Kitabı oku: «Unter Palmen und Buchen. Dritter Band.», sayfa 8
Zehntes Capitel.
Schluß
Vierzehn Tage waren nach Eduard's Abreise verflossen und in Schloß Galaz blieb es in der Zeit ziemlich einsam, da der Graf selber viel mit der Expropriation einiger Grundstücke zu thun hatte, durch welche ein Schienenweg gelegt werden sollte. Die Bahn hatte hier gerade sein bestes Jagdterrain durchschnitten, und er gab sich die größte Mühe, ihr eine andere Richtung anzuweisen, ja erbot sich sogar, eine andere Strecke weit unter dem Taxationspreis herzugeben – aber vergebens. Die Techniker der Bahn erklärten, daß ihre angegebene Linie beibehalten werden müsse, aus den und den Gründen, und deshalb auf den Wildpark keine Rücksicht genommen werden könne. Der Graf fuhr selber nach der Residenz, um an höchster Stelle seinen Einfluß geltend zu machen; es blieb Alles umsonst. Das practische Leben bohrt sich nach und nach überall in die alten Vorrechte hinein; das Geld gewinnt einen immer höheren Rang über Adelsbriefe und Stammbäume, und Graf Galaz mußte zu seinem nicht geringen Verdruß erleben, daß ein Gutachten von bürgerlichen Leuten über den speciellen Fall ausgestellt, mehr galt und berücksichtigt wurde, als sein ganzer Einfluß werth war.
Eben nicht in bester Laune kehrte er nach Galaz zurück, und das konnte nicht dazu beitragen sie zu verbessern, daß er eine Equipage mit Extrapost fand, die auf seinem Hof vorgefahren war. Also Besuch.
»Wer ist angekommen?« frug er den Diener, der hinaus sprang um seinen Wagenschlag zu öffnen.
»Frau Baronin von Fermont mit einer anderen Dame.«
»Mit wem?«
»Kenne sie nicht, Herr Graf. Sie sprechen nur Französisch.«
Graf Galaz stieg in sein eigenes Zimmer hinauf und schien nicht übel Lust zu haben, sich dort abzuschließen. Frau von Fermont war aber eine so liebenswürdige Frau und so befreundet mit ihnen, daß es sich nicht gut umgehen ließ sie zu sehen. Außerdem erzählte ihm auch sein Kammerdiener, daß die Damen ein paar Koffer mitgebracht hätten, also aller Wahrscheinlichkeit einige Tage hier verweilen würden. Es ließ sich nicht ändern, er mußte ihnen seine Aufwartung machen. Außerdem wurde auch das Diner sehr bald servirt und da noch Besuch aus der Nachbarschaft dazu kam, ein alter Obrist von Berdow mit Frau und Tochter, so blieb die kleine Gesellschaft dort den Abend zusammen und es wurde geplaudert und musicirt bis spät in die Nacht hinein.
»Und wie gefällt Dir Frau von Ostenburg?« sagte Alexandrine zu ihrem Gatten, als die von Berdow's das Gut verlassen und Frau von Fermont mit ihrer Begleiterin sich auf ihre Zimmer zurückgezogen hatten.
