Kitabı oku: «Märchen für Kinder», sayfa 6
„Nun, man wird doch wohl seine Meinung noch sagen dürfen!“ brummte das alte Portrait.
Und da erwachte Hjalmar.
Sonntag
„Guten Abend!“ sagte der Sandmann, und Hjalmar nickte, drehte aber gleich des Urgroßvaters Portrait gegen die Wand um, damit es nicht wie gestern mitsprechen könnte.
„Nun mußt du mir Geschichten erzählen: von den fünf grünen Erbsen, die in einer Schote wohnten, von Hahnenfuß, der Hennenfuß den Hof machte, und von der Stopfnadel, deren Spitze so fein war, daß sie sich einbildete, eine Nähnadel zu sein!“
„Man kann auch des Guten zuviel bekommen!“ sagte der Sandmann. „Ich zeige dir am liebsten etwas, wie du weißt! Ich will dir meinen Bruder zeigen, aber der kommt zu niemand öfter als einmal. Tritt er zu jemand heran, so nimmt er ihn mit auf sein Pferd und erzählt ihm Geschichten. Er weiß nur zwei, die eine ist so unvergleichlich schön, wie sich niemand in der Welt vorstellen kann; und die andere ist über alle Beschreibung häßlich und abscheulich!“ Darauf hob der Sandmann den kleinen Hjalmar zum Fenster empor und sagte: „Dort wirst du meinen Bruder sehen, welchen sie auch den Tod nennen. Siehst du, sein Rock ist mit Silberstickerei verziert, er trägt eine stattliche Husarenuniform; ein Mantel von schwarzem Sammet flattert bis über das Pferd hinaus! Sieh, wie er im Galopp dahinjagt!“
Und Hjalmar sah, wie der Tod vorwärts eilte und junge wie alte Leute auf sein Pferd nahm; einige setzte er vorn, andere hinten auf, aber immer fragte er erst: „Wie steht es mit dem Censurbuche?“ – „Gut!“ sagten sie sämtlich. – „Ja, laß mich nur selbst sehen!“ erwiderte er, und dann mußten sie ihm das Buch zeigen. Alle nun, die „Sehr gut“ und „Ausgezeichnet“ hatten, kamen vorn auf das Pferd und ihnen erzählte er die herrliche Geschichte; doch diejenigen, welche „Ziemlich gut“ und „Mittelmäßig“ hatten, mußten hinten auf und die häßliche Geschichte mit anhören. Sie schauderten und weinten, sie wollten vom Pferde springen, vermochten es aber nicht, denn sie waren sofort fest an demselben angewachsen.
„Das ist aber der herrlichste Sandmann!“ sagte Hjalmar, „vor dem fürchte ich mich nicht!“
„Das sollst du auch nicht!“ sagte das Männchen. „Sorge nur dafür, daß du ein gutes Sittenzeugnis erhältst!“ —
Das ist nun die Geschichte vom Sandmann! Lasse dir heute abend mehr von ihm erzählen.
Die Theekanne
Ich kannte einmal eine stolze Theekanne, stolz auf ihr Porzellan, stolz auf ihre lange Tülle, stolz auf ihren breiten Henkel. Und davon sprach sie gern; von ihrem Deckel dagegen sprach sie nicht; er hatte seine Mängel, und davon spricht man nicht gern, das thun schon die Andern zur Genüge. Die Tassen, der Sahnentopf und die Zuckerschale, kurzum das ganze Theegeschirr würden sicherlich die Gebrechlichkeit des Deckels nicht vergessen, und weit mehr davon reden, als von dem guten Henkel und der ausgezeichneten Tülle; das wußte die Theekanne.
„Oh, ich kenne sie!“ sprach sie für sich selbst; „ich erkenne auch ebensogut meine Mängel, und darin besteht meine Demut. Mängel haben wir ja alle, aber man hat dann auch wieder seine besondere Begabung. Die Tassen erhielten einen Henkel, die Zuckerschale einen Deckel, ich erhielt beides und noch eine Tülle, die mich zur Königin am Theetische macht. Die andern zwei sind nur Dienerinnen des Wohlgeschmacks, ich aber bin die Spendende, die Herrscherin, ich verbreite Segen unter der durstenden Menschheit; in meinem Innern werden die Theeblätter in dem kochenden Wasser verarbeitet.“
Dies alles sagte die Theekanne in ihrer sorglosen Jugendzeit. Sie stand auf dem gedeckten Tische, sie wurde von der feinsten Hand gehoben. Aber die feinste Hand war linkisch, die Theekanne fiel, die Tülle brach ab, der Henkel brach ab, vom Deckel verlohnt sich’s gar nicht erst zu reden. Besinnungslos lag die Kanne am Boden, weithin entströmte ihr das kochende Wasser.
