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Kitabı oku: «Unter Palmen und Buchen. Erster Band.», sayfa 5

Yazı tipi:

»Wenn Ihnen das eine Beruhigung gewährt, Herr Justizrath, so kann ich Ihnen gestehen, daß ich wirklich an jenem Abend in Ihrer Stube war und nur bedauere –«

»Kellner! Eine Flasche Wein – von Ihrem Besten – bringen Sie Champagner!« rief aber Bertling, der sich in diesem Augenblicke wirklich Mühe geben mußte, dem kleinen Mann nicht um den Hals zu fallen.

»Aber Herr Justizrath –«.

»Thun Sie mir den einzigen Gefallen und trinken Sie ein Glas Wein mit mir,« rief aber dieser in größter Aufregung »und, wenn Sie ein Bad von Champagner haben wollten, ich verschaffte es Ihnen jetzt. Nun aber sagen Sie mir auch, weshalb Sie so rasch verschwanden, mich nicht wieder aufsuchten und wo Sie, vor allen Dingen, die ganze Zeit gesteckt haben, denn kein einziger meiner Spürhunde konnte auch nur auf Ihre Fährte kommen.«

»Lieber Gott,« sagte der kleine Mann mit einem schweren Seufzer – »die Sache ist außerordentlich einfach und leicht erklärt, denn – wenn ich mich auch in einer gedrückten Lage befinde, habe ich doch nicht die geringste Ursache mich derselben zu schämen, da sie mich ohne mein Verschulden getroffen hat.«

»Darf ich es wissen?« frug der Justizrath, während der Kellner Wein und Gläser auf den Tisch stellte – »vielleicht kann ich helfen.«

»Ich stamme aus Königsberg« erzählte der kleine Mann, »und hatte durch Protection eine Anstellung als Lehrer in Mainz erhalten; dort ernährte ich mich aber nur kümmerlich, als ich die Nachricht erhielt, daß in meiner Vaterstadt ein guter Posten für mich offen geworden und ich dort an einem der ersten Gymnasien mit einem ganz vortrefflichen Gehalt einrücken könne. Ich gab meine Stelle in Mainz auf und machte mich auf den Weg. Schon seit längerer Zeit aber kränkelnd, erfaßte mich hier in Alburg ein heftiges Fieber, das eine Weiterreise unmöglich machte. Glücklicher Weise fand ich bei guten Menschen ein Unterkommen aber meine kleine Baarschaft schmolz entsetzlich zusammen und kaum wieder hergestellt, erfaßte mich die Angst, daß ich, wenn ich nicht rechtzeitig am Ort meiner Bestimmung eintreffen könnte, am Ende auch gar die Anstellung verlieren und dann gänzlich brodlos sein würde. Ich schrieb nach Königsberg, erhielt aber von dort nicht so rasche Antwort und in meiner Herzensangst beschloß ich mich an Sie, Herr Justizrath, zu wenden und Sie um ein Darlehn zu ersuchen, das ich Ihnen von meiner Vaterstadt aus leicht zurückerstatten konnte.«

»Aber woher kannten Sie mich?«

»Nicht Sie, Herr Justizrath, aber Sie haben einen Bruder in Königsberg, bei dem ich ein Jahr Hauslehrer war und auf dessen Zeugniß ich mich mit gutem Gewissen berufen durfte. Wie aber der Unfall mit Ihrer Frau Gemahlin stattfand, von dem ich keine Ahnung haben konnte, daß ich selber die unschuldige Ursache gewesen, da fühlte ich doch recht gut, daß das ein sehr schlecht gewählter Moment sei, um ein Darlehn zu erbitten und ich beschloß lieber am nächsten Morgen wieder vorzusprechen. Wie ich Sie mit der ohnmächtigen Dame beschäftigt sah, verließ ich das Zimmer und ging nach Haus.«