»Das ist ein reizendes Frauchen,« sagte der Graf, »eine wunderhübsche Erscheinung und dabei so liebenswürdig, daß man ihr auf den ersten Blick gut sein muß. Stammt sie denn aus Frankreich?«
»Allerdings – weshalb?«
»Sie spricht das Französische so sonderbar.«
»Sie spricht vortrefflich.«
»Ja; doch mit einem so eigenthümlichen Accent, der ihr aber reizend steht.«
»Und singt wie eine Nachtigall.«
»Sie hat eine magnifique Stimme, und würde auf jeder Bühne Furore machen. Ist sie mit Fermonts verwandt?«
»Ich glaube; ihr Gatte stand in der österreichischen Armee und ist bei Solferino geblieben – ein Rittmeister von Ostenburg.«
»Arme Frau – so jung und schön und schon einen solchen Verlust erlitten. Uebrigens wird sie wohl nicht lange Wittwe bleiben, denn an Bewerbern kann es ihr bei den jungen Leuten gewiß nicht fehlen. Der alte Obrist selbst war schon ganz entzückt von ihr – Apropos, ich habe vorhin auch einen Brief von Eduard auf meinem Zimmer gefunden – er wird morgen herüber kommen.«
»Das freut mich.«
»Wenn er nur die unglückselige Idee aufgäbe, nach Australien zurück zu gehen. Er kann sich ja dort nicht glücklich fühlen. Der hat sich auch seine Carrière recht muthwillig selbst verdorben.«
»Und wenn er nun seine Frau zu uns herüber brächte, glaubst Du nicht, daß sie sich in unser Leben, in unsere Verhältnisse finden würde?«
»Nie,« sagte Graf Galaz kopfschüttelnd – »glaube mir, mein Kind, derartige Frauen mögen gut und brav und häuslich sein und das Glück eines Mannes in ihrem eigenen Kreis begründen können, aber sie sind wie Hauslauch, der nur auf Mauerwerk und Dächern wächst; sie verlangen einen ganz bestimmten und engbegrenzten Boden für ihre Existenz. Man soll um Gotteswillen nicht versuchen, sie zu veredeln – es würde nie eine Rose daraus werden.«
Am nächsten Tag traf Eduard ein und suchte den Schwager auf dessen Zimmer auf. Er hatte ebenfalls gehört, daß fremde Damen zum Besuch da wären, und fühlte sich nicht in der Stimmung, ihnen zu begegnen. Der Graf war aber gerade zu den Damen hinüber gegangen, und zwar hatte ihn Alexandrine, als sie den Bruder in den Hof einfahren sah, herüber rufen lassen. Es wurde musicirt und Frau von Ostenburg hatte zugesagt, ihm einige Lieder zu singen.
Eduard schickte einen Diener hinüber, um dem Grafen seine Ankunft wissen zu lassen. Alexandrine ließ ihrem Bruder aber sagen, Graf Galaz könne jetzt nicht fort, und er selber sei den Damen schon angemeldet, er möge also rasch Toilette machen und in den Salon kommen.
Es war ihm nicht recht; eine Weigerung wäre aber unartig gewesen; Frau von Fermont kannte er überdieß selber recht gut und seufzend fügte er sich in das Unvermeidliche.
Als er den Salon betrat, saß Frau von Ostenburg gerade am Instrument und sang eine spanische Romanze, die sie sich selber begleitete – Graf Galaz stand neben ihr und wandte die Notenblätter um, und Frau von Fermont saß mit Alexandrine rechts auf dem Sopha. Alexandrine stand auf, ging dem Bruder leise entgegen und gab ihm die Hand, auch Frau von Fermont reichte ihm die ihrige und nickte ihm freundlich zu; aber es wurde kein Wort gesprochen, um den Gesang nicht zu stören und die Schritte selber blieben auf dem weichen Teppich überhaupt unhörbar.
Die Romanze war die Klage eines andalusischen Mädchens, das um den Geliebten trauerte, der gegen die Mauren zu Felde gezogen und sie allein gelassen hatte, und die Stimme der Sängerin zitterte, als sie leise, nur von gedämpften Accorden begleitet, das Gebet zur Jungfrau Maria um Schutz für den Fernen, sang. So ergreifend waren die Töne dabei, daß der überhaupt leicht empfänglichen Alexandrine die hellen Thränen in die Augen stiegen und selbst Eduard sich von dem wehmüthigen Lied ergriffen fühlte.
»Singt sie nicht reizend?« flüsterte ihm Frau von Fermont zu, neben der er saß.
»In der That,« erwiderte er, »ich weiß mich der Zeit nicht zu erinnern, daß ich eine so klangvolle und so zum Herzen dringende Stimme gehört hätte – und mit so tiefem Gefühl.«
Aber der Sinn des Liedes änderte sich – die Mauren waren geschlagen, der Geliebte kehrte siegreich zurück und laut jubelten jetzt die Töne und quollen aus voller, jauchzender Brust, während in der kunstvollen Begleitung der Siegesmarsch der heimziehenden Krieger immer wieder dazwischen tönte.
Jetzt endete plötzlich das Lied und die Sängerin erhob sich von ihrem Stuhl, indeß Graf Galaz ihr mit wahrhaft begeisterten Worten und voller Entzücken für den Genuß dankte. – Ihr Blick streifte durch den Saal und eine Purpurröthe legte sich über ihre Wangen und ergoß sich bis tief in den schneeigen Nacken hinab. – Ihr Blick streifte Eduard.
