Читайте только на Литрес

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Unter Palmen und Buchen. Dritter Band.», sayfa 7

Yazı tipi:

Neuntes Capitel.
Eine Wendung

Die Jagd in Schlesien hatte sich so ergiebig gezeigt, und die gesellschaftlichen Verhältnisse dort schienen so angenehm gewesen zu sein, daß die beiden Herren, noch etwas später als erwartet, zurückkehrten, und dann wieder beide – Graf Galaz daheim und Eduard auf Bennersberg (wo er sich häuslich niedergelassen) von ihren indeß aufgehäuften Arbeiten lebhaft in Anspruch genommen wurden.

Alexandrine war indeß in Ungewißheit gewesen, ob sie ihren Gatten in ihr Geheimniß einweihen solle oder nicht. Sie scheute sich zwar ihm irgend etwas zu verschweigen und hatte es in Wirklichkeit noch nie gethan, aber sie wußte auch daß gerade er mit dem, was sie gethan, nicht einverstanden sein würde, weil er von vornherein die Möglichkeit eines günstigen Erfolgs bestritt. »Es war,« wie er sich oft geäußert, wenn sie ihm früher von einem solchen Plan sprach »nur ein Experiment, das zu unangenehmen Conflicten führen mußte, und deshalb lieber unterblieb.«

Außerdem hatte er andere Pläne mit Eduard, denn allein in aristokratischen Kreisen erzogen, wenn auch von weichem und selbst tiefem Gemüth – hielt er es für völlig undenkbar, daß sich eine gewöhnliche Magd je aus der Sphäre erheben könne, in die sie das Schicksal geworfen. Nicht die Mesalliance fürchtete er dabei, die Mischung altadligen und bürgerlichen Blutes – guter Gott, die neuere Zeit brachte nur zu viele derartige Beispiele, wo sich selbst Prinzen nicht scheuten, einer braven Bürgerstochter oder einer gefeierten Künstlerin ihre Hand zu reichen – aber das Plebejische verletzte ihn, das Gemeine im Umgang, und das hielt er sich fern, soviel das immer möglich war.

Um so schwieriger war es jetzt für sie, mit ihrem Plan hervorzutreten, da sie selber noch nicht den geringsten Beweis für einen auch nur möglichen Erfolg hatte. Noch blieb Alles Vermuthung – Hoffnung eines günstigen Gelingens, und Jahre lang hätte sie dann gegen seine Zweifel ankämpfen müssen. – Sie entschloß sich endlich, das allein Begonnene auch auf eigene Hand durchzuführen und ihren Gatten erst in das Geheimniß zu ziehen, wenn sie sich ihres Erfolges sicher fühlte – ja vielleicht selbst dann noch nicht einmal.

Uebrigens wäre dasselbe fast ohne sie verrathen worden, denn der Graf erfuhr bald nach seiner Rückkunft durch seinen Kammerdiener von der Bewirthung des Bauernpaares durch seine Gattin. Mit keiner Ahnung übrigens, wer es gewesen sein könne, frug er sie selbst darum, und Frauen – wenn sie nicht sprechen wollen – sind selten um eine Ausrede verlegen.

»Der Bruder meiner Amme, mit seiner Tochter,« sagte sie ruhig – »er war vor fünf Jahren nach Amerika ausgewandert, hatte es aber draußen nicht aushalten können und kehrte jetzt in die Heimath zurück. Er war sehr niedergeschlagen über seine getäuschten Hoffnungen und das arme Kind dauerte mich besonders.«

»Und wo sind sie jetzt?«

»Wieder in ihrer Heimath.«

Es wurde nicht wieder davon gesprochen; den Grafen interessirten die Leute auch wirklich zu wenig, um sich mit ihnen noch länger zu beschäftigen, und da man nichts weiter von ihnen hörte, waren sie auch bald in Galaz selber vergessen.

