Kitabı oku: «Mein Haus, mein Hof, mein Rudel»

Yazı tipi:

Giesela Gersch-Gernoth

MEIN HAUS, MEIN HOF, MEIN RUDEL

Hundegeschichten mit Paula, einer Hovawart-Dame voller Überraschungen



INHALT

Cover

Titel

Vorwort

Unsere Kleine

Che bello cane

Die erste Läufigkeit

Schwimmen lernen

Die Bult

Nasho, Bicku, Quietschi

Ein Lamm und Kühe, überall Kühe

Cora und Sabinchen

Alles nur Erziehung

Am Atlantik

Der Hundeladen

Auf der Karmelisenalm

Die Hunde in der Nachbarschaft

L’amore

Kletten

Die entzündeten Pfoten

Der große Umzug

Die Jagdpächter

Nur ein bisschen

Olli und Pincel

Liegeplätze

Der Heißluftballon

Gegenseitiges Abtrocknen

Gefährliche Situationen

Adventszeit

Von Badeteich zu Badeteich

Besuch und zu Besuch

Resonanzen

Die Winterkönigin

Das Parkhaus

Das Alter

Abschied


Danksagung

Kurzbiografie der Autorin

Impressum

VORWORT

»Hovawarte bestechen wie kaum eine andere Rasse durch ihre einzigartige Mischung aus Eleganz und Energie, Sensibilität und Selbstbewusstsein. Wer einen Hovawart ins Herz schließt, erfährt Tag für Tag, was Freundschaft ist. Ob schwarzmarken, blond oder schwarz: Der schöne Hofwächter steckt voller Gefühle, Lernfreude, Verspieltheit und Charme.« Mit diesem Zitat aus dem Buch »Der Hovawart« von Susanne Kerl (Müller Rüschlikon Verlag, Stuttgart, 2012) möchte ich Sie, liebe Leserin und lieber Leser, begrüßen.

Der Hovawart ist eine neue Rasse, die Anfang des vorherigen Jahrhunderts entstand. »Ein ›Bilderbuchhund‹ im besten Sinne des Wortes im Aussehen und Verhalten«, so sagt es Dr. Volker Wienrich (Der Hovawart, Verlag Paul Parey, Hamburg, 1994). »Hovewart« oder auch »Hofwarden« wurden seine Vorfahren im Mittelalter genannt. Die bäuerlichen Gebrauchshunde hatten vollen Familienanschluss. Sie erfüllten ihre Aufgabe als Wächter des Hofes, als Wächter von Hab und Gut. So waren sie keine Jäger und keine Streuner. In den deutschen Mittelgebirgen wie Odenwald oder Harz waren diese Hunde noch im 19. Jahrhundert zu finden. Das bezeugt das Gemälde »Hundefamilie mit altem Gaul« von Benno Adam 1869.

Er hat einen Hund dargestellt, der wie ein Hovawart aussieht. Zwei seiner Welpen sind auch blond (Bildersammlung Georg Schäfer, Schweinfurt, entnommen aus dem Buch von Dr. V. Wienrich). In der Neuzucht oder Wiederzucht unseres heutigen Hovawarts war dieser bäuerliche Hund die Grundlage. Verschiedene Hunderassen wie Neufundländer, Kuvasz, auch Schäferhund und Leonberger wurden eingekreuzt. So entstand ein anerkannter Gebrauchshund, der nicht nur als Wachhund dient, sondern auch als Rettungshund sowie Blindenführhund. Er bellt nur, wenn er einen Grund hat. Von seiner Veranlagung her ist er ausgeglichen und gutartig und durch die besondere Anbindung an die Familie ein hervorragender Begleit-, Schutz- und Wachhund.

Der Körper des Hovawarts ist kraftvoll, mittelgroß und leicht gestreckt. Sein kräftiges, etwas welliges Langhaar ist blond, schwarz oder schwarzmarken, d. h. das Haarkleid ist schwarz mit mittelblonder Markenzeichnung über den Augen, an den Lefzen und der Kehle, an der Brust sowie an den Vorder- und Hinterläufen.

Kommt ein Hovawart als Welpe ins Haus, wird Ihnen ein Wildfang begegnen, der sich durch neugierige Kontaktaufnahme zu allem »Beweglichen« und »Unbeweglichen« und durch große Verspieltheit charakterisieren lässt. Die Hovis sind bekannt dafür, dass sie erst spät reif werden, entsprechend dauert es auch seine Zeit, ehe sie sich zu absolut treuen Gefährten entwickeln. Bis es so weit ist, können Sie sich auf die eine oder andere Eskapade gefasst machen, sei es in der Begegnung mit anderen Hunden oder die Umsetzung einer spontanen Idee, die dem unbekümmerten Wesen dieser Hunderasse entsprungen ist. Lassen Sie sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Auch übermäßige Strenge ist nicht förderlich. Sanfte Führung mit Vertrauen auf diesen tollen Hund wird sich doppelt und dreifach in seiner Zuneigung und Treue zu Ihnen widerspiegeln.