»Sie sind zu gütig, Herr Graf,« lächelte sie dabei, »und werden mich noch verwöhnen.«
Alexandrine aber war aufgesprungen, schlang ihre Arme um sie und küßte sie herzlich.
»Ah, Eduard,« rief der Graf, der ihn jetzt erst erblickte, »das ist schön; bist Du noch zur rechten Zeit gekommen?«
»Ich hatte das Glück, dem seelenvollen Vortrag zu lauschen,« sagte der junge Mann, während sein Blick starr an den Zügen der fremden Dame hing.
»Nicht wahr, das ist ein Genuß? – aber ich habe Dich noch nicht einmal vorgestellt. Gnädige Frau, mein Schwager, Eduard von Benner – Frau von Ostenburg, die uns die Freude gemacht hat, unsere Einsamkeit ein paar Tage mit uns zu theilen.«
»Gnädige Frau,« sagte Eduard, aber so verlegen, daß er die Worte kaum über die Lippen brachte – »ich – ich freue mich – freue mich wirklich herzlich der Ehre dieser Bekanntschaft.«
Graf Galaz sah ihn an und lächelte. So befangen und ungeschickt hatte er seinen Schwager noch gar nicht gesehen.
»Und heute quäle ich Sie recht meine liebe, liebe Ostenburg,« rief Alexandrine dazwischen, »doch jetzt singen Sie uns noch einmal das kleine reizende französische Lied.«
»Aber Alexandrine,« sagte der Graf, »Du belästigst wirklich unsern lieben Gast.«
»Gern, gern,« rief aber die junge Frau und wandte sich rasch wieder dem Instrument zu.
Eduard starrte sie noch immer an, und bemerkte gar nicht, daß ihn Frau von Fermont lächelnd beobachtete. Die junge Künstlerin aber ließ sich nicht lange nöthigen, und rasch wieder ihren Platz am Clavier nehmend, begann sie ein reizendes französisches Lied, voll muthwilliger Neckerei und mit einer so silberhell klingenden Stimme, daß es den kleinen Kreis zu lautem und stürmischem Beifall hinriß.
Nur Eduard war still und nachdenkend geworden; den Kopf in die Hand gestützt, saß er in seinem Fauteuil und sein Blick haftete am Boden. Alexandrine hatte sich neben ihn gesetzt und flüsterte ihm zu, wie reizend die kleine Frau die Lieder vortrage. Er nickte still vor sich hin, erwiderte ihr aber kein Wort, bis sie geendet hatte und sich wieder erhob.
»Wunderbar – wunderbar,« murmelte er dabei vor sich hin und schüttelte langsam den Kopf – »fabelhaft wunderbar.«
»Nicht wahr, die Stimme,« sagte Alexandrine, welche den Worten gehorcht hatte – »ich habe nie etwas Aehnliches gehört.«
Eduard erwiderte noch immer Nichts und starrte nur die Sängerin an, so daß es selbst seinem Schwager zuletzt auffallen mußte. Gräfin Alexandrine und Frau von Fermont waren aufgestanden und zu der jungen Frau getreten und plauderten jetzt, durch das französische Lied angeregt, mit ihr in dieser Sprache und Eduard konnte indessen den Blick nicht von der lieblichen Erscheinung wenden.
»Nun, Eduard, Du bist ja ganz wie in einer Verzückung,« lachte Galaz, indem er ihm die Hand auf die Achsel legte, »aber ich muß selber gestehen, daß ich etwas Aehnliches noch nicht gehört.«
»Ich sage Dir, Rudolph,« rief aber Eduard seine Hand ergreifend, »mir schwindelt der Kopf ordentlich – ich werde noch verrückt –«
»Oho,« lachte der Graf – »so hat Dich der Gesang ergriffen.«
»Ich habe gar nicht gehört, was sie sang.«
»Was? – nicht gehört? – aber was hast Du nur, Du bist ja in einer merkwürdigen Aufregung.«
»Diese Aehnlichkeit.«
»Welche Aehnlichkeit?«
»Der Dame mit – mit einer anderen Dame, die ich – die ich vor längerer Zeit gesehen. Wo um Gottes Willen stammt sie her?«
»Meine Frau sagt aus Frankreich, aber ich wüßte nicht, wo Du sie schon gesehen haben könntest, denn wie ich gehört, so ist sie erst vor wenigen Wochen nach Deutschland gekommen, und Du selber warst doch nie in Frankreich, wie?«
»Nein, nie,« sagte Eduard, während seine Blicke noch immer fest auf der Dame hafteten, die ihm aber jetzt, im Gespräch mit Gräfin Alexandrine und Frau von Fermont, den Rücken zudrehte.
