Kitabı oku: «Grundwissen Konfessionskunde», sayfa 4

Yazı tipi:

2.4 Die orthodoxen Kirchen unter islamischer Herrschaft

Die nachhaltigste Erschütterung in der Geschichte der meisten altorientalischen und einiger byzantinisch-orthodoxer Kirchen stellte die jahrhundertelange muslimische Herrschaft auf ihren Gebieten dar.

In der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts gewannen die Araber die Vormacht im gesamten Orient. Von Ende April bis Anfang Mai 1453 wurde Konstantinopel erobert. Das bedeutete das Ende des byzantinischen Reichs. Die Flucht zahlreicher griechischer Gelehrter in den lateinischen Westen und die damit verbundene Anhebung von Wissen und antiker Bildung leitete in Europa RenaissanceRenaissance und HumanismusHumanismus ein. Anfang des 16. Jahrhunderts weitete sich die osmanische Herrschaft auch über Syrien und Ägypten aus.

Lebensbedingungen der ChristenMit der Herrschaft von Nicht-Christen änderten sich die Lebensbedingungen der Christen auf den jeweiligen Gebieten grundlegend, wenn auch regional sehr verschieden und von den Lokalbehörden flexibel geregelt. Prinzipiell waren Christen Schutzbefohlene, die gegen die Zahlung einer Kopfsteuer ihre ReligionReligion frei ausüben durften. Allerdings waren Mission unter Muslimen und die öffentliche Repräsentation des Christentums verboten. Durch die fehlenden Möglichkeiten der Verbreitung des Christentums, durch Repressionen und Fluchtbewegungen entwickelte sich das Christentum, ehemals die beherrschende Religion des Orients, im Laufe der Jahrhunderte zu einer Minderheitenreligion. In den meisten Ländern unter muslimischer Oberhoheit stagnierte die Entfaltung und Weiterentwicklung von Theologie durch die Einschränkungen im Bildungsbereich und das Fehlen eigener theologischer Ausbildungsstätten.

Die Situation vom 19. bis zum 21. JahrhundertDie Krise des osmanischen Reichs im 19. und frühen 20. Jahrhundert und die Herausbildung muslimischer Nationalstaaten führte die christlichen Gemeinschaften auf den entsprechenden Gebieten teilweise in schwerste Christenverfolgungen.

Heute ist das Zusammenleben von Christen und Muslimen in den verschiedenen orientalischen Nationalstaaten unterschiedlich geregelt.

2.5 Die Kirche des Westens im Mittelalter

Abendländisches SchismaInnerhalb der westlichen Reichskirche kam es an verschiedenen Orten in verschiedenen Zusammenhängen zu Spannungen. Ein Brennpunkt war der mal mehr, mal minder offen ausgetragene Konflikt zwischen Kaiser und Papst um die weltliche Vorherrschaft.Das Abendländische SchismaSchisma Die Kirche geriet immer mehr in enge Vernetzungen mit der Politik der Zeit und wurde davon geprägt. Das führte die Reichskirche letztlich zur babylonischen Gefangenschaft des Papstes in Avignon und 1378 zum Abendländischen SchismaSchismaAbendländischesAbendländisches Schisma, einer Zeit, in der es zwei bzw. drei Päpste gab. Erst auf dem KonzilKonzil / Konziliarismus von KonstanzKonzil / KonziliarismusKonzil von Konstanz (1414–1418) konnte dieser Zustand überwunden werden.

