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Kitabı oku: «Unter Palmen und Buchen. Erster Band.», sayfa 2

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»Ja aber mein Kind –« wiederholte der Mann bestürzt, denn er konnte sich das wunderliche Betragen der Frau nicht erklären – »ich begreife noch immer nicht, was Du willst. Was ist denn dort, und weshalb deutest Du auf den Stuhl und siehst so bestürtzt aus, als ob Dir ein Geist erschienen wäre?«

»Siehst Du ihn nicht?« sagte die Frau leise, ohne ihre Stellung auch nur um eines Haares Breite zu verändern.

»Wen denn?« rief Bertling halb ärgerlich und halb erschreckt noch einmal den Kopf nach der bezeichneten Richtung zu drehend.

»Den fremden Mann,« erwiderte die Frau, die Worte aber viel mehr hauchend als sprechend, »der dort auf dem Stuhl am Ofen sitzt.«

»Den fremden Mann? – aber Kind, ich bitte Dich um Gotteswillen.«

»Sprich nicht so laut. Wenn er die Augen zu mir hebt, ist es immer, als ob mir ein Messer durch die Seele ginge.«

»Aber wie sollte denn der hierher gekommen sein,« lachte Bertling gutmüthig – »sei doch vernünftig.«

»Wie die Thür aufging,« flüsterte die Frau »trat er herein, ging still am Ofen vorüber und setzte sich dort nieder – aber siehst Du ihn denn nicht?«

»Mein liebes Herz« suchte sie der Justizrath zu beschwichtigen – »wenn dort irgend Jemand auf dem Stuhle säße, so müßte ich ihn allerdings auch sehen, nicht wahr? Aber ich sehe Nichts als den leeren Stuhl. Komm Schatz, das ist wieder einer von Deinen häßlichen Träumen – schüttle ihn ab – Nun? – ist er noch da?« setzte er lachend hinzu, als die Frau wie warnend die Hand gegen ihn hob.

»Pst! sei ruhig!« sagte sie tonlos – »jetzt regt er sich. Er sieht Dich an.«

Bertling wurde es, dieser so bestimmt ausgesprochenen Ueberzeugung gegenüber, selber ein wenig unheimlich zu Muthe, wenn er auch recht gut wußte, daß das Ganze weiter Nichts sein konnte als eines jener verworrenen Traumbilder, von denen er gehofft hatte, daß sie bei seiner Frau nie mehr wiederkehren würden. Möglicher Weise hatten aber hier verschiedene Factoren zusammengewirkt, um den Geist der noch nicht vollständig Genesenen zu überreizen und krankhaft aufzuregen. Die Abspannung nach der gestern durchschwärmten Nacht – das heutige Unwetter mit dem fatalen Klappern der Fenster und Thüren, der heulende Sturm, der da oben seine Gesangbuchverse abwimmernde Schuhmacher, vielleicht ein flüchtiges Unwohlsein mit in den Kauf; wer konnte denn wissen wie das Alles auf sie eingewirkt hatte und es blieb deshalb vor allen Dingen nöthig, sie von der Nichtexistenz ihres Traumbildes thatsächlich zu überzeugen – nachher beruhigte sich ihre Einbildungskraft schon von selber.

»Aber mein liebes Herz,« sagte er endlich – »so mach' doch nur einmal diesem häßlichen Traum ein Ende –«

»Traum?« rief aber jetzt die Frau ungeduldig, wenn auch immer noch mit vorsichtig gedämpfter Stimme – »was Du nur mit Deinem Traum willst. Man träumt doch nur wenn man schläft, doch schlafe ich jetzt oder schläfst Du?«

»Aber ich selber sehe doch gar Nichts.«

»Nichts? Siehst Du denn nicht den kleinen grauen Mann dort neben dem Ofen sitzen, wie er den rechten Arm auf der Stuhllehne liegen hat und hier herüber sieht? Was er nur will. –«

»Aber meine liebe Auguste so sei doch vernünftig,« rief der Justizrath, durch den Zustand wirklich beängstigt. »So überzeuge Dich doch nur selber.« –

»Quäle mich nur nicht,« bat die Frau – »von was soll ich mich denn überzeugen? Sehe ich ihn denn nicht da sitzen? – Daß sie ihn nur hereingelassen haben.«

»Nun gut,« rief Bertling, der wohl einsah, daß bloße Vernunftgründe nicht das Geringste fruchten würden, »dann will ich Dir beweisen, daß Du Dich irrst, und nachher wirst Du mir doch Recht geben. Sitzt er noch da?«

Die Frau nickte mit dem Kopf.