In den sehr persönlichen Geschichten von meiner schwarzmarkenen Hovawarthündin Paula versuche ich, eine Vertreterin dieser Rasse in ihrer ganzen Lebendigkeit mit allen Höhen und Tiefen sowohl in Worten als auch in Bildern zu beschreiben und darzustellen. Um die besondere Atmosphäre, die die Kommunikation zwischen Paula und mir bestimmt hat, einzufangen, lasse ich meine Hündin am Ende jedes Kapitels einen Satz sprechen. Ich möchte damit ihrem Verhalten einen lebendigen Ausdruck geben, den ich in einer beschreibenden Form nicht erreichen könnte. Aber wir wissen ja, ein Hovi kann alles – nur kein Hochdeutsch. »… das gefühlvolle, bindungsbereite Energiebündel ist nicht mit links zu erziehen«, schreibt Susanne Kerl. Ja, und es ist eine große Achtung vor dem Wesen dieser Hunde erforderlich, um sie in ihrer Eigenwilligkeit und ihrem Temperament, die auch noch im hohen Alter spürbar sind, wertzuschätzen. Führung und Toleranz sind nötig und große Empathie – ist diese Basis vorhanden, wird die Beziehung immer inniger. Erziehungsfehler, die sich besonders bei Anfängern wie mir kaum vermeiden lassen, spielen dann keine bestimmende Rolle.

So habe ich es erlebt mit meiner besonders eigenwilligen Hündin, und davon möchte ich Ihnen nun erzählen. In diesem Sinne: Lassen Sie sich bezaubern von Paula.


Gemälde »Hundefamilie mit altem Gaul« von Benno Adam 1869

Bildersammlung Georg Schäfer, Schweinfurt


Die Welpenzeit geht schnell vorbei

UNSERE KLEINE

Nach einer fünfwöchigen Thailandreise, die meinen Ehemann Wolfgang und mich per Tuk-Tuk, Eisenbahn, Bus und Flugzeug fast durch das ganze Land führte und die uns die Einwohner, die Küche, das Klima und die buddhistische Kultur nahebrachte und schätzen lehrte, bekommen wir ungefähr zwei Monate später Besuch von einem jungen Mann, der Ansichtskarten aus verschiedenen Ländern verkaufen will. Er betritt unseren Garten, wo wir gerade arbeiten, und trägt sein Anliegen vor. Noch eingestimmt auf Urlaub, unterhalten wir uns mit ihm und kaufen auch ein paar seiner Karten.

Kurze Zeit später wacht Wolfgang nachts aufgrund eines Geräusches auf, das ihn veranlasst, überall Licht anzumachen und durch das Haus zu gehen, um nach dem Rechten zu schauen. Nichts! Doch er kann nicht wieder einschlafen. Es vergeht wohl eine Stunde, dann hört er wieder dieses unbekannte Geräusch, wie ein Knacken im Holz, erst sporadisch, dann regelmäßig in schnellerer Abfolge. Diesmal schleicht er im Dunkeln die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Er sieht an der hinteren Terrassentür einen Mann. Sofort stürzt er zur Tür und reißt sie auf … Doch der Mann flüchtet. »Gisela, ruf die Polizei!«, brüllt Wolfgang ins Haus. Ich sitze im Bett, vor Schreck gelähmt, völlig handlungsunfähig. Erst als Wolfgang aufgebracht nach oben kommt und mich schüttelt, bin ich in der Lage zu telefonieren. Oder telefoniert Wolfgang? Ich weiß es nicht mehr. Die Polizei ist schnell vor Ort, Spuren werden gesichert. Unsere Terrassentür ist angebohrt, fremde Fußspuren in der Rabatte zeugen von der Flucht des Täters. Einer der Polizisten vermutet einen Zusammenhang mit dem Besuch des Kartenverkäufers, der höchstwahrscheinlich zum Auskundschaften da gewesen sei. Er empfiehlt dringend abschließbare Fenster und Terrassentüren. Am wirkungsvollsten gegen Einbrüche sei jedoch eine lebendige Alarmanlage – ein Hund! Später sollte sich herausstellen: In dieser Nacht wurde in mehreren Häusern im Dorf eingebrochen. Was bleibt, ist ein spürbares Unbehagen, ein Gefühl der Verunsicherung in den eigenen vier Wänden, das uns noch lange Zeit begleitet – und das, obwohl der Einbruch abgewehrt wurde.