„Nie werde ich diesen entsetzlichen Augenblick vergessen!“ sagte die Theekanne, wenn sie später sich selbst ihren Lebenslauf erzählte. „Ich wurde Invalide genannt, in einen Winkel gesetzt und einer armen Frau geschenkt. Ich stieg nun zur Armut hernieder und stand zwecklos da, aber gerade da, wo ich stand, begann mein besseres Leben. Erde wurde in mich hineingepackt; für eine Theekanne ist das ebensogut, wie begraben zu werden, aber in die Erde wurde eine Blumenzwiebel gelegt. Wer sie hineinlegte, wer sie mir schenkte, weiß ich nicht, aber geschenkt wurde sie mir. Und die Zwiebel lag in der Erde, die Zwiebel lag in mir, sie wurde mein lebendiges Herz, wie ich es nie vorher gehabt hatte. Leben und Kraft lag in mir, allerlei Kräfte regten sich: der Puls schlug, die Zwiebel keimte, die in ihr schlummernden Gefühle brachen in einer schönen Blume hervor. Ich sah sie, ich trug sie, ich vergaß mich selbst in ihrer Schönheit. Sie sagte mir keinen Dank, sie dachte nicht an mich; sie wurde bewundert und gepriesen. Ich war so froh darüber. Wie hätte ich es nicht sein müssen! Eines Tages vernahm ich, wie gesagt wurde, sie verdiene einen besseren Topf. Man zerbrach mich in Stücke. Oh, das that schrecklich weh, aber die Blume kam in einen besseren Topf. Und ich? Ich wurde hinausgeworfen in den Hof, ich liege nun als alter Scherben da. Aber in mir lebt die Erinnerung fort und die kann mir niemand rauben.“
Die Blumen der kleinen Ida
“Tausend noch einmal, sind meine armen Blumen welk!“ rief bestürzt die kleine Ida. „Gestern abend waren sie noch so schön und nun hängen sie alle vertrocknet die Köpfchen. Warum thun sie das?“ fragte sie den Studenten, den sie sehr gern hatte, weil er schöne Geschichten wußte und drollige Bilder ausschnitt: Herzen mit kleinen Mädchen darin, welche tanzten, und große Schlösser, deren Thüren sich öffnen ließen.
„Ja, weißt du, was deinen Blumen fehlt?“ sagte der Student, „sie sind heute Nacht auf dem Balle gewesen und deshalb lassen sie die Köpfe hängen.“
„Aber die Blumen können ja nicht tanzen!“ sagte die kleine Ida.
„O ja!“ sagte der Student, „sobald es dunkel wird und wir andern schlafen, dann springen sie lustig umher; fast jede Nacht haben sie Ball.“
„Kann denn ein Kind mit auf den Ball kommen?“
„Ja,“ sagte der Student, „die kleinen niedlichen Gänseblümchen und Maiblümchen.“
„Wo tanzen die schönen Blumen?“ fragte die kleine Ida.