»Schön,« sagte Bertling, indem er entschlossen um den Tisch herum ging und der bezeichneten Stelle zuschritt, »dann wollen wir doch einmal sehen wie er sich jetzt benimmt.«

Der Blick der Frau haftete aber nicht mehr auf dem Stuhl, sondern hob sich ein wenig und strich dann wieder langsam durch die Stube und zur Thür zurück.

»Nun sieh,« sagte ihr Mann jetzt, indem er sich – wenn auch mit einem unbehaglichen Gefühl auf denselben Stuhl niederließ, auf dem das Traumbild sitzen sollte – »Du wirst mir doch jetzt zugeben, daß der Stuhl vollkommen leer war, oder Dein grauer Herr müßte mich sonst auf dem Schooß haben. – Nun? – was siehst Du denn jetzt wieder nach der Thür?«

»Ja er ist fort,« lachte die Frau still vor sich hin. »Wie Du nur um den Tisch herumgingst, stand er auf, glitt wieder der Thür zu – und hinaus.«

»Aber die Thür ist ja noch fest zu. Er kann doch nicht –«

Bertling hatte kaum Zeit zuzuspringen und seine Frau aufzufangen, denn ihr gehobener Arm sank matt am Körper herab, und die ganze Gestalt schien in sich selbst zusammenzubrechen. Sie konnte nicht ohnmächtig sein, aber es war als ob nach der gehabten Aufregung eine völlige Erschlaffung ihrer Glieder einträte. Er hatte sie auch kaum aufgehoben und auf das Sopha gelegt, als sie in einen festen Schlaf fiel.

Der aber dauerte nicht lange. Schon nach kaum einer Viertelstunde wachte sie wieder auf und sah sich etwas verstört im Zimmer um.

»Hab ich mich denn hier zum Schlafen niedergelegt?« sagte sie leise und sinnend – »es muß ja schon spät sein.«

Bertling hielt es für das Beste, von dem stattgefundenen Anfall heute Abend gar nichts zu erwähnen, da er nicht wissen konnte, wie es die Leidende aufnehmen würde. Wenn sie morgen wieder frisch und munter war, wollte er es ihr erzählen, und sie lachte dann wahrscheinlich selbst darüber.

»Es ist halb zehn, mein Kind,« sagte er, »und Du bist müde von der gestern durchschwärmten Nacht. Ich glaube es ist das Beste wir gehen zur Ruhe.«

»Ja,« sagte die Frau nach einer kleinen Pause, in der sie, wie überlegend, vor sich niedersah – »ich muß wirklich hier eingeschlafen sein, denn ich habe schon geträumt. – Was einem doch dabei für wunderliche Dinge durch den Kopf ziehen. – Ich werde lieber schlafen gehen.«

Zweites Capitel
Die Kaffeegesellschaft

Am nächsten Morgen schien Auguste die gestrige Erscheinung vollständig vergessen zu haben; sie erwähnte wenigstens kein Wort davon, und Bertling hatte sich in der Nacht ebenso überlegt, die ganze Sache weiter gar nicht zu berühren. Es würde sie nur beunruhigt haben, und konnte doch zu weiter nichts nützen. Er hätte freilich gern gewußt, ob ihr jede Erinnerung an die eingebildete Traumform verschwunden sei – und fast vermuthete er das Gegentheil, denn sie blieb an diesem Tag besonders nachdenkend, hörte manchmal mitten in ihrer Arbeit auf und sah eine Weile still vor sich nieder. Aber er mochte sie auch nicht fragen, denn hatte sie es wirklich vergessen, so mußte sie dadurch nur mißtrauisch gemacht werden.

Auch der Arzt, mit dem er darüber sprach, rieth ihm in keinerlei Weise auf jenen Zustand hinzudeuten. Solche Erscheinungen kämen – wie er meinte – im geistigen Leben der Frauen gar nicht so selten vor, stumpften sich aber, wenn man ihnen Ruhe ließe, gewöhnlich mit der Zeit von selber ab. Das einzige wirksame Mittel dagegen sei Zerstreuung – leichte, am besten humoristische Lectüre, geselliger Verkehr etc. – Sie dürfte nicht zuviel allein gelassen werden, dann wichen diese Zustände auch von selber wieder.

