Kitabı oku: «Strafrecht Besonderer Teil», sayfa 18
3. Taterfolg und Kausalität
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Der von § 240 Abs. 1 vorausgesetzte Taterfolg kann in einer beliebigen „Handlung, Duldung oder Unterlassung“ des Opfers bestehen und muss durch die Nötigungshandlung bedingt sein.[48] Im Beispielsfall sind diese Voraussetzungen gegeben, weil A mit B aufgrund dessen Drohung geschlafen hat.
29
Entsprechend bei § 239 Abs. 1 (vgl. § 11 Rn. 15) schließt auch bei § 240 Abs. 1 ein wirksames Einverständnis des Betroffenen mit dem Entzug der allgemeinen Willensbildungs- und Willensbetätigungsfreiheit bereits den Tatbestand aus, da ein Handeln gegen oder ohne den Willen des Betroffenen vorausgesetzt ist (sog. tatbestandsausschließendes Einverständnis).[49]
II. Subjektiver Tatbestand
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Der subjektive Tatbestand erfordert nach zutreffender h.M. zumindest bedingten Vorsatz.[50] Teilweise wird demgegenüber im Schrifttum hinsichtlich des Nötigungserfolgs Absicht im technischen Sinne gefordert;[51] diese Ansicht findet jedoch keine Stütze im Gesetz.
31
Zwischenergebnis: Im Beispielsfall kam es B auf den Nötigungserfolg an, so dass nach beiden Auffassungen die Voraussetzungen des subjektiven Tatbestands erfüllt sind. B handelte also tatbestandsmäßig i.S. des § 240 Abs. 1.
III. Rechtswidrigkeit
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Rechtswidrig ist die Tat, wenn allgemeine Rechtfertigungsgründe fehlen und die Voraussetzungen des § 240 Abs. 2 vorliegen. Dieser enthält eine spezielle Rechtswidrigkeitsregel, die nach h.M. nur dann zu prüfen ist, wenn kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund eingreift.[52]
33
Verwerflichkeit meint einen erhöhten Grad der sozialethischen Missbilligung der für den erstrebten Zweck angewendeten Mittel.[53] Aufgrund der insoweit geforderten umfassenden Abwägung müssen unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls[54] auch der verfolgte Zweck und der Zusammenhang von Zweck und Mittel in die Würdigung einfließen.[55]
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Danach ist die Tat jedenfalls dann verwerflich, wenn sowohl Nötigungsmittel als auch der verfolgte Zweck rechtlich zu missbilligen sind. Die Verwerflichkeit kann aber auch aus der rechtlichen Missbilligung entweder des verfolgten Zwecks oder des eingesetzten Nötigungsmittels allein folgen und zwar um so eher, je intensiver das eingesetzte Nötigungsmittel bzw. je stärker der verfolgte Zweck die Willensfreiheit des Opfers beeinträchtigt.[56]
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Zwischenergebnis: Obgleich B mit einem rechtmäßigen Unterlassen droht, stellt die erzwungene Handlung einen erheblichen Eingriff in die Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung der A dar. Die Tat erweist sich damit als verwerflich und mithin rechtswidrig. B hat sich, da er auch schuldhaft handelte, wegen Nötigung (§ 240 Abs. 1) strafbar gemacht.
Vertiefungshinweis:
Außerordentlich strittig ist es auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Oktober 2001,[57] ob (und ggf. wie weit) namentlich bei den Blockadefällen etwaige respektable Fernziele von Demonstranten bei der Verwerflichkeitsprüfung zu berücksichtigen sind.