„Bist du nicht öfters vor dem Thore bei dem großen Schlosse gewesen, wo der König im Sommer wohnt und der schöne Garten mit den vielen Blumen ist? Du hast ja die Schwäne gesehen, die auf dich zuschwimmen, wenn du ihnen Brotkrümchen geben willst. Dort findet wirklich Ball statt, das kannst du mir glauben!“
„Erst gestern ging ich mit meiner Mutter draußen im Garten!“ sagte Ida, „aber an allen Bäumen fehlten die Blätter und es waren gar keine Blumen mehr da! Wo sind sie? Im Sommer sah ich so viele!“
„Die sind drinnen im Schlosse!“ sagte der Student. „Du mußt wissen, sobald der König und alle Hofleute wieder in die Stadt ziehen, dann laufen die Blumen sofort aus dem Garten auf das Schloß und sind lustig. Das solltest du einmal sehen. Die beiden reizendsten Rosen setzen sich auf den Thron und sind dann König und Königin. Die großen Hahnenkämme stellen sich alle an der Seite auf und stehen und verneigen sich. Das sind die Kammerjunker. Nun kommen die niedlichsten Blumen und dann ist da großer Ball. Die blauen Veilchen stellen kleine Seekadetten vor, sie tanzen mit Hyazinthen und Crocus, welche sie Fräulein anreden. Die Tulpen und Feuerlilien, das sind Matronen, die passen auf, daß recht schön getanzt wird und alles fein ordentlich hergeht.“
„Aber,“ fragte die kleine Ida, „ist denn niemand da, der die Blumen dafür bestraft, daß sie in des Königs Schlosse tanzen?“
„Es ist niemand da, der darüber etwas Genaues wüßte!“ sagte der Student. „Mitunter kommt des Nachts freilich der alte Schloßverwalter, der da draußen die Aufsicht zu führen hat. Sobald aber die Blumen sein großes Schlüsselbund rasseln hören, verhalten sie sich ganz still, verstecken sich hinter den langen Vorhängen und stecken den Kopf hervor. „„Mein Geruch sagte es mir, es sind hier Blumen im Saale!““ sagt der alte Schloßverwalter, aber sehen kann er sie nicht.“
„Das ist drollig,“ sagte die kleine Ida und klatschte in die Hände. „Aber könnte ich denn die Blumen nicht auch sehen?“
„O ja!“ sagte der Student, „vergiß nur nicht, sobald du wieder hinauskommst, durch das Fenster zu schauen, dann siehst du sie sicher. Das that ich heute, da lag eine lange Narcisse im Sofa und dehnte sich; das war eine Hofdame.“
„Kommen auch die Blumen aus dem botanischen Garten da hinaus? Können sie den weiten Weg machen?“
„Jawohl!“ sagte der Student, „denn, sobald sie wollen, können sie fliegen. Hast du nicht schon die herrlichen Schmetterlinge gesehen, die roten, gelben und weißen? Sie sehen fast wie Blumen aus und sind es auch gewesen. Sie sind vom Stengel hoch hinauf in die Luft gesprungen und haben dann mit ihren Blättern wie mit kleinen Flügeln geschlagen, und nun flogen sie. Da sie sich gut aufführten, durften sie auch am Tage fliegen, brauchten nicht wieder nach Hause zu kommen und still auf dem Stengel zu sitzen, und so wurden diese Blätter schließlich wirkliche Flügel. Das hast du ja selbst gesehen.“
„Ach wie drollig!“ sagte die kleine Ida und lachte.
„Wie kann man einem Kinde dergleichen vorreden!“ sagte der mürrische Kanzleirat, welcher zum Besuch gekommen war und im Sofa saß. Er konnte den Studenten gar nicht leiden und brummte stets, wenn er ihn die komischen Bilder ausschneiden sah.
Aber der kleinen Ida kam es doch ganz lustig vor, was ihr der Student von ihren Blumen erzählte und sie dachte viel daran.
Die Blumen ließen also die Köpfe hängen, weil sie vom nächtlichen Tanze müde waren; sie waren gewiß krank. Im Puppenbette lag ihre Puppe Sophie und schlief, aber die kleine Ida sagte zu ihr: „Du mußt leider aufstehen, Sophie, und damit fürlieb nehmen, heute Nacht im Schubfache zu liegen; die armen Blumen sind krank und da müssen sie in deinem Bette liegen; vielleicht werden sie dann wieder frisch und wohl!“ Damit nahm sie die Puppe heraus, die sehr ärgerlich aussah und kein einziges Wort sagte, denn es verdroß sie, daß sie nicht ihr Bett behalten durfte.
Dann legte Ida die Blumen in das Puppenbett, zog die kleine Decke ganz über sie und sagte, sie sollten nun hübsch stille liegen, sie würde ihnen dann Thee kochen, damit sie wieder wohl und frisch werden und morgen wieder aufstehen könnten. Die Vorhänge zog sie dicht um das kleine Bett, damit die Sonne ihnen nicht in die Augen scheinen sollte.
