Kitabı oku: «Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit», sayfa 2

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Die Situation dieser Region ist durch Besonderheiten gekennzeichnet, die sich maßgeblich auf den Kompetenzerwerb der einzelnen Lernenden auswirkt. Immer noch beeinflussen die geschichtlichen und sozialen Ereignisse, die dieses Land geprägt haben, jede bildungspolitische Entscheidung hinsichtlich Sprachen und Sprachenlernen maßgeblich mit. Bislang waren GER und FREPA im Bereich der Mehrsprachendidaktik Bezugspunkt für Schülerbewertung und Unterrichtsevaluation auch in Südtirol die einzigen Orientierungsrahmen. Es wird deshalb kurz darauf eingegangen, in welcher Form diese Empfehlungen in den letzten Jahren in Südtirol rezipiert wurden, wie die Südtiroler Rahmenrichtlinien für den Sprachenunterricht entstanden sind und wie der Südtiroler Referenzrahmen für die Mehrsprachigkeit aus dem FREPA abgeleitet wurde (Schwienbacher et al. 2017). Des Weiteren werden in diesem Abschnitt das Projekt und seine Forschungsschwerpunkte umrissen und in seinem Umfeld verortet.

Im darauffolgenden Abschnitt wird nach einer allgemeinen Einführung zum aufgabenorientierten Unterricht auf die Besonderheiten der komplexen Kompetenzaufgabe eingegangen und in ihren Eigenschaften erklärt (6.1.). Anschließend wird auf das Forschungsdesign übergeleitet. Zunächst wird der schulische Datenerhebungskontext umrissen, der Wechsel von der LehrerInnen in die ForscherInnenrolle kritisch reflektiert und in diesem Zusammenhang die Gütekriterien, die dieser Arbeit unterliegen, erläutert. Im Folgenden wird die Dokumentation und Analyse der Datensätze detailliert in allen ihren Aspekten transparent gemacht (6.3.).

Anschließend wird eine Unterrichtseinheit in ihrem Modellcharakter vorgestellt und ihr Aufbau beschrieben. Dabei wird die ursprünglich für den einsprachigen Fremdsprachenunterricht konzipierte Komplexe Kompetenzaufgabe von W. Hallet (; Hallet 2006, 2008, Hallet & Krämer 2012a/b) für den mehrsprachigen Unterricht adaptiert. Es wird im Einzelnen angeführt, wie die Kompetenzziele im mehrsprachigen Unterricht z. T. neu definiert werden, indem Aspekten der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit mehr Raum im Unterricht zugesprochen wird. Da die Auswahl der Texte für die einzelnen Module u.a. literarische Texte im weiteren Sinne vorsah, kommt auch den literarischen Kompetenzen, so wie sie in der Tradition der rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik (Burwitz-Melzer 2007) verstanden werden, große Bedeutung zu, da diese im Zusammenhang mit der Lese- und kommunikativen Kompetenz in einem mehrsprachigen Forschungsrahmen in Bezug auf Informationsentnahme und Verarbeitungsprozesse Bestandteil der Modellierung von mehrsprachiger kommunikativer Kompetenz sind (6.4.).

Darauf folgen die Einzelanalysen der Aushandlungsprozesse. In den auszugsweisen Aufzeichnungen der Aushandlungsprozesse werden für den Lernprozess relevante Stellen im Diskurs hervorgehoben und diskursanalytisch untersucht. Es werden Auszüge analysiert, die in besonderem Maße den Kompetenzerwerb im Bereich der MKK aufzeigen. Die Analyse der Aushandlungsprozesse soll eine Perspektivenvielfalt ermöglichen, die die SchülerInnenauswertung ergänzt und so die Validität der Daten garantiert (7.1.). Auf die Auswertung der Aushandlungsprozesse folgen die vier SchülerInnenauswertungen (8). Sie beinhalten die Auswertungen der Fragebögen zur Sprachbiographie und Auszüge aus den Aushandlungsprozessen. Diese ergeben zusammen mit den Ergebnissen der drei Stimulated Recalls, des abschließenden Leitfadeninterviews, des Forschungstagebuches und der Analyse der selbst verfassten Texte, ein Gesamtbild der individuellen Lernprozesse und der im mehrsprachigen Unterricht geforderten Strategien, Fähigkeiten und Fertigkeiten der einzelnen Probandinnen. Hier wird die dokumentarische Methode (Bohnsack 2013) herangezogen, da sie aufgrund ihrer Eigenschaften als besonders geeignet erachtet wird, die Entwicklung der symbolischen Kompetenz in ihrer Prozessmäßigkeit im mehrsprachigen Diskurs zu erfassen.

