Kitabı oku: «Systemische Organisationsanalyse», sayfa 4
Das Phänomen reduzierten Engagements in Bezug auf vorgegebene Kampagnen des Topmanagements findet sich in vielen Unternehmen. [WIRKLICHE AUFMERKSAMKEITSZENTRIERUNG] Die Aufmerksamkeit ist dann anders zentriert, als die Unternehmensziele es erfordern und auch anders, als es auf der offenen Ebene proklamiert wird. Dahinter steht für die Mitarbeiter meist ein guter Grund. Sie schützen sich vor Strafe, vor Diskreditierung, vor Unsicherheitsgefühlen, vor Überlastung oder vor anderen unangenehmen Erlebnissen. Aber diese Tiefenebene ist entscheidend für den Erfolg des Unternehmens. Das Unternehmen sollte hier fragen: Wohin ist die Aufmerksamkeit im Augenblick tatsächlich gerichtet?
Die Modellwirkung des Topmanagements
Die Aufmerksamkeitszentrierung hängt stark von der unterschwellig gelebten Haltung der Unternehmensleitung oder wesentlicher Personen in diesem Kreis ab. [GELEBTE HALTUNG] In einem norddeutschen Handelsunternehmen lebte der Vorstandschef einen sehr machtorientierten Stil. Ihm war wichtig, dass die Leute parierten und nach seiner Pfeife tanzten, selbst wenn dadurch Leistungsergebnisse nicht erreicht wurden. »Die Führung muss das Heft in der Hand behalten« war sein Credo. Gleichzeitig wunderte man sich über unselbstständige Mitarbeiter und wenig wirkliches eigenmotiviertes Engagement.
Ein anderes Beispiel: In einem großen Bereich einer Organisation stellte sich der Bereichsleiter in seiner Antrittsrede so vor, dass er diese Position jetzt noch vor seiner Pensionierung in zwei Jahren übernommen habe, um langsam den Übergang in den Ruhestand vorzubereiten. Man kann sich vorstellen, dass diese Aussage die Mitarbeiter nicht zu Höchstleistungen anspornte.
Für jedes Management gilt, regelmäßig ihre Aufmerksamkeitsimpulse an die Unternehmensmitglieder auf deren effektive Wirkung zu überprüfen und zu hinterfragen.
Die Aufmerksamkeitsgewohnheit
Ein größeres Handelsunternehmen mit sehr langer Tradition und beträchtlichen wirtschaftlichen Erfolgen hatte im Laufe der Zeit eine recht ausgeklügelte Meeting-Kultur entwickelt. [SICH ENTWICKELNDE MUSTER] Sobald ein Problem auftrat, setzte man sich zusammen und beriet darüber. Die Entscheidungen in diesem System waren sehr häufig durchaus im Vorhinein absehbar. Selbst in Situationen, in denen für den Außenstehenden eine triviale Lösung nahe lag, war für die Internen klar, dass dies erst in einer gemeinsamen Sitzung besprochen werden müsse. Denn nur dann könne die Lösung gefunden werden. [DIE MEETINGKULTUR] Bei allen Beteiligten war die Auffassung vorhanden, dass nur die mehrmals in der Gruppe besprochene Lösung das Optimum bringe. Bei der Lösungsfindung saßen jeweils auch noch imaginär die hierarchisch höher angesiedelten Personen mit am Tisch. Aussagen wie: »Das würde dem Herrn X. gefallen.« oder: »So etwas trägt der nie mit.« waren häufige Beiträge in der Diskussion. Oft waren die Lösungen am Schluss nicht anders, als es sich am Anfang andeutete. Die Kosten und die Entscheidungsträgheit, die dieses System mit sich brachte, hatte niemand mehr vor Augen. Die Hauptaufmerksamkeit und die Hauptzeitinvestition lag in der Meetingkultur und in dem miteinander Argumentieren bei der Lösungsfindung.
Hier gilt: Es ist notwendig, bestimmte Aufmerksamkeitsrituale immer wieder auf den Prüfstand zu stellen.
Geplante und tatsächliche Lenkung der Aufmerksamkeit
Unternehmen versuchen die Aufmerksamkeit der Stakeholder zu lenken. [WERBUNG ALS LENKUNGSVERSUCH] Dabei gibt es interessante Zusammenhänge zwischen Absicht und Wirkung. Beispielsweise erreicht Werbung, die eigentlich an Kunden gerichtet ist, oft sehr viel stärker die eigenen Mitarbeiter. Die Mitarbeiter versuchen in ihrem Wunsch nach Identifikation, aus der Werbung etwas über ihr Unternehmen herauszulesen. Mitarbeiter suchen nach positiven oder kritischen Identitätsmerkmalen ihres Unternehmens.