So verging ein Jahr und Alexandrine bekam indessen die Nachricht, daß Henriettens Vater wieder in Süd-Australien angelangt sei, um dort sein kleines Gut nicht ganz vernachlässigt zu sehen. Sie hatte aber mit ihm schon die Abrede getroffen, daß er das, für Henriette hinausgesandte Geld nur regelmäßig in Empfang nehmen und darüber quittiren solle. Auch in anderer Weise war dafür gesorgt, Eduard fortwährend in dem Glauben zu erhalten, daß Henriette selber noch in Australien sei, denn sie schickte die Briefe für ihren Gatten zuerst an ihren Vater, wonach sie dann Bechers Gewissenhaftigkeit empfohlen und pünktlich zurück nach Deutschland befördert wurden.

Graf Galaz drang in der Zeit mehrmals in den Schwager, seine Scheidung in Australien zu betreiben und sich mit dem alten Schuhmacher auseinander zu setzen. Es war das um so mehr nöthig geworden, da er seine Besuche in dem Hause des Comthurs häufiger wiederholte, und Galaz behauptete fest, Hedwig sei ihm so zugethan, daß es nur seiner Werbung bedürfe, um ihr freudiges Ja zu erlangen.

Eduard verbrachte eine trübe, sorgenvolle Zeit, aber er weigerte sich dem Verlangen zu willfahren. Er malte sich den Schmerz Henriettens aus, wenn ein solcher Brief dort eintreffen sollte, und überhaupt unentschlossen in seinem ganzen Character, verzögerte er einen so entschiedenen Schritt von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Aber auch das gesellige Leben der Heimath wob immer fester seinen Reiz um ihn. Schon konnte er es nicht mehr entbehren, und den Gedanken nach Australien zurückzukehren, verwarf er immer, so rasch er nur in ihm aufstieg.

Und wie lieb und gut lauteten dabei fortwährend die Briefe seiner Frau, die aber jetzt viel spärlicher als früher kamen und ihn auch ihrem Inhalt nach in Staunen setzten. Sie enthielten allerdings noch ebenso viele orthographische Fehler als früher, ja vielleicht noch mehr, denn er wußte bestimmt, daß sie früher einzelne Worte richtig geschrieben hatte, die jetzt sonderbare Fehler zeigten. Aber die Handschrift war eine ganz andere, festere geworden, obgleich es auch jetzt an Kleksen im Brief nicht fehlte – ein Zeichen, daß die Schreiberin noch immer mit der Feder nicht umzugehen wußte – und manche Buchstaben und Worte bös verschoben waren. Auch die Gedanken, die sie verriethen, zeigten oft von tiefem innigen Gefühl, das er ihr wohl immer zugetraut, aber von dem er doch nie geglaubt hatte, sie würde es so aussprechen können. – Und dann wieder ihre naiven, fast kindlichen Wendungen dazwischen.

Früher hatte ihm außerdem der Schmerz weh gethan, der aus jeder ihrer Zeilen sprach; der Schmerz der Trennung von ihm, die Trauer um seine Abwesenheit. Alle ihre Briefe waren fast nur Klagen gewesen. Das hatte sich ganz geändert; sie bat ihn wohl, doch bald, recht bald zu ihr und dem Kind zurück zu kehren, aber dann wieder schrieb sie ganz heiter, erzählte ihm Anecdoten von Bekannten und beklagte sich nur darüber, daß er ihr fehle, nicht über ihre Einsamkeit. – Und wie viel wußte sie über das Kind zu sagen, über den kleinen prächtigen Kerl, der jetzt anfange, dem Vater so ähnlich zu sehen, und auch schon immer nach ihm verlange und frage, ob denn der »böse Papa« noch nicht zurückkehren und mit ihm spielen wolle.

Nach solchen Briefen wurde es ihm zu eng im Haus – er mochte sich nicht selber gestehen, was ihn quäle, er mochte sich über die Vorwürfe, die ihm sein Gewissen machte, nicht klar werden und ritt dann immer weit hinaus in die Nachbarschaft, um sich zu zerstreuen.

Heute war wieder ein Brief eingetroffen und wie er ihn gelesen und in sein geheimes Fach eingeschlossen, ließ er sich sein Pferd satteln und beschloß, nach Galaz hinüber zu reiten.

Auf dem Wege dahin passirte er des Comthurs Schloß – die »Enkelburg« wie es scherzhafter Weise von den Bekannten und bald auch überhaupt in der Umgegend genannt wurde. Er fühlte das Bedürfniß freundliche Gesichter zu sehen – Musik zu hören – mit einem Wort, eine Zerstreuung zu haben, die ihn von seinen eigenen Gedanken abzog und lauter Jubel hatte ihn bis jetzt immer empfangen, wenn er in den Park des gastlichen Hauses einritt.

