Kitabı oku: «Märchen für Kinder», sayfa 5
Tölpelhans
Draußen auf dem Lande in einem alten Herrenhof lebte ein Gutsbesitzer, der zwei so kluge Söhne hatte, daß sie um die Tochter des Königs freien wollten und das durften sie, denn dieselbe hatte bekannt machen lassen, daß sie denjenigen zum Gemahl nehmen wollte, der sich am gewandtesten und klügsten mit ihr unterhalten könnte.
Die beiden bereiteten sich nun acht Tage lang vor. Längere Zeit bedurften sie nicht dazu, denn sie hatten Vorkenntnisse und die sind immer nützlich. Der eine wußte das ganze lateinische Lexikon und drei Jahrgänge der städtischen Zeitung auswendig und zwar rückwärts wie vorwärts. Der andere hatte sich mit sämtlichen Paragraphen aller Zunftgesetze und mit dem, was jeder Zunftmeister wissen mußte, bekannt gemacht. Auf diese Weise, meinte er, könnte er über Staats- und gelehrte Sachen mitsprechen. Außerdem verstand er Tragebänder zu sticken, denn er war fein und fingerfertig.
„Ich bekomme die Königstochter!“ sagten sie alle beide, und deshalb gab ihr Vater jedem von ihnen ein schönes Pferd; der, welcher das Lexikon und die Zeitungen auswendig wußte, bekam ein kohlschwarzes, und der, welcher sich zunftmeisterlich gebahren und sticken konnte, erhielt ein milchweißes. Als sie im Hofe zu Pferde steigen wollten, erschien der dritte Bruder, denn es waren ihrer dreie, aber niemand zählte ihn als Bruder mit, weil er nicht die gleiche erstaunliche Gelehrsamkeit besaß wie die beiden anderen, und alle Welt nannte ihn nur Tölpelhans.
„Wo wollt ihr hin, daß ihr euch in den Bratenrock geworfen habt?“ fragte er.
„An den Hof, um mit der Königstochter zu plaudern! Hast du nicht gehört, was im ganzen Lande ausgetrommelt wird?“ und darauf erzählten sie es ihm.
„Potztausend, da muß ich mit dabei sein!“ sagte Tölpelhans, und die Brüder lachten ihn aus und ritten von dannen.
„Vater, gieb mir ein Pferd!“ rief Tölpelhans. „Ich bekomme solche Lust, mich zu verheiraten. Nimmt sie mich, so nimmt sie mich, und nimmt sie mich nicht, so nehme ich sie doch!“
„Was ist das für ein Geschwätz!“ sagte der Vater. „Dir gebe ich kein Pferd. Du kannst ja nicht sprechen!“
„Soll ich kein Pferd bekommen,“ sagte Tölpelhans, „so nehme ich den Ziegenbock, der gehört mir und ist im Stande mich zu tragen!“ Damit setzte er sich rittlings auf den Ziegenbock, stieß ihm die Hacken in die Seite und sprengte die Landstraße entlang. Hui, wie das ging! „Hier komme ich!“ rief Tölpelhans und darauf sang er, daß es wiederhallte.
Die Brüder ritten aber ganz still voran; sie sprachen kein einziges Wort, sie mußten alle die guten Einfälle, die sie vorbringen wollten, noch einmal überlegen.
„Halloh! Halloh!“ rief Tölpelhans, „hier komme ich! Seht, was ich auf der Landstraße fand!“ Mit diesen Worten zeigte er ihnen eine tote Krähe, die er gefunden hatte.
„Tölpel!“ fuhren sie ihn an, „was willst du mit derselben?“
„Ich will sie der Königstochter schenken!“
„Ja, thue es!“ sagten sie, lachten und ritten weiter.
Da rief Tölpelhans wieder: „Halloh! Halloh! Hier komme ich! Seht, was ich jetzt gefunden habe!“
Die Brüder wandten sich wieder um, sich den seltenen Schatz anzusehen. „Tölpel!“ sagten sie, „das ist ja ein alter Holzschuh, von welchem der obere Teil abgegangen ist! Soll die Königstochter den etwa auch haben?“
„Das soll sie!“ sagte Tölpelhans, und die Brüder lachten, ritten weiter und kamen ihm eine große Strecke voraus.
„Halloh! Halloh! Hier bin ich!“ rief Tölpelhans.
„Was hast du wieder gefunden?“ fragten die Brüder.
„Oh!“ sagte Tölpelhans, „es ist eigentlich kein Gesprächsgegenstand! Wie sie sich aber freuen wird, die Königstochter!“
„Pfui!“ sagten die Brüder, „das ist ja Schlamm, der aus dem Straßengraben ausgeworfen ist.“
„Das stimmt!“ sagte Tölpelhans, „und er ist von der allerfeinsten Art, daß man ihn gar nicht festhalten kann!“ und darauf füllte er sich die Tasche damit an.
