Kitabı oku: «Wolf unter Wölfen», sayfa 18
Nein? sagt der Förster und fragt: Hast du übrigens gesehen, ob der Schulze auf seinem Hof ist?
Doch, sagt Negermeier. Kam vorhin mit dem Leutnant rein.
Das paßt Kniebusch gar nicht. Wenn der Leutnant drin ist, hat es keinen Zweck, zum Schulzen zu gehen und mit ihm über die Hypothek zu reden. Und es wäre doch notwendig. In fünf Tagen sind die Halbjahreszinsen wieder einmal fällig, und er kann sich doch nicht zweihundert Mark Papier in die Hand stecken lassen!
Bist du doof auf beiden Ohren, Förster?! schrie Meier. Ich frag dich, wie alt die Weio ist!
Das gnädige Fräulein –? Die ist im Mai fünfzehn geworden.
O wei! O wei! markiert Meier. Da schmeißt mich der Rittmeister bestimmt raus!
Wieso denn? Kniebusch versteht nicht, aber die immer wache Neugierde des Zuträgers und Spitzels stachelt ihn schon. Was meinst du denn?
Ach, laß man! Meier macht eine großartige, wegwerfende Gebärde. Erfährst du alles noch früh genug. Er trinkt und sieht den Förster wieder durch die zusammengekniffenen Lider unverschämt feixend an. Aber eine großartige Brust hat das Mädchen, das kann ich dir sagen, Kniebusch, alter Genießer!
Welches Mädchen –? fragt der Förster verblüfft. Dies will er denn doch nicht glauben.
Na, die kleine Krabbe, die Weio! sagt Negermeier nachlässig. Eine süße Puppe, sage ich dir. Wie mich die da vorhin in ihrem Liegestuhl begrüßt hat. Auf dem Küchenanbau, sage ich dir, nur im Badeanzug. Und dann hat sie so die Achselbänder losgemacht und dann – na, reden wir nicht davon, Kavalier bleibt Kavalier!
Du spinnst ja, Meier! sagt der Förster Kniebusch empört. Du sohlst ja! Du bist ja besoffen!
Natürlich sohl ich, sagt Negermeier mit gespielter Gleichgültigkeit. Natürlich bin ich betrunken. Aber wenn dich einer fragt, Kniebusch, dem kannst du von mir bestellen, daß die Weio da – er zeigt auf die Brust, ziemlich tief unterhalb der Achselhöhle – ein kleines braunes Muttermal hat, und ein süßer Knutschfleck ist das, Kniebusch, kann ich dir flüstern …
Meier sieht den Förster erwartungsvoll an.
Der grübelt laut: Daß du sie im Badeanzug gesehen hast, Meier, das will ich dir glauben. Auf dem Küchenanbau hat sie schon ein paarmal so gelegen, und die gnädige Frau will es partout nicht leiden, das weiß ich von der Köchin Armgard. Aber daß sie sonst mit dir … nee, Meier, das nehm ich dir nicht ab, das mußt du Dümmeren als dem Förster Kniebusch erzählen!
Der Förster grinst, jetzt fühlt er sich überlegen. Er schiebt das halb volle Schnapsglas zurück und steht auf: Komm, Cäsar!
Das glaubst du mir nicht?! schreit Negermeier und springt auch auf. Du ahnst ja nicht, Kniebusch, wie verrückt die Weiber nach mir sind. Alle kann ich sie haben, alle! Und die kleine Weio …
Nee, nee, Meier, sagt Kniebusch, verächtlich grinsend, und macht sich mit diesem Ausspruch den kleinen Meier zum ewigen Todfeind. Für ’ne Stallmagd oder Geflügelmamsell reicht es vielleicht bei dir. Aber das gnädige Fräulein, nee, Meier, du bist eben besoffen.
Soll ich dir’s beweisen?! schreit Meier förmlich. Er ist vor Alkohol, Wut, Demütigung völlig von Sinnen. Soll ich dir’s schwarz auf weiß zeigen?! Da, kannst du lesen, du dummes Luder? Da, den Brief hat mir dein gnädiges Fräulein geschrieben! Er reißt den Brief aus der Tasche, fetzt ihn auf. Kannst du lesen –? Deine Violet! ›Deine‹ unterstrichen, siehst du das, Glotzauge?! Da, lies mal: Liebster! Allerliebster!! Einziger!!! – Siehste die Ausrufungszeichen? Da – nee, alles brauchst du auch nicht zu lesen – da das noch: ich habe dich ja sooo lieb! Er wiederholt es: Sooo – na, ist das Liebe? Was sagst du nun?!
Er steht triumphierend da. Seine dicken Lippen zittern, seine Augen funkeln. Das Gesicht ist gerötet.
