Kitabı oku: «Miss Sara Sampson», sayfa 6
Marwood. Daß man einen Vogel fangen kann, Miß, das weiß ich wohl. Aber daß man ihm seinen Käfig angenehmer als das freie Feld machen könne, das weiß ich nicht. Mein Rat wäre also, ihn lieber nicht zu fangen und sich den Verdruß über die vergebne Mühe zu ersparen. Begnügen Sie sich, Miß, an dem Vergnügen, ihn sehr nahe an Ihrer Schlinge gesehen zu haben; und weil Sie voraussehen können, daß er die Schlinge ganz gewiß zerreißen werde, wenn Sie ihn vollends hineinlockten, so schonen Sie Ihre Schlinge und locken ihn nicht herein.
Sara. Ich weiß nicht, ob ich dieses tändelnde Gleichnis recht verstehe, Lady—
Marwood. Wenn Sie verdrießlich darüber geworden sind, so haben Sie es verstanden.—Mit einem Worte, Ihr eigner Vorteil sowohl als der Vorteil einer andern, die Klugheit sowohl als die Billigkeit können und sollen Miß Sampson bewegen, ihre Ansprüche auf einen Mann aufzugeben, auf den Marwood die ersten und stärksten hat. Noch stehen Sie, Miß, mit ihm so, daß Sie, ich will nicht sagen mit vieler Ehre, aber doch ohne öffentliche Schande von ihm ablassen können. Eine kurze Verschwindung mit einem Liebhaber ist zwar ein Fleck, aber doch ein Fleck, den die Zeit ausbleichet. In einigen Jahren ist alles vergessen, und es finden sich für eine reiche Erbin noch immer Mannspersonen, die es so genau nicht nehmen. Wenn Marwood in diesen Umständen wäre und sie brauchte weder für ihre im Abzuge begriffene Reize einen Gemahl noch für ihre hilflose Tochter einen Vater, so weiß ich gewiß, Marwood würde gegen Miß Sampson großmütiger handeln, als Miß Sampson gegen die Marwood zu handeln schimpfliche Schwierigkeiten macht.
Sara (indem sie unwillig aufsteht). Das geht zu weit! Ist dieses die Sprache einer Anverwandten des Mellefont?—Wie unwürdig verrät man Sie, Mellefont!—Nun merke ich es, Lady, warum er Sie so ungern bei mir allein lassen wollte. Er mag es schon wissen, wieviel man von Ihrer Zunge zu fürchten habe. Eine giftige Zunge!—Ich rede dreist! Denn Lady haben lange genug unanständig geredet. Wodurch hat Marwood sich eine solche Vorsprecherin erwerben können, die alle ihre Erfindungskraft aufbietet, mir einen blendenden Roman von ihr aufzudrängen, und alle Ränke anwendet, mich gegen die Redlichkeit eines Mannes argwöhnisch zu machen, der ein Mensch, aber kein Ungeheuer ist? Ward es mir nur deswegen gesagt, daß sich Marwood einer Tochter von ihm rühme; ward mir nur deswegen diese und jene betrogene Miß genannt, damit man mir am Ende auf die empfindlichste Art zu verstehen geben könne, ich würde wohl tun, wenn ich mich selbst einer verhärteten Buhlerin nachsetzte?
Marwood. Nur nicht so hitzig, mein junges Frauenzimmer. Eine verhärtete Buhlerin?—Sie brauchen wahrscheinlicherweise Worte, deren Kraft Sie nicht überleget haben.
Sara. Erscheint sie nicht als eine solche, selbst in der Schilderung der Lady Solmes?—Gut, Lady; Sie sind ihre Freundin, ihre vertrauteste Freundin vielleicht. Ich sage dieses nicht als einen Vorwurf; denn es kann leicht in der Welt nicht wohl möglich sein, nur lauter tugendhafte Freunde zu haben. Allein wie komme ich dazu, dieser Ihrer Freundschaft wegen so tief herabgestoßen zu werden? Wenn ich der Marwood Erfahrung gehabt hätte, so würde ich den Fehltritt gewiß nicht getan haben, der mich mit ihr in eine so erniedrigende Parallel setzt. Hätte ich ihn aber doch getan, so würde ich wenigstens nicht zehn Jahr darin verharret sein. Es ist ganz etwas anders, aus Unwissenheit auf das Laster treffen, und ganz etwas anders, es kennen und demungeachtet mit ihm vertraulich werden.—Ach, Lady, wenn Sie es wüßten, was für Reue, was für Gewissensbisse, was für Angst mich mein Irrtum gekostet! Mein Irrtum, sag ich; denn warum soll ich länger so grausam gegen mich sein und ihn als ein Verbrechen betrachten? Der Himmel selbst hört auf, ihn als ein solches anzusehen; er nimmt die Strafe von mir und schenkt mir einen Vater wieder—Ich erschrecke, Lady; wie verändern sich auf einmal die Züge Ihres Gesichts? Sie glühen; aus dem starren Auge schreckt Wut, und des Mundes knirschende Bewegung—Ach! wo ich Sie erzürnt habe, Lady, so bitte ich um Verzeihung. Ich bin eine empfindliche Närrin; was Sie gesagt haben, war ohne Zweifel so böse nicht gemeint. Vergessen Sie meine Übereilung. Wodurch kann ich Sie besänftigen? Wodurch kann auch ich mir eine Freundin an Ihnen erwerben, so wie sie Marwood an Ihnen gefunden hat? Lassen Sie mich, Lady, lassen Sie mich fußfällig darum bitten—(indem sie niederfällt), um Ihre Freundschaft, Lady—Und wo ich diese nicht erhalten kann, um die Gerechtigkeit wenigstens, mich und Marwood nicht in einen Rang zu setzen.
Marwood (die einige Schritte stolz zurücktritt und die Sara liegen läßt). Diese Stellung der Sara Sampson ist für Marwood viel zu reizend, als daß sie nur unerkannt darüber frohlocken sollte—Erkennen Sie, Miß, in mir die Marwood, mit der Sie nicht verglichen zu werden die Marwood selbst fußfällig bitten.
Sara (die voller Erschrecken aufspringt und sich zitternd zurückzieht). Sie Marwood?—Ha! Nun erkenn ich sie—nun erkenn ich sie, die mördrische Retterin, deren Dolche mich ein warnender Traum preisgab. Sie ist es! Flieh, unglückliche Sara! Retten Sie mich, Mellefont; retten Sie Ihre Geliebte! Und du, süße Stimme meines geliebten Vaters, erschalle! Wo schallt sie? wo soll ich auf sie zueilen?—hier?—da?– Hilfe, Mellefont! Hilfe, Betty!—Itzt dringt sie mit tötender Faust auf mich ein! Hilfe! (Eilt ab.)
Neunter Auftritt
Marwood. Was will die Schwärmerin?—O daß sie wahr red'te und ich mit tötender Faust auf sie eindränge! Bis hieher hätte ich den Stahl sparen sollen, ich Törichte! Welche Wollust, eine Nebenbuhlerin in der freiwilligen Erniedrigung zu unsern Füßen durchbohren zu können!– Was nun?—Ich bin entdeckt. Mellefont kann den Augenblick hier sein. Soll ich ihn fliehen? Soll ich ihn erwarten? Ich will ihn erwarten, aber nicht müßig. Vielleicht, daß ihn die glückliche List meines Bedienten noch lange genug aufhält!—Ich sehe, ich werde gefürchtet. Warum folge ich ihr also nicht? Warum versuche ich nicht noch das letzte, das ich wider sie brauchen kann? Drohungen sind armselige Waffen: doch die Verzweiflung verschmäht keine, so armselig sie sind. Ein schreckhaftes Mädchen, das betäubt und mit zerrütteten Sinnen schon vor meinem Namen flieht, kann leicht fürchterliche Worte für fürchterliche Taten halten. Aber Mellefont?—Mellefont wird ihr wieder Mut machen und sie über meine Drohungen spotten lehren. Er wird? Vielleicht wird er auch nicht. Es wäre wenig in der Welt unternommen worden, wenn man nur immer auf den Ausgang gesehen hätte. Und bin ich auf den unglücklichsten nicht schon vorbereitet?—Der Dolch war für andre, das Gift ist für mich!—Das Gift für mich! Schon längst mit mir herumgetragen, wartet es hier, dem Herzen bereits nahe, auf den traurigen Dienst; hier, wo ich in bessern Zeiten die geschriebenen Schmeicheleien der Anbeter verbarg; für uns ein ebenso gewisses, aber nur langsamres Gift.—Wenn es doch nur bestimmt wäre, in meinen Adern nicht allein zu toben! Wenn es doch einem Ungetreuen— Was halte ich mich mit Wünschen auf?—Fort! Ich muß weder mich noch sie zu sich selbst kommen lassen. Der will sich nichts wagen, der sich mit kaltem Blute wagen will. (Gehet ab.)
(Ende des vierten Aufzuges.)
Fünfter Aufzug
Erster Auftritt
Das Zimmer der Sara.
Sara (schwach in einem Lehnstuhle). Betty.
Betty. Fühlen Sie nicht, Miß, daß Ihnen ein wenig besser wird?
Sara. Besser, Betty?—Wenn nur Mellefont wiederkommen wollte. Du hast doch nach ihm ausgeschickt?
Betty. Norton und der Wirt suchen ihn.
Sara. Norton ist ein guter Mensch, aber er ist hastig. Ich will durchaus nicht, daß er seinem Herrn meinetwegen Grobheiten sagen soll. Wie er es selbst erzählte, so ist Mellefont ja an allem unschuldig. Nicht wahr, Betty, du hältst ihn auch für unschuldig—Sie kömmt ihm nach; was kann er dafür? Sie tobt, sie raset, sie will ihn ermorden. Siehst du, Betty? dieser Gefahr habe ich ihn ausgesetzt. Wer sonst als ich?—Und endlich will die böse Marwood mich sehen oder nicht eher nach London zurückkehren. Konnte er ihr diese Kleinigkeit abschlagen? Bin ich doch auch oft begierig gewesen, die Marwood zu sehen. Mellefont weiß wohl, daß wir neugierige Geschöpfe sind. Und wenn ich nicht selbst darauf gedrungen hätte, daß sie bis zu seiner Zurückkunft bei mir verziehen sollte, so würde er sie wieder mit weggenommen haben. Ich würde sie unter einem falschen Namen gesehen haben, ohne zu wissen, daß ich sie gesehen hätte. Und vielleicht würde mir dieser kleine Betrug einmal angenehm gewesen sein. Kurz, alle Schuld ist mein.—Je nun, ich bin erschrocken; weiter bin ich ja nichts? Die kleine Ohnmacht wollte nicht viel sagen. Du weißt wohl, Betty, ich bin dazu geneigt.
Betty. Aber in so tiefer hatte ich Miß noch nie gesehen.
Sara. Sage es mir nur nicht. Ich werde dir gutherzigen Mädchen freilich zu schaffen gemacht haben.
Betty. Marwood selbst schien durch die Gefahr, in der Sie sich befanden, gerühret zu sein. So stark ich ihr auch anlag, daß sie sich nur fortbegeben möchte, so wollte sie doch das Zimmer nicht eher verlassen, als bis Sie die Augen ein wenig wieder aufschlugen und ich Ihnen die Arzenei einflößen konnte.
Sara. Ich muß es wohl gar für ein Glück halten, daß ich in Ohnmacht gefallen bin. Denn wer weiß, was ich noch von ihr hätte hören müssen. Umsonst mochte sie mir gewiß nicht in mein Zimmer gefolgt sein. Du glaubst nicht, wie außer mir ich war. Auf einmal fiel mir der schreckliche Traum von voriger Nacht ein, und ich flohe als eine Unsinnige, die nicht weiß, warum und wohin sie flieht.—Aber Mellefont kömmt noch nicht.—Ach!
Betty. Was für ein Ach, Miß? Was für Zuckungen?—
Sara. Gott! was für eine Empfindung war dieses—
Betty. Was stößt Ihnen wieder zu?
Sara. Nichts, Betty.—Ein Stich! nicht ein Stich, tausend feurige
Stiche in einem!—Sei nur ruhig; es ist vorbei.
Zweiter Auftritt
Norton. Sara. Betty.
Norton. Mellefont wird den Augenblick hier sein.
Sara. Nun, das ist gut, Norton. Aber wo hast du ihn noch gefunden?
Norton. Ein Unbekannter hat ihn bis vor das Tor mit sich gelockt, wo ein Herr auf ihn warte, der in Sachen von der größten Wichtigkeit mit ihm sprechen müsse. Nach langem Herumführen hat sich der Betrüger ihm von der Seite geschlichen. Es ist sein Unglück, wo er sich ertappen läßt; so wütend ist Mellefont.
Sara. Hast du ihm gesagt, was vorgegangen?
Norton. Alles.
Sara. Aber mit einer Art—
Norton. Ich habe auf die Art nicht denken können. Genug, er weiß es, was für Angst Ihnen seine Unvorsichtigkeit wieder verursacht hat.
Sara. Nicht doch, Norton; ich habe mir sie selbst verursacht.—
Norton. Warum soll Mellefont niemals unrecht haben?—Kommen Sie nur, mein Herr; die Liebe hat Sie bereits entschuldiget.
Dritter Auftritt
Mellefont. Norton. Sara. Betty.
Mellefont. Ach, Miß, wenn auch diese Ihre Liebe nicht wäre—
Sara. So wäre ich von uns beiden gewiß die Unglücklichste. Ist Ihnen in Ihrer Abwesenheit nur nichts Verdrießlichers zugestoßen als mir, so bin ich vergnügt.
Mellefont. So gütig empfangen zu werden, habe ich nicht verdient.
Sara. Verzeihen Sie es meiner Schwachheit, daß ich Sie nicht zärtlicher empfangen kann. Bloß Ihrer Zufriedenheit wegen wünschte ich, mich weniger krank zu fühlen.
Mellefont. Ha, Marwood, diese Verräterei war noch übrig! Der Nichtswürdige, der mich mit der geheimnisvollsten Miene aus einer Straße in die andre, aus einem Winkel in den andern führte, war gewiß nichts anders als ein Abgeschickter von ihr. Sehen Sie, liebste Miß, diese List wandte sie an, mich von Ihnen zu entfernen. Eine plumpe List, ohne Zweifel; aber eben weil sie plump war, war ich weit davon entfernt, sie dafür zu halten. Umsonst muß sie so treulos nicht gewesen sein! Geschwind, Norton, geh in ihre Wohnung; laß sie nicht aus den Augen, und halte sie so lange auf, bis ich nachkomme.
Sara. Wozu dieses, Mellefont? Ich bitte für Marwood.
Mellefont. Geh!
(Norton geht ab.)
Vierter Auftritt
Sara. Mellefont. Betty.
Sara. Lassen Sie doch einen abgematteten Feind, der den letzten fruchtlosen Sturm gewagt hat, ruhig abziehen. Ich würde ohne Marwood vieles nicht wissen—
Mellefont. Vieles? Was ist das Viele?
Sara. Was Sie mir selbst nicht gesagt hätten, Mellefont.—Sie werden stutzig?—Nun wohl, ich will es wieder vergessen, weil Sie doch nicht wollen, daß ich es wissen soll.
Mellefont. Ich will nicht hoffen, daß Sie etwas zu meinem Nachteile glauben werden, was keinen andern Grund hat als die Eifersucht einer aufgebrachten Verleumderin.
Sara. Auf ein andermal hiervon!—Warum aber lassen Sie es nicht das erste sein, mir von der Gefahr zu sagen, in der sich Ihr kostbares Leben befunden hat? Ich, Mellefont, ich würde den Stahl geschliffen haben, mit dem Sie Marwood durchstoßen hätte—
Mellefont. Diese Gefahr war so groß nicht. Marwood ward von einer blinden Wut getrieben, und ich war bei kaltem Blute. Ihr Angriff also mußte mißlingen—Wenn ihr ein andrer, auf der Miß Sara gute Meinung von ihrem Mellefont, nur nicht besser gelungen ist! Fast muß ich es fürchten—Nein, liebste Miß, verschweigen Sie mir es nicht länger, was Sie von ihr wollen erfahren haben.
Sara. Nun wohl.—Wenn ich noch den geringsten Zweifel an Ihrer Liebe gehabt hätte, Mellefont, so würde mir ihn die tobende Marwood benommen haben. Sie muß es gewiß wissen, daß sie durch mich um das Kostbarste gekommen sei; denn ein ungewisser Verlust würde sie bedächtiger haben gehen lassen.
Mellefont. Bald werde ich also auf ihre blutdürstige Eifersucht, auf ihre ungestüme Frechheit, auf ihre treulose List einigen Wert legen müssen!—Aber, Miß, Sie wollen mir wieder ausweichen und mir dasjenige nicht entdecken—
Sara. Ich will es; und was ich sagte, war schon ein näherer Schritt dazu. Daß mich Mellefont also liebt, ist unwidersprechlich gewiß. Wenn ich nur nicht entdeckt hätte, daß seiner Liebe ein gewisses Vertrauen fehle, welches mir ebenso schmeichelhaft sein würde als die Liebe selbst. Kurz, liebster Mellefont—Warum muß mir eine plötzliche Beklemmung das Reden so schwer machen? Ich werde es schon sagen müssen, ohne viel die behutsamste Wendung zu suchen, mit der ich es Ihnen sagen sollte.—Marwood erwähnte eines Pfandes, und der schwatzhafte Norton—vergeben Sie es ihm nur—nannte mir einen Namen, einen Namen, Mellefont, welcher eine andre Zärtlichkeit bei Ihnen rege machen muß, als Sie gegen mich empfinden—
Mellefont. Ist es möglich? Hat die Unverschämte ihre eigne Schande bekannt?—Ach, Miß, haben Sie Mitleiden mit meiner Verwirrung.—Da Sie schon alles wissen, warum wollen Sie es auch noch aus meinem Munde hören? Sie soll nie vor Ihre Augen kommen, die kleine Unglückliche, der man nichts vorwerfen kann als ihre Mutter.
Sara. Sie lieben sie also doch?—
Mellefont. Zu sehr, Miß, zu sehr, als daß ich es leugnen sollte.
Sara. Wohl! Mellefont.—Wie sehr liebe ich Sie, auch um dieser Liebe willen! Sie würden mich empfindlich beleidiget haben, wenn Sie die Sympathie Ihres Bluts aus mir nachteiligen Bedenklichkeiten verleugnet hätten. Schon haben Sie mich dadurch beleidiget, daß Sie mir drohen, sie nicht vor meine Augen kommen zu lassen. Nein, Mellefont; es muß eine von den Versprechungen sein, die Sie mir vor den Augen des Höchsten angeloben, daß Sie Arabellen nicht von sich lassen wollen. Sie läuft Gefahr, in den Händen ihrer Mutter ihres Vaters unwürdig zu werden. Brauchen Sie Ihre Rechte über beide, und lassen Sie mich an die Stelle der Marwood treten. Gönnen Sie mir das Glück, mir eine Freundin zu erziehen, die Ihnen ihr Leben zu danken hat; einen Mellefont meines Geschlechts. Glückliche Tage, wenn mein Vater, wenn Sie, wenn Arabella meine kindliche Ehrfurcht, meine vertrauliche Liebe, meine sorgsame Freundschaft um die Wette beschäftigen werden! Glückliche Tage! Aber ach!—sie sind noch fern in der Zukunft.—Doch vielleicht weiß auch die Zukunft nichts von ihnen, und sie sind bloß in meiner Begierde nach Glück!—Empfindungen, Mellefont, nie gefühlte Empfindungen wenden meine Augen in eine andre Aussicht! Eine dunkle Aussicht in ehrfurchtsvolle Schatten!—Wie wird mir?—(Indem sie die Hand vors Gesicht hält.)
Mellefont. Welcher plötzliche Übergang von Bewundrung zum Schrecken!– Eile doch, Betty! Schaffe doch Hilfe!—Was fehlt Ihnen, großmütige Miß! Himmlische Seele! Warum verbirgt mir diese neidische Hand (indem er sie wegnimmt) so holde Blicke?—Ach, es sind Mienen, die den grausamsten Schmerz, aber ungern, verraten!—Und doch ist die Hand neidisch, die mir diese Mienen verbergen will. Soll ich Ihre Schmerzen nicht mitfühlen, Miß? Ich Unglücklicher, daß ich sie nur mitfühlen kann!—Daß ich sie nicht allein fühlen soll!—So eile doch, Betty—
Betty. Wohin soll ich eilen?—
Mellefont. Du siehst und fragst?—nach Hilfe!
Sara. Bleib nur!—Es geht vorüber. Ich will Sie nicht wieder erschrecken, Mellefont.
Mellefont. Betty, was ist ihr geschehen?—Das sind nicht bloße Folgen einer Ohnmacht.—
Fünfter Auftritt
Norton. Mellefont. Sara. Betty.
Mellefont. Du kömmst schon wieder, Norton? Recht gut! Du wirst hier nötiger sein.
Norton. Marwood ist fort—
Mellefont. Und meine Flüche eilen ihr nach!—Sie ist fort?—Wohin?– Unglück und Tod und, wo möglich, die ganze Hölle möge sich auf ihrem Wege finden! Verzehrend Feuer donnre der Himmel auf sie herab, und unter ihr breche die Erde ein, der weiblichen Ungeheuer größtes zu verschlingen!—
Norton. Sobald sie in ihre Wohnung zurückgekommen, hat sie sich mit Arabellen und ihrem Mädchen in den Wagen geworfen und die Pferde mit verhängtem Zügel davoneilen lassen. Dieser versiegelte Zettel ist von ihr an Sie zurückgeblieben.
Mellefont (indem er den Zettel nimmt). Er ist an mich.—Soll ich ihn lesen, Miß?
Sara. Wenn Sie ruhiger sein werden, Mellefont.
Mellefont. Ruhiger? Kann ich es werden, ehe ich mich an Marwood gerächet und Sie, teuerste Miß, außer Gefahr weiß?
Sara. Lassen Sie mich nichts von Rache hören. Die Rache ist nicht unser!—Sie erbrechen ihn doch?—Ach, Mellefont, warum sind wir zu gewissen Tugenden bei einem gesunden und seine Kräfte fühlenden Körper weniger als bei einem siechen und abgematteten aufgelegt? Wie sauer werden Ihnen Gelassenheit und Sanftmut, und wie unnatürlich scheint mir des Affekts ungeduldige Hitze!—Behalten Sie den Inhalt nur für sich.
Mellefont. Was ist es für ein Geist, der mich Ihnen ungehorsam zu sein zwinget? Ich erbrach ihn wider Willen—wider Willen muß ich ihn lesen.
Sara (indem Mellefont für sich lieset). Wie schlau weiß sich der Mensch zu trennen und aus seinen Leidenschaften ein von sich unterschiedenes Wesen zu machen, dem er alles zur Last legen könne, was er bei kaltem Blute selbst nicht billiget—Mein Salz, Betty! Ich besorge einen neuen Schreck und werde es nötig haben.—Siehst du, was der unglückliche Zettel für einen Eindruck auf ihn macht!—Mellefont!– Sie geraten außer sich!—Mellefont!—Gott! er erstarrt!—Hier, Betty! Reiche ihm das Salz!—Er hat es nötiger als ich.
Mellefont (der die Betty damit zurückstößt). Nicht näher, Unglückliche!—Deine Arzeneien sind Gift!—
Sara. Was sagen Sie?—Besinnen Sie sich!—Sie verkennen sie!
Betty. Ich bin Betty, nehmen Sie doch.
Mellefont. Wünsche dir, Elende, daß du es nicht wärest!—Eile! fliehe! ehe du in Ermanglung des Schuldigern das schuldige Opfer meiner Wut wirst!
Sara. Was für Reden!—Mellefont, liebster Mellefont—
Mellefont. Das letzte "liebster Mellefont" aus diesem göttlichen Munde, und dann ewig nicht mehr! Zu Ihren Füßen, Sara—(Indem er sich niederwirft)—Aber was will ich zu Ihren Füßen? (und wieder aufspringt.) Entdecken? Ich Ihnen entdecken?—Ja, ich will Ihnen entdecken, Miß, daß Sie mich hassen werden, daß Sie mich hassen müssen. —Sie sollen den Inhalt nicht erfahren; nein, von mir nicht!—Aber Sie werden ihn erfahren.—Sie werden—Was steht ihr noch hier, müßig und angeheftet? Lauf, Norton, bring alle Ärzte zusammen! Suche Hilfe, Betty! Laß die Hilfe so wirksam sein als deinen Irrtum!—Nein! bleibt hier! Ich gehe selbst.—
Sara. Wohin, Mellefont? Nach was für Hilfe! Von welchem Irrtume reden Sie?
Mellefont. Göttliche Hilfe, Sara; oder unmenschliche Rache!—Sie sind verloren, liebste Miß! Auch ich bin verloren!—Daß die Welt mit uns verloren wäre!—