wirst doch am Ende zu einem anderen Entschlusse kommen.«
»Mein guter Krowsky,« sagte der junge Mann, »Du wirst jetzt sentimental, und von einem anderen Entschluß kann keine Rede sein. Ich will und werde in Australien bleiben, denn ich sehe, daß Tausende von Menschen, denen wir Beide an Intelligenz bei Gott nicht nachstehen, hier ihr Glück machen und reich werden. Ich denke aber auch gar nicht daran, ein elendes Junggesellenleben die ganzen langen Jahre zu führen, – ich brauche Jemanden, der sich um mich bekümmert, weil ich das selber noch nie gethan habe, und meine kleine Henriette scheint mir dazu gerade das richtige Wesen; ich hätte keine bessere Wahl treffen können.«
»Nun Gott gebe,« sagte Krowsky mit einem Seufzer, »daß sie das Nämliche auch einmal später von Dir sagen kann. Wenn Du in Dein Unglück hineinrennen willst, ich kann Dich nicht halten, aber meine Meinung ist, daß Du Dich für Lebenszeit unglücklich machst, und das Mädchen besser thäte, den ärmsten Schuhmachergesellen im ganzen Ort zu nehmen, als den Sohn des Regierungspräsidenten von Benner.«
Benner sah finster vor sich nieder; er hatte von dem sonst so leichtherzigen, ja oft leichtfertigen Lieutenant ein anderes Urtheil erwartet; aber das dauerte nicht lange – um seine Lippen zuckte ein spöttisches Lächeln und er sagte endlich:
»Krowsky, ich werde Dich ersuchen die Trauungsrede zu halten, heißt das, wenn Du Dich je wieder einmal in eine so salbungsvolle Stimmung versetzen kannst. Jetzt komm, wir wollen ein wenig ausgehen, und nachher stell' ich Dich meiner Braut vor –«
»Im Hause des Apothekers Schrader?« spottete Krowsky, »sie wird gerade bei ihrer Arbeit sein.«
»Aergere mich nicht,« rief aber Benner; »es versteht sich von selbst, daß sie den Platz noch heute verläßt oder schon verlassen hat.«
»Und wann soll die Hochzeit sein?«
»Sobald als möglich – ich bin das Leben satt und will ein neues beginnen.«
Krowsky antwortete nicht mehr; er sah, daß alle Gegenvorstellungen doch nichts halfen, und nur aufseufzend und mit dem Kopf schüttelnd, nahm er seinen Hut und folgte dem Freund, der ihm voran auf die Straße hinausschritt.
Sie waren noch nicht weit gegangen, als ihnen der Apotheker Schrader begegnete, den beiden jungen Leuten zunickte und vorüber ging. Kaum hatten sie ihn aber passirt, als er stehen blieb und zurückrief:
»Ach, Herr Benner, ich wollte Ihnen gern etwas sagen.«
»Mir, Herr Schrader?« fragte Benner, sich halb nach ihm wendend, ohne Krowsky's Arm aber loszulassen.
»Ja – Sie entschuldigen – aber – ich wollte Sie bitten, mein Mädchen, die Jette zufrieden zu lassen. Es ist ein braves, ordentliches Kind und ihre Eltern haben sie unter meinen Schutz gestellt.«
»In der That, Herr Schrader,« sagte Benner lächelnd.
»In der That, Herr Baron,« erwiderte der kleine Apotheker, durch den höhnischen Ton ebenfalls gereizt.
»Und kommen Sie jetzt von Hause oder gehen Sie dorthin?«
»Und weshalb, wenn ich fragen darf? Ich gehe nach Hause.«
»Oh, bitte, dann sagen Sie doch Henrietten,« fuhr Benner ebenso fort, »daß sie sich mit Einpacken ein wenig eilen möchte. Es wird nachher Jemand vorkommen, der ihre Sachen abholt.«
»Ihre Sachen abholt?« rief der Apotheker, und blieb in größtem Erstaunen auf der Straße stehen.
»Guten Morgen, mein lieber Herr Schrader,« sagte Benner, ihm vertraulich zunickend, und schritt mit Krowsky die Straße hinab, dem Hause des Schuhmachers Peters zu.