Auch den ganzen Abend hindurch konnte sie sich nicht enthalten, an das zu denken, was ihr der Student erzählt hatte. Als sie nun selbst zu Bett sollte, huschte sie erst hinter die Gardinen vor den Fenstern, wo die prächtigen Blumen ihrer Mutter, Hyazinthen und Tulpen, standen, und flüsterte ihnen ganz leise zu: „Ich weiß es nun, ihr sollt heute Nacht auf den Ball!“ Aber die Blumen thaten, als verständen sie nichts und rührten kein Blatt, allein die kleine Ida wußte doch, was sie wußte.
Als sie nun zu Bett gegangen war, lag sie noch lange und dachte, wie hübsch es doch sein müßte, die herrlichen Blumen draußen auf dem Schlosse des Königs tanzen zu sehen. „Ob meine Blumen wohl wirklich mit dabei gewesen sind?“ Dann fiel sie aber in Schlaf. In der Nacht erwachte sie wieder. Sie hatte von den Blumen und dem Studenten geträumt, den der Kanzleirat ausgezankt und dabei gesagt hatte, er wollte ihr bloß etwas weis machen. In der Schlafkammer, wo Ida lag, war es ganz stille; die Nachtlampe brannte auf dem Tische und ihr Vater und ihre Mutter schliefen.
„Ob meine Blumen jetzt wohl in Sophiens Bett liegen?“ sagte sie bei sich selbst; „ich möchte es doch gar zu gern wissen!“ Sie richtete sich ein wenig auf und blickte nach der Thüre. Sie war nur angelehnt und drinnen lagen die Blumen und all ihr Spielzeug. Sie lauschte und da war es ihr, als hörte sie drinnen in der Stube auf dem Klavier spielen, aber ganz leise und so hübsch, wie sie nie zuvor gehört hatte.
„Jetzt tanzen gewiß alle Blumen drinnen!“ sagte sie; „ach, wie gern möchte ich es doch sehen!“ aber sie durfte nicht aufstehen, weil sie sonst Vater und Mutter geweckt hätte. „Wenn sie doch nur hereinkommen wollten!“ sagte sie; aber die Blumen kamen nicht. Als nun die hübsche Musik immer weiter spielte, konnte sie es nicht länger mehr aushalten, denn es war zu herrlich. Unhörbar kletterte sie aus ihrem kleinen Bette, ging ganz leise nach der Thüre und sah in die Stube hinein. Nein, war das drollig, was sie nun zu sehen bekam!
Eine Nachtlampe brannte nicht darin, aber der Mond schien durch das Fenster mitten auf den Fußboden, so daß es fast tageshell war. Alle Hyazinthen und Tulpen standen in zwei langen Reihen auf dem Boden, am Fenster waren keine mehr zu sehen, da standen die leeren Töpfe. Auf dem Boden tanzten die Blumen ganz niedlich um einander herum, bildeten ordentliche Ketten und hielten einander an den langen grünen Blättern, wenn sie sich herumschwenkten. Am Klavier saß eine große Feuerlilie, welche die kleine Ida bestimmt im Sommer gesehen hatte, denn sie erinnerte sich noch ganz wohl, daß der Student gesagt hatte: „Seht nur, wie sie dem Fräulein Lina ähnelt!“ Damals hatte Ida gelacht, aber jetzt sah sie, daß die lange, gelbe Blume dem Fräulein glich. Niemand bemerkte die kleine Lauscherin. Nun sah sie einen großen blauen Crocus mitten auf den Tisch springen, auf dem das Spielzeug stand, direkt auf das Puppenbett zugehen und die Vorhänge auf die Seite schieben. Da lagen die kranken Blumen, aber sie richteten sich sofort empor und nickten den andern auf dem Fußboden zu, daß sie auch mittanzen wollten. Der alte Herr auf dem Räucherkästchen, dem die Unterlippe abgebrochen war, stand auf und verneigte sich vor den hübschen Blumen. Sie sahen gar nicht mehr krank aus, hüpften unter die andern hinunter und waren recht vergnügt.