36
– | Nach h.M., die wegen des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) vorzugswürdig ist, kann als angestrebter Zweck nur das in Absatz 1 genannte Handeln, Dulden oder Unterlassen verstanden werden, das der Täter vom Opfer erzwungen hat oder erzwingen will.[58] Fernziele sind danach lediglich im Rahmen der Strafzumessung beachtlich (vgl. § 46 Abs. 2). |
37
– | Nach anderer Auffassung sind neben dem Nahziel auch die (politischen) Fernziele des Demonstranten schon im Rahmen des § 240 Abs. 2 zu berücksichtigen. Das Erfordernis der Gesamtabwägung macht es notwendig, auch ernsthafte Handlungsmotive – wie etwa Sorgen und echte Gewissensnot – einzubeziehen.[59] |
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Die h.M. ist vorzugswürdig: Zum einen ist die nach der anderen Auffassung erforderliche Wertung des verfolgten Fernziels als respektabel mit dem Bestimmtheitsgebot nicht zu vereinbaren, zum anderen tritt die vom Tatbestand vorausgesetzte Beeinträchtigung der Willensentschließungs- und Willensbetätigungsfreiheit unabhängig von dem vom Täter verfolgten Fernziel ein. Insassen eines anlässlich der sog. Montagsdemonstrationen von Gegnern des Stuttgarter Bahnprojekts eingekesselten Fahrzeugs werden unabhängig von Fernzielen der Demonstranten schlicht am weiteren Fortkommen gehindert. Zudem zeigt gerade die kontroverse öffentliche Diskussion des Bauprojekts, dass die Einordnung von Fernzielen als respektabel eine unvorhersehbare Wertung des entscheidenden Gerichts voraussetzt.
IV. Besonders schwere Fälle (§ 240 Abs. 4)
39
§ 240 Abs. 4 sieht für besonders schwere Fälle (zur dogmatischen Einordnung von sog. Regelbeispielen vgl. § 35 Rn. 124 ff.) einen höheren Strafrahmen vor. Ein besonders schwerer Fall liegt nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 regelmäßig bei einer Nötigung zum Schwangerschaftsabbruch vor.[60] Das Regelbeispiel liegt bereits bei einem nicht zum vollendeten Abbruch führenden Nötigungsversuch vor. Hingegen sind die bloße Hilfsunwilligkeit des Kindsvaters oder von Angehörigen bereits kein geeignetes Mittel einer einfachen Nötigung dar, ebenso wenig die Drohung, eine persönliche Beziehung zu beenden.[61]
40
Tauglicher Täter eines besonders schweren Falls der Nötigung nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 kann nur ein Amtsträger i.S. des § 11 Abs. 1 Nr. 2 sein. Ein Missbrauch der Befugnisse liegt vor, wenn der Amtsträger an sich im Rahmen der ihm tatsächlich zustehenden Befugnisse handelt, von ihnen aber gesetz- oder pflichtwidrig Gebrauch macht, indem er sie als Nötigungsmittel zur Erreichung anderer als der gesetzlich zulässigen Zwecke einsetzt. Der Missbrauch der Stellung liegt schon dann vor, wenn der Amtsträger sich Befugnisse oder Kompetenzen anmaßt, die ihm tatsächlich nicht zustehen, und diese als Nötigungsmittel zur Erreichung eigener Zwecke einsetzt.[62]
41
Ergebnis: B ist Beamter i.S. des § 11 Abs. 1 Nr. 2 und maßt sich – da er außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs handelt – ihm tatsächlich nicht zustehende Kompetenzen an, die er als Nötigungsmittel zur Erreichung persönlicher Ziele einsetzt. Sein Verhalten verwirklicht mithin das Regelbeispiel des § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2. B hat sich wegen Nötigung in einem besonders schweren Fall gemäß § 240 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 strafbar gemacht.