Dort herrschte heute keine sonntägige Ruhe, wie sonst immer an einem solchen Tag, wo Mutter und Tochter in die freichristliche Kirche gingen und der Vater indessen, der, wie er meinte, »vom Kirchengehen nichts hielt,« in schneeweißen Hemdsärmeln behaglich hinten in seinem kleinen Garten saß, aus einem großen, nur Sonntags gebrauchten Meerschaumpfeifenkopf rauchte und dazu die eben eingetroffene Adelaide-Zeitung laß.
Henriette, ein junges, wirklich bildhübsches Mädchen, mit blonden Haaren und großen treublauen Augen, saß in der Ecke und weinte; der Vater ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab und qualmte, daß der Dampf wie aus einer Locomotive hinter ihm drein zog, und nur die Mutter, eine noch rüstige Frau, mit einem klugen, nur etwas scharf markirten Gesicht, saß am Fenster, strickte und schien die allgemeine Aufregung nicht zu theilen.
»Es thut kein Gut – es thut kein Gut,« brummte dabei der Mann zwischen den Zähnen durch, »Du wirst sehen, Alte –«
»Jetzt sei endlich vernünftig,« sagte aber die Frau, »Du hast einmal eingewilligt, also ist die Sache abgemacht, und daß die Kinder ihr Brod finden werden – lieber Gott, hier in Australien hat Jeder sein Brod, der nur arbeiten will, und ein verheiratheter Mann noch viel eher, als ein lediger, denn er ist nicht aufs Wirthshaus angewiesen, wo die ledigen Burschen das gewöhnlich in einem Tag verjubeln, was sie in sechsen mit schwerer Arbeit verdient haben.«
»Aber aus so vornehmer Familie – Du kennst die Leute daheim nicht, Alte, und wenn –«
»Aber was haben wir mit den Leuten daheim zu thun?« sagte die Frau ungeduldig. »Wir sind hier in Australien, am anderen Ende der Welt, und wer da sitzt der braucht sich wahrhaftig nicht mehr um die deutschen Barone und Grafen und Minister zu kümmern – weiter fehlte gar nichts.«
»Und wenn er wieder einmal dorthin zurückkehren will?«
»Dann wird ihm unser Kind auch keine Schande machen,« sagte die Mutter mit Stolz auf das erröthende Mädchen blickend. »Er kennt doch die Verhältnisse daheim besser und genauer als wir, und wenn's ihm recht ist, dürfen wir auch damit zufrieden sein.«
»Und wenn er sie sitzen läßt?« sagte der Vater störrisch.
»Das wird er nicht thun, Vater,« sagte da das junge Mädchen mit fester, vertrauensvoller Stimme, – »er ist gut und brav, und auch guter und braver Leute Kind, – er wird ein armes Mädchen, das ihn lieb hat, nicht unglücklich und elend machen, wenn er ihr erst gesagt hat, daß er nicht ohne sie leben kann.« –
»Na, denn in Gottes Namen und meinetwegen,« rief der Vater in Verzweiflung aus, »gegen Euch Frauensleute ist doch nicht anzukommen, wenn Euch der Dünkel einmal den Kopf verdreht hat – Baron, – Baron und Frau Baronin, nicht wahr? – ich erleb's noch, daß Du Dich so nennst.«
»Lieber Vater!« bat Henriette.
»Und warum soll sie sich nicht Frau Baronin nennen?« rief da Benners lachende Stimme, der an der Thür die letzten Worte gehört hatte, und ins Zimmer sprang, »wie Jettchen? Klänge für Dich etwa der Titel schlechter, als für irgend ein abgelebtes, pergamenthäutiges Schreckbild der vornehmen Gesellschaft im alten Vaterland?«
»Mein lieber, guter Eduard,« sagte das junge Kind, schüchtern auf ihn zugehend, während er sie in seine Arme schloß und herzlich küßte, »sei dem Vater nicht böse.«
»Und weshalb, Schatz?« rief der junge Mann, »etwa weil er Dich Frau Baronin nannte? – Aber hier ist ein Freund, mit dem ich Euch bekannt machen möchte – Krowsky, wie gefällt Dir meine Braut?«
Krowsky hatte bis jetzt in der Thür gestanden und die Gruppe schweigend überschaut. Seine Blicke hafteten dabei vorzugsweise auf dem jungen Mädchen, und er mußte sich gestehen, seit langer Zeit kein so liebliches Wesen gesehen zu haben.