Horch! War es nicht, als ob etwas vom Tische herunterfiele? Ida schaute hin. Es war die Fastnachtsrute, welche heruntersprang. Sie schien ebenfalls mit zu den Blumen zu gehören. Sie war auch sehr niedlich, und oben in der Spitze saß eine kleine Wachspuppe, die einen genau eben so breiten Hut auf dem Kopfe hatte, wie ihn der Kanzleirat trug. Die Fastnachtsrute hüpfte auf ihren drei roten Stelzfüßen mitten unter die Blumen, und stampfte, weil sie Mazurka tanzte, laut den Boden. Den Tanz verstanden die andern Blumen nicht, denn sie waren gar leicht und konnten nicht aufstampfen.
Die Wachspuppe auf der Fastnachtsrute wurde plötzlich groß und lang, schwang sich hoch über die Papierblumen empor und rief ganz laut. „Wie kann man einem Kinde dergleichen vorreden! Das ist dummes Zeug!“ und da ähnelte die Wachspuppe dem Kanzleirate mit seinem breiten Hute auf das täuschendste; sie sah gerade eben so gelb und brummig aus. Aber die Papierblumen schlugen ihn an die dünnen Beine und da schrumpfte er wieder zusammen und wurde eine winzig kleine Wachspuppe. Das war ein zu komischer Anblick! Die kleine Ida konnte sich des Lachens nicht enthalten.
In demselben Augenblicke klopfte es ganz laut inwendig in dem Schubfache, wo Idas Puppe, Sophie, bei vielem anderen Spielzeug lag. Das Männchen auf dem Räucherkästchen lief bis an die Kante des Tisches, legte sich der Länge nach auf den Bauch und fing an den Schubkasten ein wenig herauszuziehen. Da richtete sich Sophie empor und sah sich ganz verwundert um. „Hier ist ja Ball!“ sagte sie, „warum hat mir es denn niemand gesagt?“
„Willst du mit mir tanzen?“ fragte das Räuchermännchen.
„Fürwahr, das stände mir gerade an, mit dir zu tanzen!“ sagte sie und wandte ihm den Rücken. Hierauf setzte sie sich auf das Schubfach und dachte, es würde schon eine oder die andere Blume kommen und sie engagieren, aber es kam keine. Nun hustete sie, hm, hm, hm, aber gleichwohl kam keine. Das Räuchermännchen tanzte ganz allein und gar nicht so übel.
Da nun keine der Blumen Sophie zu sehen schien, ließ sie sich vom Schubfach gerade auf den Boden herabgleiten, so daß ein großer Lärm entstand. Alle Blumen umringten sie auch gleich und fragten, ob sie sich keinen Schaden gethan hätte, und sie benahmen sich alle sehr zuvorkommend gegen sie, besonders die Blumen, die in ihrem Bette gelegen hatten. Aber sie hatte keinen Schaden genommen und alle Blumen Idas dankten ihr für das prächtige Bett und bewiesen ihr große Zuneigung. Sie zogen sie mit sich bis mitten auf den Boden, wo der Mond schien, tanzten mit ihr und alle andern Blumen schlossen einen Kreis um sie. Nun war Sophie fröhlich und sagte, sie möchten getrost ihr Bett behalten, sie läge eben so gern im Schubfache.
Aber die Blumen sagten: „Empfange unsern besten Dank, allein wir können nicht mehr lange leben; morgen sind wir tot; sage aber der kleinen Ida, sie möchte uns draußen im Garten dort, wo der Kanarienvogel liegt, begraben. Dann würden wir im Sommer noch weit schöner wieder aufblühen!“
„Nein, ihr dürft nicht sterben!“ sagte Sophie und küßte dann die Blumen. In dem Augenblicke ging die Saalthüre auf und eine große Menge prachtvoller Blumen tanzte herein. Ida konnte sich gar nicht denken, woher sie gekommen waren; es waren gewiß die Blumen draußen vom Schlosse des Königs. An der Spitze gingen zwei herrliche Rosen und trugen kleine Goldkronen, das war ein König und eine Königin. Darauf folgten die niedlichsten Levkojen und Nelken, die nach allen Seiten hin grüßten. Sie hatten Musik mit sich, große Mohnblüten und Päonien bliesen auf Erbsenschoten, so daß sie ganz rot im Gesicht waren. Die blauen Glockenblumen und die kleinen weißen Schneeglöckchen klingelten, als ob sie Schellen trügen. Das war eine komische Musik. Dann kamen gar viele andere Blumen und tanzten allesamt, die blauen Veilchen und die roten Tausendschön, die Gänseblümchen und Maiblümchen. Und alle Blumen küßten einander, was sehr niedlich anzusehen war.