C. Täterschaft und Teilnahme, Begehung durch Unterlassen, Versuch und Vollendung sowie Konkurrenzen
42
In Bezug auf Täterschaft und Teilnahme bestehen keine Besonderheiten, so dass die §§ 25 ff. ohne jede Einschränkung anwendbar sind. Beide Handlungsmodalitäten des § 240 Abs. 1 können auch durch Unterlassen verwirklicht werden, wenn der Täter eine Garantenstellung (§ 13) innehat (zur davon zu unterscheidenden Drohung mit einem Unterlassen vgl. Rn. 15 ff.).[63]
43
Der Versuch der Nötigung ist strafbar (§§ 240 Abs. 3, 22) und beginnt dann, wenn der Täter zur Nötigungshandlung, also zur Anwendung von Gewalt oder Drohung unmittelbar ansetzt.[64] Die Tat ist auch dann nur versucht, wenn der erstrebte Erfolg zwar eintritt, die Nötigungshandlung dafür aber nicht kausal war.[65] Vollendet ist die Tat, sobald das Opfer unter der Einwirkung des Nötigungsmittels mit der vom Täter erstrebten Handlung begonnen hat.[66] Eine nur scheinbare Mitwirkung des Opfers, etwa um den Täter zu überführen, ist nicht ausreichend.[67] Besteht das abgenötigte Verhalten in einem Unterlassen, tritt Vollendung ein, wenn das Opfer die Handlung infolge des Zwangs entweder ganz unterlässt oder über den Zeitraum hinaus verschiebt, in welchem sie vorgenommen werden sollte.[68] Bei nur unwesentlichem Verschieben liegt ein Versuch vor.[69]
44
Hinsichtlich der Konkurrenzen gilt das zur Freiheitsberaubung Ausgeführte entsprechend, d.h. soweit die Nötigung nur typische Begleiterscheinung der Tatbestandsverwirklichung anderer Delikte ist, tritt § 240 als subsidiäres Delikt zurück.[70] Nur wenn der Täter weitergehende Zwecke verfolgt, kommt Tateinheit mit den durch dieselbe Handlung verwirklichten Delikten in Betracht (vgl. § 11 Rn. 22). Die Bedrohung (§ 241 Abs. 1) tritt hinter denjenigen der Nötigung zurück, wenn die Bedrohung sich als Teil der Nötigung erweist. Das gilt auch für den Fall des bloßen Nötigungsversuchs.[71]
D. Kontrollfragen
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1. | Wie wird Gewalt i.S. des § 240 Abs. 1 definiert? → Rn. 5 |
2. | Unter welchen Voraussetzungen liegt in den sog. Blockadefällen Gewalt vor? → Rn. 9 |
3. | Ist eine Drohung mit einem für das Opfer nachteiligen Unterlassen dem Tatbestand des § 240 Abs. 1 zu subsumieren? → Rn. 15 ff. |
4. | Welche Besonderheiten sind bei § 240 bezüglich des allgemeinen Deliktsmerkmals der Rechtswidrigkeit zu beachten? → Rn. 32 ff. |
Aufbauschema § 240
1. | Tatbestand a) Objektiver Tatbestand (1) Nötigen mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel (2) Handlung, Duldung oder Unterlassung (3) Kausalität b) Subjektiver Tatbestand – Vorsatz |
2. | Rechtswidrigkeit einschließlich § 240 Abs. 2 |
3. | Schuld |
4. | Besonders schwerer Fall a) Regelbeispiele des § 240 Abs. 4 2 Nr. 1 bis 3 b) Ggf. unbenannter besonders schwerer Fall (§ 240 Abs. 4 Satz 1) c) Vorsatz |
Empfehlungen zur vertiefenden Lektüre:
Leitentscheidungen: BVerfGE 92, 1 – „Sitzblockadefall“; BGHSt 31, 195 – „Kaufhausdetektivfall“; BGHSt 35, 270 – „Munitionsdepotfall“; BGHSt 41, 182 – „Autobahnblockadefall“; BGHSt 44, 34 – „Castorfall“
Aufsätze: K. Amelung, Sitzblockaden, Gewalt und Kraftentfaltung, NJW 1995, 2584; Geppert, Die Nötigung (§ 240 StGB), Jura 2006, 31; Sinn, Die Nötigung, JuS 2009, 577; Zopfs, Drohen mit einem Unterlassen?, JA 1998, 813
Übungsfälle: Gierhake, Klausur Strafrecht: Urlaubsvorbereitung, JA 2008, 429; Hillenkamp, Der praktische Fall – Strafrecht: Ein besonderes Silvesterfeuerwerk, JuS 1991, 821; Solbach, Revisionsrechtliche Klausur: Unerlaubtes Abschleppen, JA 1994, 60; Thoss, Examensklausur Strafrecht: Ladendiebstahl mit Folgen, Jura 2002, 351; Ziegler, Fortgeschrittenenklausur – Strafrecht: Freiheitsberaubung, Beleidigung, Körperverletzung (mit Todesfolge) – Femme Fatale, JuS 2018, 88
Anmerkungen
[1]
BVerfGE 73, 206, 237; BVerfGE 92, 1, 13 – „Sitzblockadefall“; Lackner/Kühl § 240 Rn. 1; Geppert Jura 2006, 31; einschränkend SK/Horn/Wolters § 240 Rn. 3: nur als rechtlich garantierte Freiheit.
[2]
Geppert Jura 2006, 31, 32.
[3]
MüKo/Sinn § 240 Rn. 26.
[4]
MüKo/Sinn § 240 Rn. 26; Geppert Jura 2006, 31, 32.