Aber die Wirkung seiner Worte ist anders, als er erwartet hat. Förster Kniebusch ist von ihm fortgetreten, gegen die Tür der Schenke hin. – Nein, Meier, sagt er. Das hättest du nicht tun sollen, mir den Brief zeigen und mir das alles erzählen. Was bist du für ein Schwein, Meier! Nee, das will ich nicht gesehen haben, davon weiß ich nichts, das könnte mir Kopf und Kragen kosten. Nein, Meier, sagt Kniebusch und sieht ihn ganz unverhohlen feindlich an mit seinen alten, etwas blaß gewordenen Augen. Wenn ich du wäre, packte ich auf der Stelle meinen Koffer und reiste ab, ohne Abmeldung, möglichst weit fort. Denn wenn der Rittmeister das erfährt –
Hab dich doch bloß nicht so, du alter Angsthase, sagt Meier mürrisch, stopft aber den Brief doch wieder in die Tasche. Das erfährt der Rittmeister doch nicht. Wenn du die Klappe hältst …
Ich halte meinen Mund schon, sagt der Förster und will es diesmal wirklich. Ich verbrenne ihn mir nicht gar so gerne. Aber du, du wirst ihn nicht halten … Nee, Meier, tu einmal was Vernünftiges und fahr ab. Und ganz schnell. – Also, da geht es wirklich los …
Die beiden haben nicht mehr auf das Wetter draußen geachtet. Dunkler und dunkler ist der Himmel geworden. Eben hat es taghell in die Gaststube geleuchtet, dann hat es ohrenbetäubend geknattert, und nun bricht es rauschend, prasselnd aus tausend Himmelsquellen.
Du wirst doch nicht in das Unwetter laufen! sagt Meier unwillkürlich.
Doch! sagt der Förster. Ich lauf schnell zum Schulzen rüber. Ich möchte hier nicht … Und er läuft schon.
Negermeier sieht ihn hinter dem dichten Regenvorhang verschwinden. In der Gaststube riecht es nach Alkohol, saurem Bier, Dreck. Langsam macht Meier ein Fenster nach dem andern auf. Er kommt an dem Tisch vorbei, an dem sie gesessen. Unwillkürlich greift er nach der Flasche.
Aber als er sie am Mund hat, schaudert ihm vor dem Geruch des Alkohols, er nimmt die Flasche und läßt sie auf dem Dorfplatz leergluckern. Dann geht er an den Tisch zurück und brennt sich eine Zigarette an. Er greift in die Tasche, zieht den Brief hervor. Der aufgefetzte Umschlag ist endgültig verdorben und der Brief – er legt ihn mit den langsamen, vorsichtigen Bewegungen des Halbtrunkenen auf den Tisch –, und der Brief ist völlig zerknittert. Er versucht, die Falten mit der Hand zu glätten. Dabei denkt er erschöpft: ›Was mach ich nur? Was mach ich nur?‹
Er merkt, daß es langsam feucht wird unter der glättenden Hand. Er sieht hin. Er hat den Brief in eine Cognaclache gelegt, alles ist verschmiert.
›Was mach ich nur?‹ denkt er von neuem.
Er stopft das Geschmier in die Tasche. Dann nimmt er seinen Stock und geht in den strömenden Regen hinaus. Er will erst mal ins Bett, seinen Rausch ausschlafen.
6
Der alte Förster Kniebusch rannte, so schnell er nur konnte, durch den immer stärker fallenden Regen nach dem Haaseschen Gehöft hinüber. So unangenehm es für einen alten Mann auch war, bis auf die Haut naß zu werden – so war das noch immer zehnmal besser, als bei diesem Kerl, dem Negermeier, zu sitzen und seine Schmutzereien anzuhören –!
Im Regenschatten der Haaseschen Scheune blieb Kniebusch stehen: so wie er jetzt war, konnte er nicht zum Schulzen hineingehen. Er trocknete sich schnaufend und umständlich das Gesicht ab und versuchte die klatschnassen Bartsträhnen zu entwirren. Während er aber all dies ganz mechanisch tat, dachte er immerzu, genauso wie der Negermeier drüben in der Schenke: ›Was tu ich nur? Was tu ich nur?‹
Schwer bedrückt es ihn einmal wieder, daß er keine Seele hatte, der er sein Herz ausschütten konnte; hätte er nur einem Menschen von dieser tollen Sache erzählen können, ihm wäre so viel leichter gewesen! So aber brannte und beizte ihn schon jetzt das Gehörte, daß es kaum zu ertragen war. Es war wie eine wunde Stelle am Finger, gegen die man immer wieder stößt; es war wie ein juckendes Ekzem, das man kratzen muß – koste es auch Blut.
Förster Kniebusch wußte wohl – aus mancher bitteren Erfahrung –, wie gefährlich diese immer stärker werdende Geschwätzigkeit und Klatschsucht für ihn war. Die schlimmsten Geschichten hatte er schon damit angerichtet, die unangenehmsten Auftritte gehabt. Wie er da, ziemlich geschützt, am Brettergiebel der Haaseschen Scheune lehnt und immer weiter an sich herumwischt und trocknet, versucht er eifrig, seiner Altersgeschwätzigkeit den Zündstoff fortzunehmen: er hat ja gar nichts zu erzählen! Es ist ja alles nur betrunkenes Gerede von diesem weibstollen Kerl, dem kleinen Meier, gewesen!