Aber die Brüder ritten, was das Zeug halten wollte, und überholten ihn eine ganze Stunde. Sie hielten an dem Stadtthore, an welchem die Freier, je nach ihrer Ankunft, numeriert und in Reih und Glied gestellt wurden, je sechs in jedem Gliede und so dicht, daß sie kaum die Arme rühren konnten.
Alle übrigen Bewohner des Landes standen rings um das Schloß bis zu den Fenstern hinauf, um mit anzusehen, wie die Königstochter die Freier empfing. Merkwürdig! Sobald einer derselben die Schwelle ihres Zimmers überschritt, verließ ihn sein Rednertalent.
„Taugt nichts!“ sagte die Königstochter. „Weg!“
Jetzt kam derjenige der Brüder, der das Lexikon auswendig wußte, aber bei dem langen Stehen in Reih und Glied hatte er es völlig vergessen. Dazu knarrte der Fußboden und die Decke war von Spiegelglas, so daß er sich selbst auf dem Kopfe sah, und nun standen sogar an jedem Fenster drei Schreiber und ein Stadtältester, die Alles, was gesprochen wurde, aufschrieben, damit es sofort in die Zeitung komme. Es war entsetzlich, es war furchtbar! Und zum Überfluß war im Ofen eingefeuert, daß er glühte.
„Hier herrscht eine drückende Hitze!“ begann der Freier das Gespräch.
„Das kommt daher, weil mein Vater heute junge Hähne bratet!“ sagte die Königstochter.
Da stand er; nicht ein Wort wußte er zu erwiedern. – Bäh! —
„Taugt nichts!“ sagte die Königstochter. „Weg!“ und so mußte er seiner Wege ziehen. Nun kam der zweite Bruder.
„Hier ist eine entsetzliche Hitze!“ sagte er.
„Ja, wir braten heute junge Hähne!“ versetzte die Königstochter.
„Wie belie – —“ fragte er, und alle Schreiber schrieben: „Wie belie – —?“
„Taugt nichts!“ sagte die Königstochter. „Weg!“
Nun kam Tölpelhans, er ritt auf seinem Ziegenbocke gerade in das Zimmer hinein. „Das ist denn doch eine glühende Hitze!“ sagte er.
„Das rührt davon her, daß ich junge Hähne brate!“ entgegnete die Königstochter.
„Das wäre ja herrlich!“ sagte Tölpelhans, „dann kann ich wohl auch eine Krähe gebraten bekommen?“
„Den Gefallen will ich Ihnen gern erweisen!“ erwiederte die Königstochter, „aber haben Sie auch etwas, worin sie gebraten werden kann, denn ich habe hier weder Topf noch Pfanne!“
„Hier ist ein vortreffliches Kochgeschirr,“ rief Tölpelhans fröhlich, zog den alten Holzschuh hervor und legte die Krähe hinein.
„Aber wo bekommen wir die Sauce her?“ meinte die Königstochter.
„Die habe ich in der Tasche!“ sagte Tölpelhans und darauf schüttete er etwas Schlamm aus der Tasche.
„Du gefällst mir,“ sagte die Königstochter, „du kannst doch antworten und du kannst reden, und dich will ich zu meinem Gemahle erheben! Aber weißt du wohl, daß jedes Wort, das wir sagen und gesagt haben, aufgeschrieben wird und morgen in die Zeitung kommt? An jedem Fenster siehst du drei Schreiber und einen Stadtältesten stehen.“
„Das sind wohl die Herrschaften da!“ versetzte Tölpelhans. „Dann muß ich dem Stadtältesten schon mein Bestes schenken!“ Zugleich wandte er seine Taschen um und warf ihm den ganzen Schlamm gerade ins Gesicht.
„Da hast du dir gut zu helfen gewußt!“ sagte die Königstochter. „Das hätte ich nicht zu thun vermocht! Aber ich werde es wohl noch lernen!“ —
Und so wurde Tölpelhans denn König, bekam eine Frau und eine Krone und saß auf einem Throne, und das alles haben wir der Zeitung des Stadtältesten entnommen – auf die freilich auch kein rechter Verlaß ist.