Wolfgang, der schon als Jugendlicher mit einem Terrier gelebt hat, denkt laut über die Anschaffung eines Hundes nach. Ich bin ambivalent, gerade habe ich nebenberuflich mit dem Besuch von praktischen Kursen an der Kunstfachhochschule begonnen. Frau Sordens, unsere Haushaltshilfe, ermutigt uns: »Ich komme dann rüber und lasse den Hund in den Garten, wenn Sie tagsüber lange weg sind. Oder mein Mann geht mit ihm mal spazieren. Oder wir nehmen ihn mit zu uns.« Ein Hundebuch, das die einzelnen Rassen vorstellt, wird gekauft. Unser Auge fällt auf einen Hovawart: Hüte- und Wachhund, kinderfreundlich, wandert gerne, wird spät erwachsen … In der Samstagszeitung studieren wir den Tiermarkt und werden fündig. Ein Hobbyzüchter bietet in einem Ort in dem Zipfel von Nordrhein-Westfalen, der nach Niedersachsen hineinragt, Hovawart-Welpen an. »Wir können sie uns ja mal anschauen, 70 Kilometer – das geht doch noch.«

Ein großer blonder Rüde mit tiefem Gebell, der Vater der Welpen, empfängt uns. Er wirkt Respekt einflößend. Mit so einem großen Hund habe ich nicht gerechnet. Seine Vorderpfoten liegen auf einem hohen Gatter, das ihn von den Besuchern trennt, die sich die Welpen anschauen wollen, welche sich um ihre schwarze Mutter, die deutlich kleiner ist als der Vater, drängen und herumtollen. Ihr Körper wirkt lang gestreckt. Ich nehme nicht wahr, ob auch andere Interessenten bei den Hunden sind, ich bemerke nur, dass ein schwarzmarkener Welpe an meinem Hosenbein knabbert. Kaum macht er sich bemerkbar, schon hat er unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und als wir dann erfahren, dass er ein Hundemädchen ist, ist unser »Mal-Anschauen« Vergangenheit. Unsere Herzen haben sich für dieses kleine Fellknäuel mit den so großen Pfoten entschieden. Im schwarzen Fell hat es ein hellblondes, dreieckiges Lätzchen und auch einen blonden Bruststreifen, der über dem Ansatz der Vorderbeine verläuft. Die Pfoten und Unterläufe, in die sich ein langgezogenes, schwarzes Dreieck hineinzieht, haben einen warmen Ockerton, der auch den noch wachsenden Behang der Beine bestimmen wird. Das Schwarz hat einen Schimmer von frisch aus der Schale gefallenen Kastanien und glänzt genauso wie diese. Das Bäuchlein unserer Paula, auf diesen Namen hatten wir uns in unseren Vorfantasien geeinigt, ist noch nackt. In Kürze wird dort weißblondes Haar wachsen, das sich an der Innenseite der Hinterläufe entlangziehen und besonders dicht den Anus bedecken wird. Paulas champagnerfarbene Dessous, wie ich es später immer ausdrücke – perfekt für eine elegante Hündin. Auch ihre Augenmarken sind schon zu erkennen.

Das Band ist geknüpft. Geimpft, entwurmt, mit Papieren – Birte vom Haselhorn, so heißt sie offiziell, geboren am 25. 8. 1993 –, so bekommen wir sie, zusammen mit einer Ration Futter für das Wochenende. Noch das Geschäftliche und ein paar Formalitäten, dann trage ich das Hundekind auf dem Arm, in ein Handtuch gewickelt, das wir in unserem Wagen gefunden haben. Halsband und Leine haben wir nicht dabei, wir wollten ja nur mal … Auf der Rückfahrt sitze ich mit unserer Paula auf dem Schoß hinten im Auto. Als wir die halbe Strecke zurückgelegt haben, spuckt sie ihre Nahrung wieder aus. Das Autofahren hat Übelkeit hervorgerufen, sicherlich hat sie neben der ganzen Aufregung auch Angst. Die Trennung von Mutter und Geschwistern, zwei fremde Menschen, die Fahrt – was wird ihr alles zugemutet! Wolfgang hält den Wagen an, wir steigen aus, und ich säubere uns, so gut es geht. Als Leinenersatz verwenden wir das Handtuch, das wir ihr um den Bauch legen. So können wir ein paar Schritte machen. Dann geht es weiter. Jetzt schläft die Kleine in meinen Armen ein. Später sagt Wolfgang immer wieder: »Als ich gesehen habe, wie gelassen du damit umgegangen bist, dass Paula sich übergeben hat, wusste ich, es wird alles gut.« Und so ist es auch, selbst meine Hautempfindlichkeit an den Händen vergeht durch das Streicheln ihres seidigen Fells schon bald.