Schließlich sagten die Blumen einander gute Nacht. Da schlich sich denn auch die kleine Ida in ihr Bett, wo sie von allem, was sie gesehen hatte, träumte.
Als sie am nächsten Morgen aufstand, ging sie sogleich zu dem kleinen Tische, um zu sehen, ob die Blumen noch dort wären. Sie zog den Vorhang vor dem kleinen Bett zur Seite, ja, da lagen sie sämtlich, aber sie waren ganz welk, weit mehr als gestern. Sophie lag im Schubfache, wohin Ida sie gelegt hatte; sie sah sehr schläfrig aus.
„Kannst du dich auf das besinnen, was du mir sagen solltest?“ fragte die kleine Ida, allein Sophie machte ein dummes Gesicht und sagte auch nicht ein einziges Wort.
„Du bist gar nicht artig,“ sagte Ida, „und doch tanzten sie sämtlich mit dir.“ Dann nahm sie ein Papierschächtelchen, das mit niedlichen Vögeln bemalt war, öffnete es und legte die toten Blumen hinein. „Das soll euer hübscher Sarg sein,“ sagte sie, „und wenn später Jonas und Adolph kommen, da sollen sie bei dem Begräbnisse draußen im Garten mit zugegen sein, damit ihr im Sommer wieder wachsen könnt und noch weit schöner werdet!“
Jonas und Adolph waren zwei frische Knaben und Spielgenossen von Ida; ihr Vater hatte jedem von ihnen eine neue Armbrust geschenkt, die sie bei sich hatten, um sie Ida zu zeigen. Sie erzählte ihnen von den armen Blumen, die gestorben waren, und dann durften sie dieselben begraben. Beide gingen mit ihrer Armbrust auf den Schultern voran und die kleine Ida folgte ihnen mit den toten Blumen in der niedlichen Schachtel. Draußen im Garten gruben die Kinder ein kleines Grab und Ida setzte die Blumen, nachdem sie dieselben noch einmal geküßt hatte, mit der Schachtel in die Erde. Adolph und Jonas schoßen mit der Armbrust über das Grab, denn sie hatten weder Flinten noch Kanonen.
Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern
Es war entsetzlich kalt; es schneite und der Abend dunkelte bereits; es war der letzte Abend im Jahre, Sylvesterabend. In dieser Kälte und in dieser Finsternis ging auf der Straße ein kleines armes Mädchen mit bloßem Kopfe und mit nackten Füßen. Es hatte wohl freilich Pantoffeln angehabt, als es von Hause fortging, aber das waren die seiner verstorbenen Mutter gewesen und da sie ihr nicht paßten, so hatte sie die Kleine verloren, als sie über die Straße eilte, während zwei Wagen in rasender Eile vorüberjagten; der eine Pantoffel war nicht wieder aufzufinden und mit dem andern machte sich ein Knabe aus dem Staube.
Da ging nun das kleine Mädchen auf den nackten zierlichen Füßchen, die vor Kälte ganz rot und blau waren. In ihrer alten Schürze trug sie eine Menge Schwefelhölzer und ein Bund hielt sie in der Hand. Während des ganzen Tages hatte ihr niemand etwas abgekauft, niemand ein Almosen gereicht. Hungrig und frostig schleppte sich die arme Kleine weiter und sah schon ganz verzagt und eingeschüchtert aus. Die Schneeflocken fielen auf ihr langes blondes Haar, das schön gelockt über ihren Nacken hinabfloß. Aus allen Fenstern strahlte heller Lichterglanz und über alle Straßen verbreitete sich der Geruch von köstlichem Gänsebraten. Es war ja Sylvesterabend und dieser Gedanke erfüllte alle Sinne des kleinen Mädchens.