Fünf in einer Schote
Fünf Erbsen saßen der Reihe nach in einer Schote. Sie waren grün und die Schote war grün, und deshalb glaubten sie, daß die ganze Welt grün wäre und das war völlig richtig. Die Sonne schien und erwärmte von außen die Schote, der Regen machte sie rein und durchsichtig. Es war in ihr warm und schön, hell des Tages und finster des Nachts, wie es sein mußte, und die Erbsen wurden, wie sie so dasaßen, immer größer und nachdenklicher, denn mit etwas mußten sie sich doch beschäftigen.
„Sollen wir hier immer sitzen bleiben?“ sagten sie. „Wenn wir von dem langen Sitzen nur nicht hart werden. Es kommt uns fast so vor, als ob es auch da draußen noch etwas gibt; eine Ahnung sagt uns das!“
Und Wochen vergingen; die Erbsen wurden gelb und die Schote wurde gelb. „Die ganze Welt wird gelb!“ sagten sie, und das durften sie wohl behaupten.
Da empfanden sie einen Ruck in der Schote; sie wurde abgerissen, kam in Menschenhände und wurde mit mehreren andern gefüllten Schoten in eine Rocktasche gesteckt. „Nun werden wir bald geöffnet werden!“ sagten sie.
„Ich möchte nur wissen, wer von uns es am weitesten bringen wird,“ sagte die kleinste Erbse.
„Geschehe, was da wolle!“ sagte die größte.
„Krach!“ da platzte die Schote, und alle fünf Erbsen rollten in den hellen Sonnenschein hinaus. Sie lagen in einer Kinderhand; ein kleiner Knabe hielt sie fest und sagte, die Erbsen wären gerade recht für seine Knallbüchse; und sogleich schoß er eine weg.
„Nun fliege ich in die weite Welt! Halt mich, wenn du kannst!“ und dann war sie fort.
„Ich,“ sagte die zweite, „fliege gerade in die Sonne hinein, das ist eine richtige Erbsenschote und sehr passend für mich.“ Weg war sie.
„Wir schlafen, wohin wir kommen,“ sagen die beiden andern, „aber wir werden schon noch vorwärts rollen!“ und damit rollten sie erst auf die Erde, ehe sie in die Knallbüchse kamen, aber hinein kamen sie. „Wir bringen es am weitesten!“
„Geschehe, was da wolle!“ sagte die letzte und wurde in die Höhe geschossen. Sie flog gegen das alte Brett unter dem Giebelstubenfenster, gerade in eine Ritze, die mit Moos und lockerer Erde ausgefüllt war, und das Moos schloß sich wärmend um sie. Da lag sie verborgen, aber nicht vergessen von Gott. „Geschehe, was da wolle!“ sagte sie.
Die kleine Giebelstube wurde von einer armen Frau bewohnt, die am Tage ausging, um allerlei schwere Arbeiten zu verrichten, denn Kräfte hatte sie und fleißig war sie, aber gleichwohl blieb sie arm. Zu Hause in der kleinen Stube lag während dessen ihre halberwachsene einzige Tochter; sie war zart und fein; ein ganzes Jahr hatte sie zu Bett gelegen und schien weder leben noch sterben zu können.
„Sie geht zu ihrer kleinen Schwester!“ sagte die Frau. „Ich hatte nur zwei Kinder, aber da teilte der liebe Gott mit mir und nahm das eine zu sich! Nun möchte ich wohl gern das andere behalten, das mir noch übrig geblieben ist, aber er will sie wohl nicht getrennt lassen, und sie geht zu ihrer kleinen Schwester hinauf!“
Aber das kranke Mädchen starb nicht; geduldig und still lag es den ganzen Tag da, während die Mutter auf Verdienst abwesend war.
Es war Frühling und noch früh am Morgen. Gerade als die Mutter auf ihre Arbeit gehen wollte, schien die Sonne gar freundlich zum kleinen Fenster hinein auf den Fußboden, und das kranke Mädchen richtete seinen Blick auf die unterste Scheibe.
„Was ist doch das für Grünes dort neben der Scheibe? Es bewegt sich im Winde!“
Die Mutter trat an das Fenster und öffnete es halb. „Ih!“ sagte sie, „das ist wahrhaftig eine junge Erbse, die mit ihren grünen Blättchen hervorgesproßt ist. Wie ist die hier in die Spalte hinaufgekommen? Da hast du ja einen kleinen Garten, an dessen Anblick du dich weiden kannst!“
Das Bett der Kranken wurde näher an das Fenster gerückt, von wo sie die hervorsprossende Erbse erblicken konnte, und die Mutter ging auf Arbeit aus.