Reformbewegungen und KirchenkritikDie politischen und kirchenpolitischen Turbulenzen, in denen sich die Reichskirche befand, erklären, warum theologische Impulse vielfach von den OrdenOrden ausgingen. Sie gaben mit ihren Reformbemühungen den Anstoß für neue geistliche Aufbrüche. Insbesondere die Armutsbewegungen führten der Reichskirche vor Augen, wie weit sie sich von ihren Anfängen entfernt hatte. Neue BewegungenBewegung(en) wie die KatharerKatharer (= die ,Reinen‘) oder die Waldenser brachen mit der Reichskirche und wurden als Ketzer verfolgt. Diese Bewegungen und auch Kirchenkritik und Reformbemühungen einzelner Theologen wie John Wyclif$Wyclif, John, um 1320/30–1384, Theologe, Vorreformator (um 1320/30–1384) oder Jan Hus (1370–1415)$Hus, Jan, 1370–1415, Theologe, Vorreformator konnten kirchlicherseits unterdrückt werden, jedoch ohne die zugrundeliegenden Ideen ganz auslöschen zu können. Lediglich die politische Lage im 16. Jahrhundert verhinderte, dass die römische Kirche ähnliche Reformbestrebungen auf deutschem Gebiet unterbinden konnte. So kam es in diesem Jahrhundert zur tiefgreifenden Veränderung der kirchlichen Landschaft im Westen.

2.6 Die Reformation

Die westliche Kirche wurde durch das Wirken des Wittenberger Mönches Martin Luther (1483–1546)$Luther, Martin, 1483–1546, evangelischer Theologe, Reformator, Namensgeber der Lutheraner grundlegend verändert. Sein Ziel, die römische Kirche zu reformieren, führte dazu, dass sich in Westeuropa mehrere Konfessionen manifestierten.

Die Wittenberger ReformationMartin Luther entdeckte als Professor für biblische Exegese in Wittenberg im Zuge der Auslegung des Römerbriefs, dass die Gerechtigkeit Gottes kein distributiv-strafendes Handeln Gottes meint, sondern eine heilschaffende Kraft ist. Allein der Glaube an Jesus ChristusJesus Christus als den Retter und Erlöser rechtfertigt den Menschen. Keine guten Taten, keine verdienstvollen Werke, kein AblassAblass, nicht einmal die Vermittlung der Kirche sind für die Erlangung des Heils notwendig, lediglich das gnädige Handeln Gottes. Mit dieser Theologie geriet Luther in Widerspruch zu seiner Kirche. Er stieß eine kirchliche Reformbewegung an, der sich sowohl große Teile des Kirchenvolkes als auch Fürsten anschlossen. Die Reformation nahm politische Dimensionen an.

Auf dem Augsburger Reichstag 1530 überreichten die „neugläubigen“ Stände Kaiser Karl V.$Karl V., 1500–1558, 1520–1556 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (1500–1558; König seit 1516 /1519, Kaiser des Heiligen Römischen Reichs seit 1520, 1556 Niederlegung aller ÄmterAmt) das bis heute grundlegende GlaubensbekenntnisGlaubensbekenntnis der evangelischen Kirchen, die Confessio AugustanaConfessio Augustana (CA), das ‚Augsburger BekenntnisBekenntnis‘.

Eine der wesentlichen Veränderungen, die die neue Lehre kirchenrechtlich auf den protestantischen Gebieten bewirkte, war die Übernahme der Verantwortung für die neue religiöse Ordnung durch die Landesherren, die die Rolle der Bischöfe einnahmen. In den Jahren 1526 bis 1532 bildete sich das protestantische LandeskirchentumLandeskirchentum heraus.

Die Zürcher ReformationEin Zweig der Reformation neben dem, der sich in Wittenberg herausbildete, entstand in Zürich unter dem Einfluss des vom HumanismusHumanismus geprägten Huldrych Zwingli (1484–1531)$Zwingli, Huldrych, 1484–1531, evangelisch-reformierter Theologe, Reformator, der um 1516 zu der Einsicht kam, dass die Klarheit der Schrifterkenntnis im Erfassen des buchstäblichen Sinns der Schrift liege. Zwingli wurde 1519 an die bedeutendste Kirche des Stadtstaates Zürich, an das Großmünster, berufen und setzte in dieser Position seine Ideen einer Reform der Kirche durch. In der Perspektive reformierter Kirchen stellt seine Berufung den Beginn der oberdeutschen Reformation dar.

So entwickelten sich im frühen 16. Jahrhundert parallel zwei Hauptstränge der Reformation: Einmal durch das Wirken Zwinglis in Zürich, zum anderen unter Luthers$Luther, Martin, 1483–1546, evangelischer Theologe, Reformator, Namensgeber der Lutheraner Führung in Wittenberg. Aus diesen Zweigen der Reformation entwickelten sich die Lutherischen Kirchen und die Reformierten Kirchen.