»Ich habe eine solche Aehnlichkeit bei zwei verschiedenen Personen nicht für möglich gehalten,« sagte Eduard, noch ganz verstört. –
»Das kommt ja vor,« lachte Galaz, »und vor vierzehn Tagen ist es mir genau so in der Residenz mit einer vollkommen fremden Dame gegangen, die ich geradezu wie eine alte Bekannte ansprach, und die mich dann furchtbar kalt und stolz ablaufen ließ. Ich war nur froh, als ich mich mit einer verlegenen Entschuldigung zurückziehen konnte.«
»Aber hier –« sagte Eduard – »das Gesicht hat etwas Fremdes, ja, aber ich kann nicht sagen, worin es liegt, und diese Augen, dieser Mund, das Haar, der ganze Wuchs – nur etwas voller und eleganter. Ich weiß, es ist nicht möglich und doch glaub' ich, könnt' ich den Verstand verlieren, wenn ich lange in ihrer Nähe sein müßte.«
»Das wird wohl verschiedenen Leuten so gehen,« lachte Graf Galaz, »denn sie hat wirklich etwas Bezauberndes, diese reizende Sirene. Aber komm, wir dürfen uns hier nicht so lange flüsternd unterhalten. Alexandrine hat schon ein paar Mal herüber gesehen.«
Sie schlossen sich jetzt den Damen an und Frau von Ostenburg erröthete tief, als Eduard sie anredete, antwortete ihm aber unbefangen und frug ihn, da sie gehört, daß er schon so weite Reisen gemacht, ob er sich denn jetzt recht wohl und glücklich in der Heimath fühle, oder ob – wie das so oft der Fall sei – die Unruhe ihn wieder hinaus in das wilde Leben dränge.
Und diese Stimme – Eduard war so befangen, daß er nur ganz verworrene, kaum verständliche Antworten gab, und endlich, ärgerlich über sich selber, gerade diesem liebenswürdigen Wesen gegenüber eine so unglückliche Rolle zu spielen, all seine Sinne zusammen nahm, und fest entschlossen war, sich nicht mehr von einem so wirren Wahn befangen zu lassen.
Die Unterhaltung kam dadurch besser in Gang, wurde aber immer noch in französischer Sprache geführt, die auch der jungen Frau von Fermont geläufiger, als die deutsche schien.
Indessen wurden Erfrischungen herumgereicht und Eduard benutzte den Moment. Seiner Schwester Arm ergreifend flüsterte er ihr leise zu:
»Du hast immer gewünscht meine Frau kennen zu lernen. Sieh sie denn, wie sie leibt und lebt.«
»Wen?« frug Alexandrine erstaunt, »Frau von Ostenburg?«
»Denke Dir sie in Bauerkleidern – einfach und schüchtern.«
»Und die Frau hättest Du verlassen?« sagte die Schwester kopfschüttelnd – »Deine Phantasie führt Dich jetzt irre.«
»Ich gebe Dir mein Wort!« rief der Bruder erregt – »jeder Zug ihres lieben Gesichts ist derselbe, und doch auch wieder anders – schöner vielleicht, charaktervoller, aber das Liebe und Gute in ihren Zügen, die Grübchen – die Lippen – die Stimme selbst – ich habe ihr wie ein Schulknabe gegenüber gestanden –«
»Und auch ihre Stimme?«
»Wenn sie spricht, genau; nur der Gesang ist viel klangvoller, und diese französischen und italienischen Romanzen sind meinem Ohr fremd. Wenn sie nur einmal ein deutsches Lied singen wollte.«
»Ich werde sie bitten,« sagte Alexandrine rasch von ihm fort und zu der jungen Dame tretend – »Ach, liebe Frau von Ostenburg,« wandte sie sich an diese – »mein Bruder dort, ein entsetzlich schüchterner Mensch, wie sie sehen, aber leidenschaftlich für Musik eingenommen, hat noch eine große Bitte an Sie!«
»Und womit kann ich ihm dienen?« lächelte die junge Frau.
