Kitabı oku: «Das Dekameron», sayfa 14
Die Kiste blieb demnach in der Kammer stehen, und als es Nacht ward und die Stunde kam, da Ambrogiuolo vermutete, dass die Dame im ersten Schlaf läge, öffnete er den Deckel und schlich ganz leise heraus. Bei dem Lichte einer Kerze, die in der Kammer brannte, betrachtete er die ganze Einrichtung, die Gemälde und andere in die Augen fallende Gegenstände und prägte sie sich genau ins Gedächtnis. Hierauf nahte er sich dem Bett, und weil er fand, dass die Dame nebst einem kleinen Mädchen, das neben ihr lag, ganz fest eingeschlafen war, so schlug er die Decke zurück und hatte volle Muße, sie zu betrachten und sie nackt noch schöner zu finden als bekleidet. Er suchte lange Zeit vergeblich nach irgendeinem besonderen Zeichen an ihrem Leibe, auf das er sich berufen könnte, bis er endlich ein kleines Muttermal unter ihrer linken Brust gewahr ward, das mit fünf oder sechs goldenen Härchen umgeben war. Sobald er dies gesehen, deckte er sie sacht wieder zu, obwohl er beim Anbilde ihrer Schönheit in Versuchung geriet, sein Leben daran zu wagen und sich ihr zur Seite zu legen, allein er hatte zu viel von der Strenge ihres Wandels gehört, um dieses Wagestück zu unternehmen. Nachdem er also einen großen Teil der Nacht Zeit genug gehabt hatte, sich ungestört in der Kammer umzutun, nahm er aus einer ihrer Kisten eine Börse, ein Kleid, Ringe und Gürtel, schlich sich damit wieder in seinen Kasten, den er verschloss, und fuhr in der folgenden Nacht fort, alles auszukundschaften, ohne dass die Dame etwas davon merkte. Am dritten Tage kam die Frau, der Abrede gemäß, wieder, um ihren Kasten abzuholen und ihn dahin zu bringen, wo sie ihn hergeholt hatte, worauf Ambrogiuolo herausstieg, der Frau die versprochene Belohnung gab und sich mit den entwendeten Sachen eiligst auf den Weg nach Paris machte, wo er vor Ablauf der verabredeten Frist eintraf.
Hier rief er die Kaufleute zusammen, die bei der Unterredung und bei der Wette zugegen gewesen waren, und sagte in Bernabos Gegenwart zu ihnen, er habe die Wette gewonnen, die zwischen ihnen beiden geschlossen worden, indem er das ausgeführt habe, wozu er sich anheischig gemacht. Zum Beweise dessen beschrieb er zuerst die Lage der Kammer und die darin befindlichen Gemälde und zeigte hernach die Sachen vor, die er mitgebracht hatte und die er vorgab, von der Dame erhalten zu haben.
Bernabo gab zu, dass die Kammer so beschaffen wäre, wie er behaupte, und dass die vorgezeigten Sachen wirklich seiner Frau gehört hätten. Allein er meinte, jener könne leicht durch einen von der Dienerschaft des Hauses die Beschaffenheit des Zimmers erfahren und auf gleiche Weise die Sachen erhalten haben. Wenn er demnach nichts weiter für sich zu sagen hätte, so schienen ihm diese Beweise noch nicht hinreichend, um die Wette zu seinem Vorteil zu entscheiden. „In der Tat“, sagte Ambrogiuolo, „müsste dieses wohl hinreichend sein. Weil du aber verlangst, dass ich noch mehr sagen soll, so will ich es tun und will dir sagen, dass Madonna Ginevra, deine Frau, ein ziemlich großes Mal unter ihrer linken Brust hat, das mit einem halben Dutzend goldblonder Härchen umwachsen ist.“
Diese Worte fuhren Bernabo wie ein Dolchstich durchs Herz, und der Schmerz darüber verwandelte sein Gesicht so sehr, dass man, wenn er auch kein Wort gesagt hätte, deutlich sehen konnte, was Ambrogiuolo gesprochen habe, müsse wahr sein. Nach einer kleinen Pause sagte er: „Meine Herren, was Ambrogiuolo erzählt, ist wahr. Und da er gewonnen hat, so mag er sein Geld empfangen, wenn es ihm gefällt.“
Am folgenden Tage ward Ambrogiuolo das Geld wirklich ausbezahlt, und Bernabo entfernte sich von Paris und machte sich auf den Weg nach Genua, das Herz voll Rachgier gegen seine Frau. Als er in die Nähe von Genua kam, wollte er nicht hineingehen, sondern blieb in einer Entfernung von ungefähr zwanzig Meilen in einem seiner Landhäuser und schickte einen vertrauten Diener mit zwei Pferden und mit einem Brief in die Stadt, in dem er seiner Frau seine Ankunft meldete und ihr befahl, mit dem Überbringer zu ihm zu kommen. Dem Diener aber gab er heimlich den Befehl, sobald er sich mit der Dame an einem entlegenen Orte befände, der ihm geeignet schiene, sie ohne Barmherzigkeit zu ermorden und zu ihm zurückzukehren.