Wesentlich unterschieden sich beide bei der Interpretation des AbendmahlsAbendmahl, eines der beiden SakramenteSakrament der evangelischen Konfession. Während Luther die reale Präsenz Christi „in, mit und unter“ den Elementen vertrat, war für Zwingli$Zwingli, Huldrych, 1484–1531, evangelisch-reformierter Theologe, Reformator Christus im Abendmahl in der Erinnerung präsent.

Die TäuferbewegungDie Zürcher Reformation war die Wiege einer weiteren BewegungBewegung(en), die auch als der „radikale Flügel der Reformation“ bezeichnet wird: die Täuferbewegung. Den Namen „Täufer“ erhielten die Anhänger dieser aus der Reformation hervorgegangenen Strömung, weil sie die TaufeTaufe als das Siegel der bewussten Bekehrung zum Christentum ansahen und deshalb die Kindertaufe ablehnten. Als WiedertäuferTaufeWiedertäufer (,Anabaptisten‘) erlitten sie grausame Verfolgungen. Aus ihrer Bewegung gingen unter der Führung des ehemaligen römisch-katholischen Priesters Menno Simons$Simons, Menno, 1496–1561, römisch-katholischer Priester, Theologe, führende Persönlichkeit der Täuferbewegung, Namensgeber der Mennoniten (1496–1561) Gemeindegründungen hervor, die sich als Mennoniten eine Struktur gaben. Weitere aus der Täuferbewegung hervorgegangene religiöse Gemeinschaften sind die in Nordamerika verbreiteten HuttererHutterer und die AmischenAmischen.

Die Genfer ReformationNeben Huldrych Zwingli$Zwingli, Huldrych, 1484–1531, evangelisch-reformierter Theologe, Reformator ist Johannes Calvin (1509–1564) ein für die reformierten Kirchen bedeutender Reformator. Er gehörte der zweiten Generation der Reformatoren an und wirkte seit den späten 1530er Jahren in Genf. Da für ihn die Sorge um die Gestalt der Gemeinde und um die Übereinstimmung von Lehre und Leben im Mittelpunkt der theologischen Überlegungen stand, wollte er die Kirche nach der Ordnung des EvangeliumsEvangelium erneuern. Dazu gehörte eine strenge KirchenzuchtKirchenzucht, die kennzeichnend für den Calvinismus wurde, der sich in den folgenden Jahrzehnten erfolgreich in Europa, v.a. in Frankreich, England, Schottland und den Niederlanden, ausbreitete und in Nordamerika Fuß fasste. Einen direkten Einfluss hatte der Calvinismus sowohl auf den französischen Protestantismus, dessen Anhänger, die Hugenotten, von der Römisch-katholischen Kirche verfolgt wurden, als auch auf den sich der anglikanischen StaatskircheStaatskirche in England widersetzenden PuritanismusPuritanismus. Die presbyterianische Kirche von Schottland wurde ebenfalls stark vom Calvinismus beeinflusst. In Deutschland war der Calvinismus nur schwach vertreten, hatte aber Berührungspunkte mit dem PietismusPietismus, der über die ErweckungsbewegungErweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts in die Gemeinschaftsbewegung hineinwirkte.

2.7 Die Entwicklungen im 16. und 17. Jahrhundert

Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 und der den Dreißigjährigen Krieg abschließende Westfälische Friede von 1648 hielten u.a. fest, dass es keine Reichskirche mehr gab, sondern auf deren Territorium verschiedene Kirchen mit eigenem BekenntnisBekenntnis, d.h. dem des Fürsten. Zunächst waren das nur „lutherische“ und „katholische“, später auch „reformierte“ Kirchen. Weitere in dieser Zeit entstandene Glaubensgemeinschaften waren nicht geduldet.