Sie war noch blutjung – fast in der That ein Kind, und die Schüchternheit, mit der sie ihm in diesem Moment gegenüberstand, machte sie vielleicht noch jünger erscheinen, als sie an Jahren zählte. Die Wahl, wie er sie auch mit kälterem Blute sonst mißbilligen mochte, stellte jedenfalls ein gutes Zeugniß für Benners Geschmack aus – aber würde sich dieser, selbst durch ein so liebliches Wesen, für seine ganze Lebenszeit binden lassen?
Lieutenant Krowsky hatte sich seine ganze Lebenszeit durch einen fast übergroßen Leichtsinn ausgezeichnet und daheim eine so tolle Jugend verlebt und so viele Schulden dabei gemacht, wie vielleicht irgend ein Lieutenant seines Alters in der ganzen Welt. Aber das eine Jahr, das er in Australien zugebracht, schien eine merkwürdige Veränderung in ihm bewirkt zu haben. Wie er sich in diesem Lande keine lebenslängliche Existenz denken konnte, ohne zu verzweifeln, und mit heißer Sehnsucht der Zeit dachte, wo er in das Vaterland zurückkehren könne, glaubte er, daß auch alle anderen Menschen, wenigstens Benner, so denken müßten, und es war ihm dann ein recht wehes, schmerzliches Gefühl, wenn ihm das Schicksal dieses armen, unschuldigen und ahnungslosen Wesens vor die Seele trat. – Doch was konnte er bei der Sache thun? Abgeredet hatte er genug, aber nichts damit erreicht; Benner war fest entschlossen, seinem Kopf zu folgen. – Du lieber Gott, wer weiß, ob er vor einem Jahr nicht noch das Nämliche gethan, und halb verlegen, halb gerührt, und jedenfalls mit weit mehr Herzlichkeit, als ihm sonst eigen war, ergriff er Jettchens Hand und sagte leise:
»Mein liebes Kind, ich will zu Gott hoffen, daß Sie sich immer so froh und glücklich fühlen, wie gerade heute, und daß nie ein Kummer oder eine Sorge die Rosen auf diesen Wangen bleichen mögen.«
»Bravo, Krowsky,« rief Benner lachend, »Du hast heut wieder Deinen salbungsreichen Tag und triffst nach beiden Seiten. Es steht Dir vortrefflich.«
»Weißt Du, mein Junge,« sagte Krowsky ernsthaft, »ein Bischen Salbung könnte Dir ebenfalls nicht schaden, denn Du thust einen verdammt wichtigen Schritt; aber daß ich auch fidel sein kann, will ich Dir auf Deiner Hochzeit beweisen, wozu ich mich hiermit feierlichst einlade.«
Drittes Capitel.
Der Brief
Anderthalb Jahre waren nach der beschriebenen Scene verflossen, und »Baron Benner« hatte wirklich zum Erstaunen der ganzen Colonie nicht allein »Schrader's Dienstmädchen« geheirathet, sondern auch eine, dem alten Schuhmacher gehörende Section Land bezogen, auf der er sich selber ein kleines Häuschen baute und wacker zu wirthschaften anfing. Er schien in der That nicht zu viel versprochen zu haben, als er damals seinem Freund Krowsky sagte, er wolle ein neues Leben beginnen und mit dem alten vollständig und für immer brechen. Mit eisernem Fleiße hatte er gearbeitet, keine Stunde versäumt, kein Wirthshaus dabei betreten und sich in der kurzen Zeit mit zwei sehr glücklichen Ernten doch schon so viel verdient, daß er es als Grundlage einer künftigen gesicherten Existenz betrachten konnte.
Seine junge Frau hing dabei mit schwärmerischer Liebe an ihm, und Krowsky, der jetzt in Adelaide wohnte, und nach Verlauf eines Jahres noch einmal nach Tanunda hinauskam, um Abschied von Benners zu nehmen, blieb ordentlich überrascht stehen, als ihm das junge blühende Weibchen in all ihrer natürlichen Grazie mit einem prächtigen Jungen auf dem Arm entgegenkam und ihm, wie Purpur erröthend, die Hand reichte.