»Aber warum kamen Sie nicht am nächsten Morgen?«

»Weil ich noch an dem nämlichen Abend einen Brief von Königsberg erhielt, worin mir angezeigt wurde, daß es mit meinem Eintreffen dort Zeit bis zum Ersten nächsten Monats habe. Jetzt war ich im Stande mir mein Reisegeld vielleicht selber zu verdienen und brauchte Niemanden weiter zu belästigen. Der Mann, bei dem ich die Zeit gewohnt, war Copist, hatte aber in der letzten Zeit so viel drängende Arbeiten erhalten, daß er sich außer Stande sah, sie allein zu beendigen. Ich übernahm einen Theil und da mir noch vierzehn Tage Zeit bleiben, so hoffe ich bis dahin mein Reisegeld wenigstens zusammen gespart zu haben.«

»Und wieviel brauchen Sie dazu?« frug der Justizrath, der bis jetzt der einfachen Erzählung mit der gespanntesten Aufmerksamkeit gefolgt war, ohne den Erzählenden auch nur mit einer Sylbe zu unterbrechen. Nur eingeschenkt und getrunken hatte er dazu und seinen Gast ebenfalls stillschweigend durch Zuschieben des Glases genöthigt.

»Im Ganzen und mit dem, was ich hier noch zu zahlen habe, etwa 20 Thaler, aber 9 davon habe ich mir schon verdient – oh ich bin sehr fleißig gewesen die Zeit über und in den langen Tagen gar nicht aus meinem Zimmer, ja nicht ein einziges Mal an frische Luft gekommen. Nur heute mußte ich ausgehen und war eben im Begriff mir frisches Papier zu holen, denn ich kann nicht gut einen Tag versäumen.«

»Mein lieber Herr,« sagte da der Justizrath, »dagegen werde ich Einspruch erheben. Ihren heutigen Tag müssen Sie mir widmen, aber Sie sollen dadurch nicht zu Schaden kommen. Es gilt hier meine Frau zu überzeugen, daß sie sich durch einen Wahn, durch ein zufälliges Begegnen hat täuschen lassen und wenn Sie mir dazu behilflich sein wollen, so verfügen Sie über meine Casse. Mit Vergnügen steht Ihnen dann Alles zu Diensten, was Sie zu Ihrer Reise und vielleicht noch für sonstige Ausrüstung gebrauchen.«

»Herr Justizrath,« stammelte der Mann.

»Und glauben Sie um Gottes Willen nicht,« setzte Bertling rasch hinzu, »daß Sie mir dadurch zu irgend einem Dank verpflichtet würden; nein im Gegentheil, werde ich mich nachher noch immer als Ihren Schuldner betrachten und sollten Sie je in Verlegenheit kommen, so bitte ich Sie, sich vertrauensvoll an mich zu wenden.«

»Aber war ich nicht selber die Ursache dieses Unfalls?«

»Nein,« versetzte der Justizrath – »in Ihnen repräsentirte sich nur die frühere eingebildete Erscheinung und durch Sie hoffe ich deshalb meine Frau nicht allein zu überzeugen, daß ihre zweite Gespenstervision ein Irrthum war, sondern sie wird, während sie hierin die Täuschung erkennt, auch einsehen, daß das erste Traumbild nur in ihrer Phantasie gewurzelt haben konnte. Also wollen Sie sich mir heute zur Verfügung stellen?«

»Von Herzen gern,« sagte der kleine Mann, der durch den ungewohnten Champagner seine ganze Schüchternheit verloren zu haben schien. »Befehlen Sie über mich und was in meinen Kräften steht, will ich mit Freuden thun, – habe ich doch dadurch auch einen Theil dessen gut zu machen, was ich, freilich vollkommen ahnungslos, selber über Sie herauf beschworen.«

»Gut,« genehmigte Bertling, sich vergnügt die Hände reibend. – »So kommen Sie denn jetzt mit zu meinem Arzt und dort wollen wir das Weitere bereden, wie wir es am Besten anzufangen haben. Den Mittag sind Sie ohnedies mein Gast, wenn wir vielleicht auch noch nicht bei mir zu Hause diniren können. Vorher muß ich aber meine Frau jedenfalls auf Ihre Begegnung vorbereitet haben.«

Siebentes Capitel
Schluß

Der Doctor, eben im Begriff seine Patienten zu besuchen, war nicht wenig erstaunt, den Justizrath mit dem erbeuteten und so lange ersehnten Unruhestifter eintreffen zu sehen, nahm aber auch zu viel Interesse an der Sache, um nicht seine eigenen, selbst sehr nothwendigen Gänge für kurze Zeit aufzuschieben und das Nähere mit dem Justizrath zu bereden. Aufmerksam hörte er zunächst den kurzen Bericht an, der ihm über das Zusammentreffen gegeben wurde und die Frage war nur jetzt, wie Auguste mit ihrem leibhaften Traumbild zusammen gebracht werden konnte, ohne ihr einen neuen Schreck zu verursachen, der diesmal dauernde Folgen haben konnte.

