Kitabı oku: «CRPS (Morbus Sudeck)»
Hannelore Wever
CRPS (Morbus Sudeck)
Mein Kampf bei einer chronischen Erkrankung mit den Krankenkassen, den medizinischen Diensten und dem Arbeitsamt
Impressum
©NIBE Media ©Hannelore Wever
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Danksagung
Vorab möchte ich mich ganz herzlich für die Hilfe und Unterstützung bedanken, die ich von meinem Mann, meiner Freundin Uli, meinem Hausarzt, meinen Physio- und Ergotherapeutinnen Anne, Katharina, Bianka und I., meiner Psychologin und der Selbsthilfegruppe NRW–CRPS Netzwerk–Gemeinsam stark erfahren durfte.
www.crps-netzwerk.org/cms/landesgruppen/nrw
Auch dem Physiotherapeuten im hohen Norden, welcher mir Mut machte, dieses Buch zu schreiben, möchte ich danken, sowie meinem freundlichen Verleger, welcher dieses überhaupt möglich machte.
Inhaltsverzeichnis:
Vorbemerkung des Ehepartners
Vorwort
Einführung
Kapitel 1
Meine Krankheit, die Ursache und ihr Werdegang
Kapitel 2
Die Krankenkassen
Befreiung von Zuzahlungen
Für den Fall, dass die Rezept- und Behandlungsgebühren ins Endlose steigen
Zuzahlungen: Die Regeln für eine Befreiung
Voraussetzungen für die Befreiung
Chronisch Kranke
Ermittlung der persönlichen Belastungsgrenze
Belastungsgrenze für Empfänger von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II und Grundsicherung
Antrag auf Zuzahlungsbefreiung
Zum Thema Ablehnung einer Rehabilitationsmaßnahme
Ablehnung Reha: Widerspruch einlegen
Klage bei einer Reha-Ablehnung
Medizinischer Dienst der Krankenversicherung
Budgetbedingte Ablehnung von Rezepten
Antrag auf langfristige Heilmittelverordnung gemäß § 8a Heilmittel-Richtlinie
Der langfristige Heilmittelbedarf
Erkrankung auf einer Diagnoseliste? –
Kein Antrag auf Genehmigung eines langfristigen Heilmittelbedarfs notwendig
Erkrankung nicht auf einer Diagnoseliste? –
Antrag auf Genehmigung eines langfristigen Heilmittelbedarfs möglich
Fortlaufende Behandlung
Entscheidung der Krankenkasse innerhalb von vier Wochen
Hilfsmittel
Mein Rollator
Unabhängige Patienten-Beratung Deutschland
Ämter
Schwerbehindertenausweis
Wer hat Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis?
Wann liegt eine Schwerbehinderung vor?
Wann sollte ein Antrag auf Schwerbehinderung gestellt werden?
Wo wird der Antrag auf Schwerbehinderung gestellt?
Wie muss ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden?
Tipps zum richtigen Beantragen eines Schwerbehindertenausweises
Wer hilft beim Ausfüllen des Antrags?
Müssen bei der Antragsstellung schon Merkzeichen eingesetzt werden?
Welche Unterlagen müssen dem Antrag beigefügt werden?
Was kostet die Feststellung einer Schwerbehinderung?
Wie lange dauert das Feststellungsverfahren?
Wo ist der Schwerbehindertenausweis gültig?
Wie sieht der Schwerbehindertenausweis aus?
Behindertenfahrdienst
Wer ist berechtigt, den Fahrdienst zu benutzen?
Begrenzung des Fahrdienstes
Anzahl der Fahrten
Wer führt die Fahrten durch?
Welche Fahrten können mit dem Fahrdienst durchgeführt werden?
Was ist der Begleitdienst?
Unterlagen
Gebühren
Welche Kosten entstehen dem Berechtigten?