»Er bittet um ein ganz kleines, kleines – aber deutsches Lied – Sie dürfen ihm aber nicht böse deshalb sein.«
Frau von Ostenburgs Blick haftete fest, fast wehmüthig einen Moment auf Eduards Zügen – »Gern,« flüsterte sie dann, wandte sich ab und trat wieder zum Instrument. Aber eine ganz eigene Bewegung schien sich auch ihrer jetzt bemächtigt zu haben. Ihr Busen hob sich stürmisch – ihre Finger berührten in weichen, klagenden Akkorden die Tasten und zwei Mal war es, als ob sie ansetzen wolle, und immer noch kam kein Ton über ihre Lippen.
Eduard stand am Tisch. Der Blick der Fremden war ihm durch Mark und Seele gedrungen, das Herz schlug ihm fast hörbar in der Brust.
Jetzt hatte sich die schöne Spielende gefaßt. Ihre Finger berührten leicht die Tasten in einem kurzen, schwermüthigen Vorspiel, mit den Anklängen eines bekannten Volksliedes, und jetzt sang sie mit leiser, oh wie zum Herzen sprechender Stimme:
»Muß i denn, muß i denn, zum Städtle naus,
Städtle naus –
Und Du mein Schatz bleibst hier –
Wann i komm, wann i komm, wann i wiedrum komm,
wiedrum komm,
Kehr i ein mein Schatz bei Dir –«
So sang sie den zweiten Vers: »Wie Du weinst, wie Du weinst, daß ich wandern muß« – leise, leise, kaum hörbar und erst anwachsend, als sie zur dritten Strophe kam:
»Ueber's Jahr, über's Jahr wenn mer Träuble schneidt,
Träuble schneidt,
Stell ich hier mich wiederum ein –
Bin i dann, bin i dann Dein Schätzle noch –«
Die Sängerin schwieg plötzlich – kein Laut regte sich im Saal, aber Eduard seiner Sinne kaum mehr mächtig und seiner fast unbewußt, rief flüsternd:
»Henriette!«
Die Sängerin stand auf – sie sah leichenblaß aus.
»Gnädige Frau, Ihnen ist unwohl!« rief Graf Galaz bestürzt.
Sie schüttelte langsam den Kopf und wandte sich der Thüre zu – noch einmal suchte ihr Blick Eduard, der – wild zu ihr hinüberstarrend, mitten in der Stube stand – aber da hielt sie sich nicht länger.
»Eduard! Eduard!« rief sie, flog auf ihn zu, umschlang seinen Nacken mit wilder Leidenschaftlichkeit und preßte heiße, brennende Küsse auf seine Lippen.
»Henriette, mein Weib! mein Weib!« – mehr vermochte er nicht zu rufen. Er wußte nicht ob er wache, oder von einem wilden, fabelhaften Traume befangen sei – und selbst die Möglichkeit konnte er sich nicht denken, daß er jetzt lebe, daß er athme.
Graf Galaz – während die kleine lebendige Frau von Fermont vor lauter Freude und Rührung laut schluchzte – war kaum weniger erstaunt über diese Scene, als Eduard selber; aber Alexandrine löste ihm mit wenigen raschen Worten das Räthsel, und während er jetzt nur, überrascht und doch voller Bewunderung, das reizende junge Weib betrachtete, das sich mit solcher Energie und Ausdauer aus ihrer Sphäre herausgearbeitet, um jetzt eine Zierde der höchsten geworden zu sein, verließ seine Gattin leise das Zimmer.