„Mutter, ich glaube, ich erhole mich wieder!“ sagte am Abend das kleine Mädchen. „Die Sonne hat heute so warm zu mir hereingeschienen. Die kleine Erbse gedeiht vortrefflich; und ich will auch gedeihen und mich im Sonnenscheine wieder erholen.“
„Oh daß es so geschehen möchte!“ sagte die Mutter, doch glaubte sie nicht an die Möglichkeit. Allein neben das grüne Pflänzlein, welches ihrem Kinde so frohe Lebensgedanken eingeflößt hatte, steckte sie einen kleinen Stock, damit der Wind ihm nicht schaden könne, und so gedieh und wuchs es lustig.
„Sie setzt sogar Blüten an,“ sagte die Mutter, und nun begann sie auch zu hoffen, daß ihr Kind sich wieder erholen könne, denn es hatte sich des Morgens selbst im Bett aufgerichtet und mit strahlenden Augen seinen kleinen Erbsengarten, den die eine einzige Erbse bildete, betrachtet. In der nächsten Woche war die Kranke zum erstenmale über eine Stunde auf. Draußen vor’m Fenster war eine weißrote Erbsenblüte völlig aufgebrochen. Das Mädchen küßte die feinen Blätter ganz leise. Dieser Tag war ein Festtag für sie.
„Der liebe Gott hat sie selbst gepflanzt und dann gedeihen lassen, um dir, mein teures Kind, und mir damit Hoffnung und Freude zu geben!“ sagte die frohe Mutter und lächelte der Blume zu, wie einem guten, gottgesandten Engel.
Aber nun die andern Erbsen! – ja die, welche in die weite Welt hinausflog: „Halte mich, wenn du kannst!“ fiel in die Dachrinne und geriet in einen Taubenkropf, wo sie lag wie Jonas in dem Wallfischbauch. Die beiden faulen brachten es gerade ebensoweit, sie wurden ebenfalls von Tauben aufgepickt und das heißt wenigstens einen soliden Nutzen schaffen; aber die vierte, welche sich bis in die Sonne emporschwingen wollte – — die fiel in den Rinnstein und lag Tage und Wochen darin, in dem schmutzigen Wasser, wo sie entsetzlich aufschwoll.
„Ich werde prächtig dick!“ sagte die Erbse. „Ich werde noch platzen, und weiter, glaube ich, kann es keine Erbse bringen, oder hat es je gebracht. Ich bin die ausgezeichnetste von den fünf aus derselben Schote!“ – Und der Rinnstein gab dieser Ansicht seinen Beifall.
Aber an dem Dachfenster stand das Mädchen mit leuchtenden Augen und mit Gesundheit auf den Wangen, und sie faltete ihre Hände über der Erbsenblüte und dankte Gott für dieselbe.
Das Märchen vom Sandmann
Jn der ganzen Welt versteht niemand so schöne Geschichten zu erzählen wie der alte liebe Sandmann. Gegen Abend, wenn die Kinder noch hübsch artig am Tische oder auf ihrem Stühlchen sitzen, kommt das alte Männchen ganz leise die Treppe herauf, denn es geht auf Socken. Husch, öffnet es die Thüre und streut den Kindern Sandkörnchen in die Augen, so fein, so fein, aber doch immer genug, daß sie nicht länger die Augen aufzuhalten vermögen. Deshalb sind sie auch nicht im stande, ihn zu sehen. Er schlüpft gerade hinter sie, bläst ihnen sanft in den Nacken und dann wird ihnen das Köpfchen gar schwer. O ja, aber es thut ihnen nicht weh, denn der Sandmann meint es mit den Kindern gerade gut. Er verlangt nur, daß sie ruhig sein sollen, und das sind sie am besten, wenn man sie zu Bette bringt.
Sobald die Kinder nun schlafen, setzt sich das alte Männchen zu ihnen auf das Bett. Er geht stattlich einher; sein Rock ist von Seidenzeug, aber es ist unmöglich, die Farbe desselben zu bestimmen, denn er schillert grün, rot und blau, je nach welcher Richtung er sich dreht. Unter jedem Arm hält er einen Regenschirm, einen mit Bildern darauf, welchen er über die Kinder ausspannt und dann träumen sie die ganze Nacht die herrlichsten Geschichten, und einen ohne irgend eine Zeichnung. Diesen stellt er über die unartigen Kinder, damit sie ganz bewußtlos schlafen. Wenn sie am Morgen aufwachen, haben sie dann nicht das Allermindeste geträumt.
Nun wollen wir hören, wie der Sandmann eine ganze Woche lang jeden Abend zu einem kleinen Knaben, der Hjalmar hieß, kam und was er ihm erzählte! Es sind im ganzen sieben Geschichten, weil es sieben Wochentage giebt.
Montag
„Nun will ich dir meinen ganzen Staat zeigen,“ sagte der Sandmann am Abend zum Hjalmar, der im Bette lag.