Besondere Berücksichtigung finden in diesem Zusammenhang die persönlichen, kulturellen und sprachlichen Voraussetzungen der einzelnen Lernenden. Ihr Einfluss auf den Kompetenzzuwachs steht in diesem Kontext im Fokus. Dies wirft die Frage auf, welchen Kompetenzzuwachs Lernenden mit unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Voraussetzungen erfahren, wie dieser individuelle Lernprozess sich in Anbetracht der unterschiedlichen kognitiven Voraussetzungen von zwei- bzw. mehrsprachigen und einsprachigen SchülerInnen gestaltet und welche Wechselwirkungen entstehen, wenn mehrsprachige und einsprachige Lernende in einem mehrsprachigen Setting zur gemeinsamen mehrsprachigen Arbeit veranlasst werden. Es stellt sich die Frage, wie sich in diesem Kontext mehrsprachiges soziales Lernen gestaltet und welcher Kompetenzzuwachs sich für alle Beteiligten daraus ergeben kann. Im dann folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse aller Teilanalysen im Vergleich zueinander in einem systematischen Überblick dargelegt (10.1.). Die verschiedenen Aspekte und Daten werden systematisch verglichen und miteinander vernetzt, um neue Erkenntnisse zu gewinnen, die für die konkrete Durchführung mehrsprachigen Unterrichts ebenso wie für den Erkenntnisgewinn des gesamten Forschungsprojekts von Interesse sind. In einem Abstraktionsprozess werden die so erhaltenen Daten in Indikatoren umformuliert, um Kompetenzbereiche herauskristallisieren zu können. Daraus ergeben sich folgende Forschungsfragen:

1 Wie lässt sich mehrsrapchige kommunikative Kompetenz definieren?

2 Welcher Kompetenzzuwachs im Bereich MKK kann in einem mehrsprachigen aufgabenorientierten Lernsetting beobachtet werden?

3 Wie hängt dieser Kompetenzerwerb mit den (sprach-) biographischen Voraussetzungen der einzelnen Lernenden zusammen?

4 Welche Kompetenzbereiche können identifiziert und welche Deskriptoren formuliert und werden?

Im Abgleich der Daten mit der theoretischen Modellierung werden alle Entsprechungen in tabellarischer Form dargestellt und Leerstellen bzw. neue Erkenntnisse aufgezeigt (9). Aus diesem Datenvergleich lassen sich Ähnlichkeiten, Unterschiede, aber auch Besonderheiten herausarbeiten, die kritisch beleuchtet werden. Ziel ist es aufzuzeigen, inwieweit die Ergebnisse der Datenauswertung mit denen der theoretischen Modellierung übereinstimmen bzw. differieren. Es werden außerdem jene neuen aus der Datenanalyse hervorgegangenen Kompetenzbereiche aufgezeigt und umrissen, die in der theoretischen Modellierung noch nicht vorhanden waren.

Anschließend wird ein erster Ansatz einer Kompetenzbeschreibung einer mehrsprachigen kommunikativen Kompetenz für einen mehrsprachigen kompetenzorientierten Unterricht ausgearbeitet und in Hinblick auf die Operationalisierung im Unterricht transparent gemacht (10). Es werden anhand von Tabellen die aus dem Datenvergleich gewonnenen Deskriptoren anhand von Kompetenzbereichen den fünf Savoirs zugeordnet. Diese vermitteln ein Gesamtbild des erkenntnistheoretischen Wertes der Studie und können in die Diskussion über Sinnhaftigkeit und Durchführbarkeit mehrsprachigen Unterrichts eingebunden werden. In der Zusammenschau der einzelnen Elemente der Studie werden Eigenschaften und Merkmale nochmals gebündelt und – nicht zuletzt in Hinblick auch auf die bildungspolitische Diskussion und die Verankerung des mehrsprachigen Unterrichts an Südtirols Schulen durch die Öffnung der einzelnen Curricula und Schulprogramme in Richtung Mehrsprachigkeit – in ihrem erkenntnistheoretischen Wert offengelegt.