Unser neues Familienmitglied hat sein Körbchen in unserem offenen Flur-Küchen-Wohnbereich mit den beiden Terrassentüren zum Garten. Dort halten wir uns am häufigsten auf. So kann die Kleine ganz schnell ins Freie, wenn sie zeigt, dass Sauberkeitsrituale geübt werden müssen. Zunächst reicht jedoch eine alte Zeitung, die sie untergeschoben bekommt, wenn sie die typische Drehbewegung einleitet, um sich zu lösen. Als Übergangslösung bewährt sich ein flacher Korb, in den wir sonst immer die Zeitungen legen. So klein ist sie noch. Die Treppen mit den offenen Stufen haben wir zugestellt, damit Paula ihre Gelenke im Welpenalter nicht zu stark belastet. Ich schlafe die nächste Zeit auf dem Sofa bei ihr unten, sodass sie nicht allein ist und auch jederzeit in den Garten kann. Wider alle Erwartung kommt sie nachts nicht zu mir. Sie bleibt für sich, zufrieden mit ihrem Schlafplatz. In der ersten Nacht legen wir einen tickenden Wecker unter das Kissen in ihrem Körbchen. Das würde den Herzschlag der Mutter simulieren und so ein vertrautes Gefühl vermitteln, lesen wir in einem Hundebuch. Heute glaube ich nicht mehr daran, dass ein Hund, sensibel wie er ist, mit seinem feinen Gehör diesen Unterschied nicht erkennt.

Am nächsten Tag, es ist Sonntagvormittag, klingeln wir bei unseren Nachbarn schräg gegenüber, deren Dackel schon vor längerer Zeit verstorben ist, und fragen, ob sie uns mit Halsband und Leine aushelfen können. »Selbstverständlich«, lautet die Antwort. Paula, die das Handtuch um den Bauch hat, wird liebevoll begrüßt, und wir werden beglückwünscht, denn die Freude an einem Hund sei doch so groß. Danach machen wir unseren ersten kleinen Spaziergang mit geliehenem Halsband und geliehener Leine. Die Dorfbewohner schenken uns große Aufmerksamkeit, sodass Paula gleich einige von ihnen kennenlernt. Heute Morgen ist kein weiterer Hund zu sehen. Es zeigt sich jedoch in den nächsten Tagen, dass sich fast alle Kontakte mit den Hunden in der unmittelbaren Nachbarschaft, die auch frei laufen dürfen, spielerisch freundlich gestalten. Nur Charly, ein älterer, mittelgroßer Mischlingsrüde mit zottigem Fell, ist ein Welpenfeind. Wir müssen Paula bei Begegnungen vor ihm schützen.

Schon in den ersten Tagen zeigt Paula eine große Eigenständigkeit. Sie weiß genau, was sie möchte und was nicht, so verweigert sie z. B. beim ersten Tierarztkontrollbesuch das angebotene Leckerli. Diese Unbestechlichkeit entwickelt sich später zu einem ihrer wesentlichsten Charakterzüge. Uns gegenüber ist sie vertrauensvoll, doch von einer Schmusehündin kann man nicht sprechen. Ein bisschen streicheln und dann ist gut. Nachdem Paulas Knochen gefestigt sind und wir die Barriere vor der Treppe nach oben entfernt haben, kommt sie nachts ins Schlafzimmer und legt sich zum Schlafen auf den Teppich vor unserem Bett. In das Bett krabbelt sie nur, wenn sie allein ist. Eine dort entstandene, sandige Mulde verrät es. Unten im Wohnzimmer erobert sie sich schon nach kurzer Zeit einen schweren Sessel, der vor den bodentiefen Glaselementen der Fenster zur vorderen Terrasse in Richtung Westen, zur Straßenseite hin, steht. Dort kann sie sich zusammenkringeln und dösen, dann aber auch den Kopf auf das runde Polster der Seitenlehne ablegen, sodass sie einen freien Blick nach draußen hat. Ein strategisch wichtiger Platz!