In England wurde die von Rom unabhängige Church of England, die ,Kirche von England‘, und damit die Anglikanische Kirche gegründet. Auf dem Kontinent waren die Altgläubigen [→ Römisch-katholische Kirche] herausgefordert, ihre Identität auf dem KonzilKonzil / Konziliarismus zu Trient (1545–1563) neu zu begründen. Dieses Konzil mit seinen Entscheidungen bildete eine, im konfessionellen Sinn, „katholische“ Identität aus. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Römisch-katholische Kirche eine aus der Reformation hervorgegangene Kirche.

2.8 Konfessionelle Aufbrüche im 18. und 19. Jahrhundert

GroßbritannienAus der Kirche von England erwuchsen im 18. Jahrhundert die Methodisten und verbreiteten sich in Großbritannien und den USA. Von ihnen wiederum leitete sich die Heilsarmee/Salvation Army ab, die Kirche des Nazareners sowie andere Glaubensgemeinschaften.

Deutsches ReichIm 19. Jahrhundert verbanden sich auf deutschem Gebiet unter dem Eindruck von PietismusPietismus, Aufklärung und Rationalismus einige reformierte und einige lutherische Kirchen zu den unierten Kirchen.

Die Römisch-katholische Kirche erlebte, dass die Dogmenentwicklung des 19. Jahrhunderts, speziell die Papstdogmen von 1870, nicht auf den Konsens der Gläubigen stieß und sich in Deutschland die Altkatholische Kirche bildete.

Westeuropa und NordamerikaDie Erweckungs- und Heiligungsbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts wurde in verschiedenen Regionen und Ländern der Welt für aufkommende christliche Strömungen und Kirchenbildungen bedeutsam. Prediger, die sich Elemente verschiedener Glaubenssysteme bedienten, brachten neue Impulse in das religiöse Leben und gewannen v.a. für → Methodisten und Baptisten neue Mitglieder. Daneben entstanden Gemeinschaften wie die sich vom LandeskirchentumLandeskirchentum scharf abgrenzenden Freien Evangelischen Gemeinden und die Siebenten-Tags-Adventisten, die auf die baldige Wiederkehr ChristiWiederkehr ChristiParusie hofften. Von einer ähnlich endzeitlich geprägten Stimmung waren die katholisch-apostolischen Gemeinden ergriffen, aus denen sich im 19. Jahrhundert die Neuapostolische Kirche entwickelte.

Die konfessionelle Entwicklung in der Neuzeit und neueren Geschichte war gekennzeichnet von einer gegenseitigen Beeinflussung der Kirchen und Glaubensgemeinschaften.

Weiterführende Literatur

Moeller, Bernd (2011), Geschichte des Christentums in Grundzügen, 10., völlig neu bearb. Aufl., Göttingen.

Hauschild, Wolf-Dieter, Drecoll, Volker Henning (2016), Alte Kirche und Mittelalter, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte 1, 5., vollst. überarb. Aufl., Gütersloh.

Hauschild, Wolf-Dieter (2001), Reformation und Neuzeit, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte 2, 2., durchges. Aufl., Gütersloh.

Jung, Martin H. (2010), Kirchengeschichte, Göttingen.

Wallmann, Johannes (2006), Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation, 6., durchges. Aufl., Tübingen.

3 Die personelle apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession
3.1 Die Römisch-katholische Kirche

Katholisch ist ein lateinisches bzw. griechisches Lehnwort und bedeutet ‚allgemein‘, ‚umfassend‘. In diesem Sinn versteht sich jede Kirche als katholisch. Der Mönch Vinzenz$Vinzenz von Lérins, gest. um 434/450, Mönch, Kirchenvater von Lérins (gest. um 434/450) formulierte im 5. Jahrhundert, was katholisch ist: „In eben jener katholischen Kirche selbst ist mit größter Sorgfalt dafür zu sorgen, dass wir halten, was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde. Denn das ist wirklich und wahrhaft katholisch, was, wie der Name und Grund der Sache erklären, alle insgesamt umfasst.“