Ansprechpartner
Kapitel 3
Arbeitsamt und Jobcenter
Zuschuss zur stationären Rehabilitationsmaßnahme
Zuschuss zur Ernährungsergänzung
Kapitel 4
Fallstudie 1: Langfristgenehmigung
Fallstudie 2: Gutachtenverweis
Schlussbemerkung
Anlagen
Gutachten des MDK vom 03.04.2017
Anmerkung von mir
Gutachten des MDK vom 06.07.2017
Ablehnung (Lymphdrainage) der Krankenkasse vom 24.02.2018
Ablehnung (Krankengymnastik) der Krankenkasse vom 24.02.2018
Antwort auf meinen Widerspruch Lymphdrainage der Krankenkasse vom 02.03.2018
Antwort auf meinen Widerspruch Krankengymnastik der Krankenkasse vom 02.03.2018
Anmerkungen von mir
Genehmigung (Lymphdrainage) der Krankenkasse vom 02.03.2018
Genehmigung (Krankengymnastik) der Krankenkasse vom 02.03.2018
Fachbegriffe
Anmerkungen
Vorbemerkung des Ehepartners
CRPS ist eine heimtückische unheilbare Krankheit! Nur die Symptome können einigermaßen gelindert werden. Zu den großen Schmerzen – ich habe meine Frau oft und viel weinen gesehen – kommen bald psychische Probleme. Zudem konnte sie keine gesellschaftlichen Kontakte mehr pflegen. Da sie sich nur unter großen Schmerzen bewegen konnte, ging sie nicht mehr aus dem Haus. Auch ihrer besonderen Leidenschaft – dem Rollerfahren – konnte sie sich natürlich nicht mehr widmen. Hinzu kam, dass sie gerade einen neuen bekommen hatte – der steht nun schon seit vielen Jahren ungenutzt in der Garage. Aber dieser Umstand sollte noch eine große Rolle in ihrem Kampf gegen die Krankheit spielen. Sie setzte sich nämlich ein großes Ziel: Wieder Rollerfahren zu können! Noch ist es lange nicht soweit – aber es gibt Hoffnung!
Zum „Glück“ meiner Frau wurde ich kurz nach dem Ausbruch der Krankheit arbeitslos. Ohne große Aussicht, mit Mitte 50 noch einmal einen vernünftigen Job zu bekommen, fiel ich natürlich ebenfalls in einen tiefen Abgrund. Aber mir half es sehr, dass ich ja nun vom Schicksal eine Aufgabe bekommen hatte: Ich hatte meiner Frau zur Seite zu stehen!
Glauben Sie mir, es ist mir nicht immer leichtgefallen. Ich musste ja nicht nur meiner Frau direkt helfen – versuchen Sie einmal, jemanden zur Toilette zu bringen oder beim Anziehen zu helfen, wenn dieser jemand bei jeder Berührung vor Schmerzen schreit – ich musste auch den ganzen Haushalt alleine übernehmen. Das hatte ich nie gelernt! Ich habe zum Glück die Fähigkeit, Gefühle und Gedanken abzuschalten und die anfallenden Probleme „einfach zu lösen“. Was getan werden muss, muss eben getan werden!
Die Hilflosigkeit, einen geliebten Menschen so leiden zu sehen, zerrt ungemein an den Nerven. Daher sah ich mit großer Erleichterung, dass meine Frau sich nicht aufgab. Unter enormen Schmerzen saß sie bald – so lange es nur eben ging – am Computer und recherchierte. Ihre rechte Hand konnte sie dabei so gut wie gar nicht benutzen, aber sie hatte ja noch die linke! Oft hatte sie dabei vor Schmerzen Tränen in den Augen. Sie meint zwar immer noch, ich hätte das nicht gesehen, aber ...
Wenn Sie nun dieses Buch lesen, seien Sie sich bitte darüber im Klaren, dass dieses zu schreiben auch nur unter Schmerzen ging. Aber sie wollte und will sich nicht dieser heimtückischen Krankheit beugen. So versuchte ich, ihr einen Herzenswunsch zu erfüllen: Sie wollte Dresden kennenlernen. Als es ihr einmal eine Zeit besser ging, fuhren wir einfach los – reichlich Schmerzmittel und sonstige Medikamente im Gepäck! Für mich war es natürlich körperlich sehr anstrengend – habe ich doch immer noch dann und wann unter einem alten Bandscheibenvorfall zu leiden – aber die Augen meiner Frau leuchteten. Das war es wert gewesen!
Wieder zu Hause, musste sich meine Frau erst einmal eine längere Zeit von dieser Reise erholen. Aber auch heute noch leuchten ihre Augen wieder, wenn wir über diese Tour reden.