Das zeigte sich denn auch nicht so leicht und die Männer überlegten zusammen eine ganze Weile hin und her, wie es am zweckmäßigsten zu arrangiren wäre. Der Justizrath schlug vor, den »grauen Mann« gleich zum Mittag-Essen mit nach Haus zu nehmen, um im hellen Sonnen-Licht jeden Gedanken an den häßlichen Spuck zu zerstören, – aber dagegen protestirte der Arzt.

»Damit setzen Sie Alles auf eine Karte,« rief er heftig aus, »denn Sie können gar nicht wissen, wie sich in dem Geist Ihrer Frau das Bild dieser geglaubten Spukgestalt erhalten oder entwickelt hat; bringen Sie ihr aber jetzt den Mann am hellen Tag, der dann natürlich mit einer höflichen, alltäglichen Verbeugung in's Zimmer tritt, so bürgt uns kein Mensch dafür, daß sie ihn als denselben wieder erkennt, den sie in jener Nacht gesehen und dann ist Alles verloren, denn nachher haben wir kein Mittel weiter, ihr zu beweisen, daß sie sich getäuscht. Unser Pulver ist verschossen und wir müssen der Natur und den Begebenheiten eben ihren Lauf lassen, ohne im Stande zu sein, an irgend einer Stelle hülfreich einzugreifen.«

»Aber was Anderes können wir thun?« rief der Justizrath – »der Gefahr, daß sie ihn nicht wieder erkennt, sind wir ja doch immer ausgesetzt.«

»Doch nicht immer,« sagte der Doctor, der ein paar Minuten mit raschen Schritten in seinem Zimmer auf- und abgegangen war – »ich glaube, ich weiß einen Ausweg.«

»Mein lieber Doctor –«

»Lassen Sie mich einmal sehen,« fuhr dieser fort. – »Jetzt habe ich keine Zeit, denn ich muß meine Patienten besuchen; vor Dunkelwerden können wir aber auch gar nichts in der Sache thun, und bis dahin bin ich in Ihrem Hause und bei Ihrer Frau. Bis dahin aber darf auch dieser Herr Ihrer Frau nicht vor Augen kommen. Speisen Sie zusammen im Hôtel – eine Ausrede ist bald gefunden, machen Sie, was Sie wollen, aber bringen Sie ihn nicht vor der Abenddämmerung in Ihr Haus.«

»Und dann?«

»Dann führen Sie ihn heimlich, ohne daß Ihre Frau etwas davon erfährt, in Ihr Zimmer, zünden wie gewöhnlich Ihre Lampe an, die auch ein wenig düster brennen darf und lassen sich den Herrn dann auf den nämlichen Stuhl setzen, auf dem er an jenem Abend gesessen hat und zwar genau in der nämlichen Stellung, den rechten Arm über der Lehne. – Ich glaube, Sie erwähnten das gegen mich.«

»Ja wohl. –«

»Schön. Sie selber kommen dann zu uns herüber, oder geben mir ein Zeichen daß Alles bereit ist und überlassen das Andere mir. Wollen Sie es so machen?«

»Bester Doctor, ich füge mich in Allem Ihrem Willen,« sagte der Justizrath, »aber – halten Sie es nicht für möglich, daß Auguste durch die plötzliche Wiederholung der Erscheinung zum Tod erschrecken könnte?«

»Natürlich darf sie den Herrn da nicht unvorbereitet antreffen,« rief der Doctor – »doch Sie wollen das ja mir überlassen. Außerdem werde ich noch vorher zu der kleinen Hofräthin Janisch gehen, sie in das Geheimniß einweihen und sie bitten uns zu unterstützen. Für jetzt ersuche ich Sie aber, mich zu entschuldigen, denn meine Zeit ist gemessen.«

»Und Sie vergessen nicht, noch vor Dunkelwerden zu mir zu kommen?«

»Ich vergesse nie etwas,« sagte der Doctor, nahm seinen Hut und stieg ohne Weiteres voran die Treppe hinunter.