Da verwandelten sich alle Blumen in den Blumentöpfen zu großen Bäumen, die ihre langen Zweige unter der Decke hin und die Wände entlang streckten, so daß die ganze Stube wie das herrlichste Lusthaus aussah. Alle Zweige waren voll Blumen, und jede Blume war schöner als eine Rose, duftete balsamisch und, wollte man sie essen, war sie süßer als Eingemachtes. Die Früchte glänzten gerade wie Gold, und Weißbrödchen waren da, die vor lauter Rosinen platzten – es war unvergleichlich schön. Plötzlich aber ließ sich in dem Tischkasten, wo Hjalmars Schulbücher lagen, ein entsetzliches Jammern vernehmen.
„Was ist das nur?“ fragte der Sandmann, und zog den Tischkasten auf. Es war die Tafel, in der es zerrte und zupfte, denn es hatte sich eine falsche Zahl in das Rechenexempel eingeschlichen, so daß die Zahlen auseinander laufen wollten. Der Griffel hüpfte und sprang an seiner Schnur, als stellte er einen kleinen Hund vor, der dem Rechenexempel helfen möchte, aber er war es nicht im Stande. Und dann jammerte es auch in Hjalmars Schreibebuch, daß es ordentlich häßlich mit anzuhören war. Auf jeder Seite standen der Länge nach von oben nach unten sämtliche große Buchstaben, ein jeder mit einem kleinen zur Seite, einer hinter dem andern. Das bildete die Vorschrift, und neben dieser standen wieder einige Buchstaben, die sich einbildeten, ebenso auszusehen, weil sie aus Hjalmars eigener Feder herrührten. Aber, o weh! sie sahen fast aus, als ob sie über die Linien, auf denen sie doch stehen sollten, gestolpert wären.
„Seht, so solltet ihr euch halten!“ sagte die Vorschrift. „Seht, etwas schräg, aber mit kräftigem Schwung!“ – „O, wir wollen gern,“ sagten Hjalmars Buchstaben, „aber wir können nicht, wir sind so schlimm und unwissend!“ – „Dann sollt ihr Kinderpulver bekommen!“ sagte der Sandmann. – „O nein!“ riefen sie und dann standen sie mit einem male kerzengerade, daß es eine Lust war. – „Heute werden keine Geschichten erzählt!“ sagte der Sandmann. „Jetzt muß ich sie einexerzieren! Eins, zwei! Eins, zwei!“ Nun exerzierte er die Buchstaben ein, und sie standen so gerade und gesund da, wie nur eine Vorschrift immer stehen kann. Als aber der Sandmann ging und Hjalmar am Morgen nachsah, da waren sie eben so jämmerlich wie zuvor.
Dienstag
Sobald Hjalmar im Bette war, benetzte der Sandmann mit seiner kleinen Zauberspritze alle Möbel in der Stube, und sofort begannen sie zu plaudern und plauderten sämtlich von sich selbst.
Über der Kommode hing ein großes Gemälde in einem reich vergoldeten Rahmen, welches eine herrliche Landschaft darstellte. Als der Sandmann dasselbe mit seiner Zauberspritze benetzt hatte, begannen die Vögel darauf zu singen, die Baumzweige bewegten sich, und die Wolken flogen so natürlich, daß man ihren Schatten über die Landschaft konnte dahinschweben sehen.
Nun hob der Sandmann den kleinen Hjalmar so hoch, daß derselbe seine Füße in den Rahmen hineinstellen konnte und zwar gerade in das hohe Gras. Da stand er nun. Die Sonne schien durch die Zweige auf ihn hernieder. Er lief hin an das Wasser und setzte sich in ein kleines Boot, welches da lag. Es war rot und weiß angestrichen, die Segel leuchteten wie Silber, und zwei herrliche, schneeweiße Schwäne kamen herbei, spannten sich vor das Boot und zogen es an dem grünen Walde vorüber. Die prächtigsten Fische mit silbernen und goldenen Schuppen schwammen hinter dem Boote her; bisweilen schnellten sie über das Wasser empor, daß es plätscherte, und Vögel flogen in zwei langen Reihen hinten nach, die Mücken tanzten und die Maikäfer brummten „bum, bum“. Alle wollten Hjalmar folgen und jeder hatte eine Geschichte zu erzählen.
Das war allerdings eine Segelfahrt, wie sie sein mußte! Bald waren die Wälder dicht und dunkel, bald waren sie wie der herrlichste Park mit Sonnenschein und Blumen, und große Schlösser von Glas und Marmor lagen darin. Auf den Altanen standen Prinzessinen, und alle waren kleine Mädchen, die Hjalmar recht wohl kannte, denn er hatte schon früher mit ihnen gespielt. Bei jedem Schlosse standen kleine Prinzen Schildwache. Sie schulterten mit goldenen Säbeln und ließen Rosinen und Zinnsoldaten regnen. Das waren wirkliche Prinzen.