Der Diener kam nach Genua und übergab den Brief. Die Dame empfing ihn mit großen Freuden, stieg mit ihm am folgenden Morgen zu Pferde und nahm den Weg nach dem Landhause. Indem sie unterwegs von mancherlei Dingen sprachen, kamen sie an ein tiefes, einsames, von hohen Felsen und Bäumen eingeschlossenes Tal, das dem Diener der Ort zu sein schien, wo er den Befehl seines Herrn am sichersten vollziehen könnte. Er zog demnach seinen Dolch, ergriff die Dame beim Arm und sagte: „Madonna, empfehlt Eure Seele Gott, Ihr müsst auf der Stelle sterben.“
Die Dame, die den gezückten Dolch sah und die schrecklichen Worte vernahm, rief voll Angst: „Um Gottes willen habe die Barmherzigkeit, ehe du mich tötest, mir zu sagen, womit ich dich beleidigt habe, dass du mich morden willst.“ „Madonna“, sprach der Diener, „mich habt Ihr nicht beleidigt. Was Ihr aber gegen Euren Gemahl müsst gesündigt haben, das weiß ich nicht. Aber er ist‘s, der mir befohlen hat, Euch ohne Barmherzigkeit auf dieser Reise ums Leben zu bringen, und wenn ich es nicht tue, so hat er mir gedroht, mich aufhängen zu lassen. Ihr wisst, wie viel ich ihm zu danken habe und dass ich ihm nichts abschlagen kann, das er von mir verlangt. Gott weiß, Ihr dauert mich. Allein ich kann‘s nicht ändern.“
„Um des Himmels willen“, bat ihn die Dame mit Tränen, „werde nicht zum Mörder an mir, einem anderen zu Gefallen, da ich dich nie beleidigt habe! Gott, der alles sieht, weiß, dass ich nie etwas begangen habe, wofür ich von meinem Gemahl einen solchen Lohn verdiente. Aber dies einmal beiseite gelassen, so kannst du doch zu gleicher Zeit Gott und deinem Herrn und mir gefällig sein, und zwar auf diese Weise: Du nimmst meine Kleider und gibst mir nur deinen Wams und einen Überrock und kehrst zurück zu deinem und meinem Herrn und sagst ihm, du habest mich umgebracht. Ich schwöre dir dagegen bei dem Leben, das du mir schenkst, mich von hier zu entfernen und so weit zu gehen, dass weder er noch du noch jemand in diesem Lande das Geringste wieder von mir erfahren soll.“
Der Diener, der ungern an ihr zum Mörder geworden wäre, ließ sich leicht zum Mitleid bewegen. Er nahm ihre Kleider, gab ihr ein schlechtes Wams und einen Überrock und ließ ihr das wenige Geld, das sie bei sich hatte. Und indem er sie nochmals bat, sich aus der Gegend zu entfernen, ließ er sie in dem Tal zu Fuß zurück und kam zu seinem Herrn, dem er versicherte, er habe seinen Befehl nicht nur ausgerichtet, sondern auch gesehen, wie die Wölfe bereits über den Leichnam hergefallen wären. Bernabo kam kurz darauf nach Genua, und als seine Tat bekannt ward, verdammte sie ein jeder.
Die verlassene und bekümmerte Frau verkleidete und machte sich unkenntlich, so gut sie konnte. Bei anbrechender Nacht schlich sie in ein nahegelegenes Dorf, wo sie von einer guten Frau das erhielt, was sie brauchte, um das Wams nach ihrem Leibe zurechtzuschneiden und den Mantel in ein Paar Pantalons umzuwandeln; worauf sie ihr Haar kurz abschnitt, sich das Ansehen eines Matrosen gab und sich alsdann aufmachte und nach der Seeküste ging, wo sie von ungefähr einen Edelmann aus Katalonien, namens Sennor Encarach, antraf, der sein Schiff, das nicht weit davon vor Anker lag, bei Alba verlassen hatte, um sich bei einem Brunnen zu erfrischen. Sie ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein und ward mit ihm einig, bei ihm Dienst zu nehmen. Unter dem Namen Sicurano von Finale ging sie mit ihm an Bord. Sicurano ward nunmehr von seinem Herrn besser gekleidet und bediente ihn so geschickt und mit solchem Eifer, dass er sich sehr bei ihm in Gunst setzte.