Auch heute gab er seinem Pferd die Sporen, als er, den Kiesweg hinabreitend, schon von Weitem die lichten Kleider der Damen auf der Terrasse erkannte. Er glaubte auch den alten Herrn selber gar nicht daheim zu finden, da dieser vor einigen Tagen nach der Residenz gefahren war und erst morgen oder übermorgen zurückerwartet wurde. – Als er aber – auf dem breiteren Weg war er völlig in Sicht des Hauses gewesen und mußte auch von dort aus gesehen sein – um ein dichtes Bosquet herumritt und nun gerade auf die steinerne Treppe zu hielt, sah er, daß die Damen von der Terrasse verschwunden waren, und nur der Comthur stand dort und schien ihn zu erwarten.

Das fiel ihm allerdings schon auf, aber wer wußte denn, was die Gesellschaft plötzlich konnte in den Saal gelockt haben; er überlegte wenigstens nicht lange, sprang aus dem Sattel, warf seinem Reitknecht die Zügel zu, und stieg die breiten niederen Granitstufen hinauf.

»Schon wieder aus der Residenz zurück?« rief er dem alten Herrn freundlich zu, indem er ihm die Hand entgegenstreckte – »das ist brav von Ihnen. Wo finden Sie auch dort ein Plätzchen, so lieb und heimlich wie die Enkelburg.«

Der alte Herr nahm die dargebotene Hand, aber er schien befangen. Es war etwas vorgefallen, von Benner sah das auf den ersten Blick, aber konnte er selber damit in Verbindung stehen? – unmöglich.

»Allerdings,« sagte der Comthur, aber einsylbig – »es ist sehr freundlich hier.«

»Und wo sind die Damen? ich dächte doch, ich hätte sie vorhin auf der Terrasse gesehen. –«

»Die Damen – Sie müssen sie entschuldigen – es war gerade Besuch da – eine Schneiderin – sie haben mit ihrer Toilette zu thun –«

»So hab' ich hier gestört?«

»Nicht im Mindesten –«

Eduard versuchte, ein oder das andere Gespräch anzuknüpfen, der Comthur antwortete sehr höflich, aber einsylbig. Er blieb noch eine Zeitlang neben ihm sitzen, in der Hoffnung, die Damen zurückkommen zu sehn – aber Niemand kam und es war augenscheinlich, daß sich der alte Herr ebenfalls nicht behaglich dabei fühlte. Benner empfahl sich deshalb bald wieder und ritt langsam und ganz in seine Gedanken vertieft, nach Galaz hinüber.

Was in aller Welt konnte da nur vorgefallen sein? Er begriff es nicht, aber der alte sonst so freundliche und joviale Mann zeigte sich so merkwürdig verändert, daß es ihm auffallen mußte. In Galaz angekommen, erzählte er es seinem Schwager, und dieser sah, während er mit ihm sprach, sinnend und ernst vor sich nieder; erwiederte auch kein Wort darauf. Endlich sagte er:

»Kennst Du einen Herrn von Krowsky?«

»Krowsky? – gewiß,« rief Eduard rasch – »wir waren zusammen in Australien.«

»Hm – und er weiß um – Deine Verhältnisse?«

»Allerdings,« nickte Eduard bestürzt, denn ein Verdacht stieg in ihm auf.

»Er ist jetzt zurückgekehrt,« sagte Galaz; »mit seinen Verwandten ausgesöhnt, hält er sich seit etwa vierzehn Tagen in der Residenz auf – der Comthur hat ihn dort kennen gelernt.«

Eduard war aufgesprungen und ging mit verschränkten Armen im Zimmer auf und ab.