Dieses Selbstverständnis lebt in ganz besonderer Weise die Römisch-katholische Kirche. Der Zusatz römisch spezifiziert also die Bezeichnung katholisch und kennzeichnet eine Konfession, deren Selbstverständnis darin besteht, nicht eine Kirche neben anderen zu sein, sondern die Kirche. Henri Kardinal de Lubac SJ (1896–1991)$Lubac, Henri de, 1896–1991, römisch-katholischer Kardinal, Jesuit formulierte dazu:

Im Katholizismus eine ReligionReligion neben anderen, eine Lehre neben anderen zu sehen, hieße, sich über sein Wesen zu täuschen. Der Katholizismus ist die Religion. Er ist die Form, die die Menschheit annehmen soll, um endlich sie selbst zu werden. Er ist die einzige Wirklichkeit, die um zu sein, es nicht nötig hat, sich entgegenzusetzen. Die Kirche ist überall zu Hause, und jeder soll sich in der Kirche zu Hause fühlen können. (Lubac, 1970, 263).

Die Messe als Herz der KircheDie Römisch-katholische Kirche ist mit ca. 1,3 Milliarden Gläubigen die größte der Welt. Ihr Herz schlägt in der Feier der Messe. Das Feiern der LiturgieLiturgie bildet die Identität der Kirche. Sie verbindet Gläubige in der ganzen Welt zu einer Gemeinschaft. Überall auf der Welt finden sie in der Messe ihre Kirche vor. Die Einheitlichkeit der Liturgie entspricht dabei dem Bewusstsein der Gläubigen, einer Weltkirche anzugehören, die in und aus verschiedenen Ortskirchen besteht. Dieses Bewusstsein findet seinen deutlichsten Ausdruck im hierarchischen Aufbau der Kirche, an deren Spitze der BischofBischof von Rom steht. Der Papst ist das Zeichen der Einheit dieser Kirche. Innerhalb dieser Hierarchie und Einheit findet sich eine erstaunliche Vielfalt an Lebensformen und theologischen Strömungen, die dazu führen, dass die Römisch-katholische Kirche kein monolithischer Block, sondern in sich bunt und vielfältig ist.

Dieser scheinbare Gegensatz wird von dem französischen Schriftsteller Georges Bernanos$Bernanos, Georges, 1888–1948, Schriftsteller (1888–1948) exemplarisch ausgedrückt:

Nichts scheint besser geregelt, strikter geordnet, hierarchisiert, angeglichen als das äußere Leben der Kirche. Aber ihr inneres Leben überbordet von unwahrscheinlichen Freiheiten, fast möchte man sagen, von göttlichen Extravaganzen des Heiligen Gottes. (Heyer, 1977, 495)

3.1.1 Die Realisierung der ApostolizitätApostolizitätRealisierung der Apostolizität: Theologische Grundlagen

Die Römisch-katholische Kirche versteht sich laut der Dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ (LG) des II. Vatikanischen KonzilsKonzil / KonziliarismusII. Vatikanisches Konzil von 1964 als Volk Gottes, Leib Christi und Tempel des Heiligen GeistesHeiliger Geist. Sie sieht dabei eine Analogie zur Zwei-Naturen-LehreZwei-Naturen-Lehre Christi (LG 8) und bestimmt ihr Wesen als MysteriumMysterien, da sie „eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ (LG 8), bildet. Die Kirche versteht sich als ein Zeichen Gottes in der Welt, das die Verbindung der Glaubenden untereinander und mit Gott anzeigt und vermittelt. Sie ist darin – wieder analog gedacht – einem SakramentSakrament ähnlich. Allerdings lässt sie sich eher als Grundsakrament verstehen. In ihr findet sich die Fülle des Heils und die Fülle der Heilsmittel, der Sakramente im engeren Sinn. Die Kirche ist deshalb keine Kirche unter anderen, sondern Volk Gottes und der sichtbare Leib Christi, der in diese Welt hineinwächst (LG 3).