Nicht lange danach schiffte der Katalonier mit einer Ladung Waren nach Alessandria und nahm einige auserlesene Falken für den Sultan mit, die er ihm überreichte. Dieser zog ihn einige Male zur Tafel, und wie er das Betragen des Sicurano, der ihn immer bediente, beobachtete und Gefallen an ihm fand, bat er den Katalonier, ihn ihm zu überlassen. Der tat es auch, obwohl er ihn ungern entbehrte. Sicurano erwarb sich in kurzer Zeit durch sein Wohlverhalten die Liebe und Zuneigung des Sultans in eben dem Maße, in dem er sich bei dem Katalonier beliebt gemacht hatte, daher es sich denn nach einiger Zeit begab, dass in Akka zu einer gewissen Jahreszeit ein öffentlicher Markt gehalten ward, wo sich eine große Menge christlicher und sarazenischer Kaufleute versammelten, und wohin der Sultan zur Sicherheit der Kaufleute und ihrer Waren jederzeit außer anderen Offizieren auch einen von den Großen seines Hofes mit einer gehörigen Wache zu schicken pflegte, um auf alles ein Auge zu haben. Als die Zeit herankam, entschloss der Sultan sich, Sicurano in dieser Eigenschaft dahin zu schicken, der die Sprache des Landes bereits genügend beherrschte.
Als nun Sicurano als Befehlshaber der Stadt und Hauptmann der Wache zur Sicherheit der Kaufleute und ihrer Güter nach Akka kam und seinen Dienst mit allem Fleiß versah, traf er, indem er allenthalben umherging, eine Menge Kaufleute, Sizilianer, Pisaner, Genuesen, Venezianer und andere Italiener, und unterhielt sich sehr gerne mit ihnen in Erinnerung an seine Heimat. Wie er nun auch einmal in das Gewölbe eines Venezianers kam, ward er unter anderen hübschen Sachen auch eine Börse und einen Gürtel gewahr, die er sogleich für die seinigen erkannte und sich darüber verwunderte, doch ließ er sich nichts merken und fragte nur sehr höflich, wem die Sachen gehörten, und ob sie verkäuflich seien.
Ambrogiuolo von Piacenza, der auch mit vielen Waren auf einem venezianischen Schiffe dahin gekommen war und hörte, dass der Befehlshaber der Wache nach diesen Sachen fragte, kam geschwind herzu und sagte lachend: „Herr, die Sachen gehören mir und sind mir nicht feil; wenn sie Euch aber gefallen, wird es mir eine Ehre sein, wenn Ihr sie als Geschenk annehmt.“
Sicurano schloss aus seinem Lachen, dass er an irgendeinem Zuge ihn vielleicht erkannt hätte, er nahm also eine ernsthafte Miene an und sagte: „Du lachst vielleicht darüber, dass ein Mann, der Waffen trägt wie ich, nach solchen Weibersachen fragt?“
„Herr“, sprach Ambrogiuolo, „ich lachte nicht darüber, sondern über die Art und Weise, wie ich zu diesen Sachen gekommen bin.“
„Wenn Ihr nicht besondere Ursache habt, ein Geheimnis daraus zu machen“, sprach Sicurano, „so erzählt uns doch bitte, wie Ihr sie gewonnen habt.“ „Herr“, sprach Ambrogiuolo, „sie wurden mir einst nebst anderen Sachen von einer hübschen Genueserin geschenkt, namens Madonna Ginevra, der Frau eines gewissen Bernabo Leomellin, nachdem ich die Nacht mit ihr zugebracht hatte, und sie bat mich, sie zum Andenken an sie zu behalten. Ich musste jetzt lachen, weil mir eben die Narrheit ihres Mannes einfiel, die so weit ging, dass er fünftausend Goldgulden gegen tausend mit mir wettete, dass ich bei seiner Frau meinen Willen nicht erreichen würde; allein es geschah, und ich gewann die Wette, und er, der sich lieber selbst für seine Dummheit hätte bestrafen sollen als seine Frau, die nichts mehr tat, als was alle anderen Weiber tun, ließ sein Weib umbringen, wie ich hernach gehört habe, sobald er von Paris nach Genua zurückkam.“
Sicurano merkte nun deutlich aus dieser Erzählung, was Bernabo so sehr gegen seine Frau aufgebracht hatte, und dass Ambrogiuolo an all ihrem Unglück schuld war. Er nahm sich augenblicklich fest vor, ihn nicht ungestraft entwischen zu lassen. Er stellte sich demnach gegen Ambrogiuolo, als ob er besonderes Wohlgefallen an dieser Geschichte hätte, und wusste sich so geschickt sein Zutrauen zu erwerben, dass er nach geendigtem Markt samt allen seinen Sachen mit ihm nach Alessandria zog, wo ihm Sicurano einen Laden einrichten ließ und ihm eine gute Summe Geldes vorstreckte, sodass er gern dablieb, weil er seinen Vorteil dabei fand.