»Und deshalb hätten die Damen mich gemieden?« murmelte er endlich bitter vor sich hin – »nur auf das Gerücht einer Mesalliance hin?«

»Mein lieber Eduard,« sagte Galaz, »erinnere Dich, was ich Dir schon früher über diesen Gegenstand gesagt habe. Du kennst unsere Verhältnisse und willst sie ignoriren – wozu? Hedwig hat Dich wirklich gern, und daß ihr diese Nachricht keine Freude machen konnte, ist doch wohl natürlich.«

»Und Du glaubst in der That, daß er durch Krowsky Alles erfahren hat?«

»Nicht allein das, sondern daß es auch schon in der ganzen Nachbarschaft bekannt ist. Kannst Du Dich wirklich nicht zu einem entscheidenden Schritt entschließen, so bleibt Dir nichts übrig, als wieder auf einige Zeit zu verreisen. Andere Interessen nehmen dann die Aufmerksamkeit der Leute in Anspruch und bis Du zurückkehrst, denkt man nicht mehr daran oder urtheilt milder darüber. Jedenfalls hat es den Reiz der Neuheit verloren. Du selber kommst auch vielleicht indessen auf andere Gedanken.«

Eduard sträubte sich gegen den Gedanken, dem Urtheil der Welt so gewissermaßen zu entfliehen, aber Alexandrine selber redete ihm zu, und er entschloß sich endlich, dem Rath zu folgen.

Er reiste ab und zwar zuerst wieder auf sein schlesisches Gut, dann nach Italien und Aegypten – aber er entfloh dem Wurme nicht, der in ihm nagte – seinem Gewissen, und wieder und wieder stand Henriettens Bild vor seinen Augen, sah er sein liebes herziges Kind, wie es am letzten Abend die Aermchen um seinen Nacken schlang. Und sollte er wieder zurück nach Australien? Er besaß jetzt Geld genug, um sich das Leben auch dort angenehm zu machen; seine kühnsten je gehegten Pläne waren noch weit übertroffen und er hätte zahlreiche Stationen anlegen und ein angesehener Mann in jenem Welttheil werden können.

Und sollte er jetzt fort, wo die »hochadlige Sippschaft« dann vielleicht höhnisch gesagt hätte, er sei der öffentlichen Meinung gewichen, sobald er gemerkt, daß sein Geheimniß verrathen worden? Nein, wahrlich nicht, jetzt durfte er Europa nicht verlassen, und erst mußte er ihnen beweisen, daß er ihre Meinung nicht achtete und sein Leben nie darnach regeln würde. Was er dann später that, sollte wenigstens nicht von dem Urtheil der Gesellschaft abhängig sein.

Er fühlte sich ruhiger, als er diesen Entschluß gefaßt, weil er sich einredete, er habe ihn seiner Charakterstärke zu verdanken – und doch war es nur seine Charakterschwäche, die so lange nach einer Ausrede suchte, um ihn nicht seine Pflicht thun zu lassen, bis er endlich eine leidlich glaubbare gefunden hatte. Dann war er zufrieden, er konnte wieder eine Weile in dem alten Gleis fortleben, ohne von seinem Gewissen außergewöhnlich belästigt zu werden – alles Spätere fand sich von selbst.

Aber die Zeit fliegt. Was Du thun willst und mußt, thue bald, denn nur zu rasch verstreicht die erbettelte Frist, und immer schwerer kommt es Dir dann an.

Es war das Nämliche mit Eduard von Benner; über acht Monate hatte er sich wieder in der Welt herumgetrieben – zwecklos – freude- und ruhelos, jetzt kehrte er nach Bennersberg zurück, und weil er die Ursache vergessen oder vielmehr den Sinn dafür betäubt hatte, die ihn hinaus in die Fremde gejagt, glaubte er thörichter Weise, daß das Nämliche mit den Anderen geschehen war.

So lange er fort gewesen, hatte man allerdings wenig mehr von ihm und der bekannt gewordenen »Heirath mit einer Dienstmagd« gesprochen – denn Krowsky schien das Schlimmste erzählt zu haben, kaum aber kehrte er zurück, so suchte die Gesellschaft den noch nicht halb verbrauchten Stoff wieder auf das Eifrigste hervor, und Eduard von Benner fand bald, wie er mit seinen früheren »Freunden« stand.