Der Justizrath war jetzt ein wenig in Verlegenheit, was er mit seinem Schutzbefohlenen oder eigentlich Gefangenen, bis zum Mittagsessen anfangen solle, noch dazu da er auch gern einmal nach Haus gegangen wäre und ihn dorthin doch nicht mitnehmen konnte. Ueberließ er ihn aber bis dahin sich selbst, so war er der Gefahr ausgesetzt, ihn nicht wieder zu finden und das durfte er unter keiner Bedingung riskiren. Da blieb ihm nur ein Ausweg, mit dem Fremden in dessen Behausung zu gehen, um sich selber zu überzeugen, wo er wohne und wieder zu finden wäre.

Das geschah denn auch und nachdem Bertling in einer vollkommen abgelegenen Straße vier steile dunkle Treppen hinauf geklettert war, konnte er mit einiger Ruhe seinen eigenen Geschäften nachgehen. Er band dem kleinen Mann aber noch einmal auf die Seele, das Haus um keinen Preis zu verlassen, bis er selber zurückkäme, was aber bald geschehen würde, da er ihn um ein Uhr zum Mittagessen abhole.

Seine Frau fand der Justizrath noch ziemlich abgemattet, aber doch ruhig; sie hatte von dem, was sie die vorige Nacht mit wachenden Augen geträumt, keine Ahnung und sie fühlte nur die Folgen der unnatürlichen Aufregung, ohne sich dieser im Geringsten bewußt zu sein.

Um ein Uhr oder etwas vorher, entschuldigte sich Bertling, daß er mit einem Geschäftsfreund zu Mittag speisen müsse, da sie Beide, außer der Zeit, sehr beschäftigt wären, und er Vielerlei mit ihm zu besprechen hätte – zu sich hätte er ihn aber heute nicht einladen mögen, da Auguste doch noch so angegriffen sei.

Auguste dankte ihm dafür, denn sie befand sich in der That nicht in der Stimmung einen fremden Besuch zu empfangen; sie fühlte sich auch nie wohler, als wenn sie allein gelassen wurde und ihr Mann versprach ihr ja auch außerdem noch vor Abend wieder zu Haus zu sein und dann heute ganz bei ihr zu bleiben.

Sie aß allein auf ihrem Zimmer und legte sich dann ein wenig auf das Sopha, um auszuruhen; der Kopf that ihr weh und das Herz war ihr so schwer, als ob irgend ein nahendes Unheil sie bedrohe. Sie fing auch fast an, den dämmernden Abend zu fürchten und bereute schon, Theodor nicht gebeten zu haben, noch vor der Zeit zurück zu kehren. – Aber sie durfte auch nicht so kindisch sein. Wenn er seine Geschäfte besorgt hatte, kam er ja ohnedies schon immer von selber nach Hause.

Sie sollte aber ihren Nachmittag heute nicht allein verbringen, denn etwa um fünf Uhr kam Pauline herüber. Wenn diese aber auch lachend das Zimmer der Freundin betrat, erschrak sie doch sichtlich über deren bleiches Aussehen, über ihre tiefliegenden Augen und den schmerzlichen Zug um den Mund. Auf ihre theilnehmenden Fragen gab ihr Auguste aber nur ausweichende Antworten; sie scheute sich selbst der Freundin gegenüber das einzugestehen, was ihr die Brust beengte und ihr Herz mit einer wohl unbestimmten, aber nichts desto weniger peinigenden Angst erfüllte und Pauline, die das herausfühlte, war freundlich genug, auf ihren Wunsch einzugehen. Ihr lag aber jetzt besonders daran, die Freundin zu zerstreuen, und ohne daß Auguste es merkte, wußte sie das Gespräch auf das Abenteuer mit der Kartenschlägerin zu bringen. Nicht mit Unrecht glaubte sie, daß jene Aufregung wesentlich dazu beigetragen hatte, sie niederzudrücken, und war das wirklich der Fall, so kannte sie ein Mittel sie wieder aufzurichten.