Bertling irrte sich übrigens, wenn er glaubte, jene eingebildete Erscheinung wäre spurlos und vielleicht unbewußt an seiner Frau vorübergegangen. Unmittelbar nach ihrer halben Ohnmacht besann sie sich allerdings nicht gleich darauf und schlief in ihrer damaligen Abspannung auch bald ein. Aber selbst schon in der Nacht kam ihr die Erinnerung des scheinbar Erlebten, und am nächsten Morgen, als das schon fast verschwommene Bild wieder klarer und deutlicher vor ihre Seele trat, malte sie sich die Einzelheiten mehr und mehr im Stillen aus, bis sie auch die kleinsten, unbedeutendsten Umstände wieder scharf und bestimmt herausgefunden hatte. – Aber sie erwähnte gegen ihren Gatten nichts davon.

Einmal wollte sie ihn nicht ängstigen, weil er jenem Phantasiegebild vielleicht zu viel Wichtigkeit beigelegt hätte, und dann – war sie selber noch nicht einmal mit sich im Klaren, ob es wirklich ein Phantasiegebild gewesen sei oder nicht. Sie fürchtete auch den Spott ihres Mannes, wenn sie ihm nur eine Andeutung gemacht hätte, daß sie eine solche Erscheinung für möglich halte, und grübelte dabei im Stillen weiter über das Geschehene.

In dieser Zeit, in welcher sie sich auch immer noch etwas angegriffen fühlte, ging sie wenig aus und da ihr Mann durch eine Masse dringender Geschäfte über Tag abgehalten wurde, ihr Gesellschaft zu leisten, las sie viel – jetzt aber am liebsten Bücher, die sich mit dem geistigen Leben des Menschen beschäftigten und oft Dinge besprachen, die ihr in ihrem überdieß aufgeregten und reizbaren Zustand weit besser fern gehalten wären. So kam ihr auch das Buch der Seherin von Prevorst in die Hände, und gab ihrem, schon außerdem zum Uebernatürlichen neigenden Sinn, nur noch mehr Nahrung.

Wenn es überhaupt auf Erden Menschen gab, die mit jener, von anderen Sterblichen nur geahnten Welt in unmittelbarer Verbindung standen, die mit ihren körperlichen Augen das sehen konnten was um sie her bestand, während es der Masse verborgen und unsichtbar blieb, warum sollte sie dann nicht auch zu diesen gehören können? – warum sollte gerade das, was sie deutlich und klar geschaut hatte, nur allein bei ihr eine Täuschung der Sinne gewesen sein? Daß aber etwas Aehnliches nicht allein möglich, sondern schon wirklich an den verschiedensten Orten geschehen sei, davon liefert ihr gerade die Seherin von Prevorst den sichersten Beweis, denn das Buch brachte beglaubigte Thatsachen, und immer fester wurzelte bei ihr die Ueberzeugung, daß auch sie zu jenen bevorzugten Wesen gehöre.

Keineswegs erweckte aber dies, sich nach und nach bei ihr bildende Bewußtsein, ihre Furcht vor dem, was ihr etwa noch begegnen könne. Im Gegentheil freute sie sich viel eher einer solchen Kraft, und beschloß sogar mit ruhigem kalten Blut Alles zu prüfen, was ihr in solcher Art an übernatürlichen Gebilden auftauchen und sichtbar werden sollte.

Trotz dieser geistigen Stärke, die sie gewonnen zu haben glaubte, litt aber doch ihr Körper unter der fast gewaltsam hervorgerufenen Aufregung, und wenn auch Bertling den wahren Grund nicht ahnte, konnte ihm doch nicht entgehen, daß seine Frau in der letzten Zeit sichtbar bleicher und leidender geworden sei. Er schrieb das aber dem vielen Stuben sitzen zu, und bat sie mehr an die frische Luft zu gehen und sich Bewegung zu machen. Ja er drang sogar in sie – was er sonst nie gethan – ihre verschiedenen Freundinnen einmal wieder aufzusuchen, und dann und wann auch bei sich zu sehen, da er mit Recht von einer solchen Zerstreuung wohlthätige Wirkung für sie hoffte.

Auguste, wenn sie auch nicht das Bedürfniß danach fühlte, beschloß doch seinen Wunsch zu erfüllen. Die langen Stunden, die sie daheim allein saß, wurden ihr selber zuletzt drückend, und außerdem hatte sie ja manche Bekannte, mit der sie recht gern verkehrte und wo sie wußte, daß sie gern gesehen war.

Am Besten von Allen hatte sie stets mit einer Jugendfreundin, der jetzigen Hofräthin Janisch, harmonirt; Pauline Janisch war eine prächtige junge Frau, aufgeweckt dabei und lebenslustig, und da sie in müssigen Stunden auch gern ein wenig schwärmte und ganz vorzüglich für alles Uebersinnliche leicht empfänglich war – ohne sich aber davon beherrschen zu lassen – fühlte sie sich zu dieser besonders hingezogen.