Die Reinlichkeitserziehung geht spielend schnell. Nachts gehe ich mit ihr vorbeugend nach draußen, was sie bei den ersten Malen ausnutzt, um den ganzen Garten zu durchschnüffeln. Hinter und unter Büschen muss ich sie suchen, weil sie gar nicht daran denkt, auf mein Rufen hin zu mir zu kommen. Seitdem bleibt sie an der Leine, und ich selbst werde nicht unnötig putzmunter und kann den Rest der Nacht nicht mehr schlafen. Es dauert nicht lange, und Paula kann ihre Blase die ganze Nacht kontrollieren. Muss sie ins Freie, stellt sie sich vor die Tür und schaut uns auffordernd an. Ihren Essplatz hält sie peinlich sauber. Fällt ein Bröckchen daneben, wird es sofort aufgeleckt.

Erst als sie deutlich älter wird, ändert sich das. Ins Freie möchte sie immer, egal, ob es regnet oder stürmt, und auch das ändert sich erst im Alter.

In den ersten vierzehn Tagen kann ich Paula durchgängig betreuen. Auch danach ist sie nicht allein, denn nun hat Wolfgang Zeit für sie, und so kann sie sich ganz an ihr kleines Rudel gewöhnen. Der Tagesablauf ändert sich für uns drastisch. Vor dem Frühstück ein kleiner Spaziergang zum Feldweg, nach dem Frühstück ein großer, denn danach muss Paula lange allein bleiben, bis dann am Mittag einer von uns wieder da sein kann. Wann immer es möglich ist, fahre ich kurz während meiner Arbeitszeit nach Hause, um nach Paula zu schauen. So können wir die Zeitspannen, in denen wir sie allein lassen, langsam verlängern. Einmal in der Woche kümmert sich auch unsere Frau Sordens zwischendurch um Paula und lässt sie in den Garten. »Gleich kommt Sordi Sordens«, sage ich am Mittwochmorgen, wenn sie kommt. Paula jauchzt, läuft zur Tür, wo Sordi stürmisch empfangen wird, und verliert vor lauter Freude etwas Pipi. Die beiden verstehen sich sehr gut; Sordi unterhält sich auch immer mit Paula und erklärt ihr, was sie gerade macht. »Sie wird ja so ein großer Hund. Dann kann ich mit ihr leider nicht spazieren gehen.« Sordi glaubt, dieses temperamentvolle Etwas später nicht mehr halten zu können, so kräftig zieht der Welpe an der Leine. Am Nachmittag machen wir dann wieder einen großen Spaziergang und zum Abend noch einen kurzen. Das kleine Rudel ist immer in Bewegung, mal auf sechs Beinen, mal auf acht. Paula braucht viel Bewegung, und nichts geht dem kleinen Wildfang über das Toben mit anderen Hunden, die uns im Dorf oder in der Feldmark begegnen. Zum Spielen kommt auch des Öfteren Berti, ein Golden-Retriever-Welpe aus der Nachbarschaft, zu Besuch, von dem ich später noch erzählen werde.

Natürlich fallen einige Bücher Paulas Kaugelüsten zum Opfer, und auch ein Schuh ist dabei, ebenso ein Kabel. Nicht so schlimm, denn der Stecker war in weiser Voraussicht gezogen. Wolfgangs Portemonnaie kann kurzfristig gerettet werden, als wir einmal übers Wochenende an die Nordsee fahren und fast ein Malheur passiert wäre. Von der kleinen Ferienwohnung läuft Paula samt Portemonnaie über die Terrasse in die anderen Gärten – wir eiligst hinterher und erwischen sie, bevor sie noch weiter weglaufen kann. Auch auf den Deich, als Paula sich ein Seemöwen-Aas aus dem Watt holt und voller Freude mit der tollen Beute im Fang durch die Gegend jagt, müssen wir noch einmal einschreiten. Zum Glück verliert sie recht schnell wieder das Interesse an ihrem Fund und trottet uns entgegen.

Die Entwicklungsphasen wechseln sich rasch ab, und schon nach vier Monaten ist der Welpenspeck verschwunden. Paula gewöhnt sich an unser Berufsleben und den damit verbundenen Rhythmus. Sie kennt es nicht anders. Beim Abschied am Morgen bleibt sie ganz ruhig, schaut durch die Scheibe in der Haustür, wenn wir den Schlüssel drehen, läuft dann zur vorderen Terrassentür und sieht zu, wie wir durch das Gartentor die Straße betreten. Es fällt uns unendlich schwer, sie allein zu lassen. Aber es geht nicht anders. Die Nachbarn erzählen, sie würde nur bellen, wenn jemand das Grundstück betritt, deshalb versetzen wir für den Postboten den Briefkasten. Er steht nun draußen neben der Gartenpforte. So braucht Paula nicht regelmäßig den Wachhund in sich bemühen. Bevor wir ins Auto steigen, winken wir ihr zu: »Wir kommen bald wieder.«

Ich bin tapfer – wären wohl ihre Worte gewesen.