Sicurano ließ es sich inzwischen sehr angelegen sein, Bernabo die Unschuld seiner Frau darzutun, und er ruhte nicht eher, bis er mit Hilfe einiger angesehener, genuesischer Kaufleute ein Mittel fand, ihn nach Alessandria zu locken, wo er endlich in armseligen Umständen ankam und wo ihn ein vertrauter Freund des Sicurano so lange heimlich beherbergen musste, bis es diesem schien Zeit zu sein, sein Vorhaben auszuführen. Er hatte bereits Gelegenheit genommen, Ambrogiuolo sein Märchen in Gegenwart des Sultans erzählen zu lassen und diesen damit zu ergötzen. Jetzt aber, da Bernabo angekommen war, säumte er nicht lange, sondern bat zu gelegener Zeit den Sultan, Ambrogiuolo und Bernabo zugleich vor sich kommen zu lassen und den Ersteren, wenn er sich nicht gutwillig dazu bequemen wolle, mit Gewalt zu zwingen, in Gegenwart des Bernabo die reine Wahrheit zu erklären, wie es mit dem Abenteuer zusammenhinge, das er mit der Gattin des Bernabo gehabt zu haben sich rühme. Als demnach Ambrogiuolo und Bernabo vorgeführt wurden, befahl der Sultan dem Ersteren in Gegenwart vieler Personen recht ungnädig, die reine Wahrheit zu erzählen, auf welche Art er Bernabo einst fünftausend Goldgulden abgewonnen habe. Auch Sicurano, der anwesend war und auf den Ambrogiuolo sein Vertrauen setzte, drohte ihm gleichfalls, Zorn im Blicke, die grausamsten Martern, wenn er nicht die Wahrheit bekenne, sodass Ambrogiuolo, dem man von allen Seiten zusetzte und der sich keine größere Strafe vermutete, als dass er die fünftausend Goldgulden dem Bernabo würde zurückgeben müssen, ohne dass es weiteren Zwanges bedurft hätte, in dessen Gegenwart und vieler anderen rein heraus bekannte, wie sich die ganze Sache verhielte.
Nachdem Ambrogiuolo alles gebeichtet hatte, wandte sich Sicurano, als des Sultans Stellvertreter, an Bernabo und fragte ihn: „Was tatest denn du infolge dieser Lüge mit deiner Frau?“
„Ich ließ mich“, sprach Bernabo, „von meinem Verdruss über den Verlust meines Geldes und über die Schande, die mir, wie ich glaubte, mein Weib zugefügt hatte, verleiten und befahl einem meiner Diener, sie umzubringen, der mir auch erzählt hat, sie sei alsobald von den Wölfen gefressen worden.“
Nachdem diese Geschichten in Gegenwart des Sultans waren erzählt und von ihm gehört und verstanden worden, und er aber noch immer nicht wusste, wohinaus Sicurano, der dieses alles verlangt und angestellt hatte, wolle, sprach dieser zu ihm: „Gnädiger Herr, Ihr seht nun klar genug, wie sehr sich die gute Frau ihres Ehemannes und ihres Liebhabers zu rühmen hatte. Der Liebhaber raubt ihr in einer einzigen Stunde ihre Ehre, indem er ihren guten Ruf durch Lügen befleckt, und zugleich die Liebe ihres Mannes. Und der Mann, der den Lügen eines Fremden mehr Glauben gibt als der Wahrheit, die ihm aus langer Erfahrung bekannt war, lässt sie totschlagen und von Wölfen zerreißen. Überdies gehen die Liebe und das Gefühl des Mannes und des Liebhabers für sie so weit, dass sie beide eine lange Zeit mit ihr an einem Orte wohnen, ohne dass einer von ihnen sie erkennt. Weil Ihr jedoch am besten wisst, was ein jeder von ihnen verdient hat, so will ich, wenn Ihr mir die besondere Gnade erweisen wollt, den Betrüger zu bestrafen und dem Betrogenen zu verzeihen, die Frau selbst vor Euch und ihnen hier erscheinen lassen.“
Der Sultan, der Sicurano zu willfahren wünschte, sagte es ihm zu und befahl ihm, die Frau kommen zu lassen. Bernabo, der sie ganz gewiss für tot hielt, erstaunte darüber gewaltig, und Ambrogiuolo, der sein Unglück kommen sah, fing schon an, zu besorgen, ob er mit einer Geldstrafe davonkommen würde, und wusste nicht, ob er die Ankunft der Dame mehr wünschen oder fürchten sollte, doch erwartete er mit ängstlicher Neugier ihre Ankunft.