Bald segelte Hjalmar durch Wälder, bald gerade durch große Säle oder mitten durch eine Stadt. Er kam auch durch diejenige, in welcher sein Kindermädchen wohnte, das gute Mädchen welches ihn getragen hatte, als er ein ganz, ganz kleiner Knabe war und das ihn so lieb gehabt. Dasselbe nickte und winkte und sang den niedlichen Vers, den es selbst gedichtet und Hjalmar gesandt hatte:
Ich denke dein in mancher Stund’,
Du süßes Kind, du Liebling mein!
Ich hab’ geküßt dir deinen Mund,
Die Stirne, Wangen, rot und fein!
Dein erstes Wort vernahm mein Ohr!
Doch mußt’ ich fort, vergiß mein nicht!
Gott segne dich, den ich verlor,
Du Engel aus des Herren Licht!
Und alle Vögel sangen mit, die Blumen tanzten auf ihren Stengeln und die alten Bäume nickten, als ob der Sandmann auch ihnen Geschichten erzählte.
Mittwoch
Nein, wie der Regen herniederströmte! Hjalmar konnte es im Schlafe hören, und als der Sandmann ein Fenster öffnete, stand das Wasser gerade bis an das Fenster hinauf. Ein ganzer See wälzte sich schon da draußen und das prächtigste Schiff lag hart vor dem Hause.
„Willst du mitsegeln, kleiner Hjalmar?“ fragte der Sandmann, „dann kannst du heute Nacht nach fremden Ländern reisen und morgen doch wieder hier sein!“
Im Nu stand da Hjalmar in seinen Sonntagskleidern mitten auf dem prächtigen Schiffe und sofort heiterte sich das Wetter auf und sie segelten durch die Straßen, kreuzten um die Kirche, und nun war alles eine große, wilde See. Sie segelten so lange, bis kein Land mehr zu erblicken war. Sie bemerkten auch eine Schar Störche, die gleichfalls die Heimat verlassen hatten und nach den warmen Ländern wollten. Ein Storch flog dicht hinter dem anderen und sie waren schon weit, weit geflogen. Einer derselben war so müde, daß ihn seine Flügel kaum noch länger zu tragen vermochten. Er blieb hinter den anderen zurück, machte noch ein paar Flügelschläge, dann ließ er sich hinabsinken und – bums! da stand er auf dem Verdecke.
Da nahm ihn der Schiffsjunge und sperrte ihn in das Hühnerhaus zu den Hühnern, Enten und Truthähnen. Der arme Storch stand ganz eingeschüchtert mitten unter ihnen.
„Seht ihr den nicht?“ gackerten alle Hühner.
Der kalekutische Hahn blies sich aus Leibeskräften auf und fragte ihn, wer er wäre? Die Enten gingen rückwärts und stießen einander an: „Spute dich, spute dich!“
Der Storch erzählte vom warmen Afrika, von den Pyramiden und vom Strauße, der wie ein wildes Pferd durch die Wüste dahinstürme, aber die Enten verstanden nicht, was er sagte, und darum stießen sie einander an: „Wir sind wohl einig darüber, daß er dumm ist?“
„Ja, er ist sicherlich dumm!“ sagte der kalekutische Hahn und kollerte dann. Da schwieg der Storch ganz still und dachte an sein Afrika.
Aber Hjalmar ging hin zum Hühnerhause, öffnete die Thüre, rief den Storch und dieser hüpfte auf das Verdeck zu ihm hinaus. Nun hatte er sich ausgeruht, und es war gerade, als ob er Hjalmar zunickte, um sich bei ihm zu bedanken. Darauf breitete er seine Schwingen aus und flog nach den warmen Ländern, aber die Hühner gluckten, die Enten schnatterten und der kalekutische Hahn wurde ganz rot am Kopfe.
„Morgen wollen wir Suppe von euch kochen!“ sagte Hjalmar und da erwachte er und lag in seinem Bettchen.
Donnerstag
„Weißt du was?“ sagte der Sandmann, „fürchte dich nur nicht; hier wirst du eine kleine Maus gewahren!“ und dabei hielt er ihm seine Hand mit dem leichten, niedlichen Tierchen hin. „Sie ist gekommen, dich zur Hochzeit einzuladen. Hier sind zwei Mäuschen, die heute Nacht in den Ehestand treten wollen. Sie wohnen unter dem Fußboden in deiner Mutter Speisekammer.“
„Aber wie kann ich durch das kleine Mäuseloch im Fußboden hindurchkommen?“ fragte Hjalmar.
