Kitabı oku: «Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit», sayfa 6

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3.3 Das Tertiärsprachenlernen oder TLA (Third Language Acquisition)

Eng mit der Interkomprehension verbunden ist das Tertiärsprachenlernen. Dabei handelt es sich um einen Ansatz, der sich insbesondere damit beschäftigt, wie die Sprachabfolge der erworbenen oder gelernten Sprachen sich auf das Sprachenlernen auswirkt. Es werden Transfermöglichkeiten innerhalb spezifischer Sprachenkonstellationen festgehalten und für die Spracherwerbslehre und Didaktik nutzbar gemacht (Hufeisen & Lindemann 1998, Gibson & Hufeisen 2003; Hufeisen 2003a; 2004b; 2010b; Hufeisen & Neuner 2000, 2004a; Hufeisen & Jessner 2009; Kemp 2009).

Das Tertiärsprachenlernen baut sprachwissenschaftlich auf der Theorie der Third Language Acquisition (TLA) auf. Zunächst wurde der Drittspracherwerb als eine Unterkategorie des Zweitspracherwerbs (SLA) angesehen bis man aufgrund von Untersuchungen feststellte, dass es eine qualitative und quantitative Veränderung des Lernprozesses beim Erwerb einer zweiten Fremdsprache gibt (vgl. Cenoz et al. 2001; Herdina & Jessner 2002; Jessner 2008; Cenoz 2013). Laut Jessner unterscheidet sich der Erwerb einer Drittsprache sogar wesentlich von dem einer Zweitsprache, da auf ein „komplexes, qualitativ anderes System, einer bilinguale Norm, zurückgegriffen werden kann“ (Jessner & Allgäuer-Hackl 2015: 212; Jessner 2008: 11). Aus dieser neuen Perspektive heraus entwickelten sich unterschiedliche Spracherwerbsmodelle: das Faktorenmodell (Hufeisen 2010b) und das Dynamic Model of Multilingualism DMM (Herdina und Jessner 2002), das Ecological Model of Multilinguality (Aronin & Òlaoire 2001, 2002) und das FLAM Foreign Language Acquisition Model (Groseva 1998). Für die Entwicklung und Theoriebildung der Tertiärsprachendidaktik am einflussreichsten sind das Faktorenmodell und das DMM, auf die im folgenden Kapitel eingegangen wird.

3.3.1 Spracherwerbsprozesse fruchtbar miteinander verknüpfen

Dem Englischen kommt im TLA eine besondere Rolle zu, denn es ist sowohl im europäischen als auch im außereuropäischen Kontext in den meisten Fällen als L2 anzutreffen. L1 ist variabel und L3 ist in Europa in sehr vielen Fällen Deutsch. Eben diese Konstellation Deutsch nach Englisch untersucht Hufeisen, wobei es darum geht herauszufinden, welche besonderen Merkmale diese beiden Sprachen aufweisen, wie diese im Spracherwerbsprozess fruchtbar miteinander verknüpft werden können und welche Formen des retroaktiven und proaktiven Transfers stattfinden (vgl. Cheung et al. 2011; De Angelis 2005; Ó Laoire & Singleton 2009). So meint Cheung, es gebe Hinweise dafür, dass Deutsch L3 Englisch L2 rückwirkend beeinflusst, es also einen retroaktiven Transfer zwischen den beiden Sprachen gibt. Allgemein ist festgestellt worden, dass Lernende mehr von Sprachen beeinflusst werden, die genetisch nahe zusammen liegen. So kann Englisch L2 die Funktion einer Brückensprache zwischen L1 und L3 Deutsch übernehmen, besonders wenn L1 eine romanische Sprache ist. Durch diese Tatsache erlangt das Englische auch in der Mehrsprachigkeitsdidaktik unerwartete Relevanz und das, obwohl es zunächst ein Anliegen der Mehrsprachigkeitsdidaktik war, den Einfluss des Englischen als Lingua franca zu reduzieren (vgl. Fäcke 2008: 12). Die Rolle des Englischen in der Funktion als Brückensprache ist mittlerweile unbestritten, da es sich aufgrund seiner sprachgeschichtlichen Entwicklung als Bindeglied sowohl für germanische Sprachen als auch für romanische Sprachen sehr eignet, was beim multiplen Sprachenlernen einen erheblichen Vorteil darstellt. Allerdings wird diese Annahme nicht kritiklos von allen Forschern übernommen, denn auch psycholinguistische Faktoren beeinflussen die Transferleistung.