Als nun der Sultan Sicurano seine Erlaubnis gegeben hatte, warf sich dieser weinend zu seinen Füßen, ließ auf einmal die männliche Stimme und alle Ansprüche auf männliches Wesen fahren und sagte: „Gnädiger Herr! Ich selbst bin diese arme, unglückliche Ginevra, die sechs Jahre lang in männlicher Kleidung in der Welt umherwanderte, von diesem Verräter Ambrogiuolo fälschlich und boshaft verleumdet, und von jenem hartherzigen und unbilligen Mann einem Knechte überantwortet, dass er mich töte und den Wölfen vorwerfe.“ Sie überführte zu gleicher Zeit den Sultan und alle Anwesenden, indem sie ihr Wams aufriss und ihre Brust entblößte, dass sie ein Weib war. Hierauf fragte sie mit ernstem, strafendem Blick Ambrogiuolo, ob er jemals, so wie er sich gerühmt, Gunstbezeigungen von ihr empfangen habe. Als er sie jetzt erkannte, verschloss die Scham ihm den Mund, und er konnte kein Wort antworten. Der Sultan, der sie beständig für einen Mann gehalten hatte, ward so verwundert über alles, was er sah und hörte, dass er mehr als einmal seinen eigenen Augen und Ohren nicht traute und alles mehr für einen Traum als für Wirklichkeit hielt. Wie endlich seine Verwunderung sich legte und die Wahrheit ihm einleuchtete, konnte er nicht aufhören, die kluge Führung, die Standhaftigkeit, die Sitten und Tugenden der Ginevra zu loben. Er ließ ihr schöne und vornehme Kleider geben und einige Damen zu ihrer Aufwartung bestellen und schenkte auf ihre Bitte Bernabo die verdiente Todesstrafe.
Dieser erkannte seine Schuld, warf sich ihr weinend zu Füßen und bat sie um Verzeihung, die sie ihm auch gern gewährte, so wenig er sie auch verdient hatte. Darauf befahl der Sultan, Ambrogiuolo unverzüglich an einem hochgelegenen Platz der Stadt an einen Pfahl zu binden, ihn mit Honig zu beschmieren und ihn nicht eher wieder abzunehmen, als bis seine Knochen von selbst auseinanderfielen. Solches geschah. Ferner befahl er, alles Eigentum des Ambrogiuolo der Ginevra zu überschreiben, welches reichlich zehntausend Dublonen betragen mochte. Er veranstaltete auch ein großes Fest, an dem er Bernabo als Madonna Ginevras Gemahl, und sie selbst als ein Muster vortrefflicher Frauen feierte, und ihr an Kleinoden, an Gold- und Silbergerät und barem Geld so viel schenkte, dass es zusammen mehr als noch einmal zehntausend Dublonen betrug.
Nach geendigtem Feste ließ er ein Schiff ausrüsten und erlaubte ihnen, nach ihrem Gefallen nach Genua zurückzukehren. Dort kamen sie auch glücklich und mit großen Reichtümern an und wurden mit vielen Ehrenbezeigungen aufgenommen, besonders Madonna Ginevra, die jedermann für tot gehalten hatte und die von nun an lebenslang als Vorbild weiblicher Tugend allgemein geehrt ward.