Krowsky selber verließ Süd-Australien und ging zu Schiff nach Neu-Süd-Wales, er sprach überhaupt davon, Australien vielleicht bald ganz zu verlassen. Er hatte das Leben zum Ueberdruß satt und konnte sich nicht hineingewöhnen – es gab doch nur ein Deutschland.
»Und was hast Du dort drüben?« sagte Benner. »Bist Du im Stande, wieder in die alten Verhältnisse, in die alte Stellung, in die alten Bekanntschaften einzutreten? – Nein, nie. Mittellos, der Spott der früheren Kameraden werden? Bei Gott, das hielte ich nicht aus, und darfst Du denn, mit Deinem Namen – dürfte ich es? – dort arbeiten? Wir wären ausgestoßen aus der Gesellschaft, in die wir dort nun einmal gehören, und würden uns unglücklich und elend fühlen. Nein wahrlich, da bleib' ich lieber hier und gründe mir hier meine eigene Welt, meinen eigenen Kreis. – Geh mir mit Deutschland und seinen schaalen hohlen Begriffen von Stand und Rang, seinen Prätensionen und übertünchten gesellschaftlichen Formen – ich will nichts mehr davon hören.«
Krowsky reiste am nächsten Tag ab, und Benner begleitete ihn bis nach Adelaide auf das Schiff, dann kehrte er nach Hause zurück und nahm das alte Leben wieder auf.
So vergingen noch wieder mehrere Monate; es war in den letzten Tagen des Mai, und Benner mit seiner Flinte in das Maisfeld hinausgegangen, da sich die ersten Kakaduschwärme zeigten und die noch saftigen Maiskolben bedrohten. Die gefräßigen Vögel, ein Schwarm von vielleicht funfzig bis sechszig Stück, die in die benachbarten Gummibäume einfielen, machten auch gleich einen Angriff auf die leckere Beute, flüchteten aber, als sie den Mann aus dem Haus kommen sahen, wieder in die Wipfel der riesigen Bäume hinauf, wo sie ein Schrotschuß gar nicht erreichen, ihnen wenigstens keinen Schaden thun konnte. Dort saßen sie und kreischten und tobten, bis sie richtig den Hauptzug herbeilockten, der gerade von Osten herüberstrich und die Ansiedelungen aufsuchte.
Wie eine weiße mächtige Wolke kam er heran, viele Tausende dieser geselligen Vögel, und mit einem Lärm, der bei stillem Wetter auf Meilen weit hörbar war, fielen sie plötzlich in die benachbarten Bäume ein, daß diese wie beschneit aussahen, so waren sie von ihnen bedeckt.
Benner kannte aber schon die Lebensart der Kakadus und versuchte nicht, an sie anzuschleichen, sondern versteckte sich hinter einen im Feld stehenden alten und abgestorbenen Baum, wo er ruhig und regungslos stehen blieb, bis sich die ziemlich scheuen Vögel endlich überzeugt zu haben glaubten, daß Alles da unten sicher sei. Jetzt löste sich der erste Schwarm aus den Wipfeln ab, vielleicht fünf- bis sechshundert, und strich lautlos in das Feld nieder, gerade über Benner's Kopf weg; da krachte der erste und gleich darauf der zweite Lauf mitten hinein in die Masse, und wie die erschreckten Thiere aufkreischend auseinanderstoben, stürzten zwölf oder vierzehn von ihnen todt oder geflügelt wie ein Regen in das Feld nieder.
Jetzt aber war es, als ob jeder der Vögel sein Bestes thue, den anderen zu überschreien; ein wahrer Höllenlärm entstand, und Hunderte, während die Verwundeten am Boden nicht weniger Spectakel machten, stießen von den Bäumen herab, wie um ihnen beizustehen, oder doch zu sehen, was da vorging.
Der junge Mann hatte indessen in aller Hast seine beiden Läufe wieder geladen, und wie Trupp nach Trupp mit wildem, ängstlichem Geschrei über den Platz wegstrich, suchte er sich wieder den zahlreichsten Schwarm aus und feuerte noch einmal hinein, wieder mit nicht viel schlechterem Erfolg. Das war ihnen zu viel. Daß sie außerdem den Feind nicht sehen konnten, ängstigte sie. Die Gegend kam ihnen zu unsicher vor, von den Bäumen strichen sie ab, kreisten ein paar Mal hoch in der Luft und weit außer Schußweite um den verdächtigen Platz und zogen dann in dichtgedrängtem Schwarm nach Westen hinüber.