2. Sprachenvielfalt und Sprachenlernen in der EU

Die vorliegende Studie orientiert sich bei der Ausarbeitung der Deskriptoren für mehrsprachige kommunikative Kompetenz maßgeblich an zwei Vorbildern: an der GER und der FREPA. Auf den nach Abschluss der Datenauswertung 2018 erschienenen Ergänzungsband zum GER (Concil of Europe CEFR/CV 2018) wird ebenfalls eingegangen, da hier der Bereich der Sprachmediation eine prominente Rolle einnimmt. Dieser Bereich kristallisiert sich auch in der Datenanalyse als ein besonders wichtiger und facettenreicher heraus. Die entsprechenden Deskriptoren wurden den Kernkategorien Soziales Lernen und Gesprächsstrategischer Einsatz von MKK zugeordnet. Der Ergänzungsband stellt einerseits einen großen Fortschritt bezüglich der Ausarbeitung von Deskriptoren für plurilinguale Kompetenzen, wie sie in dieser Studie anvisiert sind, dar, da der Bereich der Mediation aufgenommen wird, lässt aber dennoch viele Fragen offen bzw. scheint nicht ausreichend ausdifferenziert, vor allem was die literarischen und mehrsprachigen Kompetenzen anbelangt. Auf alle drei Dokumente soll im Folgenden eingegangen werden, um ein besseres Verständnis der nachstehenden Datenanalyse und Modellierung von MKK zu ermöglichen und diese bildungspolitisch innerhalb der Zielsetzungen der EU einzuordnen.

2.1 Sprachenlernen im GER

Seit geraumer Zeit ist Mehrsprachigkeit1 und mehrsprachige Bildung ein zentrales Anliegen der Europäischen Union. Der Grundstein dafür wurde 2001 in der Barcelona-Zielsetzung (Europarat 2001) gelegt. Dort wurde zum ersten Mal festgehalten, dass im europäischen Raum der Sprachenunterricht von mindestens zwei Fremdsprachen von früher Kindheit an zu den Zielsetzungen der EU im Bildungs- und Ausbildungsbereich gehört und besonders gefördert werden soll. Es ist demzufolge explizites Ziel der EU, die individuelle Mehrsprachigkeit zu fördern und somit die Sprachenvielfalt innerhalb der Union zu wahren und zu unterstützen. Dies beinhaltet eine klare Absage an das Englische als einzige Lingua franca, das erstmals als Bedrohung wahrgenommen wird (vgl. Fäcke 2008: 7). Seit dem Jahr der Sprachen 2001 ist klar, dass die EU dem Modell des Englischen als einzige dominante Fremd- und Verkehrssprache den Rücken gekehrt hat, um den Sprachenreichtum Europas, die Minderheitensprachen und Randsprachen als kulturelles Gut zu schützen und zu fördern. Damit will man sich nicht darauf beschränken, das Englische in seiner Wichtigkeit als Verkehrssprache in allen Lebensbereichen einzugrenzen, sondern auch den Einfluss dieser Sprache auf andere Sprache zu unterbinden. So hat z.B. laut House eine Reihe von validierten Recherchen deutlich gemacht, dass es bereits Einflüsse der englischen Genres auf Texte in anderen Sprachen gibt (House 2004; Bührig & House 2004; Böttger 2004). Mehrsprachigkeit soll nicht mehr als Hindernis in der Kommunikation empfunden werden, sondern als eine zusätzliche Ressource, ein „wertvoller Schatz“ und ein Potenzial, das es zu schützen und auszuschöpfen gilt (Europarat 2001: 15).