Und wenn Sie nun bei der Lektüre dieses Buches denken: „Die soll behindert sein???“, dann glauben Sie mir: Ich war (und bin immer noch) dabei…
Und zum Schluss noch eins: Meine Frau fühlt sich nicht behindert!!! Sie fühlt sich eingeschränkt!!! Und so ist es auch!
Nicht hängenlassen – das Leben kann auch unter solch widrigen Umständen schön und lebenswert sein!
Und wenn Du denkst – es geht nicht mehr,
kommt von irgendwo ein Lichtlein her!
Otto Löbke
Vorwort
„Menschen leiden zu sehen, ist real. Es könnte gar nicht realer sein. Manche Menschen schauen dem nicht gern ins Gesicht, weil es schmerzt. Aber wenn es niemand tut, dann geschieht auch nichts.“
Elizabeth Taylor
Und es gibt sie doch!
Anhand Ihrer ausführlichen Krankengeschichte, liebe Frau Wever, wird spürbar, dass es engagierte Ärzte und Therapeuten gibt, die über den Tellerrand hinausschauen und in echten authentischen Kontakt mit dem Patienten kommen, die schon stabilisierend wirken alleine durch diese Form von Bindung und Beziehung – gerade in Momenten, in denen sich das eigene innere System des Patienten durch den Schmerz in ständiger Anspannung und Alarmbereitschaft befindet. Wie oft haben Sie mir berichtet, dass bestimmte Kontakte zu Ärzten und Therapeuten hilfreich für Sie waren und Ihnen wieder Hoffnung gaben…, und das bestimmt nicht, weil es eine pragmatische Lösung gegeben hätte, sondern einfach durch die Zuwendung, durch Gehört- und mit dem Leid Ernstgenommen-Werden.
Nicht umsonst taucht meines Erachtens immer wieder in der Salutogenese der Faktor „Beziehung“ auf. Dieser Forschungszweig beschäftigt sich mit der Frage, warum Menschen – trotz zum Teil widriger Umstände – gesund bleiben und welche Ressourcen sie schützen und stabilisieren.
Natürlich: Wir Ärzte und Therapeuten arbeiten alle begrenzt innerhalb der uns vorgeschriebenen Rahmenbedingungen dieses Gesundheitssystems. Eine psychotherapeutische Sitzung z.B. hat im Normalfall ihre 50 min. und nicht mehr, und es gibt eine maximale Obergrenze bei den Sitzungen, die die Krankenkasse zahlt und übernimmt. Und nicht immer ist der Patient am Ende völlig geheilt.
Das Buch von Frau Wever ist ein Plädoyer dafür, dass es sich lohnt, wenn wir Therapeuten uns einbringen und in wirklichen nahbaren Kontakt mit dem Patienten treten. (Der psychologisch interessierte Leser sei hier verwiesen auf „Grawes Wirkfaktoren“ und „Porges Polyvagal-Theorie“).
In ihrem Buch beschreibt Frau Wever aber auch die Schattenseite, auf der man sich als chronischer Schmerzpatient durch das Gesundheitssystem wühlen muss. Vor allem um sich kundig zu machen, was einem als Patienten und Versichertem zusteht. Oft werden die Patienten ja im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht von den Behörden sehr wohl auf ihre Verpflichtungen hingewiesen, um die ihnen zustehenden Leistungen nicht zu verlieren. Doch den Servicecharakter, dass meine Patienten auch über Möglichkeiten und über Hilfestellungen informiert werden, vermisse ich dabei oft.
Einerseits wird den Versicherten die Eigenverantwortung für ihre eigene Gesundheit immer wieder explizit übertragen: so sammeln zum Beispiel viele Versicherte Punkte durch Gewichtsreduktion, Nicht-Rauchen, Teilnahme an Sportkursen oder ähnlichem, um ihre Krankenkassenbeiträge zu senken.
Andererseits empfinden aber viele Patienten, die sich ohnehin gerade überfordert und hilflos fühlen, dass sie unmündig und klein gehalten und von den zuständigen Stellen nicht ernstgenommen werden. Manch einer glaubt sogar, geradezu verschaukelt zu werden.