Die Notwendigkeit der KircheDie Kirche ist notwendig, um das Heilsangebot Gottes in die Welt zu tragen. Sie hat den Auftrag, das EvangeliumEvangelium zu verkünden, damit alle Menschen die Möglichkeit haben, sich ihr anzuschließen. Wer sich wissentlich und willentlich entschließt, ihr nicht angehören zu wollen, geht nach römisch-katholischem Verständnis verloren. Nur diejenigen, die „der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert“ sind, die ihre „Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind“ (LG 14), können vollkommen darauf vertrauen, dass ihnen Heil zuteilwerden wird.

Die hohe Bedeutung der Kirche wird in dieser Bestimmung sichtbar. Die Kirche ist selbst Gegenstand des Glaubens. Darum ist auch ihre irdische Gestalt, ihre Organisation nicht beliebig. Sie ist die „mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi,Die Kirche als Gegenstand des Glaubens die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche.“ (LG 8) Das II. Vatikanische KonzilKonzil / Konziliarismus formulierte die Selbstwahrnehmung der Römisch-katholischen Kirche: Sie ist „die einzige Kirche Christi, die wir im GlaubensbekenntnisGlaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen.“ (LG 8) Ihre Gestalt ist nicht beliebig, sondern „sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen, ihm und den übrigen ApostelnApostel hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut.“ (LG 8) Die wahre Kirche Jesu ChristiJesus Christus ist demnach „in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet.“ Sie „ist verwirklicht (subsistit) in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird.“ (LG 8) Diese Bestimmung schließt allerdings nicht aus, so das Konzil weiter, dass „außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen.“ (LG 8) Hier öffnet sich die Römisch-katholische Kirche also den anderen Kirchen der Welt und erkennt deren Existenzberechtigung an. Weiter zu interpretieren bleibt nur, inwiefern die „Elemente der Heiligung und Wahrheit“ auf eine katholische Einheit drängen. Ist hier eine „römisch-katholische“ Einheit oder eine „katholische“, also allgemeine Einheit gemeint? Grundsätzlich ist diese Bestimmung aber ökumenisch anschlussfähig und die Römisch-katholische Kirche gibt damit zu erkennen, dass keine totale Identifikation des Leibes Christi mit der Römisch-katholischen Kirche gemeint ist. Vielmehr lässt das Konzil erkennen, dass Kirche-Sein in verschiedener Abstufung vorkommen kann und deshalb auch andere Konfessionen Spuren des Kirchlichen aufweisen.

Die Leitung der KircheDer bleibende Auftrag zur Leitung der Kirche wird realisiert, indem die ApostelApostel Nachfolger bestimmt haben bzw. die Kirche Nachfolger der Apostel erkannt und benannt hat. Die Kirche hat die volle ApostolizitätApostolizität bewahrt, weil sie sich historisch auf die Apostel Jesu zurückbezieht, die Jesus selbst zur Leitung seiner Kirche eingesetzt hat. Die Bischöfe sind Nachfolger der Apostel und achten auf den Verbleib der Kirche bei ihrem apostolischen Ursprung. Diese personelle apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession garantiert die bleibende Botschaft des EvangeliumsEvangelium. Ebenso wichtig ist die Gemeinschaft der Bischöfe untereinander. Es ist nicht nur die ununterbrochene Kette von Handauflegungen, um die es hier geht, sondern vordringlich um die Aufnahme jedes BischofsBischof in die Gesamtheit des Episkopats.

Das AmtAmt des BischofsBischof ist notwendig für die Existenz der Kirche und beruht letztlich auf göttlicher Einsetzung durch Jesus. „Wo der Bischof ist, da ist die Kirche“ (ubi episcopus, ibi ecclesia), legte bereits Cyprian$Cyprian von Karthago, gest. 258, Bischof, Kirchenvater von Karthago (gest. 258) fest.