Daher wird wiederholt bekräftigt, dass alle europäischen BürgerInnen mindestens zwei Sprachen neben der Muttersprache zumindest funktionell (d.h. in Teilbereichen) beherrschen sollten: eine zweite Sprache L2, die in den meisten Fällen Englisch ist und eine weitere Sprache L3, im Idealfall eine Nachbar- oder eine Minderheitensprache. Diese Vorgabe spiegelt sich im Prinzip der DLC (Dominant Language Constellation) wider, nach der nicht eine einzelne Sprache Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit einer bestimmten Gesellschaft ist, sondern eine größere Anzahl von Sprachen für den sozialen Diskurs nötig sind. Laut Aronin und Singleton scheinen im Schnitt drei Sprachen auszureichen, um diese kommunikative Funktionsfähigkeit einer bestimmten Gesellschaft zu gewährleisten (Aronin & Singleton 2012: 59).

Im Zuge der Kompetenzdiskussion in der Fremdsprachendidaktik wurde bereits 2001 ein Instrument zur Erhebung der Sprachkompetenzen ausgearbeitet: Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001). Dadurch wurde zunächst der Kompetenzbegriff für den Sprachenunterricht auf nationaler und europäischer Ebene vereinheitlicht. Es wurden fünf Kompetenzbereiche erarbeitet, die anhand von sechs Niveaustufen durch Deskriptoren detailliert skaliert wurden. Diese Standardisierung ermöglichte es, das Sprachenlernen europaweit nach vereinheitlichten Kriterien zu gestalten und zu evaluieren. Sprachliche Kompetenzen wurden somit vergleichbar gemacht, was zu bürokratischer Vereinfachung führte und die zwischenstaatliche Verständigung erleichterte.

In Südtirol wurde der GER durch die Rahmenrichtlinien für den Fremdsprachenunterricht rezipiert und größtenteils eins zu eins in verkürzter und vereinfachter Form übernommen. Inhalte und Aufbau sowie das Kompetenzverständnis wurden in Südtirol, aufgrund der besonderen schulpolitischen Gegebenheiten, auf die im Folgenden noch genauer eingegangen wird, nie kritisch hinterfragt. Eine Diskussion über das Verhältnis von Bildungsstandards und GER, wie sie sich in den Folgejahren in Deutschland entwickelte (Bausch et al. 2005; Burwitz-Melzer 2005), blieb hierzulande aus. Auch jegliche Bezugnahmen auf im GER behandelten Aspekte von Mehrsprachigkeit, wie sie im Folgenden ausgeführt werden, blieben unbeachtet. Aufgenommen wurde lediglich die Öffnung des Unterrichts, allerdings beschränkt auf den Fremdsprachenunterricht, in Richtung interkulturelles Lernen, das im Vorspann der Südtiroler Rahmenrichtlinien für Fremdsprachen erwähnt wird (Autonome Provinz Bozen-Südtirol 2010).

2.1.1 Die Mehrsprachigkeit im GER

Im einleitenden Teil des GER wird erstmals Mehrsprachigkeit nicht nur gefordert, sondern auch umrissen sowie ein Definitionsversuch unternommen. Das Sprachenlernen wird nicht mehr als additiver Erwerbsprozess mehrerer Sprachen betrachtet, sondern es steht die Vermittlung kultureller und interkultureller Kompetenzen als integrierter Bestandteil des Sprachenlernens im Mittelpunkt. Das Kennenlernen und das Verständnis für andere Kulturen, deren Gemeinsamkeiten mit der eigenen Herkunftskultur, aber auch deren Besonderheiten, verhilft einerseits zur Fähigkeit, die eigene Kultur zu hinterfragen und aus einer anderen Perspektive zu sehen, und gleichzeitig Ungewohntes, Neues und Fremdes einer anderen Kultur in diesen Wachstumsprozess zu integrieren.