[5]
BGH NStZ 2000, 140, 141.
[6]
BGHSt 41, 182, 185 f. – „Autobahnblockadefall“; BGH NJW 1995, 2862; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 357.
[7]
Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 362; Geppert Jura 2006, 31, 33.
[8]
Vgl. dazu Krey/Hellmann Rn. 377 ff.; Arnold JuS 1997, 289 ff.
[9]
BVerfGE 104, 92, 102 f.; BGHSt 41, 182, 185 – „Autobahnblockadefall“; K. Amelung NJW 1995, 2584, 2589 f.; Schroeder JuS 1995, 875, 877 f.
[10]
NK/Toepel § 240 Rn. 42.
[11]
RGSt 13, 49.
[12]
BGHSt 1, 145; BGH StV 1991, 149.
[13]
BGHSt 37, 350, 353.
[14]
BVerfGE 92, 1, 16 ff. – „Sitzblockadefall“; BGHSt 41, 182, 185 – „Autobahnblockadefall“; 44, 34, 40 – „Castorfall“; OLG Düsseldorf NJW 1999, 2912.
[15]
Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 361.
[16]
RGSt 9, 58.
[17]
BGHSt 41, 182, 185 – „Autobahnblockadefall“; 44, 34, 40 – „Castorfall“; Hoyer JuS 1996, 200, 202; a.A. Krey/Hellmann Rn. 390.
[18]
Hoyer JuS 1996, 200, 202.
[19]
BGHSt 23, 46, 49.
[20]
BGH NStZ 1995, 593.
[21]
BGHSt 41, 182, 184 – „Autobahnblockadefall“.
[22]
A.A. BayObLG NJW 1995, 268, 269.
[23]
Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 387; a.A. OLG Naumburg NStZ 1998, 623, 624.
[24]
BGHSt 25, 237, 238; a.A. für Schlafende und Bewusstlose MüKo/Sinn § 240 Rn. 26.
[25]
Otto § 27 Rn. 15.
[26]
A.A. Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 361 ff.
[27]
BGHSt 41, 182, 185 f. – „Autobahnblockadefall“; BGH NJW 1995, 2862; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 357.
[28]
BGHSt 16, 386, 387; MüKo/Sinn § 240 Rn. 69; Sinn JuS 2009, 577, 582.
[29]
BGHSt 23, 294, 295; Geppert Jura 2006, 31, 36.
[30]
Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 369; Geppert Jura 2006, 31, 36.
[31]
Hoyer GA 1997, 451, 454 f.; Schroeder NJW 1996, 2627, 2629.
[32]
Sinn JuS 2009, 577, 582.
[33]
BGHSt 7, 197, 198; BGH NStZ 1987, 222.
[34]
Geppert Jura 2006, 31, 36; Sinn JuS 2009, 577, 582.
[35]
BGHSt 32, 165, 174; BGH NStZ 1992, 278; Lackner/Kühl § 240 Rn. 13; Geppert Jura 2006, 31, 36.
[36]
BGH NStZ 2000, 86, 87; Sinn JuS 2009, 577, 583.
[37]
OLG Hamburg NJW 1980, 2592; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 371; ebenso BGH NStZ 1982, 287 in die Entscheidung nicht tragenden Erwägungen.
[38]
SK/Wolters Rn. 78; Hoven ZStW 128 (2016), 173, 192.
[39]
SK/Wolters Rn. 78; Hoven ZStW 128 (2016), 173, 192.
[40]
BGHSt 31, 195 – „Kaufhausdetektivfall“; 44, 68, 75 f.; MüKo/Sinn § 240 Rn. 89; Otto § 27 Rn. 23 f.
[41]
BGHSt 31, 195, 201 – „Kaufhausdetektivfall“; Otto § 27 Rn. 23; Geppert Jura 2006, 31, 37.
[42]
Otto § 27 Rn. 24.
[43]
BGHSt 31, 195, 202 – „Kaufhausdetektivfall“.
[44]
Otto § 27 Rn. 23.
[45]
Geppert Jura 2006, 31, 37.
[46]
BGHSt 16, 316, 318; 38, 83, 86; Lackner/Kühl § 240 Rn. 11 und 15.
[47]
BGHSt 38, 83, 86.