2.1.5 Herrschende Blickwinkel und Komplexität
Systeme und herrschende Aufmerksamkeit
Ein faszinierendes Phänomen ist, dass Organisationssysteme herrschende mentale Modelle herausbilden und verschärfen. [SELEKTION EINZELNER HALTUNGEN] Offensichtlich selektiert ein System bestimmte Haltungen ein und andere aus. Diese Schattenseite der Schwarmintelligenz entsteht dann, wenn ein Zusammentreffen einer starken narzisstischen Lenkung mit abhängigen Gefolgschaften vorhanden ist. Narzisstische Lenkung meint eine Ausrichtung an sehr eigenen Interessen und Motiven einer oder einer kleineren Gruppe von Personen mit Macht. Gefolgschaft entsteht dabei durch unterschiedliche Abhängigkeitsverhältnisse, zum Beispiel auch durch Unsicherheit. Ein Beispiel sind die Stellungnahmen von Analysten zur Aktienmarktentwicklung. Es lässt sich eine weitgehende Gefolgschaft der Analysten untereinander feststellen.
Dies trifft im Übrigen auch für andere Systeme zu wie beispielsweise die Wissenschaft. [HERRSCHENDE MODELLE IN DER ÖKONOMIE] Auch dort bilden sich herrschende Modelle heraus. In den Wirtschaftswissenschaften beispielsweise, die für Organisationssysteme bedeutend sind, ist dies auf der makroökonomischen Ebene zur Zeit die neoklassische Wirtschaftstheorie. Neoklassisch meint die Rückbesinnung auf die klassischen liberalen Grundgedanken, wie sie Adam Smith und andere zur Beendigung feudalistischer Wirtschaftsstrukturen im 18. Jahrhundert postuliert hatten.
Im zwanzigsten Jahrhundert war allerdings kurzzeitig eine Wirtschaftspolitik mit mehr steuernden Eingriffen des Staates eingesetzt worden. Diese nach ihrem theoretischen Begründer Keynes Keynesianismus genannte Einnahmen- und Ausgabenvariation des Staates zur Konjunktursteuerung zeigte nur zeitweise Erfolg. [KEYNESIANISMUS] Sie wurde nur halbherzig angewandt, da der Mut der Politiker fehlte, auch die Einnahmen wieder herzustellen, die in den Ausgabenphasen auf Kredit finanziert waren.
Diese Wirtschaftspolitik mit Interventionscharakter wird in der Neoklassik abgelehnt. Zur neoklassischen Wirtschaftstheorie passend wird in den letzten Jahren auf der betriebswirtschaftlichen Ebene der Ansatz des Shareholdervalue postuliert, der die maximale Unternehmenswertsteigerung, ermittelt im Gesamtwert der Aktie, als einzige Zielvariable annimmt. Beide Ansätze, Neoklassik und Shareholdervalue-Denken, passen zueinander. In der neoklassischen Wirtschaftstheorie gilt: Wenn jeder einzelne in seinem wirtschaftlichen Handeln seinem Egoismus folgt, dann resultiert daraus für das Gesamtsystem die maximale Wohlfahrt. Man beruft sich dabei auf Adam Smith, den Stammvater der Wirtschaftswissenschaft. Der hatte in seinem Werk über die »Wohlfahrt der Nationen« das gleichzeitige Folgen des wirtschaftlichen Eigeninteresses und moralischer Prinzipien vertreten. Der zweite Teil wird oft kaum erwähnt, ist aber, betrachtet man die Wirtschaftsentwicklungen verschiedener Länder, durchaus nicht verzichtbar. Zudem entstehen heute zunehmend Zweifel an der Egoismus-These über den Menschen.