Benner war noch damit beschäftigt, die Erlegten zusammenzusuchen und die Verwundeten vollends zu tödten. Die Kakadus haben zwar ein nichtswürdig hartes, dunkelrothes Fleisch und liefern einen nur sehr zweideutigen Braten, geben aber, wie die Ansiedler wenigstens behaupten, eine gute Suppe, und Henriette wußte die auch vortrefflich zuzubereiten. Da hörte er irgend wo im Feld draußen seinen Namen Rufen:
»Herr von Benner! – Herr von Benner!«
»Huhp!« antwortete er, um die Richtung anzugeben, in der er sich befand und richtete sich hoch auf.
»Huhp!« antwortete die Stimme wieder und irgend Jemand arbeitete sich durch den Mais durch nach ihm zu. – »Aber wo stecken Sie denn? Der Teufel kann Sie in dem Gewirr von Stöcken finden.«
»Hier!« antwortete Benner wieder und gleich darauf tauchte das schweißgeröthete Gesicht des kleinen Kaufmanns Becher aus dem Blattdickicht auf und lächelte vergnügt, als er den jungen Mann bei seiner Arbeit entdeckte.
»Hallo!« rief er, »haben Sie aber hier eine Verwüstung im zoologischen Garten angerichtet. Herr der Welt! Was wollen Sie mit all den Kakadus machen?«
»Suppe,« sagte Benner, »und wenn Sie nichts Besseres vorhaben, bleiben Sie bei uns zu Tisch.«
»Danke Ihnen, angenommen!« rief Becher, sich mit einer englischen Flagge dabei die Stirn trocknend. Er hatte nämlich in Deutschland eine bedeutende Quantität baumwollener Taschentücher als solche Flaggen drucken lassen, aber in der deutschen Colonie doch nicht den Absatz dafür gefunden, den er vielleicht erwartete, und nun selber, um damit aufzuräumen, ein Dutzend davon in Gebrauch genommen. »Nach Tanunda käm' ich auch bei der Hitze gar nicht wieder zurück, ohne unterwegs zu schmelzen. Ist das ein Land, dies Australien – Alles verkehrt – rein Alles! Ich habe sogar die Compasse in Verdacht, daß sie heimlicher Weise nach Süden statt nach Norden zeigen, und selbst die Sonne hier im Westen auf und im Osten untergeht – im Stande wär' sie's. – Ha, passen Sie auf, da drüben sitzt noch einer – nehmen Sie sich in Acht, die Racker beißen wie die Teufel – mich hat einmal einer ausgezahlt.«
Benner lachte, zog den bezeichneten Kakadu, der unter einem der dort überall als Unkraut wachsenden Pelargonienbüsche saß, bei einer Flügelspitze vor und schlug ihn vollends todt. Dann raffte er seine, nicht unansehnliche Beute zusammen und machte sich bereit, damit nach Hause zurückzukehren.