[48]
BGHSt 37, 350, 353; BGH NJW 1997, 1082, 1083; NStZ 2004, 385, 386; NStZ-RR 2006, 77; MüKo/Sinn § 240 Rn. 97 ff.
[49]
BGHSt 14, 81, 82.
[50]
BGHSt 5, 245, 246; Otto § 27 Rn. 25.
[51]
MüKo/Sinn § 240 Rn. 105; Schönke/Schröder/Eser/Eisele § 240 Rn. 34; Geppert Jura 2006, 31, 38; Sinn JuS 2009, 577, 583 f.
[52]
Otto § 27 Rn. 31; Sinn JuS 2009, 577, 584.
[53]
BGHSt 17, 328, 331 f.; OLG Köln NJW 1986, 2443 f.; Sinn JuS 2009, 577, 584.
[54]
BVerfG NJW 1992, 2689, 2690; BGHSt 44, 34, 44 – „Castorfall“.
[55]
BVerfGE 73, 206, 245 ff.; BGHSt 35, 270, 275 f. – „Munitionsdepotfall“; OLG Stuttgart NJW 1991, 994.
[56]
Otto § 27 Rn. 38 f.; Sinn JuS 2009, 577, 584.
[57]
BVerfGE 104, 92 109 ff.
[58]
BVerfGE 73, 206, 260 f.; BGHSt 35, 270, 276 – „Munitionsdepotfall“.
[59]
Schönke/Schröder/Eser/Eisele 240 Rn. 29; vgl. auch BVerfGE 104, 92, 109 ff.: Berücksichtigung der vom Täter verfolgten Fernziele ist verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen.
[60]
Vgl. dazu BGH Beschluss vom 24. März 2010 – 2 StR 506/09.
[61]
NK/Toepel § 240 Rn. 199.
[62]
NK/Toepel § 240 Rn. 200.
[63]
BayObLG NJW 1963, 1260 f.; Timpe JuS 1992, 748 ff.
[64]
BGHSt 44, 34, 40 – „Castorfall“.
[65]
Geppert Jura 2006, 31, 41.
[66]
BGH NStZ 2004, 385; NStZ-RR 2006, 77; MüKo/Sinn § 240 Rn. 163; Schönke/Schröder/Eser/Eisele § 240 Rn. 13; a.A. Otto § 27 R. 50: Vollendung erst mit dem Erreichen des vom Täter erstrebten Ziels.
[67]
BGH NStZ 2004, 442, 443.
[68]
BGH, Beschluss vom 29. Januar 2020 – 2 StR 505/19.
[69]
BGH, Beschluss vom 29. Januar 2020 – 2 StR 505/19.
[70]
Geppert Jura 2006, 31, 41.
[71]
BGH StV 2015, 474; BGH Beschluss vom 29.9.2020 – 3 StR 238/20.
Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit › Kapitel 3. Freiheitsberaubung, Nötigung und Hausfriedensbruch › § 13. Hausfriedensbruch und schwerer Hausfriedensbruch (§§ 123, 124)
§ 13. Hausfriedensbruch und schwerer Hausfriedensbruch (§§ 123, 124)
Inhaltsverzeichnis
A. Grundlagen
B. Tatbestände
C. Täterschaft und Teilnahme, Begehung durch Unterlassen, Konkurrenzen sowie Verfolgbarkeit
D. Kontrollfragen
A. Grundlagen
1
Von § 123 geschütztes Rechtsgut ist das Hausrecht, d.h. die Befugnis des Hausrechtsinhabers, darüber zu bestimmen, wer sich innerhalb der geschützten Örtlichkeiten aufhalten darf.[1] Der allein § 123 Abs. 1 1. Alt. qualifizierende schwere Hausfriedensbruchs (§ 124) schützt neben dem Hausrecht zugleich den öffentlichen Frieden[2] und stellt, wie auch in der Formulierung des Tatbestands deutlich wird, eine Mischform des Hausfriedensbruchs und des Landfriedensbruchs gemäß § 125 dar.[3]
Aufbauhinweis:
Die Tatbestände der §§ 123, 124 sind regelmäßig von untergeordneter Prüfungsrelevanz. Zudem wird insbesondere § 123 nicht selten von anderen Delikten konsumiert (vgl. Rn. 22). Im Gutachten ist es deshalb in der Regel fehlerhaft, mit diesem zu beginnen, vielmehr ist § 123 im Anschluss an das konsumierende Delikt kurz zu erörtern (zu § 123 Abs. 2 vgl. Rn. 23).