Dieses Buch kann und soll anderen Betroffenen Mut machen, sich immer wieder Hilfe zu suchen, hartnäckig zu bleiben, sich an den richtigen Stellen zu informieren und das eigene Anliegen mit Nachdruck zu verfolgen.
Liebe Frau Wever, vielen Dank für die 2 ½ Jahre, in denen ich Sie mit Ihrem Leid und Ihren Anliegen begleiten durfte. Danke für Ihre Offenheit und Ihr Vertrauen. Denn mit jedem Patienten habe ich das Gefühl, auch für mich persönlich etwas dazuzulernen und mein Job ist tagtäglich eine echte innerliche Bereicherung für mich. So wird die eigentliche Schwere, die in meiner Tätigkeit liegt, auf einmal ausgefüllt mit ganz viel Leichtigkeit und Lebendigkeit.
Ich hoffe und wünsche mir, dass Ihr Buch Vielen eine Inspiration sein wird!
Krefeld, den 15.03.2018
Corinna Stephan
(Psychologische Psychotherapeutin)
Einführung
Öfters schon hatte ich mir Gedanken gemacht, wie ich meine mit Mühe gemachten Erfahrungen anderen leidenden Mitmenschen mitteilen könnte. Sah ich doch immer wieder, wie diese sich langsam aufgaben, weil sie weder von den Ärzten noch von den Krankenkassen entsprechend unterstützt wurden. Dabei gibt es Institutionen, welche gerne helfen – man muss sie nur kennen.
Ganz besonders schlimm empfand ich das bei älteren Menschen, welche vielleicht mit Computer und dem Internet nicht so firm waren. Wie könnte ich diesen Menschen helfen?
Hier und da konnte ich schon mal in meinem Therapiecenter behilflich sein, aber das war mir nicht genug. Gab es doch so viele Möglichkeiten, diesen Menschen etwas an die Hand zu geben – wie ich ja selber erfahren hatte – und was sie wieder weiterbringen könnte.
Diese Frage nistete sich in meinem Unterbewusstsein ein und sollte sich auch nicht mehr verflüchtigen.
Zur damaligen Zeit hatte ich allerdings mit dieser Sache ein Problem. Ich hatte Angst! Angst vor der Aufarbeitung meiner Krankheitsgeschichte, welche ich ja unweigerlich wieder frisch in mein Bewusstsein holen musste, um meine Erfahrungen anderen mitzuteilen. Angst davor, dass sich diese Gedanken wieder auf meine Nerven, meinen Schmerz auswirken würden. So schob ich diese Sache immer weiter vor mir her. Diese Angst hatte mich fest im Griff und es sollten ein paar Jahre vergehen, bevor ich mich dann daranmachte dieses Buch zu schreiben.
Selbst, wenn ich nur einem Menschen mit diesem Buch helfen kann, hat sich das schreiben schon gelohnt.
Kapitel 1
Meine Krankheit, die Ursache und ihr Werdegang
An einem schönen Tag Anfang Mai 2012 verlor ich das Gleichgewicht und stürzte unglücklich auf meine rechte Seite. Instinktiv wollte ich mich mit der rechten Hand abfangen … Kennen sie das?
Heute weiß ich: Ich hätte es besser nicht getan! Ein irrer Schmerz durchfuhr mein rechtes Handgelenk. Ich konnte meine rechte Hand nicht mehr bewegen, sie hing schlapp herunter und eine Bewegung des Handgelenkes war unmöglich.
Diese Begebenheit sollte mein komplettes weiteres Leben auf den Kopf stellen, wie ich es nie erwartet hätte. Meine bisherige vollkommen selbstständige Lebensweise sollte sich dadurch extrem verändern.
In unserem Ort befindet sich ein Haus einer Klinikkette, in der ich auf einer stationären Station durch meinen Sohn schon einmal sehr schlechte Erfahrungen machen musste. Die Ambulanzstation jedoch hatte uns schon mehrmals gut geholfen. Folglich hatte ich mich entschlossen, eine erste ambulante Behandlung dort machen zu lassen. Nach einer sehr, sehr langen Wartezeit im Warteraum, lautete die Diagnose: distale Radiusfraktur1 mit Dislokation2; diagnostiziert vom Ambulanzarzt nach einer normalen Röntgenuntersuchung am Handgelenk. Es wurde weder der Ellenbogen, Oberarm noch die Schulter geröntgt, obwohl ich berichtet hatte, dass ich auf die komplette rechte Seite gefallen war.