Ambrogiuolo ward noch an demselben Tage, an dem man ihn an den Pfahl band und mit Honig bestrich, von den Fliegen, Wespen und Hornissen, die in jenen Gegenden sehr häufig sind, nicht nur unter unsäglichen Qualen getötet, sondern auch bis auf die Knochen verzehrt, und sein weißgebleichtes Gebein, von den Sehnen zusammengehalten und von niemandem berührt, diente noch lange Zeit den Vorübergehenden zu einem warnenden Denkmal seiner Bosheit. So bewährte sich wieder einmal das Sprichwort: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
ZEHNTE NOVELLE
Paganino von Monaco raubt dem Herrn Ricciardo di Chinzica seine Frau. Als dieser ihren Aufenthalt erfährt, geht er hin, schließt Freundschaft mit Paganino und fordert seine Frau wieder. Paganino verspricht, sie ihm zurückzugeben, wenn sie selbst damit zufrieden ist. Sie hat aber keine Lust, zu ihm zurückzukehren. Nach Ricciardos Tode wird sie die Frau des Paganino.
Ein jedes Mitglied der ehrbaren Gesellschaft lobte die schöne Erzählung der Königin, am meisten aber Dioneo, dem nun allein an diesem Tage noch übrig blieb, seine Geschichte zu erzählen. Nach vielen Lobsprüchen auf seine Vorläuferin sagte er:
Meine schönen Damen! Ein Umstand in der Erzählung unserer Königin bewegt mich, euch statt des Geschichtchens, das ich schon im Sinn hatte, ein anderes zu erzählen, und zwar ist dieses die große Einfalt des Bernabo, so glücklich er dabei auch immer noch wegkam, und aller derer, die so wie er sich einbilden, dass ihre Frauen, indes sie selbst in der Welt herumschwärmen und sich bald mit dieser, bald mit jener die Zeit vertreiben, zu Hause sitzen und die Hände in den Schoß legen sollen, als wenn wir, die wir unter ihnen geboren und erzogen werden, leben und weben, nicht längst wüssten, was ihnen am besten behagt. Indem ich euch nun meine Geschichte erzähle, sollt ihr nicht nur gewahr werden, wie große Narren jene Leute sind, sondern wie viel größere Narren die, welche sich für mächtiger halten als die Natur und wähnen, durch fabelhafte Vorspiegelungen das zu erhalten, was sie auf andere Art nicht zuwege bringen können, und sich bemühen, andere mit sich selbst über einen Kamm zu scheren, da sich doch die Natur nicht austreiben lässt.
Es war einmal in Pisa ein Richter, der wohl mehr mit Verstand als mit körperlichen Kräften begabt war, namens Messer Ricciardo di Chinzica, der sich vielleicht einbildete, bei einer Frau mit eben denselben Fähigkeiten auszureichen, die ihm in seiner Schreibstube zustatten kamen, und weil er sehr reich war, sich nicht wenig Mühe gab, eine junge und schöne Frau zu bekommen, da er doch das eine wie das andere lieber hätte vermeiden sollen, wenn er verstanden hätte, sich selbst so gut als anderen zu raten. Und das gelang ihm denn auch so gut, dass ihm Herr Lotto Gualandi eine seiner Töchter, namens Bartolomea, zur Frau gab, eines der hübschesten und muntersten Mädchen in ganz Pisa, wo es viele gibt, munter und flink wie Eidechsen.
Als der Richter sie nun mit großem Jubel heimgeführt und eine große und prächtige Hochzeit gehalten hatte, gelang es ihm wirklich in der Hochzeitsnacht, einmal die Ehe zu vollziehen, obwohl nicht viel gefehlt hätte, und es wäre ihm auch das eine Mal vorbeigelungen. Weil er sehr ausgedörrt, hager und kraftlos war, so war am folgenden Morgen erst mancher stärkende Trank roten Weines, manche hochgewürzte Morselle nebst anderen Reizmitteln nötig, um ihn wieder ins Leben zurückzubringen. Wie nun deswegen der Herr Richter anfing, für die Zukunft seine Kräfte besser als vorher zu berechnen, gab er sich Mühe, seiner Frau einen Kalender beizubringen, der sich gut für Kinder in der Klippschule schickte und vielleicht einmal zu Ravenna gemacht war. Zufolge seiner Unterweisung war fast kein Tag im Jahr, auf welchen nicht eines oder mehrere Heiligenfeste fielen, denen zu Ehren aus manchen Ursachen, die er anführte, Mann und Weib sich der Fleischeslust enthalten mussten, wozu dann noch die Fasttage, Quatember, Vigilien der Apostel und anderer Heiliger kamen, samt dem Freitag, Sonnabend und Sonntag, der vierzehntägigen Fastenzeit und gewissen Phasen des Mondes und anderen dergleichen Ausnahmen, als wenn er es für nötig hielte, mit seiner Frau die Ferien und Vakanzen ebenso zu beobachten, wie er es im Richteramt zu halten pflegte.