Pauline wohnte in der nämlichen Straße mit ihr; als sie dieselbe aber heute aufsuchte, bewegte sie sich in dem zwar kleinen, doch gewählten Kreis einer Caffeegesellschaft, wo allerdings nichts Uebersinnliches gesprochen wurde. Nur über die allergebräuchlichsten Themata solcher Zusammenkünfte fand eine Verhandlung statt, als da sind: Theater und was dazu gehört – nämlich das Privatleben der Bühnenmitglieder – Dienstboten-Noth, Sittengeschichte der Stadt mit Vorlage einzelner, besonders hervorzuhebender Beispiele, und Klagen über die Vergnügungen und Beschäftigungen der Männer außer dem Haus.

Erst das eintreffende Tageblatt gab der Unterhaltung – nachdem man zwei Verlobungsanzeigen und ein Heirathsgesuch gründlich betrachtet und erschöpft hatte – eine andere Wendung, und zwar durch einen wunderlichen Vorfall in der Stadt selber, der in dieser Nummer eine Erwähnung fand.

Ein in der äußersten Vorstadt gelegenes Haus nämlich, das früher einmal zu einer Knopffabrik benutzt worden, jetzt aber schon seit mehreren Jahren, durch das Scheitern des Unternehmens leer und verödet stand, war vor Zeiten in den Ruf gekommen, daß es dort umgehe, und man hatte sich Monde lang die merkwürdigsten Geschichten davon erzählt. Anderes kam aber dazwischen, das ganze Gebäude wurde außerdem nicht mehr benutzt, und da Niemand darin wohnte, schlief auch das Gerücht endlich ein, bis der jetzige Eigenthümer vor ganz kurzer Zeit die ziemlich vom Wetter mitgenommenen Baulichkeiten an einen Fremden verkaufte, der dort eine Kammergarnspinnerei anlegen wollte.

Jetzt erinnerte man sich allerdings wieder lebhaft der früheren Gerüchte, die aber in den ersten Wochen auch nicht die geringste Bestätigung fanden. Der Fabrikant war mit zwölf oder sechszehn Arbeitern dort eingezogen und die Leute, die größtentheils noch nicht einmal von den Gerüchten gehört haben konnten, hatten die Nächte, die sie dort zugebracht, vortrefflich und ungestört geschlafen. – Es dachte schon Niemand mehr an die früheren Spuckgeschichten.

Da erzählte man sich in der Stadt, sämmtliche Arbeiter in der Fabrick hätten ihrem Brodherren den Dienst gekündigt. Es wurde dem anfangs widersprochen, aber das Gerücht fand immer festeren Boden bis denn das Tageblatt heute die Nachricht ganz sicher bestätigte. Es geschah das durch die Aufforderung des Fabrikherrn, um neue Arbeiter herbeizurufen, da sich die bisherigen, wie hier gedruckt stand, »durch abergläubischen Unsinn hätten bewegen lassen, seinen Dienst zu quittiren.«

Es blieb jetzt keinem Zweifel mehr unterworfen, daß die bisherigen Gerüchte nicht gelogen haben konnten, sondern etwas Wahres an der Sache sein müsse und die Aufregung der kleinen Gesellschaft wurde noch erhöht, als sich plötzlich herausstellte, daß sie selbst in ihrer Mitte ein Individuum entdeckten, das ihnen von dem, jetzt jedes andere Interesse verschlingenden Platz die genauesten und direktesten Nachrichten geben konnte.

Es war das die Frau Präsident Cossel, eine schon ältliche Dame mit etwas rother Nase, aber einem sehr entschieden energischen Zug um den Mund. Die Dame hielt sich auch in der That nie bei Vermuthungen auf, sondern sprach stets was sie wußte oder nicht wußte auf das aller Bestimmteste aus. Widerspruch duldete sie nie und wenn man behauptet, daß die Haare den Charakter des Menschen darthun, so mochte das recht gut auch bei der Frau Präsidentin ihre Bestätigung finden, denn eben so starr und fest gerollt wie die vier falschen Locken, die sie vorgebunden trug, war ihr Gemüth.