Es folgt eine erste Definition von Mehrsprachigkeit (Europarat GER 2001: 17): Dabei wird zunächst zwischen Vielsprachigkeit und Mehrsprachigkeit unterschieden. Vielsprachigkeit greift auf institutioneller Ebene, wie z.B. an Schulen, die ein vielsprachiges Angebot ausarbeiten können, um die Kompetenzen der Lernenden im Bereich Mehrsprachigkeit zu fördern. Mit Mehrsprachigkeit ist die individuelle Erfahrung, der Umgang des Einzelnen mit den Sprachen seines Repertoires und die Erfahrungen der kulturellen Erweiterung, die damit einhergeht, gemeint. Sprachen bilden im Gehirn keine klar voneinander getrennten Einheiten, sondern fächern sich in einer gemeinsamen mehrsprachigen Kompetenz auf. Daher wird von einem parallelen Lernen von Sprachen zugunsten eines synergetisch verstandenen abgesehen. Es sollen sich so gemeinsame, sprachübergreifende Kompetenzen bilden, auf die je nach Bedarf und Kontext zurückgegriffen werden kann. Im Sinne eines lebenslangen Lernprozesses wird Abstand genommen von dem Ideal eines auf muttersprachlichem Niveau zwei- oder dreisprachigen Menschen zugunsten eines Verständnisses von Sprachenlernen, das auch darauf abzielt, sich je nach Bedarf auf den Erwerb von Teilkompetenzen zu beschränken.

So soll die Entwicklung eines sprachlichen Repertoires unterstützt werden, das beim Erwerb weiterer Sprachen oder Teilkompetenzen eine spracherwerbsfördernde und im Idealfall beschleunigende Funktion einnimmt. Die Begriffe „mehrsprachige Kompetenz“ und „sprachliches Repertoire“ werden in diesem Zusammenhang zwar öfter erwähnt, jedoch bleibt eine genauere Definition dieser Begriffe und ihrer Funktion für den Erwerb weiterer Sprachen aus (ibid.: 18f.). Da der Referenzrahmen keine eingehendere Bedeutungserklärung dieser Begrifflichkeiten liefert, fällt es schwer, sich ein vollständiges Bild von der Funktionsweise und der Auswirkung mehrsprachiger Kompetenzen auf den Spracherwerbsprozess zu verschaffen. Es wird lediglich davon gesprochen, dass beim Sprachenlernen die Möglichkeit gegeben werden sollte, diese mehrsprachige Kompetenz zu entwickeln, wobei der Sprachmittlung in all ihren Formen hier eine besondere Wichtigkeit eingeräumt wird. Es werden auch keine Deskriptoren zur Mehrsprachigkeit angeführt. Es fehlt also ein grundlegender Aspekt, der unverzichtbar ist, will man Mehrsprachigkeit im Unterricht implementieren. Was bleibt, ist lediglich eine allgemeine Definition mehrsprachiger Kompetenzen ohne deren Deskriptoren. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der GER zwar ansatzweise einige Grundbegriffe der Mehrsprachigkeit ausformuliert hat, dass aber definitorische Unbestimmtheit vorherrscht und es versäumt wurde, den Bereich Mehrsprachigkeit in seinem Facettenreichtum zu erfassen und zu erläutern (GER Kapitel 6).

Einen wichtigen Beitrag hingegen leistet der GER in Bezug auf funktionale Mehrsprachigkeit, indem abgesehen wird von der Vorstellung einer idealen muttersprachlichen Kompetenz in einer Zweitsprache zugunsten der Ausbildung eines möglichst breitgefächerten Repertoires an situationsgebundenen Sprachfertigkeiten in mehreren Sprachen, die je nach Bedarf im Prozess des lebenslangen Lernens ausgebaut und erweitert werden können (ibid.: 132-134). Diese bereichsspezifischen und situationsgebundenen Sprachkompetenzen können gezielt im Unterricht vermittelt oder durch den Sprachgebrauch in Alltagssituationen erworben werden. Die funktionale Mehrsprachigkeit hat allerdings noch nicht ihren Weg in die Bildungsinstitutionen gefunden und es wäre wünschenswert, dass Schulen sich baldmöglichst auf diese neuen gesellschaftlichen Anforderungen einstellen.