»Denke Dir nur Schatz,« lachte sie, ganz wieder in ihrer, alten fröhlichen Laune, »ich bin jetzt unserer Kartenschlägerin auf die Spur gekommen.«

»Auf die Spur? – wie so?«

»Oder ich habe wenigstens einen Beweis erhalten, was es mit ihrer Kunst für eine Bewandniß hat.«

»In der That? – aber durch was?« frug Auguste gespannt.

»Du erinnerst Dich doch,« fuhr Pauline fort, »daß ich bei ihr anfragen wollte, wo ein mir gestohlenes Corallen-Halsband hingekommen sei und wo ich den Dieb zu suchen hätte. Sie ließ mich aber die Frage gar nicht stellen, denn jedenfalls hatte sie am Brunnen von unseren Mägden erfahren, daß ich das Halsband vermisse. In den letzten drei Tagen war auch wirklich bei uns von nichts Anderem gesprochen worden, und meine Köchin, wie ich es mir gedacht, schon bei der Alten gewesen, um sie um Rath zu fragen.«

»Also wirklich,« sagte Auguste.

»Du weißt auch, daß sie meinen Verdacht auf irgend eine Dame mit grünen Haubenbändern lenken wollte.«

»Allerdings – hatte sie sich geirrt?«

»Das Komische bei der Sache ist das,« lachte Pauline, »daß gar Niemand das Halsband gestohlen hat, sondern daß ich es heute morgen selber in einer kleinen Schieblade meines Secretairs fand, wohinein ich es neulich, wahrscheinlich in großer Zerstreutheit gelegt.«

»Es war gar nicht gestohlen?«

»Gott bewahre, folglich konnte die »Dame« mit den grünen Haubenbändern auch nicht der Dieb sein. Jetzt hab' ich der Sache aber näher nachgeforscht und von meinen Leuten erfahren, daß die alte Frau Heßberger eine ganz besondere Wuth auf meine Wäscherin hat, weil diese sie irgend einmal, wer weiß aus welchem Grund, ich glaube wegen Verleumdung, verklagt hat, und die Alte fünf Thaler Strafe zahlen mußte. Die Schusters-Frau scheint eine ganz durchtriebene Person zu sein und ich glaube, es ist sehr unnöthig, daß ihr liebenswürdiger Gatte, während sie ihre Kunst ausübt, geistliche Lieder singt, um den Teufel fernzuhalten, es scheint Alles sehr natürlich zuzugehen. –«

»Aber woher wußte sie –« wollte Auguste fragen, brach aber rasch und plötzlich mitten darin ab.

»Was, mein Herz?« frug Pauline – »etwa das, was sie Dir von einem grauen Mann sagte? Das wolltest Du mir ja heute erzählen und ich bin fest überzeugt, wir kommen der Sache ebenfalls auf die Spur. – Sieh mein Herz, mit all den Geistergeschichten läuft es ja doch jedesmal auf blinden Lärm hinaus, denn auch das was uns die Frau Präsidentin damals als Thatsache von der Kammgarnspinnerei erzählte, hat sich als ein einfacher Betrug herausgestellt.«

»Als Betrug?«

»Gewiß und gestern Abend haben sie die Thäter erwischt. Aber nun erzähle mir auch, was Dich drückt.«

Auguste zögerte noch, aber sie hatte der Freundin einmal versprochen, ihr das Geheimniß mitzutheilen und es that ihr selber wohl, irgend Jemand zu haben, dem sie ihr Herz vollkommen ausschütten konnte. So erzählte sie denn auch jetzt, während der Abend schon wieder zu grauen begann, von der ersten Erscheinung, die sie in ihres Mannes Zimmer gehabt und wollte eben zu dem zweiten Begegnen mit dem unheimlichen Wesen übergehen, als sie laute Stimmen auf dem Vorsaal hörten.

»Die Frau Justizräthin zu Haus?« – Es war des Doctors Stimme, die Magd erwiderte etwas darauf und gleich darauf klopfte es an die Thür.