„Laß mich nur machen!“ versetzte der Sandmann. „Ich will dich schon klein genug bekommen!“ Darauf benetzte er Hjalmar mit seiner Zauberspritze, der nun sofort kleiner und kleiner wurde, bis er zuletzt nur fingergroß war.
„Nun kannst du dir vom Zinnsoldaten die Kleider borgen, ich denke, sie werden dir jetzt schon passen, und es nimmt sich gut aus, sich in Gesellschaft in Uniform zu zeigen.“
„Jawohl!“ sagte Hjalmar, und dann war er im Augenblicke wie der niedlichste Zinnsoldat angekleidet.
„Wollen Sie nicht so freundlich sein, sich in Ihrer Frau Mutter Fingerhut zu setzen?“ sagte die kleine Maus, „dann werde ich die Ehre haben, Sie zu ziehen!“
„O Himmel! Will sich das Fräulein selbst bemühen!“ sagte Hjalmar, und so fuhren sie zur Mäusehochzeit.
Zuerst gelangten sie in einen weitläufigen Gang unter dem Fußboden, der nicht höher war, als daß sie ohne anzustoßen mit dem Fingerhut darin fahren konnten, und der ganze Gang war mit faulem Holz erleuchtet.
„Riecht es hier nicht prächtig?“ sagte die Maus, welche ihn zog. „Der ganze Gang ist mit Speckschwarten eingerieben.“
Nun kamen sie in den Brautsaal hinein; hier standen zur Rechten alle die kleinen Mäusefräulein, und die zischelten und tuschelten, als ob sie sich über einander lustig machten. Zur Linken standen alle jungen Mäuseherren und strichen sich mit der Pfote den Schnauzbart; aber mitten im Kreise erblickte man das Brautpaar. Sie standen in einer ausgehöhlten Käserinde.
Immer mehr und mehr Fremde erschienen; es fehlte nicht viel, so hätten die Mäuse einander tot getreten; dazu hatte sich das Brautpaar mitten in die Thür gestellt, so daß man weder hinein noch hinaus gelangen konnte. Wie der Gang, so war auch das ganze Zimmer mit Speckschwarten eingerieben; das war die ganze Bewirtung; indes wurde zum Nachtisch eine Erbse vorgewiesen, in welche eine kleine Maus aus der Familie die Namen des Brautpaares hineingebissen, d.h. die ersten Buchstaben. Es war etwas ganz Außerordentliches.
Alle Mäuse versicherten, es wäre eine ausgezeichnete Hochzeit und die Unterhaltung wäre sehr vergnügt gewesen.
Dann fuhr Hjalmar wieder nach Hause. Er war zwar in vornehmer Gesellschaft gewesen, hatte aber auch gehörig zusammenkriechen, sich klein machen und in Zinnsoldaten-Uniform erscheinen müssen.
Freitag
„Was werden wir denn diese Nacht unternehmen?“ fragte Hjalmar.
„Ich weiß nicht, ob du heute Nacht wieder Lust hast, eine Hochzeit mitzumachen. Sie ist freilich anderer Art als die gestrige. Deiner Schwester große Puppe, die, welche wie ein Mann aussieht und Hermann heißt, soll sich mit der Puppe Bertha verheiraten, und da außerdem derselben Geburtstag ist, wird es an Geschenken nicht fehlen. Da sieh einmal!“
Mit diesen Worten deutete der Sandmann nach dem Tische. Auf demselben stand das kleine Papphaus mit Licht in den Fenstern, und alle Zinnsoldaten präsentierten vor der Thüre desselben das Gewehr. Das Brautpaar saß, ein Jedes gegen einen Tischfuß gelehnt, ganz gedankenvoll da, und dazu hatte es auch Grund genug. Aber der Sandmann, angethan mit der Großmutter schwarzem Rocke, vollzog die Trauung. Nach Beendigung derselben stimmten alle Möbel in der Stube folgendes Lied an:
Es brause unser Lied empor
Für’s teure Paar in hellem Chor.
Sie stehen beide wie ein Pflock,
Denn Handschuhleder ist ihr Rock!
:,: Hurrah! Hurrah! dem schönen Paar,
Das unsrer Stube Zierde war! :,:
Und nun überreichte man ihnen Geschenke, doch hatten sie sich alle Eßwaren verbeten.