Zur Neoklassik gehört auch die Überzeugung, dem Staat als Wirtschaftsakteur sei prinzipiell nicht zu trauen, nachdem lange Zeit die wirtschaftliche Entwicklung auch in den Marktwirtschaften sehr stark durch staatliche Eingriffe bestimmt war. [NEOKLASSIK] Der Staat als Wirtschaftssubjekt habe total versagt, das zeige insbesondere die Erfahrung der Planwirtschaft in den ehemaligen Ostblockstaaten. Der Schluss daraus ist, private Wirtschaft sei prinzipiell besser. Darin zeigt sich zur Zeit eine Reaktion, die für manche Theoretiker wie eine Befreiung von dem jahrzehntelangen sozialen Konkurrenzzwang der Marktwirtschaften gegenüber dem Ostblocksystem erschien. Zugeständnisse in der Entlohnung der Arbeit, wie sie in den 1960er und 1970er Jahren aufgrund der sichtbaren Systemkonkurrenz sinnvoll erschienen, sind zur Zeit nicht mehr erforderlich. Im Gegenteil: Die herrschende Meinung über das Einkommensniveau der Bevölkerung geht generell von einer tendenziell zu hohen Faktorentlohnung für Arbeit aus – mit einigen Ausnahmen, z.B. der Topmanagergehälter. Mit dem Shareholdervalue-Ansatz hat ein Produktionsfaktor (Kapital) in der Zielbetrachtung die Hauptaufmerksamkeit erhalten. Andere Produktionsfaktoren wie z.B. Arbeit, Umwelt oder Wissen stehen zur Zeit nicht im Fokus und werden nur mittelbar betrachtet.
Die Bedeutung eines gemeinschaftlichen Herangehens und Beantwortens von Herausforderungen wird zumindest in der Analyse wirtschaftlicher Leistungen immer deutlicher. Unterinvestitionskrisen wie in der amerikanischen Stromwirtschaft lassen die Konsequenzen einseitiger herrschender Denkmuster praktisch deutlich werden. Möglicherweise ist der reine Egoismusansatz nur deshalb so praktisch, weil er sich in mathematischökonomischen Modellen einfacher rechnen lässt. Man kann eine Maximierungsfunktion berechnen und für größere Systeme wie Volkswirtschaften bildet man dann einfach die Summe der Einzelmaxima. Dies hat natürlich den riesigen Vorteil der Komplexitätsreduzierung. Die Verschiedenartigkeit der Menschen wird aber nicht mehr betrachtet.
Der Moralaspekt im wirtschaftlichen Kontext ist nicht so einfach zu beantworten. [MORAL ERHÖHT DIE KOMPLEXITÄT] Aus dem Moralaspekt heraus müsste man beispielsweise anders über die Entlohnung der Produktionsfaktoren sprechen: Ist die Differenzierung der »Faktorentlohnung« zwischen einem Vorstandsmitglied und einem Intensivkrankenpfleger gerechtfertigt? Ist es wirklich eine Leistungsentlohnung? Oder werden hier nicht bestimmte Persönlichkeitseigenschaften wie Sachlichkeit und nicht vorhandenes emotionales Reagieren auf Situationen besonders hoch entlohnt?
Dies sind zugegebenermaßen schwierige Fragen. In Krisenzeiten – z.B. wenn Unternehmenslenker ihre Grenzen zeigen und spüren – werden allerdings solche Fragen thematisiert. [HERRSCHENDE DENKMUSTER] Es wird deutlich, dass das herrschende Denkmuster der neoklassischen Wirtschaftsauffassung diese Komplexität fernhält. Man versucht dann eher die Realität umzudefinieren als das Modell.
Querdenker
Querdenker dazu haben es schwer und halten sich manchmal nicht lange in einem System. Der Querdenker ist dabei aber immer im Bezug zum herrschenden System zu sehen. Der Zwanghafte, der schon seit vielen Jahren die gleiche Vorgehensweise krampfhaft beibehält, kann der Querdenker in einem System des kreativen Chaos sein.