Diese Sitte beobachtete er lange Zeit zum nicht geringen Verdruss seiner Frau, die kaum einen Tag im Monat den ihrigen nennen konnte. Dabei aber gab er sehr genau auf sie Acht, damit kein anderer sie die Werktage möchte kennenlernen, wie er sie in den Feiertagen unterwiesen hatte.
Nun begab es sich einmal in den schwülen Hundstagen, dass Messer Ricciardo Lust bekam, die frische Luft auf seinem schönen Landgute nahe bei Monte Nero zu genießen, und daselbst einige Tage zuzubringen. Er nahm seine schöne Frau mit, und um ihr während seines dortigen Aufenthaltes einige Zerstreuungen zu verschaffen, veranstaltete er einst einen Fischzug und setzte sich selbst in ein Boot mit den Fischern, indes seine Frau mit einigen anderen Damen ein anderes Boot betrat, um den Fischzug anzusehen. Ihre Lustbarkeit führte sie, ohne dass sie es gewahr wurden, wohl einige Meilen in die See, und indem aller Augen auf den Fang gerichtet waren, überraschte sie plötzlich in einer Galeere Paganino von Monaco, der zu der Zeit ein berüchtigter Seeräuber war. Sobald er die Boote gewahr ward, machte er sofort Jagd auf sie, und sie konnten nicht so schnell entkommen, dass er nicht das Boot, auf dem die Damen waren, eingeholt hätte. Als Paganino die schöne Frau zu Gesicht bekam, nahm er sie vor den Augen des Ricciardo, der eben das Ufer erreicht hatte, und ohne sich um die Übrigen zu bekümmern an Bord seines eigenen Schiffes und segelte davon.
Wie dies der Herr Richter gewahr ward, der sonst auf das geringste Lüftchen eifersüchtig zu werden pflegte, so kann man wohl denken, welche Klagelieder er anstimmte. Er jammerte in Pisa und überall über die Frechheit der Korsaren, allein es half nichts, weil er nicht wusste, wer ihm seine Frau geraubt oder wohin er sie entführt hatte. Dem Paganino, der das Weibchen sehr reizend fand, behagte inzwischen das Ding desto besser, und da er keine Frau hatte, so nahm er sich vor, diese zu behalten, und fing an, ihr mit freundlichen Worten zuzureden, weil sie bitterlich weinte. Als die Nacht kam, ließ er es sich angelegen sein, sie mit der Tat zu trösten, weil er meinte, dass seine Worte am Tag nicht viel geholfen hätten. Denn sein Kalender war ihm aus dem Gürtel gefallen, und alle Fasttage und Feiertage waren ihm aus dem Gedächtnis gekommen: Kurz, ehe sie noch nach Monaco kamen, fand sich das gute Weibchen schon so weit getröstet, dass sie den Richter und seine Gesetzbücher vergessen hatte und anfing, ein viel behaglicheres Leben mit Paganino zu führen. Als dieser mit ihr nach Monaco kam, ließ er es nicht dabei bewenden, dass er sie Tag und Nacht zu trösten suchte, sondern er begegnete ihr auch zugleich mit aller Achtung, die eine Frau nur erwarten konnte.
Nach Verlauf einiger Zeit erfuhr Messer Ricciardo, wo sich seine Frau befände, und er entschloss sich, von dem feurigsten Verlangen beseelt, selbst hinzugehen, um sie wiederzufordern, weil er glaubte, dass niemand so gut wie er sich dabei würde zu benehmen wissen. Und es war sein Vorsatz, keine Summe zu sparen, um sie wieder loszukaufen. Er schiffte sich ein und ging nach Monaco, wo er sie gewahr ward, sie ihn auch, was sie sogleich dem Paganino sagte, und in welcher Absicht er käme. Am folgenden Morgen traf Ricciardo Paganino von ungefähr an und machte seine Bekanntschaft. In wenigen Stunden wurden sie sehr vertraut miteinander, doch stellte sich Paganino, als wenn er nichts von ihm gewusst hätte, und wollte sehen, wo er hinaus wolle. Ricciardo ließ einige Tage vergehen, und wie er es für gelegen hielt, eröffnete er, so höflich und artig er nur konnte, Paganino sein Anliegen, warum er gekommen, und bat ihn, ihm seine Frau wiederzugeben und nach seinem eigenen Belieben ein Lösegeld für sie zu bestimmen.