»Und bist Du es denn wirklich, Henriette? Ist es denn möglich, daß Wunder noch auf dieser Welt geschehen?«
»Mein Eduard, Du böser, lieber Mann, und so lange – so lange hast Du mich verlassen können, bis ich selber kommen mußte, um Dich aufzusuchen!«
»Meine Henriette, und kannst Du mir vergeben? Aber schon sind meine Sachen gepackt, damit ich wieder in Deine Arme eile.«
»Still, still, ich weiß Alles,« sagte die herzige junge Frau, ihre Hand auf des Gatten Lippen legend, – »fürchte keinen Vorwurf von mir – ich weiß ja recht gut, daß ich nicht so zu Dir paßte, wie ich war. Erst jener Engel, Deine Schwester, hat mich Dir werth gemacht.«
»Alexandrine?«
»Nachher Alles –«
»Und wo ist unser Kind?«
»Ou est donc Mama!« rief in diesem Augenblick ein prächtiger kleiner, etwa fünfjähriger Bursch, der vor Alexandrinen in das Zimmer sprang und sich überall umsah.
Aber es ist nicht möglich, die Freude dieses Wiedersehens, den Jubel zu beschreiben, der die Herzen dieser guten Menschen erfüllte. Und was war jetzt Alles zu erzählen, und Eduard, seinen Knaben fest an sich gepreßt auf dem Knie, lauschte mit Thränen der höchsten Seligkeit in den Augen der fast wunderbar klingenden Mähr von Henriettens Reise nach Deutschland, ihrer Aufnahme bei seiner Schwester und dem Plan, den diese mit Frau von Fermont entworfen, die junge Frau heran- und auszubilden.
Und Alexandrine lehnte dabei das Haupt an ihres Gatten Schulter und flüsterte leise und lächelnd:
»Wer redete mir denn neulich einmal von Hauslauch, der auf Dächern und Mauerwerk wächst, und den man nie versuchen sollte zu veredeln – es würde nie eine Rose daraus werden? – Nun, mein Herr Gärtner?«
»Wenn Du Zauberkünste treibst, mein liebes Kind,« sagte der Graf, sie an sich pressend, »dann freilich muß ich mich besiegt erkennen.«
»Keine Zauberkünste,« lächelte aber freundlich die Gräfin, »glaube mir Rudolph, jedes Mädchen, jede Frau hat das Zeug zu einer Dame in sich, wenn ihr Gelegenheit geboten wird sich auszubilden – mit Deinem starken Geschlecht aber geb' ich Dir Recht, aus einem Bauern wird sich nie ein Graf machen lassen.«
Eduard dachte jetzt natürlich nicht mehr daran, Deutschland wieder zu verlassen, ja, Graf Galaz selber war Feuer und Flamme dafür, die junge Frau in die Gesellschaft einzuführen. Anfangs zwar hatte das junge Paar noch hie und da ein durch das frühere Gerücht gewecktes Vorurtheil zu besiegen, aber die junge Frau eroberte sich die Herzen im Sturm. Selbst die Enkelburg konnte nicht lange diesem liebenswürdigen Wesen widerstehen. Der alte Comthur war allerdings leicht und bald gewonnen; Hedwig aber, vielleicht gerade aus dem Grund, weil sie keinen Grund angeben konnte, hielt sich noch am längsten scheu von ihnen zurück. Henriettens natürliche und herzliche Einfachheit, mit dem bescheidensten Auftreten gepaart, trug jedoch zuletzt auch über sie den Sieg davon, und jetzt ist in der kleinen Colonie von Rittergütern kein Fest, kein fröhliches Beisammensein irgendwo denkbar, wenn Henriette nicht dabei erscheinen kann.
Allerdings wollte Eduard, als er nur erst einmal festen Boden gefaßt, auch die Eltern seiner Frau herüber nach Deutschland ziehen, und dem Vater, der ein tüchtiger Landwirth war, eines von seinen Gütern übergeben. Die Mutter wäre auch wahrscheinlich gern gekommen, aber der alte Schuhmacher schlug jede solche Aufforderung hartnäckig ab. Er behauptete zwar immer nur, er hätte sich so an die Kakadusuppe gewöhnt, daß er nicht ohne dieselbe leben könne: er meinte aber mit derselben nur das freie unabhängige australische Leben, das er nicht mehr entbehren konnte und wollte. Er flickt allerdings für die australischen Bauern keine Schuhe mehr, aber er hat sich, von Benner dabei unterstützt, noch ein paar Sectionen Land zu seinem eigenen gekauft und ist jetzt einer der größten Weizenbauern im ganzen Tanundadistrict.