2.1.6 Wünschenswertes und Abschließendes
Klarheit in der Orientierung
Wünschenswert bei der Aufmerksamkeitssteuerung ist Klarheit der Orientierung in Bezug auf Strategie und Ziele. Je klarer die strategische Orientierung in einem Unternehmen formuliert und vorgelebt wird, um so wirkungsvoller ist sie im gesamten unternehmerischen System. [KLARHEIT DER STRATEGISCHEN ORIENTIERUNG] Je klarer die Ziele des Unternehmens – auch beispielsweise die jährlichen Ziele – zur Strategie passen, um so mehr Wirkung erzielen sie. Dies ist leicht gesagt. In der Realität von großen Organisationen ist die Vermittlung der Strategien und Ziele an die Unternehmensmitglieder ein großes Problem. Aber es ist fatal für eine Organisation, wenn durchdachte und kommunizierbare Strategien und Ziele fehlen. In diesen Fällen werden die Strategien und Ziele der einzelnen Individuen im unternehmerischen System dominieren. Jedes Individuum bringt seine legitimen Eigeninteressen in ein Unternehmen mit. Je nach Machtposition etwa in der Hierarchie kann dann jeder »sein Süppchen kochen«. Die Eigeninteressen können durch unterschiedliche Motive verkörpert sein. Sicher gibt es auch viele Menschen, die Spaß daran haben, sich selbst in einer Arbeit wirksam und erfolgreich zu erleben. [EIGENINTERESSE UND GEMEINSCHAFTLICHES INTERESSE] Aber die Motive reichen von »Geld machen«, über »Status erreichen« bis hin zu »sich am Tag unter Leuten aufhalten«, um nicht so allein zu sein oder »einen einigermaßen gut organisierten Platz zu haben, von dem aus man private Telefonate und Geschäfte regeln kann« und dafür noch eine Anwesenheitsprämie zu bekommen. Wenn die Strategie und die Ziele des Unternehmens vernachlässigt werden, entsteht in einem Unternehmen ein undurchsichtiger interner Konkurrenzmarkt über das, was erreicht werden soll. Dieser Konkurrenzmarkt ist undurchsichtig, weil natürlich jeder seine privaten Ziele in vermeintliche Unternehmensziele kleidet. Dieses Gegeneinander lässt die Ressourcen eines Unternehmens verschwenden.
Einige innere Grundhaltungen sind förderlich
Für das Funktionieren eines unternehmerischen Systems sind gewisse Grundhaltungen hilfreich. [FLEXIBILITÄT DER AUFMERKSAMKEIT] Es ist sicher wünschenswert, dass die Aufmerksamkeit flexibel bezüglich der Anforderungen ist, die von außen und innen auf das unternehmerische System zukommen. Zu den inneren Grundhaltungen sollte auch gehören, sich der Einbettung des unternehmerischen Systems in andere Systeme bewusst zu sein. Hinzu kommt das Erfordernis, dass ein sachlicher Beitrag in einer Diskussion nicht deshalb per se mehr Aufmerksamkeit erhält. Die Maxime sollte nicht sein: »In Wahrheit sind wir alle gleich, aber nicht in der Wirklichkeit.« Dabei sei auch nicht verhehlt, dass genau so wie im Zitat oft verfahren wird. Es passt allerdings nicht mehr in die heutige Zeit, sondern erinnert an die Feudalzeit der Fürsten.
Aufmerksamkeit auf die Grundparameter des Managements
Weiterhin ist es günstig, wenn das Management wesentliche Grundparameter im Auge behält. Dabei ist die normative, die strategische und die operative Managementebene zu nennen. Effektives Management ist hier das frühzeitige Erkennen von Entscheidungsbedarf. [OPERATIVE, STRATEGISCHE UND NORMATIVE EBENE BEACHTEN]
– Die operative Ebene: Hier sollte der Maßstab der Effizienz regieren. Es bedeutet, die Dinge richtig zu tun. Im operativen Management geht es um die kleinen, aber wichtigen Entscheidungen. Dies bedeutet konkretes Leben der operativen Ausrichtung. Wenn Kosteneinsparungen bis hin zu Personaleinsparungen als Strategie ausgegeben werden, verbietet es sich, sündhaft teure Berater und Trainer in Zusammenhang mit flächendeckenden Schulungen aller Führungskräfte aufzubieten.
– Die strategische Ebene: Hier geht es um Effektivität, was bedeutet, die richtigen Dinge zu tun, zum Beispiel Wettbewerbsfähigkeit und Kooperationsfähigkeit zu erhalten. Im strategischen Management geht es um die Frage, wo ein Unternehmen im Augenblick in seinen großen Zügen hinmarschiert. Auf welchem Markt will man welche strategische Position erreichen? Wie will man das erreichen? Dabei ist noch zwischen strategischen Zielen, wie einem Marktanteil, und strategischen Maßnahmen, wie einer bestimmten Organisationsstruktur oder einer bestimmten Marketingstrategie zu unterschieden.