Der behandelnde Arzt sprach sofort von einer Operation. In Folge dieser, wollte man mir Metallplatten in das Handgelenk einsetzen, welche je nach Genesungsverlauf irgendwann später wieder mit einer Operation entfernt werden sollten. Danach sollten dann weitere Physiotherapien mein Handgelenk wieder ausreichend beweglich machen.
Ich war entsetzt. Diese Aussichten waren für mich der reinste Horror! Eine OP, dass hieß für mich: Nadeln, Skalpell, eine offene Wunde, eine Stahlplatte im Handgelenk, welche irgendwann wieder herausmusste, also wieder eine OP! Danach musste das Gelenk durch Physiotherapie wieder in Bewegung gebracht werden.
Trotz großer Schmerzen überlegte ich, ob es keine anderen Möglichkeiten geben konnte. Ich persönlich halte nicht viel von schnellen Urteilen und Entscheidungen, erst recht nicht, wenn es um meine Gesundheit geht! Folglich wollte ich von dem Arzt über Alternativen unterrichtet werden. Die Reaktion des behandelnden Arztes war prompt … ärgerlich, barsch und sehr unfreundlich. Nach seiner Aussage, welche sehr knapp bemessen war, könne man den Bruch aushängen und dann schienen. Ich entschied mich für diese Alternative. Nur keine OP! Ich war mir nicht bewusst, was geschehen würde, und es wurde mir auch nicht erklärt.
Man legte mich auf eine Liege, mein rechter Arm wurde aufgehängt. Die fünf Fingerkuppen der rechten Hand wurden in einen „Mädchenfänger“3 gesteckt. Dadurch hing mein rechter Arm frei in der Luft, und zusätzlich wurden am Oberarm noch Gewichte platziert, wodurch das Handgelenk gestreckt (ausgehängt) wurde. Hierdurch sollte sich der Bruch auseinanderziehen, damit er anschließend gerichtet werden konnte.
Diese Prozedur dauerte ca. eine halbe Stunde, ohne dass man mir etwas zur Linderung der Schmerzen gab. Anschließend richtete der Arzt den Bruch ebenfalls ohne jegliche Betäubung. Ich habe noch nie so geschrien! Vielleicht sitzt deshalb der verheilte Bruch heute nicht korrekt!
Direkt im Anschluss bekam ich eine offene Gipsschiene am Unterarm. Finger und Ellenbogen blieben frei. Man gab mir noch ein paar Ibuflam 800mg4 und verabschiedete mich mit einem Unfallbericht für meinen Hausarzt, den ich am folgenden Tag aufsuchen sollte.
Da ich wusste, dass mein damaliger Hausarzt keine Möglichkeit zum Röntgen hatte und ich mir zusätzliche Wege durch Überweisungen ersparen wollte, ging ich zu einer mir bekannten Unfallchirurgen-Ambulanz-Praxis. Der Chirurg schaute sich die Unterlagen des Klinikums an und der Sitz der Schiene wurde kontrolliert. Laut seiner Aussage saß alles korrekt. Aufgrund der starken Schmerzen bekam ich von ihm reichlich 800er Ibuflam verschrieben.
Erst Jahre später sollte ich für den Konsum dieser Schmerzmittel eine negative körperliche Quittung bekommen. Man verabschiedete mich bis zur nächsten Kontrolle in drei Wochen.
Die Schmerzen waren trotz hoher Dosierung der Medikamente unerträglich. Mein rechter Ringfinger krampfte sich von Tag zu Tag immer mehr zur Handinnenfläche. Selbständig bekam ich ihn nicht mehr gerade, was auch mit äußerer Krafteinwirkung nur minimal zu bewerkstelligen war.
Ich schlief keine Nacht mehr. Den Arm mit der Gipsschiene konnte ich nur aufrecht hochhalten, um die Schmerzen einigermaßen zu ertragen. Dadurch verkrampfte sich mein rechter Ellenbogen und das Schultergelenk. Dem zur Folge traten auch hier sehr große Schmerzen auf. Die Hand schwoll langsam aber stetig an. Ich hatte das Gefühl, als würde sie irgendwann platzen, so unförmig war sie. Meine Dosis Ibuflam 800 betrug im Durchschnitt 6 Stück pro 24 Stunden, also alle 4 Stunden eine Tablette, aber selbst das zeigte kaum Wirkung. Ich hielt es nicht mehr aus!