Es war der Arzt, der seine Patientin zu besuchen kam. Er freute sich übrigens sie so wohl und munter zu finden und meinte, nach ein paar hingeworfenen Fragen: – »Aber wie mir scheint, habe ich die Damen in einer wichtigen Unterhaltung gestört – thut mir leid, aber wir Aerzte kommen oft ungelegen.«

»In einer Unterhaltung,« sagte da Pauline, »die auch Sie angeht, lieber Doctor, denn sie betrifft Augustens Krankheit ebenfalls mit – bitte, erzähle weiter, liebes Herz.«

»Aber Pauline,« sagte die Frau erschreckt, »das ist nicht Recht. Das was ich Dir erzählte, war nur für Dich bestimmt.«

»Aber mein gutes Kind,« sagte die junge Frau »wenn ich nicht sehr irre, so hat gerade diese Phantasie auf Dein körperliches Befinden den größten und zwar nachtheiligsten Einfluß ausgeübt, und wie kann Dich ein Arzt wieder herstellen, wenn er nicht die Ursache Deiner Krankheit erfährt.«

»Ich danke Ihnen, Frau Hofräthin, daß Sie mir da beistehen,« sagte der Doctor »und bitte Sie nun selber, beste Frau, mir nichts vorzuenthalten. Außerdem wissen Sie, wie ich Ihnen und Ihrem Mann zugethan bin und schon als Freund des Hauses, als der ich mich doch betrachten darf, ersuche ich Sie dringend mir Alles mitzutheilen.«

Die Justizräthin sträubte sich noch ein wenig, aber es half ihr Nichts; der Doctor versicherte sie dabei, daß ihr eigener Mann ihm schon einen Theil vertraut habe, er wisse also doch einmal, um was es sich handele und solcher Art gedrängt, erzählte Auguste denn das zweite, räthselhafte Begegnen jener Erscheinung, ja verhehlte sogar nicht, daß sie von einer Wiederholung derselben das Schlimmste fürchte.

Der Doctor hatte ihr schweigend zugehört – draußen wurde wieder eine Thür geöffnet und sein scharfes Ohr vernahm leise Schritte im Vorsaal. Er wußte, der Justiz-Rath war mit dem Mann im grauen Rock eingetroffen. Der Abend brach dabei immer mehr herein und der Doctor bat, daß man die Lampe anzünden möge, da eben die Dämmerstunden die besten Hülfsgenossen solcher Phantasien seien. Pauline fügte jetzt auch noch die Geschichte der Kartenschlägerin hinzu, zu der der Doctor nur lächelnd den Kopf schüttelte; endlich aber sagte er:

»Also, Sie fürchten eine dritte Erscheinung, liebe Frau Justizräthin, weil Sie durch die zweite die Bestätigung der ersten erhalten haben?«

»Ja,« hauchte die Frau.

»Sie würden auch« – fuhr der Doktor fort, »wie Sie mir ja selber gestanden haben, ohne die zweite geneigt gewesen sein, die erste als eine bloße Phantasie, als eine Ueberreizung Ihrer Nerven anzusehen, nicht wahr?«

»– Ja –« erwiderte die Frau wieder, doch etwas zögernd.

»Schön,« nickte der Doctor vor sich hin, »wenn ich nun hier mit meinem Zauberstab« und er hob seinen Stock, den er noch in der Hand hielt, »Ihnen selber die Erscheinung zum dritten und letzten Mal heraufbeschwören würde, wobei ich Ihnen zugleich beweisen könnte, daß wir es mit nichts Anderem, als einem vollkommen compacten Wesen aus Fleisch und Blut zu thun haben, – würden Sie mir dann zugestehen, daß Sie sich geirrt, und daß solche Erscheinungen im Allgemeinen, und hier auch im Besondern, nie und nimmer als etwas Anderes betrachtet werden dürfen, wie als krankhafte Ausgeburten der Phantasie?«

»Jene Erscheinung heraufbeschwören?« frug Auguste ordentlich erschreckt.