Die Herren schienen nicht so sehr davon berührt zu sein, und ihn häufiger zu entschuldigen. Lieber Gott, in Australien, wie sie meinten, wen heirathete man denn da nicht, um die Langeweile zu tödten. Entschieden anders aber dachten die Damen darüber, und wo er sich wieder blicken ließ, konnte ihm nicht entgehen, wie kalt höflich und förmlich man gerade da gegen ihn geworden war, wo man ihm früher die meiste Herzlichkeit bewiesen.

Früher überall ausgezeichnet, sah er sich jetzt zurückgesetzt, und auf ihn selber konnte das nicht verfehlen, seinen ertödtenden Einfluß auszuüben. So lebendig und liebenswürdig er sich sonst in der freundlichen Umgebung gezeigt, so kalt und gemessen wurde er jetzt, wo er sich aller Orten zurückgestoßen oder doch vernachlässigt sah. Es konnte ihm nicht entgehen, daß er nirgends mehr ein willkommener Gast war, und die Folge blieb nicht aus – er fühlte sich unglücklich.

Selbst Graf Galaz war nicht mehr so warm und herzlich gegen ihn wie früher, denn er ärgerte sich über die »Unentschlossenheit« seines Schwagers, die das nicht abschütteln wollte, was seiner Meinung nach allein sein ganzes Lebensglück zerstörte – die unwürdige Verbindung in dem fremden Land.

Nur Alexandrine, seine Schwester, blieb sich immer gleich, immer lieb und gut gegen ihn, immer freundlich. Sie tröstete ihn, wenn seine Stirn von Sorge und Mißmuth gefurcht war, sie spielte ihm seine Lieblingslieder von Mendelssohn und Schubert und brachte es bald dahin, daß er sich nur in ihrer Nähe wohl und glücklich fühlte. – Aber auch das währte nicht lange, selbst sie konnte nicht mehr die Wolken von seiner Stirn halten, und eine finstere Schwermuth schien sich seiner bemächtigt zu haben.

Dieser Zustand hatte seinen Gipfelpunkt erreicht, als wieder ein Brief aus Australien von seiner Frau eintraf. Er trug aber diesmal keinen englischen Stempel, sondern kam aus der Residenz und die auf der Adresse befindlichen Worte »Durch Güte« zeigten an, daß er wohl durch Einlage gekommen, vielleicht mit Depeschen des eifrigen Consuls Becher.

Und wie gut, wie herzlich lautete der Brief; keine Klage fand er darin, kein Wort der Trauer – nur Dank für die vielen Beweise von Liebe, die er ihr gesandt, und die Sehnsucht nach dem fernen Gatten, aber durch eine Engels-Geduld gemildert.

Eduard empfing den Brief auf Galaz, und mit dem offenen Schreiben in der Hand, betrat er seiner Schwester Zimmer. Sein Auge strahlte aber dabei von Freude, seine ganze Gestalt schien gehoben, und mit leuchtenden Augen schritt er auf die Schwester zu, reichte ihr den Brief und rief:

»Da lies – und bin ich nicht ein Thor, daß ich hier Freundschaft und Liebe suchen will, wo mich dort offene Arme und treue Herzen erwarten – ersehnen? Die Worte sind unorthographisch geschrieben, ja, aber eine treue Hand hat sie gestellt – der Styl ist schlecht, aber jeder Satz macht die Fibern meines Herzens beben.«

Alexandrine las schweigend den Brief und ihn dann ihrem Bruder zurückgebend, sagte sie leise:

»Wie lieb und gut – die arme, arme Frau. Wie lange ist es jetzt her, Eduard, daß Du von Australien fort bist – Zwei Jahre, nicht wahr?«

»Zwei Jahre?« rief ihr Bruder leidenschaftlich, »vier Jahre sind es, daß ich die Meinen nicht gesehen, und zu einer Ewigkeit ist mir die Zeit geworden.«

»Vier Jahre – es ist eine lange Zeit – und wie wird sich Henriette indeß nach Dir gesehnt haben. Dir freilich mag sie rasch genug verflossen sein, denn das gesellige Leben, das Du dort ganz entbehren mußtest, hat Dich doch sehr in Anspruch genommen. Ich sehe jetzt auch wohl selber ein, daß es zu viel von Dir verlangt gewesen wäre, ihm für immer zu entsagen. Wozu der Mensch einmal von Jugend auf erzogen ist, das verwächst mit seinem inneren Selbst, und er kann es nicht so leicht abschütteln ohne sich unglücklich – wenigstens außer seiner Sphäre zu fühlen.«