Die Römisch-katholische Kirche ist ihrer Struktur nach eine bischöflich orientierte Kirche. Trotzdem haben auch die „Laien“ ihre Funktion in der Kirche. Als „Laie“ wird dabei jeder Gläubige verstanden, „mit Ausnahme der Glieder des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes.“ (LG 31) Die Laien sind dazu aufgerufen, „dafür zu wirken, dass der göttliche Heilsratschluss mehr und mehr alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde erreiche.“ (LG 33)

Der Stand der Amtsträger, der KlerusKlerus, ist von den Laien qualitativ verschieden:

Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der SakramenteSakrament, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe. (LG 10)

Die geistliche Ordnung der KircheDer BischofBischof steht an der Spitze des geistlichen Amtes, das in sich dreigeteilt ist. Durch Handauflegung und Gebet wird der Bischof bei seiner WeiheWeihe zum Dienst der Verkündigung, zur Verwaltung der SakramenteSakrament und der Leitung seiner Diözese berufen und in die personell verstandene apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession eingegliedert. Weil er in seiner Person Christus in der Gemeinde verkörpert (LG 22), ist sein AmtAmt sakramentaler NaturNatur. Die Amtsübertragung wird dadurch selbst zum Sakrament (Weihe). „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in AutoritätAutorität und heiliger Vollmacht.“ (LG 27) Sie sind demnach „aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der ApostelApostel als Hirten der Kirche getreten […]. Wer sie hört, hört Christus, und wer sie verachtet, verachtet Christus und ihn, der Christus gesandt hat.“ (LG 20) Aufgrund ihrer Einsetzung verlangen die Bischöfe von den Gläubigen Gehorsam: „Die Gläubigen aber müssen mit einem im Namen Christi vorgetragenen Spruch ihres Bischofs in Glaubens- und Sittensachen übereinkommen und ihm mit religiös gegründetem Gehorsam anhangen.“ (LG 25) Allerdings haben die Gläubigen auch das Recht und die Pflicht, zur Willensbildung der Kirche beizutragen und sich an Diskussionen zu beteiligen.

Das AmtAmt des Priesters als zweite sakramentale Weihestufe entwickelte sich aus dem Presbyterium, das in der Alten Kirche den BischofBischof bei der Leitung einer größeren Ortskirche unterstützte. Der PriesterPriester wird vom Bischof geweiht und beauftragt. Er ist der Stellvertreter des Bischofs, wenn er den Hirtendienst in der Gemeinde am Ort wahrnimmt. Dazu heißt es in „Lumen Gentium“: „Die Priester haben zwar nicht die höchste Stufe der priesterlichen WeiheWeihe und hängen in der Ausübung ihrer Gewalt von den Bischöfen ab; dennoch sind sie mit ihnen in der priesterlichen Würde verbunden und kraft des Weihesakramentes nach dem Bilde Christi … zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den Gläubigen und zur Feier des GottesdienstesGottesdienst geweiht.“ (LG 28)

An dritter Stelle steht das AmtAmt des DiakonsDiakon, dessen WeiheWeihe die erste sakramentale Weihestufe bildet. Hier muss zwischen dem ständigen Diakonat und der zum Priesteramt führenden Weihestufe unterschieden werden, da der ständige Diakonat auch von verheirateten Männern ausgeübt werden kann, während die weiteren Weihestufen nur unverheirateten, zölibatär lebenden Männern vorbehalten sind. Der Diakon ist in erster Linie für karitative oder katechetische Aufgaben zuständig, kann aber auch liturgische Funktionen übernehmen. Die Diakone

dienen … dem Volke Gottes in der Diakonie der LiturgieLiturgie, des Wortes und der Liebestätigkeit in Gemeinschaft mit dem BischofBischof und seinem Presbyterium. Sache des DiakonsDiakon ist es, je nach Weisung der zuständigen AutoritätAutorität, feierlich die TaufeTaufe zu spenden, die EucharistieEucharistie zu verwahren und auszuteilen, der Eheschließung im Namen der Kirche zu assistieren und sie zu segnen, die Wegzehrung den Sterbenden zu überbringen, vor den Gläubigen die Heilige Schrift zu lesen, das Volk zu lehren und zu ermahnen, dem GottesdienstGottesdienst und dem Gebet der Gläubigen vorzustehen, Sakramentalien zu spenden und den Beerdigungsritus zu leiten. (LG 29)

Zusammenfassend zum Amtsverständnis stellte das II. Vaticanum fest:

Christus, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat, hat durch seine ApostelApostel deren Nachfolger, die Bischöfe, seiner eigenen WeiheWeihe und Sendung teilhaftig gemacht. Diese wiederum haben die Aufgabe ihres Dienstamtes in mehrfacher Abstufung verschiedenen Trägern in der Kirche rechtmäßig weitergegeben. So wird das aus göttlicher Einsetzung kommende kirchliche Dienstamt in verschiedenen Ordnungen ausgeübt von jenen, die schon seit alters Bischöfe, PriesterPriester, DiakoneDiakon heißen. (LG 28)

Diese Struktur gehört zum wahren Sein der Kirche, weshalb Kirchen, die eine solche Amtsstruktur nicht kennen, aus römisch-katholischer Sicht keine Kirchen im Vollsinn des Begriffs sind.

Den Amtsträgern, dem „KlerusKlerus“, ist also das Hirtenamt Jesu verliehen. Weil der Hirte anstelle Christi handelt, z.B. im Rahmen der Eucharistiefeier „in persona Christi“, muss er Christus gleichgestaltet sein. Weil Christus selbst außerdem nur Männer in den Dienst berief, können nur Männer zu Amtsträgern berufen werden.

Beide Feststellungen – gewichtiger dürfte der zweite Gedanke sein – verbieten also grundsätzlich die WeiheWeihe von Frauen. Allerdings ist hier auch in der Römisch-katholischen Kirche die Diskussion noch nicht am Ende [→ FrauenordinationFrauenordination].

Der Papst als Garant und Zeichen der EinheitDie Bischöfe bilden in ihrer Ortskirche, in der Diözese oder in dem Bistum, Christus als Haupt der Kirche ab. Sowohl in diesen Ortskirchen als auch aus ihnen besteht die Römisch-katholische Kirche als Weltkirche, deren Oberhaupt wiederum der Papst, der BischofBischof von Rom, bildet. Er steht an der Spitze des Episkopats, der Gesamtheit der Bischöfe, die gemeinsam das Kollegium der ApostelApostel symbolisieren.

Das Kollegium oder die Körperschaft der Bischöfe hat aber nur AutoritätAutorität, wenn das Kollegium verstanden wird in Gemeinschaft mit dem BischofBischof von Rom, dem Nachfolger Petri, als seinem Haupt, und unbeschadet dessen primatialer Gewalt über alle Hirten und Gläubigen. Der Bischof von Rom hat nämlich kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi und Hirt der ganzen Kirche volle, höchste und universale Gewalt über die Kirche und kann sie immer frei ausüben. (LG 22)

Da der Episkopat der Einheit der KircheKircheEinheit der Kirche dient, muss er diese Einheit in sich selbst abbilden. „Damit … der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat [Jesus ChristusJesus Christus] den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen ApostelApostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt.“ (LG 18) Auch hier zeigt sich der Analogiegedanke: Weil Christus als Person die Einheit der Kirche garantiert, muss auch in Analogie dazu eine Person (und nicht etwa ein Prinzip wie z.B. die Mehrheit der Bischöfe) die Einheit der Kirche sichern und repräsentieren. Diese historisch gewachsene Vorstellung wird dann mit biblischen Zitaten belegt. So werden Joh 21,15 und Mt 16,18 herangezogen, um die Bedeutung des Papstamtes zu belegen. Als Nachfolger des Petrus kann der Papst deshalb die AutoritätAutorität in der KircheAutoritätAutorität in der Kirche allein beanspruchen. Er ist „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen.“ (LG 23)

Bereits das I. Vatikanische KonzilKonzil / Konziliarismus stellte in seiner Dogmatischen Konstitution „Pastor Aeternus“ (PA) von 1870 klar, dass der römische Papst der Nachfolger des „heiligen Apostelfürsten Petrus“ sei und „wirklich der Stellvertreter Christi, das Haupt der ganzen Kirche, der Vater und Lehrer aller Christen“, dem von Christus durch Petrus die Vollmacht übergeben ist, „die gesamte Kirche zu weiden, zu regieren und zu leiten.“ (PA 10)