»Es ist richtig – ich weiß es; es spukt drüben,« sagte sie, indem sie ihre Tasse zum vierten Mal zum Füllen reichte, und ihre schönen Zuhörerinnen zweifelten viel weniger an der, jetzt als unumstößlich festgestellten Thatsache, als daß sie sich wunderten, wie die Frau Präsidentin diesen doch sicher höchst interessanten Fall so lange still bei sich getragen und wirklich erst auf äußere Veranlassung von sich gegeben habe.

Die Frau Präsidentin wohnte aber dem besagten Fabrikgebäude schräg gegenüber, und konnte also, als allernächste Nachbarin desselben – wenn irgend Jemand, Näheres darüber wissen. Die Neugier der Damen war – hierbei sehr verzeihlich – auf das Höchste gespannt.

»Es ist richtig! Ich weiß es! Es spukt drüben!« – Gegen die Thatsache war Nichts mehr einzuwenden, und es blieb jetzt nur noch übrig die Einzelheiten derselben zu erfahren. Die Frau Präsidentin wußte Alles.

Die ersten Nächte waren die neu eingezogenen Leute vollkommen unbelästigt geblieben, nur zu bald aber brach plötzlich – und natürlich genau um Mitternacht – ein donnerndes Getöse im ganzen Hause los, daß den Insassen das Haar auf dem Kopfe sträubte. Ketten klirrten über die Treppen, die Balken krachten, als ob furchtbare Gewichte darauf geworfen würden, die Thüren schlugen auf und zu, die Fenster klapperten – und das bei sternenheller Nacht und todter Windstille – und ein unheimlich flackernder Schein zuckte aus einer Stube in die andere durch das ganze Haus. Das Nämliche wiederholte sich in den folgenden Nächten, nur mit der Zugabe, daß den Schlafenden die Decken weggerissen wurden. Allerdings glaubten die Leute anfangs an einen Schabernack, den ihnen muthwillige Gesellen spielten, und um kein Aufsehen zu erregen, wurde die Polizei heimlich von dem Unfug in Kenntniß gesetzt und traf in einer der Nächte kurz vor zwölf Uhr dort ein, um die Urheber auf frischer That zu ertappen. Ja ihr Aufpassen half ihnen nichts, denn erwischen konnten sie Niemand, während gerade ihnen am tollsten mitgespielt wurde. Es schlug ihnen die Hüte vom Kopf und die Stöcke aus der Hand, und die Leute verließen – wie die Frau Präsidentin behauptete – in Entsetzen das Haus.

Von der Nacht an waren die übrigen Arbeiter aber auch nicht mehr zu halten, und obgleich der Fabrikherr – aus leicht zu errathenden Gründen – ein tiefes Stillschweigen über alles Vorgefallene beobachtete, und die Leute selber sich ebenfalls schienen das Wort gegeben zu haben, nichts über die Sache verlauten zu lassen, war doch das allein der wahre Thatbestand.

»Und woher es die Frau Präsidentin wußte?« – wie die etwas muthwillige Frau Hofräthin Janisch frug. – Die Dame blitzte sie zwischen den Locken hervor mit einem wahren Dolchblick an.

»Woher ich das weiß, Frau Hofräthin?« wiederholte sie, und absichtlich mit etwas gehobener Stimme – »ich denke, ich habe meine Quellen – selbst wenn mein Mann nicht Präsident wäre, Sie wissen doch wohl – oder sollten es wenigstens wissen, daß es zwischen Ehegatten kein Amtsgeheimniß giebt. – Aber noch mehr,« setzte sie plötzlich mit geheimnißvollem Ton hinzu, »Sie wissen doch, daß sich der junge Belldan gestern Morgen um's Leben gebracht hat?«

»Ei gewiß,« sagte die Frau Kreisräthin Barthels, »das ist ja stadtbekannt. Er soll ein paar falsche Wechsel ausgestellt haben, und wie ihn sein Vater aus dem Hause stoßen wollte, ging er in das Holz und schoß sich eine Kugel durch den Kopf.«

»Bah,« sagte die Frau Präsidentin mit einer wegwerfenden Bewegung und ganz entschiedener Betonung der nächsten Worte, »der junge Mensch hat nie falsche Wechsel gemacht, aber aus Uebermuth die letzte Nacht in dem Spukhaus geschlafen und darnach – konnte er nicht länger leben.«

Was er dort gesehen hatte vermochte die Frau freilich selber nicht zu sagen, aber schon die Andeutung war interressant genug, um eine weitere Besprechung derselben außer Frage zu stellen und das Gespräch, einmal in diese Bahn gelenkt, blieb nun natürlich in dem nämlichen Gleis und ging von dem Spukhaus auf Gespenstergeschichten und Erscheinungen im Allgemeinen über.