2.1.2 Rahmenstrategien zur Mehrsprachigkeit

Nach Fertigstellung des GER konnten in den Folgejahren konkrete Rahmenstrategien für Mehrsprachigkeit ausgearbeitet werden (Council of Europe 2005) und Ansätze mehrsprachiger Erziehung folgten (Council of Europe 2007a,b; 2008a/b/c,). Im Jahr 2008 wurden die ersten Resolutionen über eine gemeinsame europäische Strategie zur Mehrsprachigkeit verabschiedet – dabei handelt es sich um Schlüsseldokumente, die detailliert die Maßnahmen zur Förderung einer mehrsprachigen Bildung vorstellten (Dorner 2008). Auch hier wird auf die Wichtigkeit der Mehrsprachigkeit für die sprachliche und kulturelle Vielfalt innerhalb, aber auch außerhalb Europas hingewiesen. In diesem Zusammenhang wird der Begriff „Querschnittsthema“ in Bezug auf Mehrsprachigkeit erstmals erwähnt (Council of Europe 2008a: 1). Dadurch wird Mehrsprachigkeit zum Schnittpunkt nicht nur von Sprachen und Kulturen, sondern auch der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Bildungspolitik sowie allen Bereichen des täglichen Lebens. Von der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit bis zur Bildungssprache sind in der heutigen pluralen und globalisierten Gesellschaft alle Bereiche von Mehrsprachigkeit durchwirkt. Mehrsprachigkeit wird auf diese Weise aus dem sprachen- und kulturübergreifenden Bereich in die alltägliche gesellschaftliche Realität in Europa und außerhalb Europas übertragen. Sie macht die kulturelle Vielfalt der EU aus, und im Zuge des Bewusstwerdungsprozesses darüber soll die Fähigkeit entstehen, das eigene Sprachenrepertoire zu verändern, um es neuen Umständen und Anforderungen anzupassen (Council of Europe 2006). Teil dieses Vorhabens ist auch die Förderung weniger verbreiteter Sprachen, die in diesem Dokument in ihrer kulturellen und sozialen Wichtigkeit unterstrichen wird. Vrings/Vetter bezeichnen Mehrsprachigkeit als eine Schlüsselkompetenz (vgl. Frings & Vetter 2008).

Es wird erstmals festgehalten, dass Mehrsprachigkeit zur Entwicklung von Kreativität beiträgt, indem sie Zugang zu anderen Denkweisen, Weltanschauungen und Ausdrucksformen ermöglicht (Council of Europe 2008b: 2). Dies ist eine für die Zielsetzung des vorliegenden Forschungsprojektes grundlegende Erkenntnis. Neben der individuell-kognitiven und der sozial-konstruktiven Komponenten von Mehrsprachigkeit wird erstmals die emotional-kreative Komponente angesprochen (vgl. Furlong 2009: 365). Es wird auf die Tatsache verwiesen, dass Mehrsprachigkeit divergentes Denken fördern kann und dass sie in sich den Zugang zu neuen Bedeutungsräumen birgt (vgl. Kharkhurin: 2007: 187). Eine solche Erkenntnis muss unterrichtsmethodische Folgen haben, d.h. innovative Unterrichtsmethoden, welche die Verständigungsbrücken zwischen den Sprachen nicht zuletzt in Form der Übersetzung nutzen, sollten bestärkt werden (vgl. hierzu auch Council of Europe 2014a: 2-3). Als solche versteht sich das in dieser Studie herangezogene Aufgabenformat, das Formen des autonomen und selbstgesteuerten Lernens einen großen Spielraum zugesteht und so Kreativität und originelle Problemlösungswege zulässt.