B. Tatbestände
I. Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 1)
2
Der Tatbestand des § 123 Abs. 1 enthält die Handlungsalternativen des Eindringens und des Verweilens. Die Widerrechtlichkeit des Eindringens ist ebenso wie das Fehlen einer Befugnis zum Verweilen kein Merkmal des Tatbestands, sondern lediglich ein Hinweis auf das allgemeine Deliktsmerkmal der Rechtswidrigkeit.[4]
1. Objektiver Tatbestand
3
a) Als geschützte Örtlichkeiten nennt § 123 Abs. 1 an erster Stelle Wohnungen und Geschäftsräume. Wohnungen sind Gebäude oder Teile von solchen, die einem Einzelnen oder einer Gruppe von Menschen als Unterkunft dienen,[5] während Geschäftsräume für gewerbliche, künstlerische oder wissenschaftliche Tätigkeiten bestimmt sind.[6] Eine tatsächliche Nutzung der Wohnung zu Wohnzwecken zur Tatzeit ist nicht vorausgesetzt.[7]
4
Als Teile der Wohnung oder des Geschäftsraums sind auch die Nebenräume (z.B. Flure, Toiletten, Keller und Dachböden) einschließlich sog. offener Zubehörflächen geschützt, die zwar selbst nicht abgeschlossen sind, aber eine enge räumliche und funktionale Anbindung zur geschützten Örtlichkeit aufweisen.[8]
Beispiele:
Gartenterrasse; Vorgarten; offene Kaufhauspassage,[9] an der Hausfassade befestigtes Baugerüst,[10] nicht aber die werkseigene Zufahrt zum Haupttor eines Kraftwerks[11]
5
Wie bei § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 muss es sich hierbei nicht notwendig um eine unbewegliche Sache handeln, so dass z.B. auch Verkaufs- und Campingzelte sowie Bau- und Wohnwagen vom Tatbestand geschützt sind.[12] Hingegen kommt als befriedetes Besitztum nur eine unbewegliche Sache in Betracht, die mittels zusammenhängender – nicht notwendig lückenloser – Schutzwehren in äußerlich erkennbarer Weise gegen das beliebige Betreten durch andere gesichert ist.[13]
Beispiele:
Friedhöfe; Feldscheunen; Schrebergärten und Abbruchhäuser, wenn diese gegen willkürliches Betreten gesichert sind[14]
6
Dies ist bei einer Eingrenzung des räumlichen Bereichs, die den Zugang Unberechtigter von der – u.U. auch einfachen – Überwindung eines physischen Hindernisses abhängig macht, stets der Fall.[15] Jedoch wird ein Bereich nicht bereits deshalb zu einem befriedeten Besitztum, weil er unter dem Straßenniveau liegt und damit naturgemäß über Abgrenzungen verfügt.[16]
Beispiel:
Unterirdische Verkehrsfläche, die ausschließlich dem Fußgängerverkehr als Straßenunterführung und als Zugang zu U- und S-Bahnanlagen sowie zu Geschäftslokalen und sonstigen von der Öffentlichkeit genutzten Einrichtungen dient[17]
7
Abgeschlossene Räume sind zum öffentlichen Dienst bestimmt, wenn in ihnen Tätigkeiten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ausgeübt werden (z.B. Schulen, Universitäten, Gerichtsgebäude und Kirchen).[18] Zum öffentlichen Verkehr bestimmt sind abgeschlossene Räume, die dem Personen- und Gütertransportverkehr dienen und allgemein zugänglich sind, aber auch die Transportmittel selbst,[19] ebenfalls dann, wenn es sich um solche privater Verkehrsunternehmen handelt.[20]
Beispiele:
Wartesäle; Bahnhofshallen; Eisenbahnwaggons; Straßenbahnwagen
8
b) Ein Eindringen (§ 123 Abs. 1 1. Alt.) setzt ein Betreten der geschützten Örtlichkeit gegen oder ohne den Willen des Berechtigten voraus. Es ist hierfür ausreichend, wenn der Täter mit einem Teil des Körpers in die geschützte Örtlichkeit hineingelangt.[21]
9