»Ja – aber nicht etwa aus dem Boden, wie einen Geist, sondern wie es sich gebührt, die Treppe herauf,« lachte der Doctor. »Würden Sie mir versprechen, sich recht tapfer dabei zu halten und ehe Sie uns wieder ohnmächtig werden, erst einmal genau zu prüfen, ob Sie es mit einem Geist oder einem wirklichen Menschen zu thun haben?«

»Ich begreife Sie nicht,« – stammelte die Frau.

»Ist Ihr Mann nicht zurückgekehrt?« sagte der Doctor und horchte nach dessen Thür hinüber – »ich dächte, ich hätte ihn in seiner Stube gehört – he Justizrath?« rief er, indem er aufstand und an jene Thür klopfte.

»Ja ich komme gleich« – antwortete Bertlings Stimme.

»Und wann soll ich ihn sehen?« rief die Frau, die sich einer leichten Anwandlung von Furcht nicht erwehren konnte.

»Wann? – jetzt gleich, wenn Sie wollen,« lachte der Arzt. »Vorher muß ich Ihnen aber noch bemerken, daß der berühmte Mann im grauen Rock, vor dem Sie einen solchen Respect haben, richtig aufgefunden ist – denn was spürte die Polizei nicht heraus, wenn man ihr nur ihre Zeit läßt – und er hat sich als ein vollkommen achtbares, aber auch eben so harmloses Individuum herausgestellt, das damals nicht etwa ein überirdischer Auftrag, sondern ein sehr irdisches Verlangen nach einer kleinen Summe Geldes zu Ihrem Gatten getrieben hatte. Der gute Mann ist aber etwas schüchterner Natur und da Sie bei seinem Anblick ohnmächtig wurden, hielt er sich für überflüssig und ging seiner Wege. Diesmal wird er aber nicht verschwinden und ich frage Sie jetzt noch einmal, fühlen Sie sich in diesem Augenblick stark genug, Ihrem vermutheten Gespenst nicht allein noch einmal zu begegnen, sondern ihm auch guten Abend zu sagen und nachher sogar eine Tasse Thee mit ihm zu trinken?«

»Doctor – wenn Sie mir die Ueberzeugung geben könnten!« rief die Frau, indem sie von ihrem Stuhl emporsprang.

»Schön« sagte der Doctor, »dann bitte, geben Sie mir Ihren Arm. – Sie sind ja sonst ein vernünftiges Frauchen,« setzte er herzlich hinzu, »und werden sich doch wahrhaftig Ihren klaren Verstand nicht von einer bloßen Einbildung todtschlagen lassen. – Also jetzt kommt die Geisterbeschwörung und danach hoffe ich Sie wieder so munter und heiter zu sehen, wie nur je.«

Er ließ ihr auch keine Zeit zu weiteren Einwendungen, nahm ihren Arm und führte sie der Thür von ihres Gatten Zimmer zu.

»Können wir eintreten?« rief er hier, indem er anklopfte.

»Nur herein!« tönte des Justizraths frische Stimme, allein als der Doctor die Thür aufwarf, fühlte er wie die Justizräthin an seinem Arm zusammenzuckte. Pauline war jedoch schon an ihre andere Seite getreten, um sie im Nothfall zu unterstützen. Aber die junge Frau hatte nicht zu viel versprochen, wenn sie sagte, daß sie sich stark fühlte und doch gehörte viel Willenskraft dazu, dem was sie bis dahin für eine furchtbare Wirklichkeit gehalten – eine Botschaft aus der Geisterwelt – jetzt wieder, genau wie an jenem Abend, zu begegnen und ruhig dabei zu bleiben.

Auf dem Tisch stand die Lampe und warf ihren düsteren Schein über das kleine Gemach, links neben dem Tisch saß der Justizrath – rechts neben dem Ofen, den rechten Arm über die Stuhllehne, das etwas bleiche Antlitz der Thür zugedreht – Auguste mußte tief Athem holen, denn ein unsagbares Etwas schnürte ihr die Brust zusammen, – saß der Mann im grauen Rock, genau wie sie ihn an jenem Abend gesehen, in jeder Miene, in jeder Falte seines Rockes.