In einem Winkel zwischen zwei Häusern, von denen das eine etwas weiter in die Straße vorsprang als das andere, kauerte es sich nieder. Seine kleinen Beinchen hatte es unter sich gezogen, aber es fror nur noch mehr und wagte es trotzdem nicht, nach Hause zu gehen, da es noch kein Schächtelchen mit Streichhölzern verkauft, noch keinen Pfennig erhalten hatte. Es hätte gewiß vom Vater Schläge bekommen, und kalt war es zu Hause ja auch; sie hatten das bloße Dach über sich und der Wind pfiff schneidend hinein, obgleich Stroh und Lumpen in die größten Ritzen gestopft waren. Ach, wie gut mußte die Wärme eines Schwefelhölzchens thun! Wenn es nur wagen dürfte, eines aus dem Schächtelchen herauszunehmen, es gegen die Wand zu streichen und die Finger daran zu wärmen! Endlich zog das Kind eines heraus. „Ritsch!“ wie sprühte es, wie brannte es. Das Schwefelholz strahlte eine warme helle Flamme aus, wie ein kleines Licht, als es das Händchen um dasselbe hielt. Es war ein merkwürdiges Licht; es kam dem Mädchen vor, als säße es vor einem großen eisernen Ofen mit Messingbeschlägen und Messingverzierungen; das Feuer brannte so schön und wärmte so wohlthuend! Die Kleine streckte schon die Füße aus, um auch diese zu wärmen – da erlosch die Flamme. Der Ofen verschwand – sie saß mit einem Stümpfchen des ausgebrannten Schwefelholzes in der Hand da.
Ein neues wurde angestrichen, es brannte, es leuchtete, und die Stelle der Mauer, auf welche der Schein fiel, wurde durchsichtig wie ein Flor. Die Kleine sah gerade in die Stube hinein, wo der Tisch gedeckt stand und köstlich dampfte die gebratene Gans darauf. Und was noch herrlicher war, die Gans sprang aus der Schüssel und watschelte mit Gabel und Messer im Rücken über den Fußboden hin; gerade auf das arme Mädchen zu. Da erlosch das Schwefelholz und nur die dicke kalte Mauer war zu sehen.
Sie zündete ein neues an. Da saß die Kleine unter dem herrlichsten Weihnachtsbaum; er war noch größer und noch weit reicher ausgeputzt als der, den sie am heiligen Abende bei dem reichen Kaufmann durch die Glasthüre gesehen hatte. Tausende von Lichtern brannten auf den grünen Zweigen, und bunte Bilder schauten auf sie hernieder; die Kleine streckte beide Hände nach ihnen in die Höhe – da erlosch das Schwefelholz. Die vielen Weihnachtslichter stiegen höher und höher und sie sah jetzt erst, daß es die hellen Sterne waren. Einer von ihnen fiel herab und zog einen langen Feuerstreifen über den Himmel.
„Jetzt stirbt jemand!“ sagte die Kleine; denn die alte Großmutter, welche sie allein freundlich behandelt hatte, jetzt aber längst tot war, hatte gesagt: „Wenn ein Stern fällt, steigt eine Seele zu Gott empor!“
Sie strich wieder ein Schwefelholz gegen die Mauer; es warf einen weiten Lichtschein rings umher und im Glanze desselben stand die alte Großmutter hell beleuchtet mild und freundlich da.
„Großmutter!“ rief die Kleine, „o nimm mich mit dir! Ich weiß, daß du verschwindest, sobald das Schwefelholz ausgeht, verschwindest, wie der warme Kachelofen, der köstliche Gänsebraten und der große flimmernde Weihnachtsbaum!“ Schnell strich sie den ganzen Rest der Schwefelhölzer an, welche sich noch im Schächtelchen befanden, sie wollte die Großmutter festhalten; und die Schwefelhölzer verbreiteten einen solchen Glanz, daß es heller war als am lichten Tage. So schön, so groß war die Großmutter nie gewesen; sie nahm das kleine Mädchen auf ihren Arm und hoch schwebten sie empor in Glanz und Freude; Kälte, Hunger und Angst wichen von ihm – sie waren bei Gott.
Aber im Winkel am Hause saß in der kalten Morgenstunde das kleine Mädchen mit roten Wangen, mit Lächeln um den Mund – tot, erfroren am letzten Tage des alten Jahres. Der Morgen des neuen Jahres ging über der kleinen Leiche auf, welche mit den Schwefelhölzern, wovon fast ein Schächtelchen verbrannt war, dasaß. „Sie hat sich wärmen wollen!“ sagte man. Niemand wußte, was sie Schönes gesehen hatte, in welchem Glanze sie mit der alten Großmutter zur Neujahrsfreude eingegangen war.