Der Abend rückte dabei heran, aber die Gesellschaft protestirte von der kleinen lebhaften Hofräthin dabei warm unterstützt, gegen die Forderung der Präsidentin, Licht herbeizuschaffen. Es ging Nichts über eine solche Unterhaltung in der Dämmerung und als jetzt die Gaslaterne draußen auf der Straße angezündet wurde, und ein ordentlich unheimliches Streiflicht in das düstere Zimmer warf, rückten die Damen nur desto näher zusammen und die Frau Kreisräthin behauptete, es gäbe doch gar kein wonnigeres Gefühl in der Welt, als »wenn es Einen so ein Bischen gruselte.«

Nur Auguste, Bertlings Frau, hatte bis jetzt keinen Antheil an dem Gespräch genommen, als vielleicht hie oder da einmal eine Frage einzuwerfen, aber deshalb mit nicht weniger Aufmerksamkeit den verschiedenen Geschichten gelauscht, die bald von dieser bald von jener Dame zum Besten gegeben wurden und natürlich alle mit jener übersinnlichen Welt in Verbindung standen.

In Alburg wurde auch noch das Tischklopfen und die Geisterschrift mit Hülfe einer besondern mit Bleistift verbundenen Vorrichtung leidenschaftlich getrieben und viele Damen beschäftigten sich heimlich damit – öffentlich durften sie es ja nicht, weil man das vollkommen Nutzlose dieser Experimente lange eingesehen hatte, und die auslachte, die es trotzdem noch ausübten. Eine Masse von Beispielen wurden jetzt von entzifferten Briefen, von Zahlen, Nachrichten Entfernter, Schutzgeistern und all derartigen Ergebnissen der Zauberkunst erwähnt, dann sprang das Gespräch auf Ahnungen, Doppelgänger, Erscheinungen über und die Frau Präsidentin erklärte mit ihrer gewöhnlichen Bestimmtheit – was die Thatsache außer allen Zweifel stellte, – daß ihr erster Mann – Gott habe ihn selig – ihr zwei Mal schon erschienen sei: Das erste Mal als sie sich wieder verlobt habe. – Das zweite Mal bei – einer andern Gelegenheit – sie sagte nicht welcher – und beide Male in seinem grauen Schlafrock mit rothem Futter und hellblauen Quasten wie »der Selige« immer daheim gekleidet gewesen.

Auguste lehnte schweigend in ihrem Fauteuil, anscheinend theilnahmlos, aber mit ihrem Geist in reger Thätigkeit, und vor ihrem innern Auge stieg die Gestalt wieder empor, die sie an jenem Abend gesehen hatte. – Aber sie erwähnte kein Wort davon; es war das ihr eigenes Geheimniß, und es kam ihr der Gedanke, als ob sie jenes Wesen erzürnen müsse, wenn sie sein Dasein einem andern Menschen verrathe. So ganz mit sich selber beschäftigte sie sich dabei, daß sie ordentlich erschrak, als die kleine Gesellschaft plötzlich aufbrach, um in ihre eigenen Wohnungen zurückzukehren. Es war sieben Uhr und damit Zeit geworden daheim den Herren Ehegatten das Abendbrot zu bereiten. Der Caffee hatte überhaupt, durch solch Gespräch gewürzt, weit länger gedauert, als das sonst je der Fall gewesen.

Die lebhafte Scene des Ankleidens und Abschiednehmens verdrängte jetzt auch bald all die düsteren Gedanken und Bilder, die den ganzen Abend über dem kleinen Kreis geschwebt. Es war Licht gebracht, und die Meisten hatten schon lange den ganzen heraufbeschworenen Spuk vergessen, – Auguste nicht.

Sie nahm Abschied von der Freundin und ging die wenigen Schritte nach ihrer eigenen Wohnung, kaum etwas mehr als über die Straße hinüber, – allein immer aber war ihr Geist noch mit jenem Traumbild beschäftigt, das ihr durch die Unterhaltung da drüben wieder in ihrer ganzen Schärfe vor der Seele stand.

Still und schweigend stieg sie die Stufen hinan – die Vorsaalthür war offen – auf dem Vorsaal selbst brannte kein Licht, aber die Gasflamme der Treppe warf ihren Schein durch das über der Thür angebrachte Fenster. Sie wußte bestimmt, ihr Mann war jetzt zu Haus und in seiner Stube, wo er gewöhnlich bis zum Abendbrot allein arbeitete. Sie ging durch ihr eigenes Zimmer nach seiner Thür, öffnete dieselbe, stand einen Moment in sprachlosem Entsetzen auf der Schwelle und brach dann mit einem halblautem Schrei und ehe ihr Gatte zuspringen und sie halten konnte, bewußtlos in sich zusammen.