– Die normative Ebene: Hierbei handelt es sich um die Legitimität des unternehmerischen Handelns in der Fähigkeit, die Ansprüche der relevanten Bezugsgruppen zu erfüllen. Die normative Ebene beschreibt, warum man überhaupt etwas Unternehmerisches tut. Warum bewegt man sich auf einem bestimmten Markt? Was will man auf diesem Markt als Beitrag leisten? Viele Unternehmen haben hier schöne Broschüren zur Corporate Identity erstellt oder sogar von einer Werbeagentur erstellen lassen. Die liegen dann in den Schubladen und werden allenfalls neuen Mitgliedern bei ihrer Begrüßung in die Hand gedrückt. Hier ist daran zu erinnern, dass schon die frühesten Organisationstheoretiker wie Fayol die Verschriftlichung als ein zentrales Element der Bürokratie – sie versprachen sich damals einiges davon – eingeführt haben. Dies macht bei der Standardisierung von Abläufen Sinn. Im Bereich des normativen Managements benötigt ein Unternehmen jedoch ein stets lebendes, sich entwickelndes Werk. Hier sollte das Organisationssystem ständig die aktuelle Entwicklung im Auge behalten.
Gute Unternehmen haben alle drei Management-Ebenen, die normative, die strategische und die operative gleichermaßen im Auge. Dies bedeutet, dass auch das Topmanagement ein Interesse an der operativen Ebene hat und was dort an Problemen existiert. Dies verhindert Schreibtischtäter und Sandkastenspiele. Auf der anderen Seite sollte man Abwertungen der Mitarbeiter vermeiden, dass diese nicht mit strategischen oder normativen Fragen umgehen könnten. In aller Regel arbeiten Menschen besser, wenn sie ein Bild davon haben, was der Sinn ihres Beitrages zum Ganzen ist. Außerdem wirkt es sich positiv aus, wenn man eine Vorstellung darüber hat, wohin das Unternehmen will. Natürlich sind diese Antworten adressatengerecht für Mitarbeiter zu formulieren. Es reicht nicht, in Strategiechinesisch von Global Playern und dem ersten Platz auf der Hitliste der Branche zu sprechen.
Die Komplexität benennen
Zu beachten ist zunächst ein schwer verdauliches Faktum. Man muss Abschied nehmen von einer bei vielen Vorständen und auch Führungskräften der weiteren Ebenen geschätzten Haltung, die da heißt »Es ist doch alles ganz einfach«. Unternehmerisches Handeln und die sich daraus ergebenden Systeme sind alles andere als einfach. Eine Schein-Simplizität hilft überhaupt nicht. [KOMPLEXITÄT BENENNEN STATT SCHEIN-SIMPLIZITÄT BEHAUPTEN] Die Phänomene, denen wir in Unternehmen begegnen, sind nicht immer einfach zu handhaben. Dies wird auch schon durch das grundlegende Varietäts- (= Vielfalts-)gesetz von Ashley beschrieben: Nur Varietät kann Varietät absorbieren. (»Only variety can absorb variety.«) Für ein Unternehmen bedeutet dies, dass das Lenkungssystem eine Varietät aufweisen muss, die dem zu lenkenden System entspricht. Dies bedeutet nicht, dass eine Organisation unbedingt komplexe Eigenvarietät aufbaut – was durchaus viele Unternehmen aus inneren Dynamiken heraus tun –, aber dass man die Komplexität der Umwelt beachtet und beantwortet.
Es beginnt damit, dass ein Unternehmen sich seiner Umwelt so anpassen muss, sogar die Umwelt so aussuchen und definieren muss, dass die Komplexität noch zu bewältigen ist. Oft passiert es, das Unternehmen zwar in einer äußerst komplexen oder in der Komplexität entscheidend gewachsenen Umwelt verbleiben, ohne dies zu registrieren. Man tut so, als sei die Komplexität nicht vorhanden, negiert beispielsweise relevante Umweltfaktoren. In den entsprechenden Fällen ist Erhöhung der Eigenvarietät nötig (»amplification«). Wesentlich ist aber auch, die Eigenvarietät aus inneren Beweggründen des Unternehmens, die z.B. Hierarchiepositionen schaffen, zu vermindern.
Ein deutliches Beispiel ist hier vielleicht die Organisationsstruktur des Discounters Aldi. Sie verzichtet auf jegliche überflüssigen Unternehmensstrukturen analog zur Sortimentsstrategie des Unternehmens.