Neu ist im GER auch, dass besonderes Augenmerk auf den Erwerb der Erstsprache gelegt wird, die unterstützende Funktion für den Erwerb weiterer Sprachen hat. Dabei bezieht man sich auf die Schwellentheorie Cummins (Cummins 1981: 27f.), die besagt, dass kognitive Entwicklung und Sprachkompetenz in enger Beziehung zueinander stehen. Es ist demzufolge eine hohe L1-Kompetenz nötig, damit komplexe kognitive Strukturen auf die nachgelernten Sprachen übertragen werden können. Fehlen diese kognitiven und sprachlichen Strukturen, so können auch Folgesprachen nur auf einem unteren Sprachniveau erworben werden, woraus sich wiederum negative Folgen für die kognitive Entwicklung ergeben. Eine hohe Sprachkompetenz wirkt sich bei Zweisprachigen laut Cummins auch auf die kognitive Entwicklung positiv aus. Die Schwellentheorie ist besonders für die sprachliche Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund relevant, die in den Herkunftssprachen oft ein niedriges Kompetenzniveau mitbringen und daher einer besonderen Förderung bedürfen. Dies gilt in Südtirol teilweise auch für Kinder, die aus einem deutsch-italienisch gemischtsprachigen sozialen Umfeld stammen und in vielen Fällen geringe Sprachkompetenzen in beiden Sprachen aufweisen. Dieser Aspekt wird in der Datenauswertung dieser Studie und der Modellierung einer MKK (Mehrsprachige kommunikative Kompetenz) Erwähnung finden, da sowohl die Sprachbiographie als auch die sprachlichen Kompetenzen der Lernenden in allen Sprachen sich auf die Entwicklung der MKK auswirken. Es hat sich erwiesen, dass die klare Unterscheidung zwischen L1 und L2/Lx in den meisten Fällen nicht möglich ist, da je nach (Sprach)biographie unterschiedliche Formen simultanen Spracherwerbs festgestellt wurden.

In den Rahmenstrategien für Mehrsprachigkeit wird auch das Bewusstsein für Sprachenvielfalt in seiner Bedeutung für die Vermittlung transkultureller Werte und der Teilhabe am mehrsprachigen sozialen Diskurs hervorgehoben. Die durch Migration und Transmigration veränderte Gesellschaft kann sich nicht mehr auf monolinguale Gewohnheiten und Gesprächspraktiken stützen, sondern muss ihren Diskurs den neuen Erfordernissen einer nunmehr mehrsprachigen Gesellschaft anpassen. Das Bewusstsein dafür soll besonders in jungen Menschen gestärkt werden, da es eine aktive Teilhabe an den gemeinschaftlichen sozialen und politischen Prozessen ermöglicht, die in ein mehrsprachiges Umfeld eingebettet und vielfach durch einen mehrsprachigen Ablauf gekennzeichnet sind. Die Bewältigung mehrsprachiger politischer und sozialer Prozesse erfordert ein Wissen um transkulturelle Werte und Kompetenzen, die situationsgebunden strategisch zum Einsatz gebracht werden können und sich in vielfacher Weise von einsprachigen unterscheiden.

Um diesen gesellschaftlichen Veränderungsprozess aktiv zu begleiten, wären didaktische und pädagogische Maßnahmen zu ergreifen, die auf die neuen lernpsychologischen Umstände eingehen. Auch die im Unterricht angebotenen Sprachen sowie deren Reihenfolge wären neu zu überdenken. Insbesondere wäre es wichtig, im Sprachenunterricht von den Ausgangssprachen der einzelnen Schüler auszugehen. Folglich muss Unterricht, soll er die Grundlage für eine pluralistische Gesellschaft sein, in der junge Menschen sich zurechtfinden und gefördert werden, umgedacht werden.

Die Form des Task als Unterrichtsverfahren, wie es in den Unterrichtsmodulen durchgeführt wurde, gibt auf diese Forderungen eine konkrete und didaktisch gut operationalisierbare Antwort, da Task-based teaching (Nunan 2004; Hallet 2006, 2008) sich dadurch auszeichnet, dass die soziale Diskursfähigkeit und der Zuwachs kommunikativer Kompetenzen Ziel des Handelns im Unterricht sind. Es wird im Rahmen der Studie die Frage in den Raum gestellt, welche Kompetenzen, Dispositionen, Strategien und Ressourcen junge Menschen entwickeln sollen, nicht nur um sich in einer mehrsprachigen Lebenswelt zurecht zu finden, sondern auch um einen Lernprozess zu initiieren, der schrittweise auf das Kompetenzniveau der mehrsprachigen Bildungssprache und den damit einhergehenden mehrsprachigen kognitiven, motivationalen und emotionalen Prozessen übergeht. In diesem Sinne versteht sich die Studie als wegweisend für die Entwicklung neuer Unterrichtsmethoden, die mehrsprachiges Arbeiten im Sinne des GER in eine komplexe Kompetenzaufgabe einbaut.

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