»Und glaubst Du wirklich, daß ich an diesem Leben hänge?« rief Eduard erregt aus, »glaubst Du wirklich, daß mich dies schale Treiben, das Ihr die »Gesellschaft« nennt, auf die Länge der Zeit fesseln und halten könnte?«

»Das schale Treiben?« sagte Alexandrine lächelnd, »in dem Du Dich so lange wohl gefühlt?«

»Wohl gefühlt? ja, weil ich taub und blind gegen mein eigenes Herz war,« rief ihr Bruder – »aber weiß Deine Welt den inneren Werth eines Menschen zu schätzen, und urtheilt sie etwa nach einem anderen Maaßstab, als der äußeren Form?«

»Du denkst jetzt anders über die Gesellschaft, als vor kurzer Zeit.«

»Oh, daß ich immer so gedacht hätte,« sagte Eduard leise, »viel, viel Schmerz wäre meinem braven Weib erspart geblieben. Aber es ist noch nicht zu spät,« setzte er rasch hinzu, »noch kann ich gut machen, was ich gefehlt, und beim ewigen Gott, ich werde es.«

»Was willst Du thun, Eduard?«

»Das, was ich schon lange hätte thun sollen,« sagte der Mann entschlossen – »nach Australien zurückkehren und dort von nun an meiner Familie leben. Noch heute fahre ich in die Residenz, um meine Geldangelegenheiten in Ordnung zu bringen, Deinem Bruder übergebe ich den Verkauf meiner Güter, und dann bindet mich Nichts mehr an Deutschland.«

»Nichts mehr?« sagte Alexandrine herzlich.

»Und hast Du selber mir nicht zugeredet, so zu handeln?«

»Du hast Recht, Eduard,« sagte die Schwester freundlich. »Gott sei Dank, daß Du endlich in die Bahn eingelenkt bist. Aber verfalle auch jetzt nicht in das Extreme und übereile in diesem Augenblick nicht, was Du bis dahin – vielleicht zu lang – verzögert hast.«

»Und kann ich da übereilen?«

»Ja,« erwiderte ruhig die Schwester – »Du magst allerdings so rasch Du willst in die Residenz fahren und dort Rücksprache mit Deinem Banquier nehmen; je eher das geschieht, desto besser; dann aber kehre hierher zurück und ordne selber, gemeinschaftlich mit Rudolph, Deine Angelegenheiten. Rudolph ist überhaupt nicht Geschäftsmann genug, um ihm das Alles so vollständig zu überlassen und würde sich auch nur unbehaglich unter einer solchen Verantwortung fühlen. Wann geht das nächste Schiff?«

»Ich weiß es nicht, aber ich werde heute Morgen noch deshalb nach England schreiben und die Antwort – da ich nicht sagen kann wo ich sein werde, wenn sie eintrifft, – hierher adressiren lassen.«

»Thue das nur,« nickte die Schwester befriedigt vor sich hin – »und wann willst Du in die Residenz?«

»Gleich auf der Stelle.«

»Galaz kann Mittag zurück sein.«

»Ich kann ihn nicht mehr erwarten. Ich weiß auch, daß er mit meinem Plan nicht ganz einverstanden sein wird, und möchte seinen Einwürfen ausweichen.«

»Fürchtest Du sie?«

»Nein – ich bin fest entschlossen. Die Gesellschaft hier hat mich wie einen Verfehmten ausgestoßen – überall habe ich Anspielungen und spöttische Bemerkungen hören müssen, und war doch nie im Stande dieser ver – dammten Höflichkeit gegenüber irgend eine wirkliche Beleidigung zu constatiren. Dem will ich ein Ende machen. Ob ich glücklich werde – ob ich mich dort glücklich fühlen kann, Gott weiß es, aber ich will mir wenigstens nicht neben den geheimen und versteckten Vorwürfen der Welt, auch noch selber sagen müssen, sie verdient zu haben. – Leb wohl, Alexandrine.«

»Und auf ein recht baldiges, frohes Wiedersehen.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
250 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок