Kitabı oku: «Erwerb der deutschen Pluralflexion», sayfa 2
Teil I Zur Nominalflexion
2 Die Nominalflexion des Deutschen
In den nächsten Kapiteln erfolgt eine Beschreibung der deutschen Nominalflexion nach den Merkmalklassen Numerus, Genus und Kasus, da in dieser Arbeit die Lexemklasse Nomen fokussiert wird:
Lexemklasse | Nomen | ||||||||
Merkmalklasse | Numerus | Genus | Kasus | ||||||
Merkmale | Sg. | Pl. | Fem. | Mask. | Neutr. | Nom. | Akk. | Dat. | Gen. |
Tabelle 1: Zur Flexion des Nomens im Deutschen
Die in der obigen Tabelle aufgezeigten Merkmalklassen und ihre Merkmalsausprägungen im Deutschen werden nun in den folgenden Unterkapiteln dargestellt.
2.1 Das Numerussystem des Deutschen
Das Deutsche besitzt die Numeri Singular und Plural. Bezieht sich ein Nomen auf nur ein Objekt, wie z.B. bei Tisch, so liegt das Merkmal Singular vor, während beim Bezug eines Nomens auf mehrere Objekte, wie bei Tische, das Merkmal Plural auftritt. Es existieren im Deutschen keine „charakteristischen Singularmorpheme“ (Wegener 1995b: 10), wie in einigen anderen Sprachen, nur der Plural wird durch einzelne Morpheme markiert.
Der Numerus im Deutschen kann als eine „semantische Kategorie, die es ermöglicht, flexivisch zwischen Einzahl und Mehrzahl zu unterscheiden“ (Weber 2001: 11), bezeichnet werden. Aus diesem Grund erscheint die Betrachtung der Möglichkeiten der Pluralbildung im Deutschen unter dem Aspekt der Semantik als sinnvoll.
Nomen können aufgrund ihrer Bedeutung in konkrete und abstrakte Nomen unterteilt werden. Zu den konkreten Nomen (Konkreta) zählen Nomen, mit denen etwas „Gegenständliches“ (Dudenredaktion 2006: 147) ausgedrückt wird:
(1) | Eigennamen: Petra, Goethe, Mainz |
(2) | Gattungsbezeichnungen (Appellativa): Hund, Pflanze, Lehrerin |
(3) | Sammelbezeichnungen (Kollektiva): Wald, Gebirge |
(4) | Stoffbezeichnungen (Kontinuativa): Kupfer, Milch, Papier |
Die abstrakten Nomjen (Abstrakta) dagegen drücken „Nichtgegenständliches“ (ebd., siehe dazu auch Löbel 2009: 265ff. und Bußmann 2002: 664) aus:
(5) | Eigenschaften: Treue, Ruhe |
(6) | Vorgänge: Schlaf, Traum |
(7) | Beziehungen: Ehe, Freundschaft |
(8) | Maß- und Zeitbegriffe: Gramm, Minute |
Kennzeichnend für die deutsche Pluralbildung ist ihre Eigenschaft, dass sie nur erfolgen kann, wenn es sich um ein zählbares Nomen handelt. Nichtzählbare Nomen können im Deutschen keinen Plural bilden. Eine ausführliche Behandlung der Thematik, wie der Plural im Deutschen zu klassifizieren ist, kann unter anderem bei Biermann (1982: 228ff.), Simmler (1998: 215ff.), Löbel (2009: 265ff.) nachgelesen werden und eine Betrachtung der Semantik des Numerus verschiedener Sprachen im Allgemeinen ist in Corbett (2000: 78ff.) und Itturrioz-Leza/Skopeteas (2004: 1054ff.) zu finden.
Die vorliegende Arbeit orientiert sich an dem folgenden Konzept von Wurzel:
„Da sich die semantischen Basiskonzepte in den grammatischen Kategorien nicht unmittelbar, sondern nur sehr vermittelt ausdrücken, führen wir den Begriff des grammatischen Basiskonzepts ein, der beides aufeinander bezieht. Die grammatischen Basiskonzepte lassen sich am angemessensten als Verfahren der sprachlichen Realisierung semantischer Basiskonzepte charakterisieren. So ist es z.B. sinnvoll, ein grammatisches Basiskonzept Pluralität als Verfahren zur Versprachlichung des semantischen Basiskonzepts der Mehrzahligkeit anzunehmen, ohne daß freilich zwischen ihnen eine eindeutige Zuordnung herrscht.“ (Wurzel 2001: 62)
Das heißt, dass nicht im Einzelnen auf die jeweiligen semantischen Bezüge eingegangen wird. Vielmehr geht es um die grammatische Kategorie Numerus. Dabei wird bei der Untersuchung der Pluralmorphologie von „einem semantischen Basiskonzept der Mehrzahligkeit“ ausgegangen. Es handelt sich folglich um Mehrzahl, wenn die Bezeichnung „Plural“ genutzt wird.
Nahezu in allen Publikationen zum Pluralsystem des Deutschen taucht die Bezeichnung „komplex“ für dieses System auf (siehe z.B. Wegener 1999: 1, Wiese 2012: 204, Kürschner 2008: 8). Neef (1998: 244) spricht gar von einem unerklärlichen Wunder.
Insgesamt existieren fünf native Suffixe, die zur Bildung von Pluralformen am Nomen verwendet werden1. Diese sind -e, -er, -n, -en und -s. Neben der Möglichkeit der Verwendung dieser Allomorphe besteht zum einen die Möglichkeit der Pluralbildung allein durch Umlautung und zum anderen die Möglichkeit der Kombination aus Umlaut und des Suffixes -e oder des Suffixes -er. Die Bildung des Plurals kann im Deutschen jedoch auch ohne Veränderung der Singularform erfolgen. In diesem Falle wird eine Pluralmarkierung durch das Nullallomorph -Ø angenommen und wenn es sich um ein Nicht-Femininum handelt, kann über den Artikel eine Markierung erfolgen (11). Zudem handelt es sich beim Numerus des Deutschen um eine „obligatorische Kategorie“ (Corbett 2000: 14), das heißt, dass es zwangsläufig eine Differenzierung in Singular und Plural gibt, während in anderen Sprachen nur nach Bedarf unterschieden wird.
Diese Vielzahl an Möglichkeiten der Pluralbildung und der unklare Status, ob Regularitäten existieren, erschweren die Darstellung einer Systematisierung von Bildungsregularitäten und führen zu verschiedenen Ansichten darüber, wie das System der Pluralmorphologie zu erfassen ist. Während einige Linguisten die Arbitrarität der Pluralbildung betonen (z.B. Clahsen et al. 1992, Wiese 1996, Niedeggen-Bartke 1999, Wunderlich 1999), heben andere die bestehenden Regelmäßigkeiten hervor und bezeichnen die abweichenden Formen als Ausnahmen (z.B. Mugdan 1977, Augst 1979, Köpcke 1994, Wegener 1999, Eisenberg 2000). Weitgehende Einigkeit herrscht jedoch darin, dass gewisse Tendenzen bei der Pluralbildung ausgemacht werden können. Im Deutschen gibt es die Möglichkeit, die Pluralmarkierung sowohl am Nomen mit Flexiven als auch am Artikel vorzunehmen.2
Wurzel unterscheidet zwischen drei verschiedenen „Markertypen“ (Wurzel 2001: 99). Er schließt neben den morphologischen Markern Suffix und Umlaut den Artikel mit ein, der keine morphologische Markierung ist. Diese Markertypen können sowohl als alleinige Marker (9–11) als auch in Kombination miteinander (12–15) auftreten:
(9) | nur Artikel | ||
der Löffel | → | die Löffel | |
das Messer | → | die Messer | |
ein Schüler | → | --- Schüler | |
(10) | nur Umlaut | ||
die Mutter | → | die Mütter | |
(11) | nur Suffix | ||
die Uhr | → | die Uhren | |
(12) | Artikel und Suffix | ||
das Schwein | → | die Schweine | |
(13) | Umlaut und Suffix | ||
die Maus | → | die Mäuse | |
(14) | Artikel und Umlaut | ||
der Vogel | → | die Vögel | |
(15) | Artikel, Umlaut und Suffix | ||
der Baum | → | die Bäume |
Wie die Zuweisung dieser Markierungen erfolgt und wie dieses System optimal zu beschreiben ist – darüber gibt es verschiedene Ansichten. In den nächsten Abschnitten sollen die wichtigsten Beschreibungsansätze vorgestellt, ihre Gemeinsamkeiten aufgezeigt sowie ihre Differenzen herausgearbeitet werden.
Augst untersucht das „zentrale Pluralsystem“ (Augst 1979: 224) und formuliert diese Tendenzen in Form von Regeln. In Anlehnung an Augst sind im Duden unter der Überschrift „Das zentrale Pluralsystem“ drei Grundregeln aufgeführt (vgl. Dudenredaktion 2006: 183).
Die erste Regel besagt, dass Maskulina und Neutra den Plural durch das Anhängen von -e bilden:
(16) | der Tisch | → | die Tische |
das Regal | → | die Regale |
Mit der zweiten Regel wird vorausgesagt, dass Feminina den Plural mit der Verwendung der Suffixe -en bzw. -n bilden:
(17) | die Frau | → | die Frauen |
die Blume | → | die Blumen |
Als „e-Tilgungs-Regel“ wird die dritte Regel bezeichnet. Sie beschreibt, dass bei der Pluralbildung von Singularformen, die auf ein unbetontes -e, -el, -em, -en, oder -er enden, eine Tilgung des -e zu beobachten ist, das nach der oben beschriebenen ersten Regel suffigiert werden müsste:
(18) | das Segel | → | die *Segele | → | die Segel |
das Fenster | → | die *Fenstere | → | die Fenster | |
der Balken | → | die *Balkene | → | die Balken |
Diese drei Grundregeln zeigen, dass der Wortauslaut von nominalen Pluralformen einen Trochäus aufweist. Am Wortende folgt auf eine betonte Silbe eine unbetonte Silbe.
Das Phänomen der Umlautung wird in diesen Regeln nicht betrachtet. Aus diesem Grund werden im Duden neben diesen Grundregeln in Unterkapiteln „Umlaut-“ und „Zusatzregeln“ formuliert. Diese Regeln können aber nicht alle irregulären Bildungen oder bestehenden Schwankungsfälle erklären.
Auch Wegener (1992) beschreibt das deutsche Pluralsystem unter Beachtung der Aspekte des Wortauslauts und des Genus. In Anlehnung an Mugdan (1977) führt sie, mit dem Ziel eine möglichst kompakte, aber dennoch genaue Skizze des deutschen Pluralsystems zu erstellen, die wichtigsten Pluralmarker im Zusammenhang mit den beobachtbaren Regeln auf. Nur fünf Pluralmarker einschließlich Umlaut (UL) seien ausreichend und drei Hauptregeln seien auszumachen, um die Pluralbildung im Deutschen aufzeigen zu können (vgl. Wegener 1992: 226). Diese sind nach einer Abbildung von Wegener wie folgt darzustellen:
Abbildung 1: Pluralbildung im Deutschen (nach Wegener 1992)
Als „markiert“ gelten Nomen, die bei vokalischem Auslaut auf kein Schwa enden, sondern auf einen unbetonten Vollvokal (wie Auto). Dazu gehören auch Kurzwörter wie Kuli und Abkürzungen wie PKW. Die letzte Gruppe von Nomen, die als markiert gelten, zeichnet aus, dass aus verschiedenen Gründen keine Pluralbildung durch lautliche Veränderung der Nomen möglich ist, wie z.B. bei Kurzwörtern wie Loks oder bei Eigennamen. All diese Nomen mit markiertem Auslaut wählen den Pluralmarker -s.
Diese Beobachtung ist phonologisch zu erklären: Der Pluralmarker -e bzw. -en kann nur auf betonte Vokale am Wortende folgen, wie z.B. bei Ideen, da eine Suffigierung an einem unbetonten Vokal eine unnatürliche Dehnung zur Folge hätte, die so im Deutschen nicht auftritt, wie z.B. *Uhuen oder *PKWen (vgl. Wegener 1992: 228). Unmarkierte Feminina wie z.B. Uhr, Ader wählen den Pluralmarker -en bzw. -n und unmarkierte Maskulina wie z.B. Jahr, Garten wählen den Pluralmarker -e (eventuell mit Umlaut) bzw. den Nullplural.
Mit diesen Hauptregeln sei für den Großteil der Nomen die Pluralbildung erklärbar. Neben diesen Hauptregeln formuliert Wegener „Nebenregeln“ und wählt bewusst diesen Terminus, statt diese Phänomene beispielsweise als Ausnahmen zu bezeichnen, da „eine Teilregularität“ (Wegener 1992: 231) vorhanden sei. Nur Fälle der besonderen Pluralbildung wie z.B. Numeri, die nicht produktiv sind und keine Klassen bilden, sollten als Ausnahmen gelten.
Eisenberg (2000) bezieht sich ebenfalls auf Augst (1979) und Mugdan (1977). Er weist auf den Disput über Klassifikationen von Flexionstypen hin und schlägt eine Einteilung in „Genitiv Singular“ und „Nominativ Plural“ vor. Dabei unterscheidet er vier Haupttypen der Nominalflexion, die jeweils zwei Gruppen aufweisen (vgl. Eisenberg 2000: 152ff.). Im Folgenden sollen diese Haupttypen für die Pluralbildung im Nominativ vorgestellt werden.
Der erste Typ beschreibt die starke Deklination der Maskulina und Neutra:
(19) | der Berg | → | die Berge |
das Kind | → | die Kinder |
Zum zweiten Typ zählt die schwache Deklination der Maskulina:
(20) | der Mensch | → | die Menschen |
der Löwe | → | die Löwen |
Der dritte Typ betrifft die gemischte Deklination der Maskulina und Neutra:
(21) | der Staat | → | die Staaten |
das Ende | → | die Enden |
Beim vierten Typ geht es um die Deklination der Feminina:
(22) | die Burg | → | die Burgen |
die Wand | → | die Wände |
Wie Augst, Mugdan und Wegener stellt auch Eisenberg den Auslaut und das Genus betrachtend sechs Pluraltypen heraus, deren Ausprägung hier nicht beschrieben werden sollen, da nahezu alle Erklärungen der Regelmäßigkeiten bereits in den vorangehenden Ausführungen vorgestellt wurden.
Gegen diese eher strukturalistischen Ansätze versucht Köpcke (1993) eine Regelformulierung, die „um eine psychologische Komponente erweitert [… ist], in deren Mittelpunkt der Sprachbenutzer mit seiner allgemeinen kognitiven Ausstattung steht, aufgrund derer er dazu befähigt ist, eine Art sekundäre Ordnung in das scheinbare Chaos zu bringen“ (Köpcke 1993: 20). Trotz einiger Unterschiede, wie z.B. der Annahme, dass es im Deutschen acht (vgl. Köpcke 1993: 35) und nicht neun Pluralallomorphe gibt, wie oft in der Literatur aufgeführt (siehe z.B. Ramge 1975, Werner 1969: 93, Nübling 2002: 98, Mac Whinney 1994: 302, Christen 2000: 199)3, geht auch Köpcke in erster Linie von den bisher dargestellten Annahmen aus. Der entscheidende Unterschied beruht auf seiner Fokussierung des Sprecherverhaltens (vgl. Köpcke 1993: 37). Regelmäßigkeiten in der Pluralbildung könnten zwar formuliert werden, würden jedoch kaum dafür genutzt werden können, um Feststellungen über das Sprecherverhalten, wie es in der Wirklichkeit abläuft, zu konzipieren. Bereits Mugdans Ergebnisse von 1977, in denen er feststellt, dass „15 Regeln und 21 Listen von Ausnahmen benötigt [werden], um die Pluralzuweisung zu allen nominalen Lexemen des Deutschen erklären zu können“ (Köpcke 1993: 38), würden zeigen, dass eine alleinige Formulierung von Regeln nicht ausreiche. Die zahlreichen Auflistungen von Ausnahmen deuten darauf hin, so Köpcke, dass außer der Regelaufstellung die Bildung eines weiteren Konzeptes für die Erklärung der Pluralmarkierungszuweisungen notwendig sei, und zwar das Konzept der „Schemata“ (Köpcke 1993: 82). Der Sprecher bildet in seinem mentalen Lexikon verschiedene, mit unterschiedlichen Strukturen gekennzeichnete, Schemata. Die Kennzeichnung gehe aus der so genannten „Signalstärke“ hervor, die sich aus verschiedenen Kategorien der Wahrnehmung zusammensetze. Das heißt, dass der Sprecher bei der Zuweisung von Pluralmarkierungen auf Schemata zurückgreift, die er in seinem mentalen Lexikon durch vorherige Wahrnehmungen bildet.
Dieses Konzept soll an dieser Stelle nicht ausführlicher behandelt werden, da es in Kapitel 5.1 eingehender thematisiert wird. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Köpcke davon ausgeht, dass die Markierung des Plurals eher produktorientiert nach „abstrakten Schemata“ (Köpcke 1993: 86) im mentalen Lexikon erfolgt und weniger mit durch Regeln entstandene Morphembildungen zu erklären ist.
Wie bereits angedeutet, spielt die Silbenstruktur der Nomen ebenfalls eine Rolle bei der Pluralmarkierung. Es kann festgestellt werden, dass einsilbige Wortstämme bei der Pluralbildung in zweisilbige Pluralformen umgewandelt werden, die einen Trochäus mit finaler Schwa-Silbe aufweisen:
(23) | Schuh | → | Schuhe |
Mehrsilbige Wörter enden bei der Pluralform ebenfalls auf einen Trochäus:
(24) | Elefant | → | Elefanten |
Nahezu keine Regelaufstellung erfolgt, ohne dass Ausnahmen formuliert werden. Die einzige Regel, die bei allen Systematisierungsbestrebungen auftaucht und deren Gültigkeit immer gegeben ist, ist die Regel, dass für Feminina mit Schwa als Auslaut immer ein -n suffigiert wird (vgl. Sonnenstuhl-Henning 2003: 94):
(25) | die Birne | → | die Birnen |
In den nächsten Kapiteln soll nun das Genussystem und anschließend das Kasussystem des Deutschen skizziert werden.
2.2 Das Genussystem des Deutschen
Die Merkmalklasse Genus weist im Deutschen die Merkmale Femininum, Maskulinum und Neutrum auf und ist „nomeninhärent“, das heißt für jedes Nomen „festgelegt“ (Weber 2001: 11). Sind Gesetzmäßigkeiten bei dieser Festlegung erkennbar? Inwieweit sind diese Gesetze gültig? Können sie überhaupt als Gesetze formuliert werden? Welche Funktionen hat das Genus im Deutschen und wo und wie wird es markiert?
Die differenzierende Markierung beim Genus in feminin, maskulin und neutrum erfolgt nur im Singular und es wird „an sprachlichen Einheiten markiert, die gemeinsam mit dem Nomen auftreten: an indefiniten und definiten Artikeln, Determinativen1 und Adjektiven.“ (Montanari 2010: 194):
def. Artikel | indef. Artikel | Adjektiv | |
Fem. | die Nase | eine Nase | eine große Nase |
Mask. | der Mund | ein Mund | ein großer Mund |
Neutr. | das Auge | ein Auge | ein großes Auge |
Tabelle 2: Genusmarkierung im Deutschen (im Nominativ Singular)
Außer den in Tabelle 2 aufgeführten Markierungen kann das Genus an weiteren „das Nomen begleitenden Wortarten ausgedrückt werden“ (Wegener 1995b: 97), wie z.B. den Pronomen (siehe dazu Montanari 2010: 195).2
In der Tabelle sind außerdem lediglich die Genusmarkierungen im Nominativ Singular aufgelistet, zu den Änderungen der einzelnen Markierungen in den jeweiligen Phrasenelementen je nach Kasus sei an dieser Stelle auf Montanari (ebd.) verwiesen. Im Plural besitzen Artikelwörter und Adjektive keine besonderen Genusformen, das heißt „alle drei Kategorien fallen in einer einzigen Form zusammen“ (Marouani 2006: 16). Die Markierung erfolgt im Plural ausschließlich ohne Genusdifferenzierung:
Artikel | Adjektiv | Artikel und Adjektiv | |
Fem. | die Nasen | große Nasen | die großen Nasen |
Mask. | die Münder | große Münder | die großen Münder |
Neutr. | die Augen | große Augen | die großen Augen |
Tabelle 3: Genusmarkierung im Deutschen (im Nominativ Plural)
Dabei existiert sowohl im Singular als auch im Plural eine besondere Beziehung zwischen dem Artikel, dem Adjektiv und dem Nomen – Eisenberg spricht von einer „syntagmatischen Bindung“ (Eisenberg 2000a: 91). Diese Beziehung wird als Kongruenz bezeichnet und stellt die „flexivische Anpassung der zusammengehörigen Satzteile“ (Weber 2001: 11) dar. Nach Corbett (2006) spielen bei der Kongruenz Verknüpfungen auf den syntaktischen, semantischen, morphologischen und lexikalischen Ebenen eine Rolle.
Diese Beziehung ist „keine symmetrische Relation, sondern die Beziehung einer Entität zu einer zweiten, auf die die erste einwirkt“ (Montanari 2010: 181). Durch dieses Aufeinanderwirken wird ihre Zusammengehörigkeit deutlich. Dabei stellt im Falle der Genusmarkierung im Deutschen das Nomen die Merkmalquelle dar, da es die Merkmale der anderen Bezugselemente bestimmt und vorgibt. Nach welchen Kriterien erfolgt diese Vorgabe? Die Beschäftigung mit dieser Frage und die unterschiedlichen Auffassungen über ihre Beantwortung führen zu der Annahme, dass es sich bei der „Genuszuweisung [… um] eines der undurchsichtigsten Kapitel der deutschen Grammatik“ (Wegener 1995e: 1) handelt und führt sogar soweit, dass das Genus „zu den […] umstrittensten Kategorien innerhalb der Sprachwissenschaft“ (Schwarze 2008: 182) gezählt wird. Während die „Analogisten“ (Fischer 2004: 30) die Gesetzmäßigkeiten in den Vordergrund stellen, betonen die „Anomalisten“ (ebd.) die Willkürlichkeit bei der Zuweisung des Genus an die Nomen. Oft ist von Genuszuweisungsprinzipien die Rede, da „neben produktiven“ Regeln, die formuliert werden, „andere mit beschränkter Produktivität stehen“ (Köpcke/Zubin 1997: 87).
Nicht nur Weber (2001) stellt in ihrer Analyse wichtiger deutscher Grammatiken fest, dass das Genus darin oft unzureichend thematisiert wird (siehe dazu auch Heringer 1995: 203). Aufgrund der unterschiedlichen produktiven Regeln, die oft auch für nur eine bestimmte Gruppe von Nomen gelten, werden diese Regeln nicht als Regeln betrachtet und es herrscht bei der Betrachtung des Genus im Deutschen, wie in diesen Grammatiken ersichtlich wird, eine gewisse Unsicherheit (vgl. Weber 2001: 90). Ein Blick in die aktuelle Genusforschung zeigt, dass eine Reihe von Regeln und Prinzipien erkennbar sind. Listen von Genuszuweisungsregeln werden u.a. von Köpcke (1982) und Wegener (1995a) formuliert. Eine differenzierende Zusammenstellung der wichtigsten Kriterien und Kategorien ist in Montanari (2010: 196–208) zu finden.
Nach Heringer (1995: 212) sind diese festgestellten Regeln „nach drei Kriterien zu beurteilen: Reichweite, Validität und Stärke“. Wie groß ist die Anzahl der Nomen, für die diese Regel gilt? Mit der Beantwortung dieser Frage wird die „Reichweite“ der Regel bestimmt. Wie viele Ausnahmen sind festzustellen? Hiermit wird die „Validität“ gemessen. Welche Regel siegt, wenn mehrere Regeln für ein Nomen anwendbar sind? Hier wird die „Stärke“ der Regel ermittelt. Je nachdem, wie die Beantwortung der jeweiligen Regel im Hinblick auf die Fragen ausfällt, handelt es sich um eine nützliche oder eher unbrauchbare Regel. Da diese drei Kriterien am stärksten von Wegener beachtet werden, soll im Folgenden ihre Herangehensweise bei der Konzipierung von Genuszuweisungsregeln skizziert werden. Sie nimmt eine Einteilung der Regeln in „semantische“ (Wegener 1995b: 68) und „formale Regeln“ (Wegener 1995b: 73) vor. In diesen zwei Kapiteln analysiert und diskutiert sie die bislang formulierten Regeln in der deutschen Genusforschung, während sie bei den formalen Regeln eine weitere Unterteilung in phonologische und morphologische Regeln vornimmt. Aufgrund der hohen Anzahl an Ausnahmen bei den semantischen Regeln3 plädiert Wegener für „ein generelles Leitwortprinzip“ (Wegener 1995b: 72). Der Oberbegriff gibt für eine Gruppe von Nomen die Genuszuweisung der Unterbegriffe vor:
(26) | die Zahncreme | → | die Elmex, die Colgate |
das Metall | → | das Eisen, das Silber, das Gold | |
der Zug | → | der ICE, der Intercity |
Mit Hinblick auf den Sprachunterricht formuliert sie darüber hinaus als einzige semantische Regel „das natürliche Geschlechtsprinzip“ (Wegener 1995b: 89): „Bezeichnungen für männliche Lebewesen sind im unmarkierten Fall Maskulina, solche für weibliche sind Feminina“ (ebd.). 4 Als unmarkiert werden Fälle „mit größerem Skopus und/oder höherer Validität“ (Wegener 1995b: 7) bezeichnet, während die Ausnahmen bzw. Nebenregeln als markiert gelten. Diese Abstufung nimmt Wegener bei der Formulierung aller Regeln vor.
Ebenso mit Hinblick auf den Sprachunterricht fokussiert sie folgende vier Regeln (siehe Wegener 1995b: 89):
1 Auf Schwa (-e) endenden Nomen wird im unmarkierten Fall das Genus Femininum zugewiesen:
(27) | Säge, Liebe, Kette |
2 Einsilbige „und andere Kernwörter“ erhalten im unmarkierten Fall eine Maskulinmarkierung:
(28) | Ball, Zug, Fuß |
3 Ebenso sind auf -el, -en, -er endende Nomen im unmarkierten Fall maskulin:
(29) | Deckel, Wagen, Becher |
4 Derivationssuffixe des Nomens bestimmen sein Genus:
(30) | Gesundheit, Schönling, Zöpfchen |
Die erste Regel gilt nach Wegener für 90 Prozent der Nomen, die auf Schwa enden, die zweite Regel für 51,8 Prozent der Einsilber, die dritte Regel für 65 Prozent der auf –el, -en und -er endenden Nomen und die vierte Regel für 100 Prozent der auf Suffixe, wie -ung und -heit endenden Nomen. Sie betont aber, dass trotz dieser teilweise sehr zuverlässigen Regeln keine Aussage über die Genuszuweisung der gesamten deutschen Nomen vorgenommen werden kann, ohne den „Skopus“ (ebd.) mit zu betrachten. Der Skopus zeigt, wie groß der Anwendungsbereich einer Regel ist. Der Wert wird auf der Grundlage von Oehlers (1966) „Grundwortschatz Deutsch“ ermittelt, und gibt an, auf wieviel Prozent der aufgelisteten Nomen diese Regel zutrifft. Mit diesen Regeln ist noch nicht erfasst, für wie viele Nomen des Deutschen hiermit eine Vorhersage formuliert werden kann.
Der von Wegener errechnete Gesamtskopuswert beträgt 65,4 Prozent (Wegener 1995e: 3). Das bedeutet, dass demnach für 65,4 Prozent der Nomen aus Oehlers Liste das Genus mit den oben aufgeführten Regeln zugewiesen werden kann. Die Regeln sind jedoch „nur von geringer Validität, da sie zahlreiche Ausnahmen zulassen“ (ebd.). Aus diesem Grund sei es zutreffender, wenn diese Regeln als Genuszuweisungsprinzipien und nicht als Genusszuweisungsregeln bezeichnet werden. Es kann somit festgehalten werden, dass das Genussystem nicht „als extrem wenig regelgeleitet und funktional angesehen“ (Weber 2001: 81) werden kann, sondern dass „deutliche Tendenzregeln für die Genusverteilung“ (Wegera 1997: 17) festgestellt werden können.
Aus der historischen Sprachwissenschaft wissen wir, dass alle grammatischen Kategorien, die keine Funktionen erfüllen bzw. ihre Funktionen verlieren, mit der Zeit abgebaut werden und aus dem Sprachsystem verschwinden. Betrachten wir das deutsche Genussystem, dann ist eine solche Entwicklung nicht einmal in Ansätzen oder als Tendenz festzustellen. Bereits diese Beobachtung zeigt uns, dass das Genus bestimmte Funktionen im deutschen Sprachsystem übernehmen muss. Befürworter dieser Sichtweise fokussieren dabei ihre Aufmerksamkeit auf eine der beiden folgenden Funktionsannahmen: Entweder wird das bereits beschriebene Phänomen der „Kongruenz“ als Hauptfunktion des deutschen Genus betrachtet oder ihre Eigenschaft, im Sprachsystem eine „Klassifikation“ vorzunehmen (Schwarze 2008: 75). Während beispielsweise Corbett (1991) vorschlägt, „agreement“, also Kongruenz, als wichtigste Funktion des Genus anzunehmen, sieht Wegener (1995a) die „Grundfunktion der Genera“ darin, „den nominalen Wortschatz einer Sprache zu gliedern, zu klassifizieren“ (Wegener 1995b: 60, siehe auch: Bittner 1994: 66ff., Lemke 2008: 106 und Aikhenvald 2004: 1031f.). Doch diese „klassifikatorische Funktion“ sei im Deutschen „nur höchst unvollkommen“ (Wegener 1995b: 1). Aus diesem Grund komme den syntaktischen Funktionen im Deutschen wohl eine bedeutendere Rolle zu (vgl. Wegener 1995b: 62). Dazu zählen zum Beispiel die Klammerbildung und die Herstellung von Textkohärenz (siehe Wegener 1995b: 65 und Montanari 2010: 178f.). Hinzu kommen auch semantische und lexikalische Funktionen: „Es trägt zum systematischen Aufbau des Lexikons bei (Rothweiler/Meibauer 1999; […]) und hilft, die Welt in Bedeutungskategorien der Belebtheit, Geschlechtigkeit und Zählbarkeit zu fassen (Leiss 2000)“ (Montanari 2010: 178).
Das Genus erfüllt zudem eine „numerusdifferenzierende Aufgabe“ (ebd.):
(31) | der Würfel | → | die Würfel |
das Kaninchen | → | die Kaninchen |