Das Komplexitätsthema ist auch die Ursache vielen Unmutes in der Wirtschaft. Es gebe zu viele Vorschriften und zu viele Dinge, die man beachten müsse, so lautet die Klage. Entsprechend werden auch Lobbyvertreter darauf angesetzt, die Komplexität der Umwelt für bestimmte Branchen zu verringern. Die Lösung besteht jedoch in einem angemessenen Umgang mit der vorhandenen Komplexität.
Die System Emergence nützen
Ein System steuert sich aus der System Emergence-Perspektive weitgehend selbst. [AN DIE EIGENDYNAMIK ANKNÜPFEN] Welche Kräfte sind vorhanden? Wie kann man sie nutzen? Dann folgt erst die bekannteste, aber auch bezüglich Rigidität gefährlichste Einrichtung für die Dämpfung von Varietät in der Organisationsstruktur: Zielgruppen definieren, Vertriebssysteme gestalten (»one face to the customer«, key account management), Organisationsstrukturen aufbauen. Die Entwicklung eines unternehmerischen Systems zeigt sich in der zunehmenden Fähigkeit, eigene und fremde Ansprüche zu erfüllen. Das ist das entscheidende Kriterium.
Insgesamt wird in vielen unternehmerischen Systemen eine klare Trennung vorgenommen, wer sich mit normativen, strategischen und operativen Fragen zu beschäftigen hat. Die normativen Fragen sind meist die Aufgabe von Spezialisten (Personalwesen, Marketing, externe Berater). Viele Topmanager haben einen rein betriebswirtschaftlichen Bezugsrahmen. Sinnfragen und normative Orientierung sind für sie nicht greifbar, weil nicht quantifizierbar. Deshalb überlässt man das den Spezialisten. Sie werden dann oft dem Topmanagement vorgelegt und von diesem korrigiert und abgesegnet. Die Strategie lässt man sich im Extremfall von einer Unternehmensberatung erarbeiten. Was bleibt, sind die operativen Fragen. Es ist manchmal erschreckend, wie wenig Topmanagements ein Denken in Kaskaden beherrschen. Es geht um Fragen wie: Was muss das Topmanagement tun, damit die nächste Ebene ihre nächste Ebene dazu veranlasst, dass diese ihre Mitarbeiter zu Vertriebsanstrengungen führt?
Abb. 10
Auch die symbolhafte Näherungsweise lässt sich praktisch nutzen. So hat die amerikanische Psychologin Marge Reddington vor einigen Jahren ein Symbolisierungsverfahren vorgeschlagen. Sie lässt unterschiedliche Phänomene des Lebens symbolisieren und dann die Entwicklung des Symbols betrachten. Dies kann man auf Unternehmen übertragen.
– Welches Symbol (ein Phantasiebild, ein Satz, ein Gegenstand) charakterisiert Ihr unternehmerisches System?
– Malen Sie Ihr Symbol oder schreiben Sie es auf!
– Lassen Sie das Symbol sich jetzt verändern. In welche Richtung entwickelt sich das Symbol? Was verändert sich?
2.2 Die Dynamik der Rollen

Abb. 11

Abb. 12

2.2.1 Rollen
Man könnte ein unternehmerisches System auf dem Reißbrett entwerfen und dann für die sich ergebenden Funktionen wie Produktion, Vertrieb, Marketing oder Personalwesen die passenden Menschen suchen. [KRAFTFELDER FÜR ORGANISATIONSSYSTEME] In der Praxis werden Organisationen jedoch oft um vorhandene Personen herum gestaltet. Gleichzeitig werden deren Fähigkeiten, in die neue Rolle zu schlüpfen, manchmal falsch eingeschätzt. Es kommt häufig zu Kompromissen, die dann eine Quelle für Probleme und Konflikte sein können.
Organisatorisch bilden die vorhandenen Organisationsrollen die Struktur eines Systems ab. [MAN NIMMT EINE ROLLE EIN UND DIE ROLLE NIMMT EINEN EIN] Aber Rollen sind etwas, das nicht gespielt wird. Menschen nehmen die Rollen ein. Aber die Rollen nehmen im Gegenzug auch den Menschen ein. Sie entstehen durch den Kontext, in dem der Mensch sich befindet. Dieser Kontext kann ein bestimmtes Umfeld sein oder eine gewohnte Perspektive auf Dinge zu schauen. Insofern konstelliert sich eine Rolle sowohl aus den Erwartungen von anderen Menschen (soziologischer Aspekt) als auch der inneren Umsetzung des einzelnen (psychologischer Aspekt). Ursprünglich bezeichnet die Rolle die Pergamentrolle, auf der der Text für den Schauspieler abgebildet ist. Dieser ist aber nur der Außenimpuls. Wie das Stück dann gespielt wird, hängt sehr von der Interpretation des Rollen-»Inhabers« ab.