Che bello cane

CHE BELLO CANE

Schon mit gepacktem Wagen fahre ich morgens noch kurz zur Arbeit, damit wir um 11 Uhr unsere erste große Reise mit Paula starten können. Unser Ziel: Italien, Italien im Frühling! Wir werden abends in Österreich zum Übernachten Station machen, wo genau, wissen wir noch nicht. So der Plan! Paula fährt gern Auto – mit etlichen Pausen zum Beine-Vertreten und für das Nötigste werden wir das wohl schaffen. Wir sorgen dafür, dass Paulas Magen nicht zu voll ist, damit ihr nicht schlecht wird. Ihre üppigste Mahlzeit nimmt sie sowieso am Abend zu sich. Von daher kann also nichts schiefgehen. Voller Vorfreude fahren wir los, Paula auf der Rückbank auf einem kuscheligen Schlafsack, der die nächsten vierzehn Tage als Hundekorb-Ersatz dienen wird.

Nach drei Stunden, etwas südlich von Würzburg, machen wir unsere erste Pause. Wir rollen vorbei an Tankstelle und Raststätte und halten bei den hinteren Parkplätzen, wo auch Büsche und Bäume sind. Paula braucht schließlich ein bisschen Grün! Ich nehme die Leine, die vor meinen Füßen liegt, steige aus und öffne die Hintertür, um Paula herauszulassen, die während der Fahrt ruhig vor sich hin gedöst hat. Das gleichmäßige Autobahnfahren ohne Kurven und ohne Geschwindigkeitsschwankungen schläfert nicht nur den Fahrer ein – auch junge Hunde können dabei offensichtlich gut schlafen. Ich greife nach dem Halsband und werde stutzig: Es ist kein Halsband da! Paula springt aus dem Wagen. Blitzschnell halte ich sie fest, indem ich sie umarme. Jetzt fällt es mir wieder ein: Nach dem morgendlichen Spaziergang war Paula sehr schmutzig, sodass Wolfgang sie noch vor der Abfahrt geduscht hat – alles für Italien natürlich! Ja, und das Halsband …? Nun, das blieb liegen. Auf dem Wannenrand. Alle Wetter – da liegt es gut! Mit dem einen Leinenende kann ich durch den vorgegebenen Ring eine Schlaufe bilden, die um Paulas Hals passt, eher noch etwas zu groß ist. Diese Schlaufe dient sonst als Haltegriff. Ein Provisorium, das uns nun bei unserem kleinen Spaziergang hilft. Durch die vielen fremden Eindrücke und vor lauter Aufregung dauert dieser nun doch etwas länger. Aber alles geht gut!

Wir beschließen, gegen fünf Uhr nachmittags die Autobahn zu verlassen, um in einer Kleinstadt noch vor Geschäftsschluss ein Halsband für Paula zu kaufen. Außerdem suchen wir ein Quartier, was sich als einfache Sache herausstellt, denn wir finden gleich ein Hotel mit Schild »Hunde willkommen«. Im Zentrum gibt es ein Fachgeschäft und Paula bekommt auf Empfehlung des Verkäufers eine hübsche, zierliche Kette. Das sei für ihr langes Haar besser, befindet er. Später lese ich aber darüber etwas anderes. Doch wie dem auch sei: Die Kette wirkt auf ihrem schwarzbraunen Fell wie ein Diadem. So ausgerüstet setzen wir am nächsten Morgen unsere Fahrt fort. Ein Maulkorb liegt hinten auf der Ablage im Wagen, denn die Bestimmungen zur Einreise eines Hundes nach Italien verlangen diesen, ebenso wie diverse Impfungen, die Paula sowieso hat, die aber extra im Impfbuch bescheinigt werden mussten. An der Grenze kümmert sich niemand um uns, und wir fahren dem Frühling entgegen. Schon sind auf der Mittelleitplanke der Autobahn in der Höhe von Bolzano blühende Forsythiensträucher zu sehen, und an den Flussufern ist die Vegetation zart grün. Wir machen alle drei Stunden eine Pause, führen Paula sicher an der neuen Halskette durch das Gewusel auf den Parkplätzen der Autobahn an die Stellen, die für Hunde geeignet sind, um ihren Bedürfnissen nachzugehen. Paula ist ganz ruhig im Wagen, worüber wir sehr froh sind. Es ist, als ließe sie ihr Temperament mit Einstieg ins Auto draußen vor der Tür zurück. Weil wir am Tag zuvor nicht die geplante Strecke zurücklegen konnten, werden wir heute erst gegen Abend in unserem gemieteten Haus in der Nähe von Cortona in der Toskana nahe der Grenze zu Umbrien ankommen.