Berechtigter ist der Inhaber des Hausrechts.[22] Dies braucht nicht der Eigentümer zu sein. Mietern, Pächtern und Inhabern des Nießbrauchsrechts steht das Hausrecht ebenso zu, wie Personen, denen ein Grundstück vertraglich zur Nutzung überlassen worden ist.[23] Der Inhaber des Hausrechts muss zum Zeitpunkt der Tathandlung stets ein stärkeres Recht in Bezug auf die Räumlichkeit als der Störer innehaben.[24] An der ehelichen Wohnung hat jeder Ehegatte das Hausrecht inne. Er darf Personen den Zutritt gewähren, deren Anwesenheit dem anderen Ehegatten zuzumuten ist.[25] Gleiches gilt im Hinblick auf Mitinhaber einer Wohnung, die keine Ehegatten sind. Voraussetzung ist stets, dass der Berechtigte den Besitz rechtmäßig erlangt hat,[26] wobei er dann allerdings auch nach Ablauf des das Recht zum Besitz begründenden Rechtsverhältnisses Inhaber des Hausrechts bleibt. Denn das Hausrecht des Mieters findet seine Legitimation als eine auch strafrechtlich geschützte Rechtsposition darin, dass der Vermieter die Verfügungsbefugnis über den Mietgegenstand auf den Mieter übertragen hat. Das Hausrecht des Mieters endet erst, wenn der Eigentümer wieder den unmittelbaren Besitz am Mietgegenstand erlangt hat.[27]
10
Ein entgegenstehender Wille muss weder ausdrücklich noch schlüssig erklärt sein, ausreichend ist es, wenn er sich aus den Umständen ergibt. Liegt jedoch eine ausdrückliche Erklärung vor, scheidet ein Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen aus.[28] Ein Einverständnis ist auch dann beachtlich, wenn es durch eine Täuschung erschlichen oder mit Nötigungsmitteln erzwungen wurde, solange es trotzdem einen Erklärungsgehalt hat.[29]
Merke:
Ist der Inhaber des Hausrechts mit dem Betreten einverstanden, so handelt es sich nicht um ein Eindringen (sog. tatbestandsausschließendes Einverständnis).
11
An einem Eindringen fehlt es zudem, wenn nur einer von mehreren gleichrangigen Hausrechtsinhabern einem Dritten die Anwesenheit gestattet, sofern die Anwesenheit des Besuchers den anderen zumutbar ist.[30] Die Zumutbarkeit entfällt bei groben oder nachhaltigen und wiederholten Verstößen gegen die für das menschliche Zusammenleben geltenden Regeln der Achtung und Rücksichtnahme auf eine andere das Hausrecht ausübende Person.[31]
Merke:
Das Betreten fremder Räume zur Verfolgung eines widerrechtlichen oder unerwünschten Zwecks (etwa zur Begehung von Straftaten) ist regelmäßig ein Eindringen.
12
Das gilt nach h.M. aber dann nicht, wenn eine Räumlichkeit betroffen ist, die aufgrund einer generellen Erlaubnis für den allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet ist, es sei denn, nach dem äußeren Erscheinungsbild des Betretens wird offensichtlich, dass dieses Verhalten von dem abweicht,[32] das durch die generelle Zutrittserlaubnis gedeckt ist.[33]
Beispiel:
A betritt mit gezogener Maschinenpistole und einem Wollstrumpf über dem Gesicht während der Kassenstunden eine Bank, um diese auszurauben[34]
13
§ 123 Abs. 1 2. Alt. ist ein echtes Unterlassungsdelikt.[35] Es liegt vor, wenn der Täter sich nicht aus einer geschützten Örtlichkeit (vgl. Rn. 3 ff.) entfernt, obwohl er dazu vom Berechtigten aufgefordert worden ist. Als Berechtigte kommen neben dem Hausrechtsinhaber auch dessen Vertreter im Willen in Betracht.[36]
Beispiele:
Hausangestellte; Untermieter; Kinder, sofern sie zu einem vernünftigen Urteil imstande sind[37]
14
Die Aufforderung zum Verlassen kann sowohl durch eine ausdrückliche als auch durch eine schlüssige Erklärung erfolgen. An die Schlüssigkeit der Aufforderungserklärung sind keine hohen Anforderungen zu stellen, so dass ein Klingelzeichen oder ein Hinweis auf bestimmte Öffnungszeiten genügen kann.[38]
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