Das Vier-Welten-Modell zeigt, aus welchen Rollen heraus sich Menschen auf ihr Tun im Unternehmen beziehen können.

Abb. 13: Das Vier-Welten-Modell der Personenrollen
Die vier Rollenwelten:
• Organisationswelt (die Form, wie ein Mensch organisatorisch in einem beruflichen Kontext aufgestellt ist: z.B. freiberuflich oder angestellt; z.B. Abteilungsleiter oder Mitarbeiter)
• Professionswelt (die beruflichen Fach- und Methodenqualifikationen, die ein Mensch gelernt hat: z.B. Dachdecker, Jurist, Computerfachmann, Führungskraft)
• Privatwelt (die Rollen, die ein Mensch in seiner Privatwelt einnimmt: z.B. Mutter, Partnerin)
• Gemeinwesenwelt (die Rollen, die ein Mensch im Gemeinwesen übernommen hat: z.B. in Kirche, Verein oder Partei).
Eine Rolle bietet psychologisch gesehen die Möglichkeit für einen Menschen, seine Persönlichkeit in einem bestimmten Kontext auszudrücken. Radikal gesehen hat in dieser Vorstellung ein Mensch keine Persönlichkeit jenseits der Rollen, in denen er in seinem Leben auftritt. Es gibt nicht noch eine Persönlichkeit hinter der Rollenebene. In den Rollen, die ein Mensch lebt, zeigt er seine Persönlichkeit. Diese Vorstellung über Rollen und Persönlichkeit hat der Wieslocher Berater Bernd Schmid nahegelegt. Nach dieser Position sind die gelebten Rollen die Persönlichkeit. Es gilt dann nicht: »Ich habe eine bestimmte Persönlichkeit, aber ich komme so selten dazu.« Das Relevante der Persönlichkeit ist das in den Lebenskontexten gezeigte Persönlichkeitsbild. Zu dieser psychologischen Seite der Rollen erfahren Sie mehr in Kap. 2.3.5 »Führungsbeziehungen«.
2.2.2 Das Organisationssystem und Metarollen
Die meisten Organisationssysteme haben ein ganz bestimmtes Set von Metarollen, die in einer systemischen Beziehung zueinander stehen. Der Metabegriff beschreibt die übergeordnete und generelle Funktion dieser Rollen. Jedes Organisationssystem hat sie in irgendeiner Weise. Dabei ist für jedes Organisationssystem von Anfang an die spannende Frage relevant, wie diese Metarollen miteinander im Zusammenspiel funktionieren. [GRUNDEINFLUSSNEHMER]
Abb. 14
Für die meisten Unternehmen lassen sich die im Bild dargestellten sechs miteinander verbundenen Grund-Akteure unterscheiden:
– Topmanagement (Unternehmensleitung, Unternehmer, Vorstand, Geschäftsleitung)
– Manager (ab der 2. Ebene, Mittel-Management, andere Führungskräfte)
– Mitarbeiter
– Kunden
– Kapitalgeber (Eigenkapitalgeber, Fremdkapitalgeber)
– Öffentlichkeit (Staat, Politiker, Anwohner, Analysten)
Daneben gibt es noch zwei weitere relevante Akteure: die Lieferanten und die Wettbewerber, die auf eine Organisation Einfluss nehmen, aber loser mit dem Organisationssystem verbunden sind (vgl. dazu auch Kap. 5. »Systempulsation«).
Metarollen sind übergeordnet und grundsätzlich für Organisationen vorhanden. Ihre Konstellation hat großen Einfluss auf die spezielle Systemcharakteristik einer Organisation.