»Aber was führt Sie bei der Hitze und Gluth hier in unsere abgelegene Gegend, mein guter Herr Becher?« fragte er, während er neben ihm her dem Haus wieder zuschritt. »Wollen Sie einen neuen Einkauf von Hühnern und Eiern machen, oder werfen Sie sich gar auf die Mehlspeculation, die uns die Preise in die Höhe treibt?«
»Diesmal nicht,« sagte Becher, – »aber bitte, lassen Sie mich doch eine Partie von den Bestien tragen – sie sind doch ordentlich todt?«
»Haben Sie keine Furcht, von denen beißt Keiner mehr. Hier, nehmen Sie die da, wenn Sie sich denn absolut nützlich machen wollen.«
»Danke Ihnen – nein, ich bin nur Ihretwegen heute herausgekommen; ich habe einen Brief für Sie.«
»Einen Brief? Für mich?« rief Benner, erstaunt stehen bleibend, »und woher?«
»Ja, ich weiß es nicht,« sagte der kleine Mann, »er steckt in meiner Satteltasche im Haus – er ist vom ***schen Consulat aus Sydney und nach Adelaide geschickt, von wo er an mich weiter befördert wurde.«
»An Sie?« sagte der junge Mann kopfschüttelnd; »aber was haben Sie denn mit dem ***schen Consulat zu thun?«
»Ja, sehen Sie,« lächelte Becher etwas verschämt, »Sie wissen doch, daß ich aus Anhalt-Köthen bin, und da habe ich schon seit einiger Zeit das Anhalt-Köthensche Consulat für Tanunda bekommen, um die Interessen unserer Staatsangehörigen zu vertreten.«
»Alle Wetter!« rief Benner, »da wird Ihnen verwünscht wenig Zeit für Ihre übrigen Geschäfte bleiben.«
»Ach nein,« meinte der kleine Mann, doch ein wenig verlegen, »eigentlich ist dies die erste Besorgung die ich bekommen, denn unserer Staatsangehörigen haben wir keinen einzigen in der ganzen Colonie. Aber wissen Sie, es hat doch auch manche Annehmlichkeit Consul zu sein und – meine Frau freut sich besonders darüber.«
Sie waren indessen an das Haus gekommen, wo Benner's junge Frau schon, sie erwartend, mit dem Kind auf dem Arm, in der Thür stand und ihnen freundlich zuwinkte. Und wie jubelte der Kleine, als ihm der Vater die erlegten Vögel zeigte und ihm dann einen Flügel zum Spielen abschnitt.
Becher war indessen geschäftig zu seiner Satteltasche gelaufen, um den Brief zu holen, der mit einem großen, aber schon breitgeschmolzenen Consulatssiegel verschlossen war, daß man das Wappen nicht einmal mehr erkennen konnte. Die junge Frau betrachtete dabei mit einem ihr selbst unerklärlichen beängstigenden Gefühl das große, wie amtliche Schreiben, das ihr Gatte noch immer kopfschüttelnd in der Hand hielt.
»Was um Gottes willen kann nur das ***sche Consulat an mich zu schicken haben,« sagte er dabei, als er die Adresse las. »Herrn Freiherrn Eduard von Benner zu Adelaide in Süd-Australien – Freiherrn – ja wahrhaftig, ein Freiherr bin ich im wahren Sinn des Worts, wenn auch wohl nicht in der Art, wie die Adresse meint – und von wem der Brief nur sein kann?«
»Aber warum brechen Sie ihn denn nicht auf?« sagte Becher, »da erfahren Sie ja gleich die ganze Mordgeschichte.«
»Mordgeschichte?« rief die Frau erschreckt.
»Oh Jemine,« lachte Becher abwehrend, »so war es ja nicht gemeint, – ich weiß ja gar nicht was d'rin steht, nicht einmal wo er her ist. Vielleicht ist es ja auch etwas recht Gutes, eine Erbschaftsangelegenheit möglicher Weise, oder ein Lotteriegewinnst – wer kann denn wissen, was in einem solchen Consulatsbrief steht?«
Benner hatte das obere Couvert abgerissen und fand einen anderen, schwarz gesiegelten Brief darin, der sein eigenes Wappen trug.
»Von meiner Schwester,« rief er erschreckt, wie nur sein Auge auf die Adresse fiel.
Er war leichenblaß geworden, und Henrietten's angsterfüllte Blicke hingen an seinen Zügen.
»Hm – sollte mir leid thun, wenn eine unglückliche Nachricht darin stände,« meinte Becher gutmüthig – »aber wer zum Henker kann so was vorher wissen. Vielleicht ist's aber auch nur ein weitläufiger Verwandter, der Sie in seinem Testament bedacht hat, lieber Benner. – Famose Geschichte wenn so ein alter reicher Onkel stirbt, von dem man nur erst durch das Testament erfährt, daß er überhaupt gelebt hat.«
Benner hörte gar nicht mehr was Jener sprach. Er hatte den Brief in ungeduldiger Hast aufgerissen und verschlang die Zeilen der bekannten, lieben Handschrift mit den Blicken.
Endlich ließ er den Brief sinken und starrte still und schweigend vor sich nieder.
»Darf ich wissen, was Dir so weh thut, Eduard?« flüsterte Henriette und legte ihren Arm um seine Schulter.