Die Wegbeschreibung, die uns der Vermieter unseres Ferienhauses zugeschickt hat, ist sehr detailliert. Es sind auch Hinweise auf die nächsten Einkaufsmöglichkeiten darin enthalten. Für uns ist es sehr hilfreich, sodass wir unser Abendbrot schon vor der letzten Wegstrecke einkaufen. Das erspart uns eine weitere Fahrt bei Dunkelheit. Wir betreten einen typisch italienischen Krämerladen – alles, was man unbedingt braucht, ist vorhanden und nach Selbstbedienungsart aus den Regalen zu nehmen. Aber es gibt auch einen Delikatessenstand mit den unglaublichsten Angeboten. »Si, prosciutto di parma, bene, ricotta, mozzarella di bufala … Grazie à Lei, ja, Parmaschinken, gut, Ricotta, Büffelmozzarella … danke Ihnen.« Wir bekommen alles, was Herz und Magen begehren, auch Tomaten und frische zu Sträußen gebundene Kräuter. Mit zwei großen Papiertüten verlassen wir den Supermercato – so heißt der kleine Laden natürlich. Der Fornaio, Bäcker – die Signora im Mercato beschreibt ausführlich, wo wir ihn finden können, und unterstreicht alles mit großer Gestik. »Si, centro metri a sinestra, allora venti metri a destra, ja hundert Meter nach links, dann zwanzig Meter nach rechts.« Wir wiederholen die Wegbeschreibung und ihre Augen leuchten. »Benissimo, wunderbar!« Die Backstube, die wir dann direkt betreten, ist in einer Gasse, so schmal, dass kein Auto sie befahren kann. Wer die Gasse findet, findet auch den Paneficio, den Bäckerladen, nur der Nase nach, und dafür braucht man kein Hund zu sein, so intensiv ist der Duft des frisch gebackenen Brotes. Der Paneficio hat im Allgemeinen morgens und abends geöffnet. Die Öffnungszeiten sind nicht an der Tür vermerkt. Im Besonderen hat er auch mal nicht geöffnet oder nur am Mittag. Dafür aber brauchen wir Spezialwissen und die paar Brocken Italienisch, die wir beherrschen, öffnen die Herzen. Also holt der Fornaio einen Zettel und schreibt seine unkonventionellen Öffnungszeiten in dieser Woche extra für uns auf. »Solamente settima questa, nur in dieser Woche.« – »Mille gracie, arrivederci, vielen Dank, auf Wiedersehen.« Mit warmem toskanischem Brot verlassen wir die Stube. Wir sind angekommen in Italien.

Gut gelaunt öffnen wir die Wagentür. Paula hebt freudig schnüffelnd die Nase. »Buongiorno, Paola, come stai? Guten Tag Paula, wie geht es dir?« Sie neigt ihren Kopf nach links. »Parlare italiano, italienisch sprechen!« Sie neigt ihren Kopf nach rechts mit fragendem Blick, etwas unsicher. »Keine Sorge, wir sind nur übermütig. Es ist alles gut!« Sie ist beruhigt. Dankbar lässt sie sich streicheln. Paula reagiert sehr sensibel auf unsere Stimmlage, sodass wir den Eindruck haben, dass sie alles wörtlich versteht.

Wir bringen das letzte Stück des Weges hinter uns und kommen dank der guten Beschreibung unseres Vermieters sogar noch bei Helligkeit an. Als wir an einem der folgenden Tage den anderen Weg nehmen, der so einladend aussieht, wird uns klar, warum wir vor diesem gewarnt wurden. Auf diesem Weg wären wir nicht vor Einbruch der Dunkelheit angekommen, womöglich hätten wir uns gar in einem der Schlaglöcher festgefahren …