Nach einer Woche war ich wieder beim Unfallchirurgen! Man nahm mir die Schiene ab, sah sich alles an, fand aber nicht heraus, woher die starke Schwellung kam. Man schob es auf die Verletzung des Gewebes, die wahrscheinlich durch den Bruch und dieses „Aushängen“ verursacht worden war.
Die Ursache, warum sich mein rechter Ringfinger zusammenkrampfte, wurde ebenfalls nicht gefunden und auch keine Erklärung hierfür. Anschließend bekam ich noch eine neue Schiene.
Die komplette Behandlung war nur unter sehr großen Schmerzen zu ertragen. Da man meine bisherigen Schmerzmittel für unzureichend hielt, gab man mir ein Rezept über Tramal 100mg in Tropfenform5. Die Dosierung dieses Medikaments wurde mir in der Apotheke erklärt.
Zu Hause angekommen war mein erster Griff zu diesen Tropfen, in der Hoffnung, wenigstens für ein paar Stunden etwas Linderung zu erfahren. Ich verabreichte mir die angegebene Menge Tropfen und trank ein halbes Glas Wasser hinterher, den fürchterliche Geschmack nahm ich gar nicht wahr. Mit Sicherheit kein Mittel, das man freiwillig nehmen würde.
Gut, dass ich zu Hause nicht alleine war! Nach einer viertel Stunde war mir ganz eigenartig. Der Schmerz hatte seine Spitzen verloren, war aber immer noch dumpf vorhanden. Ein merkwürdiges, unwirkliches Gefühl. Ich fühlte mich ganz leicht, als ob ich schwebte. Mein Orientierungssinn spielte verrückt. Mit letzter Kraft und Hilfe meines Mannes schaffte ich es, mich auf die Couch zu legen. Kurz darauf schlief ich! Allerdings nicht lange! Nach einer Stunde war ich wieder wach und auch die starken Schmerzen waren wieder voll da. Wie es mir möglich war, trotz extremer Schmerzen, noch nachzuvollziehen was geschehen war und zu denken, was zu tun wäre, ist mir heute nicht mehr klar.
Ich überlegte hin und her, was und wie das alles passiert war. Schließlich kam ich zu dem Schluss: die Dosierung war zu hoch für meinen Körperbau; immerhin brachte ich nur 45 Kilo auf die Waage. Folglich reduzierte ich die Tropfenmenge um ein Viertel. Dann eben pro Dosierung etwas weniger, dafür aber mehrmals am Tag.
Somit rettete ich mich über ein paar Tage. Zwar immer noch mit Schmerzen, konnte ich allerdings bei dieser Dosierung dann wenigstens nachts ein paar Stunden schlafen, wenn auch mit Unterbrechungen. Aber auch das war nicht das Gelbe vom Ei! Nach zwei Wochen, so wusste ich, musste sich der Schmerz des Bruches reduzieren! Tat er aber nicht!
Eine Woche nach meinem letzten Besuch war ich dann wieder beim Unfallchirurgen. Unter großen Schmerzen wurde die Schiene wieder abgenommen, die Stellung des Bruches begutachtet und dieselbe Schiene wieder angelegt. Man kam nicht dahinter, warum dieser starke Schmerz da war. Auch der Arzt war der Meinung, dass sich der Bruchschmerz jetzt doch endlich rapide zurückbilden müsste. Er konnte sich nicht vorstellen, woher dieser starke Schmerz kommen sollte. Oder dachte er vielleicht, ich würde simulieren? Kurzerhand wurden mir abermals die Tramal Tropfen ans Herz gelegt, hiermit würde sich früher oder später alles regeln.
Durch die extremen Schmerzen begann ich die Hand und den rechten Arm so angenehm wie möglich zu lagern, sprich: jede Ruhigstellung, egal in welcher Richtung oder Lage, die mir Erleichterung verschaffte, machte ich. Dass ich allerdings dadurch meinen Oberarm und meine Schulter schädigte, war mir zu dem Zeitpunkt nicht klar. Die Folge war: Nach ein paar Wochen konnte ich den kompletten Arm nicht mehr höher als Schulterhöhe heben und eine Bewegung Richtung Rücken war überhaupt nicht mehr möglich.