Drittes Capitel
Der unheimliche Besuch

Der Justizrath war an dem Abend beschäftigt gewesen, eingelaufene Actenstücke durchzusehen und zu erledigen. Die Zeit verging ihm dabei so rasch, daß er die Abwesenheit seiner Frau – die er überdies bei Freund Janisch gut aufgehoben wußte, gar nicht bemerkte.

Im Verlauf seiner Arbeit war er auch genöthigt gewesen ein paar Briefe zu schreiben, die noch vor sieben Uhr auf die Post mußten. Er hatte das Mädchen damit fortgeschickt und saß wieder über seinen Papieren als es draußen klingelte und er selber hingehen mußte, um zu öffnen.

Draußen stand ein Fremder – anständig angezogen, ein kleiner schmächtiger Mann in dunkler Kleidung, der mit dem Hute in der Hand sehr bescheiden frug, ob er die Ehre habe den Herrn Justizrath Bertling zu sprechen.

»Mein Name ist Bertling, was steht zu Ihren Diensten?«

»Würden Sie mir gestatten ein paar Worte allein an Sie zu richten?« frug der kleine Mann, wie schüchtern, und seine weiten, glänzenden Augen hafteten dabei fragend auf dem Justizrath.

Diesem war die Störung eben nicht besonders gelegen, aber der Fremde sah so bescheiden und anspruchslos aus und seine Frage klang so dringend, daß er ihm die Bitte auch nicht abschlagen mochte.

»Dann sein Sie so gut und kommen Sie mit in mein Zimmer,« sagte der Justizrath und ging seinem, etwas späten Besuch voran, ohne jedoch die Vorsaalthür wieder zuschließen.

Im Studierzimmer Bertlings brannte die Lampe etwas düster, aber doch hell genug, um die Züge des Fremden ziemlich deutlich erkennen zu können. Er hatte eine hohe Stirn, von der er das schwarze schon dünn gewordene Haar zurückgestrichen trug, und ein paar große sprechende Augen, aber seine Züge sahen bleich und leidend aus; die Backenknochen traten auffallend hervor und in dem ganzen Wesen des Mannes lag etwas Scheues und Gedrücktes. Der Justizrath nöthigte ihn durch eine Bewegung mit der Hand auf das Sopha, aber der Fremde schien diese Ehre abzulehnen, denn er ließ sich auf dem nächsten Stuhl am Ofen nieder, und zwar seitwärts, um dem Justizrath sein Gesicht zuzukehren und dabei legte er den rechten Arm über die Lehne des nämlichen Stuhles.

Bertling entging übrigens nicht, daß sich sein Besuch durch irgend etwas gedrückt fühlte, und theils aus angeborener Gutmüthigkeit, theils mit dem Wunsch die unwillkommene Störung so viel als möglich abzukürzen, sagte er freundlich:

»Und mit was kann ich Ihnen dienen?«

Der Fremde hatte noch keine Zeit zum Antworten gehabt, als nebenan eine Thür ging und da Bertling, der recht gut wußte, daß das Mädchen kaum von der Post zurück sein konnte, eben aufstehen wollte, um nachzusehen, wer da wäre, öffnete sich die Seitenthür – seine Frau stand auf der Schwelle, hob langsam den rechten Arm und brach dann, ohne weiter ein Wort, eben nur einen halblauten Schrei ausstoßend, besinnungslos zusammen.

In tödtlichem Schreck sprang ihr Gatte zu, hob ihren Kopf auf sein Knie, strich ihr in seiner Herzensangst die Stirn, rieb ihr die Schläfe und rief sie mit allen Liebesnamen, um sie zum Leben zurückzubringen. Als das aber Alles vergeblich blieb, hob er sie auf und trug sie auf ihr eigenes Sopha im nächsten Zimmer und sprang dann zurück nach der Lampe. Er wollte dabei den Fremden bitten, ihm sein Anliegen ein ander Mal vorzutragen, aber der Stuhl war leer – der Fremde fort – er hatte ihn gar nicht weggehen sehen, aber auch jetzt wahrlich keine Zeit, sich weiter um ihn zu bekümmern. Er trug die Lampe hinüber und rieb Stirn und Schläfe seiner Frau mit Eau de Cologne.