»Ja, mein Herz,« sagte er leise, und ein paar große helle Thränen perlten ihm in den Bart. »Du darfst und mußt es wissen – bleiben Sie, lieber Becher – es ist überhaupt kein Geheimniß – der Brief enthält die Nachricht von dem Tode meines Vaters.«
»Armer Eduard,« sagte die junge Frau und schmiegte sich fester an ihn – »oh, wie leid mir das Deinetwegen thut!«
»Aber ich denke, Benner,« sagte der kleine Kaufmann, in reiner Verzweiflung, nur irgend einen Trost zu finden, »Sie – Sie haben mit Ihrem Herrn Papa nicht immer ganz harmonirt?«
»Es war mein Vater,« flüsterte der junge Mann, »und ich selber trage auch wohl viel – viel die Schuld jener unseligen Zwistigkeiten.«
Er war auf einen Stuhl niedergesunken und barg das Antlitz eine Weile in der linken Hand. Endlich stand er auf; er sah sehr blaß aus, war aber vollkommen ruhig, und Becher die Hand hinüberreichend, sagte er freundlich:
»Ich danke Ihnen, lieber Becher, daß Sie sich so viel Mühe meinethalben gegeben haben – lassen Sie mich jetzt einen Augenblick allein hinausgehen – es sind viele Dinge, die mir den Kopf kreuzen.«
»Aber, bester Freund, ich komme lieber auf ein ander Mal wieder.«
»Nein – nein – laß ihn nicht fort, Jettchen – nur sammeln möchte ich mich – der Schlag kam zu plötzlich – zu unvorbereitet – mein Vater war noch so rüstig, noch in seinen besten Jahren.«
»So war er nicht lange leidend –«
»Er ist auf der Jagd erschossen worden.«
»Du großer allmächtiger Gott,« sagte sein Weib erschüttert, »das ist ja furchtbar.«
»Ja, die verfluchte Jagd!« rief Becher leidenschaftlich, »was da schon für Unglück geschehen ist! – und das nennen die Leute nun ein Vergnügen, mit geladenen Büchsen im Walde nach allen Richtungen hin herumzuschießen, ob da Menschen stehen, oder nicht, wenn sie nur einen Hasen treffen. Na, ich danke.«
»Willst Du allein gehen, Eduard?«
»Laß mich einen Augenblick, mein Herz – ich muß auch den Brief noch einmal ordentlich überlesen. Es steht so viel, so Verworrenes darin, daß mir der Kopf ordentlich schwindelt – ich bleibe gewiß nicht lange aus.«
Er verließ das Zimmer, und Becher überlegte sich eben im Stillen, ob er nicht besser gethan, wenn er seinen ersten Consulatspflichten weniger treu nachgekommen wäre und den ominösen Brief mit der Post zugeschickt, oder durch einen expressen Boten besorgt hätte! Er hatte auf einen vergnügten Tag gerechnet und kam in ein Trauerhaus; es ließ sich aber jetzt nicht mehr ändern. Seine Gutmüthigkeit trieb ihn auch dazu an, die arme, sehr niedergeschlagene Frau zu trösten, und in seinem Eifer, sie zu zerstreuen, erzählte er ihr jetzt eine Unmasse von anderen, dem ähnlichen, ihm bekannten Unglücksfällen. Da hatte ein guter Freund von ihm einmal einen Schrotschuß in den Unterleib bekommen und nur noch lange genug gelebt, um seiner herbeigeeilten Frau Lebewohl zu sagen. Auf einem Nachbardorfe war dem Pfarrer das eigene Gewehr los und der Schuß durch die Hand gegangen, und ehe sie abgenommen werden konnte, bekam der Mann die Maulsperre und starb. – Und der Herr von Pescow gar, der Gutsbesitzer, wo er zu Hause war, der kommt Abends von der Jagd zu seiner Braut – am nächsten Tage sollte die Hochzeit sein, und er wollte nur noch einen Rehbock dazu schießen, und wie er die Flinte in die Ecke stellt, geht sie los und trifft ihn gerade durch den Kopf, daß er todt in die Stube fällt. – Und dann Schulmeister Lettweilen, ein seelensguter Mensch, wenn auch ein Bischen leichtsinnig –