Topmanagement
Da ist zunächst die Unternehmensspitze oder das Topmanagement. Es kann im Kleinunternehmen auch der Einzelunternehmer sein. [DAS UNTERNEHMERISCHE ELEMENT] Dieses unternehmerische »Element« ist eine wesentliche Metarolle im System. Schon der legendäre Joseph Alois Schumpeter hat in seinem Buch »Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung« den innovativen Unternehmer beschrieben. Seine Analyse und Beschreibung der Figur des Unternehmers betont die Kraft des schöpferischen Potenzials einzelner unternehmerischer Personen. Der Unternehmer ist nicht der Erfinder, sondern der Innovator, der neue Ideen aufgreift und durchsetzt. Dadurch zerstört er aktuelle Strukturen und schafft neue (der Prozess der kreativen Zerstörung). Schumpeters innovativer Unternehmer enthält einen psychologischen Aspekt, der jenseits der ökonomischen Realität liegt. Es ist das Erkennen des Marktes und die Durchsetzung des Neuen.
In einem Handwerksbetrieb, der als Einzelunternehmung läuft, sind die Rollen der Unternehmensleitung, der Führungskraft und auch des Mitarbeiters oft auf eine Person vereint. [KLEINE UNTERNEHMEN] Der Handwerksmeister arbeitet im täglichen operativen Geschäft mit (Mitarbeiterrolle), bestimmt die Strategie (Unternehmensleitung) und ist im direkten Führungskontakt mit seinen Mitarbeitern (Führungskraft). Insofern besetzt der Handwerksmeister mehrere Rollen in einer Person.
In großen Unternehmen ist die Rolle des Topmanagements durch Gremien (Vorstände, Geschäftsführungen) ausgefüllt. [GROSSE UNTERNEHMEN] Es gibt in den meisten Unternehmen diesen Einzelunternehmer so nicht mehr, obwohl man bei genauerem Hinschauen den Trend zu einer Hierarchie innerhalb der Vorstände feststellen kann. Auch innerhalb und außerhalb der Firmen gibt es oft die Sehnsucht nach der Identifizierung des »starken Mannes«.
Ähnlich verhält es sich mit der Konstellation des Topmanagements der großen Unternehmen. Die lange Zeit als ›Deutschland AG‹ benannte Situation, dass eine überschaubare Anzahl von Menschen (Männern) in allen Vorständen oder Aufsichtsräten wichtiger Firmen wechselseitig vertreten waren, ließ kaum eine kompetente Wahrnehmung der Aufsichtsaufgaben entsprechend des deutschen Aktiengesetzes möglich erscheinen. Aus der systemischen Perspektive war hier ein System entstanden, dass sehr viel stärker auf privat-persönlichen Beziehungen als auf der Rollenwahrnehmung als Aufsichtsrat aufgebaut zu sein schien. Allenfalls wurden Interessen des jeweiligen Stammhauses, aus dem ein Aufsichtsratsvertreter stammt, wahrgenommen. Dies war menschlich verständlich, weil es die Komplexität reduzierte. Es scheint aber eher einer privat-persönlichen Logik zu entsprechen als adäquater Nutzung von Professionsrollen und Organisationsrollen.
Mitarbeiter
Daneben gibt es in Organisationen die Rolle des Mitarbeiters. In einem Arbeitsvertrag wird seine Aufgabe genauso wie die Rahmenbedingungen (Arbeitszeit, Geld …) festgelegt. [MITARBEITER] Neben dieser administrativen Ebene gibt es die professionelle und psychologische »Vertrags«-Ebene. Professionell meint das Ziel, das der Arbeitnehmer erreichen soll. Dies ist manchmal klar formuliert. Häufig ist aber dem Mitarbeiter nicht klar, was von ihm verlangt wird. Absolut notwendig sind daher klare Zielstrukturen ohne Zielkonkurrenz und plötzliche Zielkorrektur. Ist dies nicht eindeutig, entscheidet die dritte Ebene, die psychologische, alles. Das heißt, der Mitarbeiter interpretiert seine Rolle selbst. »Vertrags«-Partner im täglichen Arbeitsumfeld für den Mitarbeiter ist sein Vorgesetzter. Dessen Kompetenz muss ausreichen, um mit dem Mitarbeiter die verschiedenen»Vertrags«-Ebenen zu klären.
Mittlerweile sind nach mehreren Wellen von Restrukturierung Organisationen so ausgedünnt, dass kaum mehr eine Kompetenzentwicklung in einzelnen Rollen möglich ist, weil die einzelnen Leute zu viele Rolleninformationen in Form von Rollenerwartungen handhaben müssen. Die notwendige Qualifizierung ist dann kaum mehr möglich.
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