„Wollen wir nun das Landleben genießen, oder eine Hochzeitsreise antreten?“ fragte der Bräutigam. Darauf wurde die Schwalbe, die sich in vielen Ländern umgesehen, und die alte Hofhenne, welche fünfmal Küchlein ausgebrütet hatte, zu Rate gezogen. Die Schwalbe erzählte von den schönen, warmen Ländern, wo die Weintrauben groß und schwer an den Stöcken hängen, wo die Luft so mild wäre und die Berge Farben hätten, wie man sie hier zu Lande niemals an denselben sieht.
„Es fehlt ihnen aber doch unser Grünkohl!“ sagte die Henne. „Ich brachte einen Sommer mit allen meinen Kücheln auf dem Lande zu. Dort war eine Sandgrube, in der wir umhergehen und scharren konnten. Auch hatten wir Zutritt zu einem Garten mit Grünkohl! O wie grün der war! Ich kann mir nichts Schöneres denken!“
„Aber ein Kohlkopf sieht wie der andere aus,“ sagte die Schwalbe, „und dann herrscht hier oft so unangenehme Witterung!“
„O, daran hat man sich schon gewöhnt!“ sagte die Henne.
„Aber hier ist es kalt, es friert!“
„Das ist für den Kohl gerade dienlich!“ sagte die Henne. „Übrigens kann es auch bei uns sehr warm sein. Hatten wir nicht vor vier Jahren einen Sommer, wo fünf Wochen lang eine solche Hitze war, daß man kaum atmen konnte? Dann leben aber bei uns auch keine giftigen Tiere, wie in jenen Ländern, und wir sind frei von Räubern! Ein Bösewicht kann der nur sein, welcher unser Land nicht für das schönste hält! Er verdiente wahrlich nicht, hier zu weilen!“ Weinend unterbrach sich die Henne und setzte dann schluchzend hinzu: „Auch ich bin gereist! Ich bin einmal in einem Korbe über zwölf Meilen weit gefahren! Das Reisen gewährt schlechterdings kein Vergnügen!“
„Ja, die Henne ist eine vernünftige Frau!“ sagte die Puppe Bertha. „Ich halte nichts davon, eine Gebirgsreise zu unternehmen, denn kaum ist man oben, so geht es gleich wieder hinunter! Nein, wir wollen hübsch nach der Sandgrube hinausziehen und uns im Kohlgarten ergehen!“
Und dabei blieb es!
Sonnabend
„Erzählst du mir nun Geschichten?“ fragte der kleine Hjalmar, sobald ihn der Sandmann zu Bette gebracht hatte.
„Heute abend haben wir nicht Zeit dazu,“ sagte der Sandmann und spannte seinen schönen Regenschirm über ihn auf. „Sieh nur diese Chinesen an!“ Der ganze Schirm glich einer großen chinesischen Schale mit blauen Bäumen und spitzen Brücken und kleinen Chinesen darauf, die dastanden und mit dem Kopfe nickten. „Wir müssen bis morgen die ganze Welt schön aufgeputzt haben,“ sagte der Sandmann, „es ist dann ja ein heiliger Tag, es ist Sonntag. Ich will auf den Kirchturm steigen, um nachzusehen, ob die kleinen Kirchengeister die Glocken putzen, damit ihr Geläute schön klingt; und was die allerschwierigste Arbeit ist, ich will alle Sterne herunterholen, um sie aufzupolieren. Aber erst müssen sie numeriert werden und ebenso die Löcher, in denen sie da oben sitzen, damit sie ihren rechten Platz wieder erhalten können, sonst würden sie nicht festsitzen und wir bekämen zu viel Sternschnuppen, indem einer nach dem andern herabpurzelte!“
„Hören Sie, wissen Sie was, Herr Sandmann!“ begann ein altes Portrait, welches an der Wand hing, an welcher Hjalmar schlief, „ich bin Hjalmars Urgroßvater. Ich danke Ihnen zwar, daß Sie dem Knaben Geschichten erzählen, aber Sie dürfen doch seine Begriffe nicht verwirren. Die Sterne können nicht heruntergeholt und geputzt werden! Die Sterne sind Weltkörper, gerade so wie unsere Erde, und das ist eben das Gute an ihnen.“
„Besten Dank, du alter Urgroßvater!“ sagte der Sandmann, „besten Dank! Du bist ja das Haupt der Familie, du bist das Urhaupt! Aber ich bin älter als du. Ich bin ein alter Heide. Die Römer und Griechen nannten mich den Traumgott. Ich bin in die vornehmsten Häuser gekommen und komme noch hinein. Ich verstehe mit Niedrigen wie mit Großen umzugehen! Nun kannst du statt meiner erzählen!“ Nach diesen Worten verließ der Sandmann verdrießlich das Zimmer und nahm seinen Schirm mit.