Es erwartet uns ein toskanisches Feldsteinhaus, am Hang gebaut, umrahmt von Lorbeerbüschen, blühendem Rosmarin und Tamarisken, die ebenfalls in Blüte stehen. Zwei Zypressen stehen in ihrer dunklen Silhouette etwas abseits … Alles ist genauso, wie wir es uns erträumt haben. Ich neige ja ohnehin zur Aufgeregtheit, doch nun bin ich vollends aus dem Häuschen. Gemeinsam mit Paula renne ich von einer Ecke zur anderen, nicht wissend, was ich zuerst sehen will. Am liebsten alles auf einmal! Doch Paula ist schneller, schon bellt sie vor dem Nachbarhaus, das höher gelegen und etwa 100 m entfernt ist. Hier gibt es ja keine Zäune. »Nein, Paula! Sitz!« Jetzt bin ich bei ihr und nehme sie an die Leine. Alles gehört ihr und sie muss es bewachen. »Scusi, signore, Entschuldigung.« Der Nachbar kommt aus dem hinteren Teil seines Gartens, einem Stückchen Land, das wunderschön bepflanzt und vorbildlich gepflegt ist. Der Nachbar scheint also immer hier zu leben. Er lächelt – und da mein Italienisch nicht reicht, kommt er mir gleich mit Englisch zur Hilfe. Nein, er habe nichts gegen Hunde. Und im gleichen Moment erfahre ich alles: Er und seine Frau seien nach dem Berufsleben aus Rom hierhergekommen, nun seien schon drei Jahre vergangen. Er liebe die Gartenarbeit. Und schon zeigt er mir voller Stolz seine große Orangerie auf der Südseite des Hauses. Nein, hier könnten die Zitrusgewächse im Winter leider auch nicht draußen bleiben, die Fröste seien in manchen Nächten zu stark. Paula sitzt ruhig neben mir und hört aufmerksam zu. In einer halben Stunde sei er bei uns, um uns die Bedienung der älteren Heizungsanlage in unserem Haus zu zeigen. Das sei nötig, er habe bei allen Feriengästen des Hauses helfen müssen. »Ciao, grazie à Lei – a presto, ciao, danke – bis gleich.« Ich berichte Wolfgang alles, als ich mit Paula zum Ferienhaus zurückkehre. Er hat schon angefangen, das Gepäck auf die vordere Terrasse, die über eine schöne Steintreppe zu erreichen ist, zu stellen. »Wir haben Glück mit dem hundefreundlichen Nachbarn.« Das Haus haben wir sowieso nur mieten können, da wir versprochen haben, immer eine Decke auf die weißen Sofas im Wohnraum zu legen, damit sich dort keine Hundehaare verfangen können. Nun sind wir gespannt, was uns außer weißen Sofas innen noch so alles erwartet.

Wir betreten das Haus über die erste Etage. Die Tür öffnet sich in ein Wohnzimmer, das sich fast über die ganze Ebene hin erstreckt. Ein offener Kamin zieht unseren Blick auf sich. Von ihm aus geht rechts und links eine Kammer ab. Auf dieser Ebene ist auch das Bad. Der Fußboden ist mit Cotto-Fliesen belegt. Zwischen den sichtbaren Balken der Decke befindet sich auch Cotto. Neben der Eingangstür steht noch der alte Spülstein, in Mauernischen sind Holzbohlen wie Regale eingezogen. Alles ist original erhalten. Der Vermieter hat das Haus Anfang der 70er-Jahre erworben und traditionell restauriert. Die Heizung stammt auch aus der Zeit, daher das Hilfsangebot des Nachbarn, von dem wir auch Kaminholz beziehen können. Kaminfeuer ist wichtig um diese Jahreszeit, denn die milden Außentemperaturen dringen nicht durch die dicken Steinmauern ins Haus. Eine Etage höher befinden sich die Schlafzimmer. Im Untergeschoss, der früheren Cantina, haben heute der Speisesaal für große Familienfeiern und die Küche mit Ausgang ins Freie ihren Platz gefunden. Wir beeilen uns und richten nur das Nötigste her, während Paula draußen nach dem Rechten sieht und alles weiter erkundet. Jetzt kennt sie den Nachbarn, ihre Neugier ist gestillt, so bleibt sie in Hausnähe, denn sie muss uns ja mit einem Auge bewachen. Unsere kalte Abendmahlzeit wollen wir unbedingt auf der Terrasse einnehmen. Es ist mild, jedoch behalten wir die Winterjacken an und legen Wolldecken auf die Stühle, denn nach Sonnenuntergang wird es empfindlich kühl – der erste Abend des Jahres im Freien, und das mit einem Ausblick in ein grünes Tal, an dessen halbkreisförmigem Berghang unser Haus auf halber Höhe liegt. Die Westsonne ist schon hinter dem Berg verschwunden, sodass es richtig war, die Jacken überzuziehen. Von innen wärmt ein sanfter Rotwein aus der Region. Wir stoßen an auf Bella Italia und auf Paula, die diese lange Reise so entspannt bewältigt hat. Wir haben eine Reisehündin! Diese läuft vor unseren Augen mal hierhin, mal dorthin, und als sie genug hat, kommt sie die Stufen zur Terrasse hoch, legt sich vor unsere Füße und stößt einen tiefen Grunzer aus. Unsere Paula hat das neue Terrain ausgiebigst erkundet und kann sich jetzt ausruhen.