3.3.2 Psychotypologie und Lernbereitschaft

Die Häufigkeit und Modalität des Transfers wird damit in Zusammenhang gebracht, wie nahe bzw. entfernt voneinander Sprachen subjektiv empfunden werden, die Psychotypologie also und die Anwendungshäufigkeit von bestimmten Strukturen und Lexemen. Auch Jessner und Allgäuer-Hackl (Jessner & Allgäuer-Hackl 2015: 221f.) behaupten, dass Englisch nicht unbedingt als Brückensprache fungieren kann, da dies auch von der Psychotypologie der Sprache, also wie fern oder nah verwandt Sprachen subjektiv wahrgenommen werden, aber auch von dem subjektiven Bezug des einzelnen zu den verschiedenen Sprachen abhängt. Daraus ergeben sich laut Jessner und Allgäuer-Hackl sehr unterschiedliche und durch Subjektivität gekennzeichnete Lernvoraussetzungen. Christ betont hierzu, dass häufig in Vergessenheit gerät, dass in der Brückensprache, die eine Fremdsprache ist, die Referenzsysteme, wie sie in der Muttersprache vorhanden sind, fehlen (Christ 2004: 35).

Bei diesen Referenzsystemen handelt es sich um kulturelle, gesellschaftliche und Referenzsysteme zum Sprachgebrauch. Daher unterstreicht Christ, dass die Verwendung von Brückensprachen im Unterricht kritisch reflektiert werden sollte (ibid.). Auch Sanchez betont die Wichtigkeit verschiedener Faktoren, die einen Transfer beeinflussen können: Zusätzlich zur Psychotypologie und dem L2-Status erwähnt sie auch die Sprachkompetenz und den Zeitabstand des Spracherwerbs. Singleton und Ó Laoire ( Ó Laoire 2006; Ó Laoire & Singleton 2009: 81;) sprechen in diesem Zusammenhang von der psychotypologischen Perspektive und der L2-Perspektive (vgl. Cenoz & Genesee 1998; Cenoz et al. 2001, 2003; Hammarberg 2009;).

Besonders in Südtirol spielt L2 für den weiteren Spracherwerbsprozess, einhergehend mit der für europäische Begriffe unüblichen Sprachabfolge, eine grundlegende Rolle (cf. 5.1.), da L2 nicht Englisch, sondern Italienisch ist. Der soziale Status dieser Sprache ist hierzulande nicht so unumstritten positiv behaftet wie das beim Englischen der Fall ist und wirkt sich, wie auch aus der Datenerhebung hervorgeht, in manchen Fällen auf das Verhalten der Lernenden aus (cf. 8.1.). Aus diesem Grund und auch aufgrund der geschichtlichen Ereignisse und der sozialen Gegebenheiten kann die psychotypologische Wahrnehmung dieser Sprache hier sehr unterschiedlich ausfallen. Wie aus der Datenauswertung hervorgeht kann die Einstellung zu L2 Italienisch zu Formen der Verweigerung im Lernprozess führen, die Einfluss auf den weiteren Spracherwerbsprozess nehmen können.

3.4 CLIL / Bilingualer Sachfachunterricht

Genauso wie die mehrsprachige komplexe Kompetenzaufgabe fokussiert auch CLIL auf das inhaltsbezogene Fremdsprachenlernen. CLIL bezieht sich auf Formen des Lernens, in denen der Sachfachunterricht in einer fremden Sprache stattfindet. Er hat sich besonders in Deutschland in den letzten Jahrzehnten entwickelt und wird in letzter Zeit in zunehmendem Maße auch in anderen europäischen Ländern eingeführt. Der englische Begriff, der sich für diese Form des Unterrichts entwickelt hat, heißt CLIL (Content and Language Integrated Learning) (Wolff 2005: 160). Es wird hier sowohl auf die Sprache als auch auf das Sachfach fokussiert. Es steht also die Sprache gemeinsam mit den Inhalten im Mittelpunkt. Durch die Authentizität der Unterrichtssituation sind die Lernenden länger der Fremdsprache ausgesetzt und profitieren davon (ibid.: 161). Es wird eine Form des Unterrichts angestrebt, in der nicht ein Sachfach in einer Fremdsprache gelernt wird, sondern durch die Fremdsprache. CLIL versucht eine Konvergenz herzustellen zwischen beiden, indem der Unterricht anhand von Realien gestaltet wird, damit die Lernenden in Kontakt kommen können mit lebensweltlich relevanten Inhalten, was im traditionellen Sprachenunterricht oft nicht der Fall ist. Bereits aus dieser kurzen Beschreibung kann abgelesen werden, in wie vielen Aspekten sich CLIL und die mehrsprachige komplexe Kompetenzaufgabe ähnlich sind: in Inhaltsbezogenheit, Authentizität, Realien im Unterricht und lebensweltlicher Relevanz.

3.4.1 Lebensweltliche und wissenschaftliche Relevanz

Inhaltlich sind die Lerninhalte in hohem Grad abstrakt und fallen in die Kategorie der CALPS (Cognitive Academic Language Proficiency) (Cummins 2000), jenem durch Abstraktion und Unbestimmtheit gekennzeichneten Sprachgebrauch, der an bestimmte Strukturen und semantische Felder gebunden ist, die charakteristisch für Fachsprachen sind. Wolff spricht, wenn nicht von wissenschaftlichen, so doch von wissenschaftspropädeutischen Inhalten (Wolff 2005: 161), Inhalten also, die auf ein einfacheres Niveau heruntergebrochen werden und dadurch den Lernenden zugänglicher sind. Sie sind aber dennoch gekennzeichnet durch eine größere lebensweltliche Realitätsnähe und einen größeren Reichtum und Komplexität. Zunehmend von pseudorealen Inhalten abzukommen, ist nicht zuletzt deshalb ein Muss, da die Lernenden die dahinterliegenden Absichten wohl erkennen und authentische Kommunikation im Unterricht so nicht zustande kommen kann. Ein ähnliches Ziel verfolgt die mehrsprachige komplexe Kompetenzaufgabe, indem durch komplexe realistische Aushandlungssituationen im Unterricht realistische und inhaltlich anspruchsvolle Kommunikationssituationen entstehen, die bereichsspezifische bildungssprachliche Kompetenzen in mehreren Sprachen vermitteln.

3.4.2 Abstraktes Denken und soziales Lernen

Im CLIL-Ansatz werden Formen des sozialen Lernens und Lern- und Arbeitstechniken in einem realistischen Kontext erworben. Es werden Probleme thematisiert und gemeinsam Lösungswege gesucht, wodurch Aushandlungsprozesse initiiert werden, die individuelle Lernprozesse zulassen und sogar fördern (vgl. Hallet 2012a/b). Die Lernenden tauchen in komplexe Lernsituationen ein, die von ihnen fordern, Informationen und Ideen zu verarbeiten, Probleme zu verstehen und zu lösen und neue Bedeutung zu konstruieren (Coyle et al. 2010: 29). Dadurch wird abstraktes Denken gefördert, einhergehend mit dem Erwerb komplexer, abstrakter Sprachstrukturen und Fachvokabular. In beiden Aufgabenformaten können die Lernenden ihre Lernprozesse als wirklich relevant und authentisch erkennen und lernen diese weiter zu entwickeln und selbstgesteuert zu organisieren. Laut Wolff hat sich gezeigt, dass das Arbeiten in Gruppen sowohl sprachlicher als auch fachlicher Natur sein kann. Beide werden anhand der erworbenen Lern- und Arbeitstechniken bewältigt und es wird den Lernenden dadurch besonders einsichtig deren Notwendigkeit vermittelt (Wolff 2005: 162).

3.5 Unerfüllte Desiderate

Die EU hat auf theoretischer Ebene bereits ein komplexes didaktisches Programm ausgearbeitet, das jedoch bislang nur unzulänglich und stockend in die Unterrichtspraxis Eingang gefunden hat. Das liegt daran, dass die konsequente Umsetzung von Mehrsprachigkeit ein radikales Umdenken der gängigen Unterrichtpraxis fordert. Zu diesem Zweck müssen ganz neue und bislang unbetretene didaktische Wege begangen werden, die Mehrsprachigkeit auf allen Ebenen des Lernens und der sozialen Interaktion nicht nur zulassen, sondern auch fördern. Dazu braucht es viel Mut und ein flexibles Schulsystem, das experimentelles Arbeiten im Unterricht zulässt. Erst dann wird es möglich, den qualitativen Sprung in die Mehrsprachigkeit zu schaffen. Die nachstehenden Punkte sollen Aspekte einer mehrsprachigen Didaktik aufzeigen, die bislang kaum oder gar nicht operationalisiert wurden, allerdings in der mehrsprachigen komplexen Kompetenzaufgabe ein zentrales Anliegen sind und eben durch dieses Aufgabenformat für die Unterrichtspraxis nutzbar gemacht werden sollen.

3.5.1 Latein als Brückensprache

Die Wichtigkeit der klassischen Sprachen Griechisch und Latein und der Verweis auf ihre unterstützende und erleichternde Rolle beim Sprachenlernen (Council of Europe 2014a: 2) bleiben in ihrer zentralen Rolle für den Erhalt des gemeinsamen europäischen Erbes als ein Desiderat für mehrsprachiges Lernen, das noch nicht eingelöst worden ist. Ihre Wichtigkeit betrifft zunächst vor allem grammatische und lexikalische Aspekte, lässt sich aber auch auf kulturelle und sozialgeschichtliche Aspekte ausweiten. Der im Aufgabenformat dieser Studie unternommene Versuch, vor allem Latein in den mehrsprachigen Unterricht einzubauen, will ein Zeichen in diese Richtung setzen und sieht sich als Teil eines Bildungskonzeptes, in dem die sog. „klassischen“ Sprachen beim Sprachenlernen nicht außen vor gelassen werden, sondern integrierter Bestandteil der Aufgabenstellung werden.

3.5.2 Aktive Teilhabe am transkulturellen sozialen Diskurs

Informelles und außerschulisches Sprachenlernen werden zum ersten Mal in den von der EU verabschiedeten Rahmenrichtlinien erwähnt und in ihrer Wichtigkeit auch für das schulische Lernen gewürdigt. Die 2015 erschienenen Dokumente „The Languague Dimension in all Subjects: A Handbook for Curriculum development and teacher training und„ Guida per lo sviluppo e l’attuazione di curricoli per una educazione plurilingue ed interculturale (dieser Text ist bislang auf Französisch und Italienisch erschienen) (Beacco et al. 2015a/b) sind ein weiterer Abschnitt auf dem Weg zu mehrsprachigen und interkulturellen Unterrichtsformen und umreißen damit auch die Kerngedanken und didaktischen Zielsetzungen der mehrsprachigen Kompetenzaufgabe. Es wird hier nämlich erstmals nahegelegt, dass ausgehend von Genres und nicht von Grammatik oder Lexis fächerübergreifende Verbindungen hergestellt werden sollen. Dabei sollten Lernziele anhand von Genres erarbeitet werden, wobei die unterschiedlichen Kompetenzniveaus des einzelnen Sprechers in den verschiedenen Sprachen berücksichtigt werden (Beacco 2015a: 16). Das Genre – insbesondere Formen des diskursiven Genres – wird so in seiner Relevanz für den Unterricht erkannt, da Synergien zwischen den verschiedenen Sprachfächern geschaffen werden können ebenso wie zwischen Sprach- und Sachfächern. Auf diese Weise können sich transversale kommunikative Kompetenzbereiche herauskristallisieren, die von einer auf die andere Unterrichtsdisziplin übertragen werden können (ibid.: 18).

Ziele eines mehrsprachigen pluralistischen didaktischen Ansatzes sind demnach:

Non è soltanto destinato ad assicurare agli apprendenti la padronanza di forme di discorso e competenze linguistiche necessarie alla vita sociale, esso ha anche la responsabilità di far comprendere come queste forme linguistiche rappresentano e costruiscono idee, opinioni, informazioni e conoscenze in modo che ne siano chiaramente percepite le modalità di funzionamento, la storicità, la diversità e la variabilità, le potenzialità creative. È, insomma, una forma e una condizione dello sviluppo della persona. (Beacco et al. 2015a: 28)

Dabei spielen die Teilhabe am sozialen Diskurs eine wichtige Rolle und die Tatsache, dass Sprachen Ideen, Meinungen, Werte und Wissen ganz unterschiedlich erfassen und übermitteln, nicht zuletzt, da sie geschichtlich anders verortet sind. Es wird auch hier von einem „kreativen Potenzial“ gesprochen und von Mehrsprachigkeit als eine Bedingung zur ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung. Damit einhergehend werden zusammen mit interkulturellen und kommunikativen Kompetenzen Reflexionskompetenz, selbstständiges Lernen, kognitive Entwicklung und erstmals auch literarisch-ästhetische und transversale Kompetenzen erwähnt.

3.5.3 Literarisches Lernen und Sprachproduktivität

Sprachen haben kreatives Potenzial, das Zugang zu neuen Formen und Vorstellungswelten ermöglicht. In beschränkter Form wird auch die Möglichkeit eingeräumt, dass Lernende selbst sprachlich kreativ werden, indem sie solche Varietäten – bezogen auf die Zielsetzung des Diskurses und des Kontextes – selbst erfinden können (Beacco 2015a: 29f.). Dazu bedarf es laut Beacco nicht nur eines praktischen und realitätsorientierten Unterrichts, die Lernenden sollen auch die Möglichkeit erhalten, spielerische und ästhetische Erfahrungen mit Sprachen zu machen (ibid.: 29). Dieses spielerische und ästhetische Element hatte bislang kaum Beachtung gefunden und findet hier erstmals einen prominenten Platz.

Angesichts der essentiellen Bedeutung ästhetischer und literarischer Erfahrung für die Persönlichkeitsentwicklung ist es notwendig, Unterrichtsformen zu finden, die sprachübergreifend die Lernenden in der Wahrnehmung narrativer Texte schulen. Narrative Konventionen können so durch den Vergleich besser wahrgenommen werden, wodurch der Erwerb narrativer Kompetenz gefördert wird (Hallet 2016: 12). Ein solches kreatives und aktives Lernen, in dem Sprachproduktivität ein zentrales Anliegen ist und erweiterte Realitätswahrnehmung neue Bedeutungsräume eröffnet, liegt auch dem hier vorgestellten Ansatz zugrunde. Es soll gezeigt werden, dass sich durch mehrsprachiges aufgabenorientiertes Lernen anhand literarischer Textsorten dank Mehrsprachigkeit kreative Fähigkeiten entfalten können, denn es werden unterschiedliche Referenzsysteme miteinander in Verbindung gebracht und literarische Diskurswelten gekreuzt, wodurch neue hybride Bedeutungsräume entstehen.

Neben dem kreativen, gestaltenden Umgang mit Sprache findet auch die Beziehung zwischen Sprache und Persönlichkeit erstmals einen prominenten Platz. Die Erkenntnis, dass Persönlichkeit und Emotionen sprachgebunden sind (vgl. Grosjean 1982, 1992; Pavlenko 2005; Todeva & Cenoz 2009; Dewaele 2010), findet hier Anerkennung und wird in ihrer unterrichtsstrategischen Wichtigkeit erkannt. Es soll auch in dieser Studie anhand des gewählten Aufgabenformats gezeigt werden, wie der spielerische, kreative Umgang mit mehreren Sprachen und Kulturen es den Lernenden ermöglicht, ihre eigene Persönlichkeit oder Aspekte ihrer Persönlichkeit in den unterschiedlichen Sprachen zu erkennen und zu reflektieren. Dabei kann auch Neues und Unerwartetes zum Vorschein kommen, wie aus den Einzelanalysen hervorgeht. Dieser Facettenreichtum der Person wird von den anderen Lernenden wahrgenommen, gespiegelt und reflektiert (vgl. Beacco 2015a: 57). Auf diese Weise werden die persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen als „Summe der individuellen Eigenschaften, der Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen“ (Burwitz-Melzer 2005: 23) in einem mehrsprachigen Setting aktiviert.

Die Entwicklung einer metalinguistischen Reflexion in allen Bereichen und auf allen Ebenen des Sprachgebrauchs, wie sie von Beacco detailliert dargestellt und in ihrer kommunikativen Funktion hervorgehoben wird (ibd.: 57), ist ebenso zentrales Anliegen dieser Arbeit. Die Bedeutung und die Struktur von Äußerungen sollen innerhalb einer Sprache kritisch hinterfragt werden, der kritische Vergleich soll aber auch zwischen den Sprachen stattfinden, also im Sprachvergleich. Dabei beeinflussen sich sprachliche Formen innerhalb unterschiedlicher Genres gegenseitig, mit anderen Worten: Kritisches und kreatives Lernen wird sowohl innerhalb als auch zwischen den Sprachen gefördert und umgesetzt. Dazu gibt es viele Anstöße zur möglichen Unterrichtsgestaltung:

(…) a volte, in materie nuove, ad esempio in: corsi specifici di educazione civica e alla cittadinanza democratica (nel ciclo secondario); – un insegnamento centrato sulla comunicazione, sul linguaggio umano, sulle lingue e sull’analisi comparativa di tutte le lingue (in tutti i cicli); – un insegnamento centrato sullo sviluppo della creatività linguistica plurilingue (laboratorio di scrittura) (in tutti i cicli); – un corso centrato sull’epistemologia, sulla produzione e sui generi di discorso della conoscenza e sulla sociologia della conoscenza (nel ciclo secondario superiore); – corsi di introduzione alle grandi opere letterarie / filosofiche/ di filosofia politica / di scienze sociali … (soprattutto) europee, in versione originale e tradotte (nel ciclo secondario); – corsi di introduzione ai classici del cinema (nel ciclo secondario superiore); – corsi centrati sulla osservazione e sull’analisi degli stili televisivi nazionali (nel ciclo secondario). (Beacco et al. 2015a: 59)

Unterschiedliche Ausdrucksformen, die im herkömmlichen Unterricht häufig vernachlässigt werden, sollen in diesem Projekt wie von Beacco erwünscht (ibid.: 71) Platz finden: So soll zum Beispiel die Beziehung zwischen Körper, Sprache und Rhythmus in den Vordergrund gerückt werden, indem Sprache und Raum, Gestik, Bewegung, Formen des Theaters, Rezitation und Erzählung vermehrt in den Unterricht aufgenommen werden. Der mehrsprachige lebensweltliche Diskurs soll in Form von Role Plays geübt werden, sodass die Lernenden lernen, in einem mehrsprachigen Kontext das Sprachregister zu ändern und die Genauigkeit bei der Wortwahl zu üben, um sich veränderten Situationen anzupassen. Multimodale und multisensorielle didaktische Unterlagen sollen hier zur Unterrichtsgestaltung herangezogen werden, um unterstützend beim Unterricht und der Erlangung der didaktischen Zielsetzungen einzugreifen. Es wird der besondere Wert literarischer, philosophischer und geschichtlicher Texte unterstrichen, die integrierter Bestandteil des Unterrichts der Sekundarstufe sein sollen.

Es soll also zu einem Perspektivenwechsel kommen, der noch im GER fehlte. Im Gegensatz zum Kompetenzbegriff im GER, der sich im kommunikativen Bereich auf die Erfassung von Fertigkeiten beschränkt (Hallet & Krämer 2012: 8; Steininger 2014: 29ff.), wird hier der Versuch unternommen, die Komplexität interkulturellen Handelns zu erfassen und eine Vielzahl von Teilkompetenzen und Fertigkeiten zu berücksichtigen, die dieses ausmachen. Dabei werden alle Formen der Sprachmittlung erstmals in ihrer Wichtigkeit für interkulturelles Handeln erkannt und in den Fokus gerückt. Von der Ebene der Fertigkeiten wird hier im Gegensatz zum GER auf die Ebene der Texte, Textsorten und Inhalte verwiesen. Es wird sprachdidaktisch berücksichtigt, dass Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen nicht ausschließlich über Sprachfunktionen vermittelt werden können, sondern über ästhetische Erfahrungen im Umgang mit den verschiedensten Texten und allen Ausdrucksformen der unterschiedlichsten Kulturen. Inhaltlich und kulturell anregungsreiche und anspruchsvolle Texte sollen in ihrer Operationalisierung im Unterricht den Weg von einer lebensweltlichen Mehrsprachigkeit zu einer bildungssprachlichen Mehrsprachigkeit bahnen (vgl. Cummins 1979; 1984), denn genau hier liegt die Herausforderung mehrsprachigen und plurikulturellen Unterrichts in der Sekundarstufe, nämlich Instrumente und Unterrichtsformen zu finden, die von der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ausgehend die bildungssprachliche Mehrsprachigkeit schulisch fördern (Beacco et al. 2015b: 14).

Daher wird ebenso wie bei Beacco auch hier der Schriftlichkeit eine zentrale Rolle zugeschrieben, denn der Schreibprozess als Vertiefungsprozess benötigt komplexe Sprachstrukturen und einen erweiterten Wortschatz, welche die Grundeigenschaften der Bildungssprache sind. Der mündliche Austausch in der Klasse ist notwendig, um vorhergehendes Wissen zu aktivieren und die Bedeutung von neu Gelerntem gemeinschaftlich auszuhandeln (ibd.: 14). Im Schreibprozess hingegen wird gefordert, dass abstrakte Konzepte sprachlich kohärent ausformuliert werden. Das Schreiben stellt demnach einen Abstraktionsprozess dar, der, gemessen an der Bloomschen Taxonomie, anspruchsvollere Denkprozesse fordert, wie zum Beispiel Evaluieren, Analysieren usw. (vgl. Bloom 1976). Im mehrsprachigen Schreibprozess, so wie er in diesem Aufgabenformat gewählt wurde, öffnen sich neue Möglichkeiten schriftlicher Kommunikation, indem Denkprozesse mehrsprachig ausformuliert werden und sich so pluralistisch gestalten können.

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