Zwei Jahre später sagte mir meine Physiotherapeutin, dass sich durch diese „Schonhaltung“ das rechte Schulterblatt festgesetzt hatte und das Schultergelenk nur noch extrem eingeschränkt beweglich sei und dadurch ebenfalls Schmerzen auslöste.
Durch die hohe Dosierung der Schmerzmittel, die ja nur bedingt halfen, revoltierte mein Magen. Folglich konnte ich zeitweise kaum normale Nahrung zu mir nehmen, was einen langsamen, aber stetigen Gewichtsverlust verursachte. Dieses jedoch wirkte sich ebenfalls sehr schlecht auf meinen Körper aus. Ich hatte kaum noch genügend Kräfte, mich auf den Beinen zu halten. Deswegen lag ich zu 80 % des Tages und nachts, was wiederum die komplette Muskulatur schwächte. Je schwächer die Muskulatur wurde, desto weniger konnte ich mich bewegen. Ein Teufelskreis, aus dem ich nicht mehr herauskam!
In der dritten bis vierten Woche mit der Gipsschiene begann ein fürchterliches Stechen und Brennen in meinen Fingern. Es fühlte sich an, als würde die Hand von innen lichterloh brennen. Dieses Brennen wanderte ganz langsam über meine Hand zu meinem Unterarm hinauf und war so stark, dass ich keinerlei Berührung aushielt.
Dies alles geschah innerhalb von nur wenigen Tagen. Sogar ich selber konnte mich nicht am rechten Arm oder der Hand berühren, ohne vor Schmerz zu schreien.
Wer mich kennt, weiß, dass ich wahrhaftig nicht zimperlich bin, aber das war nicht auszuhalten. Mir graute es schon vor dem Termin der Schienenabnahme. An diesem Termin der endgültigen Abnahme der Gipsschiene, erstreckte sich dieser brennende Schmerz bis hin in den Oberarm.
Nur unter größten Anstrengungen und extremster Vorsicht, dass mich ja niemand an dem Arm berührte, begab ich mich zu meinem Unfallchirurgen.
Die Assistentin des Unfallchirurgen nahm die Schiene ab, es war der reinste Horror. Sie konnte nicht begreifen, wieso ich so extreme Schmerzen (Brennen) in meinem Arm und der Hand hatte. Der Arzt sah sich das noch einmal an und bemerkte, dass ich das Handgelenk ja jetzt wieder, zumindest eingeschränkt, bewegen konnte. Dafür war meine Hand komplett steif, hart angeschwollen und meine Finger konnte ich überhaupt nicht bewegen. Dazu krampfte sich mein Ringfinger zur Innenhand hin und war nicht gerade zu bekommen. Die Haut spannte sich extrem und war leicht bläulich verfärbt. Auf Nachfrage, was es mit den brennenden Schmerzen und der Fehlstellung des Ringfingers auf sich hätte, wusste der Arzt keine Antwort. Tröstlicher Weise bekam ich ein Rezept für Krankengymnastik. Dadurch sollte sich laut Aussage des Arztes alles bessern und dann durfte ich seine Praxis wieder verlassen.
Ich war mittlerweile durch die Schmerzen so desorientiert, dass mir in diesem Moment nicht bewusst wurde, was das hieß. Erst viel später zu Hause, nach einer hohen Dosis Schmerzmittel, fiel mir auf: Krankengymnastik kann man nur machen, wenn man den Körperteil bewegen und anfassen kann! Ich konnte mir nicht vorstellen, wie man das bewerkstelligen wollte!
Unter hohen Schmerzmitteln stehend, suchte ich einen Physiotherapeuten auf. Dieser sah sich die Angelegenheit an und bemerkte, dass ich nur noch eingeschränkt meinen kompletten rechten Arm und Schulter bewegen konnte. Da er die Hand und den kompletten Arm wegen der brennenden Schmerzen nicht berühren konnte, begann er die Schulter zu bewegen – soweit dies überhaupt möglich war. Auch dieses tat sehr weh.