»So meine liebe Frau Justizräthin«, rief aber der Doctor jetzt – »hier habe ich also das Vergnügen Ihnen unseren Buzemann, unser Schreckgespenst vorzustellen. Herrn Conrad Wohlmeier aus Königsberg – Herr Wohlmeier, Frau Justizräthin Bertling – bitte reichen Sie ihr die Hand, damit sie nicht etwa glaubt, Sie beständen blos aus Kohlenstoff und Stickstoffgas.«

Der kleine Mann war etwas verlegen von seinem Stuhl aufgestanden und der ihn noch immer starr ansehenden Frau die Hand entgegenreichend, sagte er:

»Frau Justizräthin, es sollte mir unendlich leid thun, wenn Sie mich für einen Geist gehalten haben. – Ich bin nur ein armer Gymnasiallehrer, der –«

»Bravo«! rief der Doctor lachend aus, »das war eine vortreffliche Rede, die Sie da gehalten haben, und nun, meine liebe Frau Justizräthin, sind Sie jetzt überzeugt, daß Sie Ihrem guten Mann ganz nutzlos eine Menge Sorge und Noth gemacht und sich selber in besonders thörichter Weise gequält und geängstigt haben?«

»Lieber Doctor – wie soll ich Ihnen danken?« sagte die Frau, während Bertling auf sie zu ging und sie umarmte und küßte.

»Und jetzt!« rief Pauline lachend aus, »wollen wir auch noch den letzten Zeugen herein holen, der eine ganz vortreffliche Erklärung abgeben kann, woher die Frau Heßberger etwas von dem Mann im grauen Rock gewußt« – und damit sprang sie nach der Thür des Doctors, um die Rieke herein zu rufen – aber die Thür war fest verschlossen und der Schlüssel abgezogen. –

»Nun was ist das?« frug sie – »die Thür ist ja zu.«

»Hm, ja,« lachte der Justizrath, aber doch etwas verlegen, »da ich – da ich doch nicht wissen konnte, wie die Sache heute ablief, so –«

»So hat er die Thür abgeschlossen, daß ihm der Geist nicht wieder davonlaufen konnte!« jubelte der Doctor – »das ist vortrefflich. Justizrath, Sie sind ein Schlaukopf.«

Die Rieke wurde indessen hereingeholt und bestätigte, was sie schon an dem Nachmittag der Justizräthin gestanden, daß sie an jenem Abend die Frau Heßberger unten im Haus getroffen und sie gefragt habe, ob sie keinen Mann in einem grauen Rock gesehen, der so plötzlich weg gewesen wäre und über den sich die Frau so geängstigt hätte, daß sie ohnmächtig geworden wäre. Danach konnte sich die Kartenschlägerin wohl denken, daß die Erwähnung jenes Mannes noch frisch in der Erinnerung der Justizräthin sein würde und in der Art solcher Frauen benutzte sie das geschickt genug.

Der Doctor schwur übrigens, daß er der Gesellschaft da oben über kurz oder lang das Handwerk legen lassen werde, denn er versicherte, daß ihm in letzter Zeit schon verschiedene Fälle vorgekommen wären, wo sie mit ihren so genannten Prophezeihungen Unheil gestiftet oder den Leuten sehr unnöthiger Weise Kummer und Herzeleid bereitet hätten.

Unter der Zeit deckte die Rieke den Tisch und die kleine Gesellschaft setzte sich dann unter Lachen und heiteren Gesprächen – die Justizräthin zwischen den Doctor und »den Mann im grauen Rock« – zu dem frugalen aber fröhlichen Mahle nieder. Von dem Abend an aber verließen jene bösen Träume die Justizräthin, denn zu fest hatte sie an die Erscheinung geglaubt, um nicht jetzt, wo ihr der unleugbare Beweis des Gegentheils geworden, auch nicht die ganze Gespensterfurcht fallen zu lassen. Der Justizrath aber, seinem Wort getreu, und nur zu glücklich, sein liebes Weib von jenem unheilvollen Gedanken geheilt zu sehen, beschenkte den kleinen Lehrer noch an dem nämlichen Abend so reichlich, daß er am nächsten Morgen, jeder Sorge enthoben, seine Heimreise und dann seine Stellung in der Vaterstadt antreten konnte.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
220 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
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