Glücklicher Weise kam auch jetzt das Mädchen, das recht frisches Wasser bringen mußte, und nach wenigen Minuten schlug Auguste die Augen wieder auf. Anfangs freilich schaute sie noch scheu und wie furchtsam umher, als sie sich aber in ihrem eigenen Zimmer fand, beruhigte sie sich bald und lehnte jetzt nur noch etwas bleich und erschöpft im Sopha.

»Aber ich bitte Dich um Gottes Willen, liebes Kind, was hattest Du denn nur auf einmal« frug jetzt Bertling durch diese plötzliche Ohnmacht nicht wenig beunruhigt – »warst Du denn schon vorher unwohl?«

»Nein,« sagte die Frau leise, »mir fehlte gar nichts, aber – als ich in Dein Zimmer kam –«

»Ich habe heut Nachmittag sehr viel geraucht,« ergänzte Bertling, »und der rasche Wechsel aus der frischen Luft in den Tabacksqualm hat vielleicht den Unfall herbeigerufen.«

»Nein,« wiederholte die Frau mit dem Kopf schüttelnd, »das – das war es nicht – ich war vollkommen gesund – an den Tabacksgeruch bin ich ja auch gewöhnt, aber – als ich in Dein Zimmer trat sah ich –«

»Aber was denn mein süßes liebes Herz,« bat der Mann, »so sprich doch nur; Du ängstigt mich ja noch viel mehr durch Dein Schweigen. – Was sahst Du denn?«

»Denselben grauen Mann,« hauchte die Frau mit kaum hörbarer Stimme »– den ich bei dem Sturm in Deinem Zimmer sah –«

»Aber liebes, liebes Kind,« bat der Mann erschreckt und zugleich beunruhigt, daß seine Frau jenes Traumbild, wie er im Stillen gehofft, nicht etwa vergessen habe, sondern noch voll und scharf im Gedächtniß trage – »sieh nur, was für einen tollen Streich Dir Deine Einbildungskraft gespielt hat. Das war ja doch kein Gespenst, was Du gesehen, sondern ein Mensch von Fleisch und Blut, der kurz vor Dir zu mir kam und mich zu sprechen wünschte.«

»So hast Du ihn diesmal auch gesehen?« rief die Frau rasch und erschreckt.

»Gewiß,« lächelte Bertling, »und er ist auch gar nicht wie ein Geist eingetreten, sondern hat draußen geklingelt und ich habe ihm selber die Vorsaalthür aufgemacht.«

»Und ist er noch bei Dir?« rief die Frau, sich rasch im Sopha aufrichtend.

»Nein,« lautete die Antwort – »wie Du ohnmächtig wurdest, muß er fortgegangen sein, denn als ich nach der Lampe zurücksprang, war er verschwunden.«

»Verschwunden?«

»Nun hoffentlich nicht in die Luft,« lachte Bertling, aber doch etwas verlegen, denn es fiel ihm jetzt auf einmal ein, daß der Fremde in seinem ganzen Wesen wirklich etwas Räthselhaftes gehabt habe, und dabei merkwürdig rasch aus dem Zimmer gewesen sei. Wie war er nur hinausgekommen, denn er erinnerte sich nicht gesehen oder gehört zu haben, daß die Thür geöffnet wurde, was ihm doch kaum hätte entgehen können – »er – er wird fortgegangen sein, als er sah, daß ich mich nicht weiter mit ihm abgeben konnte.«

Seine Frau erwiderte nichts darauf. Sie schaute eine ganze Weile sinnend vor sich nieder, endlich sagte sie leise:

»Er saß auf dem nämlichen Stuhl, auf dem ich ihn damals gesehen habe – genau so wie in jener Nacht, mit dem rechten Arm auf der Lehne – er trug den nämlichen grauen Rock und sah eben so bleich aus und hatte dieselben großen geisterhaften Augen.«

»Aber liebe, liebe Auguste« bat der Mann, jetzt wirklich beunruhigt, »so gieb Dich doch nur nicht solch thörichten kindischen Gedanken hin, und mische nicht eine wirklich menschliche, wahrscheinlich sehr unbedeutende Persönlichkeit, mit Deinen Traumbildern zusammen. – Uebrigens,« setzte er rasch hinzu – »muß ihm ja auch die Rieke auf der Treppe begegnet sein, denn sie kam unmittelbar nach Dir – Rieke!« rief er dann zur Thür hinaus – »Rieke!«

»Jawohl –«

»Kommen Sie einmal einen Augenblick herein.«

Die Gerufene steckte den Kopf zur Thür herein.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
220 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
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