Nach zwei Wochen – dreimal in der Woche Krankengymnastik, wobei keinerlei Besserung eintrat, eher das Gegenteil – wurde ich von meinem Physiotherapeuten gefragt, ob mein behandelnder Arzt einmal „Morbus Sudeck“6 (diese Krankheit ist erst seit ca. 100 Jahren bekannt, aber in Deutschland recht unerforscht) erwähnt hätte. Was sollte das sein? Ich hatte nie etwas davon gehört und erst recht nicht von meinen Ärzten. Als ich nachfragte, was Morbus Sudeck sei, versuchte er mir ganz vorsichtig zu erklären, dass alle meine Symptome darauf hindeuteten und diese Krankheit eine sehr langwierige Geschichte sei. Auf jeden Fall sollte ich erst einmal meinen Arzt darauf ansprechen, bevor er sich weiter hierüber auslassen wollte. Bei mir läuteten sämtliche Alarmglocken. Was sollte das denn?
Am nächsten Tag kämpfte ich mich zu meinem Unfallchirurgen durch, natürlich wieder unter extremen Schmerzen und Berührungsängsten. Auf meine Nachfrage nach Morbus Sudeck nickte er nur bejahend. Nach langen, bohrenden Fragen meinerseits meinte er, daran könne man nur mit Schmerzmitteln und weiterer Krankengymnastik arbeiten. Nun ja, viel schlauer war ich jetzt auch nicht, denn ausführlich war seine Erklärung nun wirklich nicht.
Durch die extremen Berührungsängste – wegen der Schmerzen – ging ich kaum noch aus dem Haus. Selbst zu meinen Therapien musste ich mich zwingen.
Wieder bei meinem Physiotherapeuten, erstattete ich Bericht und bekam die prompte Antwort: „Ich habe mir das gleich gedacht!“ Nicht der Arzt, sondern der Physiotherapeut klärte mich nun vorsichtig über diese Krankheit weiter auf und erklärte mir auch, was man tun könnte, aber, dass diese Sache wohl über Jahre gehen könnte angesichts meiner gesundheitlichen Lage, und eine völlige Heilung wäre fraglich. Ich war am Boden zerstört. Hatte ich je damit gerechnet, wieder schnell in mein normales Leben zurück zu kehren und meinen Job wiederaufzunehmen, so hatte ich jetzt die endgültige Bestätigung, dass das so schnell nicht wieder möglich sein würde - wenn überhaupt!
Mit der Zukunftsaussicht, dass ich mich evtl. jahrelang nicht selber pflegen, ankleiden und etwas zu essen machen könnte, brach für mich, einem früher extrem selbstständigen Menschen, eine Welt zusammen. Momentan war ich weder in der Lage, eine Bluse zu knöpfen, noch ein Messer zu betätigen. Selbst die tägliche Körperpflege sowie das Ankleiden war nur mit Hilfe meines Mannes möglich. Die täglichen Hausarbeiten erledigte mein Mann seit meinem Unfall, da ich dazu nicht mehr in der Lage war.
Jeder Handgriff, den ich als Rechtshänder immer als selbstverständlich ausgeführt hatte, war mir nicht mehr möglich. Obwohl ich versuchte, mir soweit wie möglich mit der linken Hand zu helfen, war ich letztendlich doch vollkommen auf die Hilfe meines Mannes angewiesen, jedoch auch dieser durfte meiner rechten Seite nicht zu nahekommen. Selbst beim Ankleiden mied ich die rechte Seite; der rechte Arm blieb soweit möglich unbekleidet, da selbst die Kleidung mir noch stärkere Schmerzen verursachte. Um mich überhaupt anzukleiden und zu meiner Krankengymnastik zu gehen, musste ich mich immer wieder mit extrem hohe Dosierungen der Schmerzmittel über die Runden retten. Selbst hier musste ich mich entsprechend vorbereiten, was nur möglich war, wenn ich meine Kräfte einteilte und mich im Voraus entsprechend präparierte. Also alle Kräfte dafür mobilisieren, den Rest der 24 Tagesstunden ausruhen und Kräfte sammeln. Die Folge war, dass sich meine Muskulatur im ganzen Körper weiter abbaute und mein Körpergewicht weiter abnahm.