Paganino antwortete ihm außerordentlich freundlich: „Seid von Herzen willkommen, Herr Richter, und lasst Euch von mir auf Euer Begehren mit wenigen Worten dienen: Ich habe freilich ein junges Weib im Hause, von dem ich nicht weiß, ob es Eure oder eines anderen Mannes Frau ist, weil ich weder sie noch Euch weiter kenne als von der Zeit her, dass sie sich bei mir aufgehalten hat. Wenn Ihr nun ihr Ehemann seid, wie Ihr sagt, so will ich Euch, weil ich Euch für einen rechtlichen Mann halte, wohl zu ihr führen, und ich bin versichert, dass sie Euch in dem Falle wohl kennen wird. Wenn sie sagt, dass es sich so verhält, wie Ihr behauptet, und sie will mit Euch gehen, so will ich um Eures bescheidenen Betragens willen damit zufrieden sein, dass Ihr selbst das Lösegeld bestimmt, welches Ihr mir für sie geben wollt. Sollte es aber anders sein, so würdet Ihr mir Unrecht tun, wenn Ihr mir sie rauben wolltet. Denn ich bin ein junger Mann und kann so gut wie ein anderer mir eine Frau leisten, besonders diese, welche mir die charmanteste zu sein scheint, die ich jemals gesehen habe.“
„Ach, freilich ist sie meine Frau“, versetzte Ricciardo, „und wenn Ihr mich zu Ihr bringt, so sollt Ihr sehen, wie sie mir um den Hals fallen wird. Ich begehre also keine besseren Bedingungen, als die Ihr mir selbst anbietet.“ Als sie nun miteinander nach Paganinos Haus gegangen und in einen Saal getreten waren, ließ Paganino die junge Frau rufen. Sie kam aus einer Kammer, gekleidet und geschmückt, dahin, wo Ricciardo sich mit Paganino befand, und sagte dem Ersteren nicht ein Wort mehr, als was sie irgendeinem anderen Fremden gesagt hätte, den Paganino ins Haus gebracht hätte. Da dies der Richter sah, welcher sich geschmeichelt hatte, mit offenen Armen von ihr empfangen zu werden, verwunderte er sich außerordentlich; doch dachte er bei sich selbst: Vermutlich haben die Traurigkeit und der langwierige Kummer, den ich über ihren Verlust erlitten habe, mich so entstellt, dass sie mich nicht wiederkennt. Er sprach demnach zu ihr: „Frauchen, es kommt mir teuer zu stehen, dass ich dich auf den Fischfang führte, denn so viel Schmerz hat noch niemand empfunden, als ich ausgestanden habe, seitdem ich dich verlor. Wie es mir scheint, kennst du mich nicht mehr, da du mich so kalt empfängst. Siehst du nicht, dass ich dein alter Ricciardo bin? Ich bin gekommen, um diesem Herrn hier, in dessen Hause wir sind, für dich zu bezahlen, was er nur verlangt, um dich wiederzubekommen und dich heimzuführen; und er will so gütig sein, dich mir wiederzugeben für das, was ich selbst bestimmen werde.“
Die Dame wandte sich darauf ein wenig schnippisch zu ihm hin und sagte: „Mein Herr, sprecht Ihr mit mir? Seht zu, ob Ihr mich nicht mit einer anderen verwechselt. Soviel ich mich erinnern kann, so wüsste ich nicht, dass ich Euch jemals gesehen hätte.“
„Bedenke doch, was du sagst!“ erwiderte Ricciardo, „sieh mich recht an, und wenn du dich nur erinnern willst, so wirst du wohl sehen, dass ich dein Ricciardo Chinzica bin.“
„Verzeiht mir, mein Herr“, versetzte die Dame, „es schickt sich vielleicht nicht so gut für mich, wie Ihr wohl denkt, dass ich Euch so viel betrachte, nichtsdestoweniger habe ich genug von Euch gesehen, um zu wissen, dass Ihr mir nie vorher zu Gesicht gekommen seid.“
Herr Ricciardo dachte, sie sage das alles nur aus Furcht vor Paganino und möchte sich in seiner Gegenwart nicht merken lassen, dass sie ihn kenne. Darum bat er es sich von Paganinos Gunst aus, mit ihr in einer Kammer unter vier Augen reden zu können. Paganino gab auch dieses gerne zu unter der Bedingung, dass er sie nicht wider ihren Willen küsse, und gab deswegen der Dame Erlaubnis, mit ihm in ihre Kammer zu gehen, um zu hören, was er ihr zu sagen hätte, und ihm nach ihrem Gefallen zu antworten.