Aber wenn er dann so weit ist, wenn er sich schon anschickt, ganz beruhigt und ohne alle gefährliche Ladung in sich, hinein in die Stube des Schulzen zu gehen, dann fällt ein Blitz aus dem Himmel: in der Gaststube steht der Inspektor Meier, reißt den Brief aus der Tasche, fetzt ihn auf, fetzt ihn auf, liest ihn …
Förster Kniebusch pfeift ganz hoch und langgezogen, obwohl es ihm eigentlich den Atem verschlägt. Der vor nasser Kälte zitternde Hund an seinem Bein fährt zusammen und steht da, Vorderfuß hoch, als wittere er Wild. Förster Kniebusch aber ist schon weiter als sein Hund: er hat den Schwarzkittel, das Borstenschwein, den verdammten Eber in seiner Suhle ausgemacht und ihm die Kugel aufs Blatt gesetzt: Negermeier hat doch gelogen!!!
›Es ist ja auch gar nicht anders möglich‹, stöhnt der Förster Kniebusch erleichtert. ›Dieser Neger mit den Wulstlippen und unser gnädiges Fräulein! Das konnte ich nicht fressen. Und es war auch nicht mein Fraß! So ein dummer Prahlhans und Lügner, denkt, ich komme ihm nicht darauf. Reißt den Brief vor meinen Augen auf und weiß doch schon, was drin steht! Sagt, er ist gerade mit Fräulein Violet zusammen gewesen, und hat einen Brief von ihr in der Tasche! Natürlich hat sie ihm den Brief nur zu besorgen gegeben, und der Kerl hat ihn heimlich durchgeschnüffelt. Oh, die Sache muß ich mir heute noch in aller Ruhe und Andacht durchdenken. Es sollte mich doch wundern, wenn ich nicht alles klar herausbrächte, und am meisten sollte mich wundern, wenn ich dir nicht einen Strick draus drehen könnte, Meierchen! Du sollst mich nicht mehr lange Angsthase und Glotzauge nennen dürfen – wir werden schon sehen, wer es mit der Angst bekommt und glotzt!‹
Kniebusch dreht sich um und nimmt Front nach dem Gasthof. Aber der ist noch nicht wieder zu sehen, die Regenschleier sind zu dicht.
›lst auch besser so‹, denkt Kniebusch. ›Nur jetzt nichts Voreiliges tun! Das muß alles genau überlegt werden, denn es ist klar, daß ich die Sache so drehen muß, daß ich beim gnädigen Fräulein einen Stein im Brett bekomme. Die kann mir eines Tages noch sehr nützlich sein.‹
Damit pfeift Kniebusch durchdringend das Signal: ›Zur Attacke, marsch, marsch!‹ und marschiert ab, gradewegs in die Schulzenstube. Nicht einmal den Hund läßt er wie sonst auf dem Backsteinboden der Küche, sondern erlaubt ihm, mit den nassen Pfoten Schmutzkreise auf die gewachsten Dielenbretter zu treten. So siegesgewiß ist er.
In der Stube gibt es ihm aber doch einen Ruck, denn da sitzt nicht nur der lange Schulze Haase, sondern mitten auf dem eingesessenen Kanapee hockt der Leutnant! Seine alte Feldmütze liegt auf dem gehäkelten Schoner der Kanapeelehne, und da sitzt er, ruppig, struppig, doch immer auf Draht. Zu einer großen Tasse Kaffee ißt er Spiegeleier mit Speck, und in das Fett schneidet er sich Brotwürfel, völlig ländlich schändlich. Und nur die Stunde, nachmittags sechs Uhr, ist eigentlich nicht ganz die richtige für Spiegeleier.
Befehl ausgeführt! meldet der Förster und reißt seine Knochen zusammen, wie er das eben vor allen tut, von denen er glaubt, es stecke irgendeine Befehlsgewalt in ihnen.
Rühren! befiehlt der Leutnant. Aber dann ganz freundlich, einen fetten Fetzen Ei auf der Blechgabel: Na, Förster Kniebusch, immer noch munter auf den ollen Beinen? Alles bestellt und ausgerichtet? Alle angetroffen?
Das ist es ja grade! sagt der Förster, plötzlich wieder ganz kummervoll, und erzählt, was er da vorhin auf seinem Bestellgang im Dorf erlebt hat und was Frau Pieplow und was Frau Päplow gesagt haben.
Alter Schafskopp! sagt der Leutnant und ißt geruhig weiter. Dann wirst du eben noch mal, wenn die Kerls zu Hause sind, durchs ganze Kaff botten müssen, verstanden?! Den Weibern so was zu erzählen – ich sage es ja immer, die Öllsten sind die Döllsten!
Und er macht sich ruhig wieder an sein Essen.
Der Förster hat brav Zu Befehl, Herr Leutnant! gesagt und sich nicht anmerken lassen, wie wütend er ist. Er könnte ja diesen jungen Schnösel fragen, mit welchem Recht er ihn hier anblafft und wieso er ihm hier Befehle gibt – aber es lohnt sich nicht, er läßt es lieber.
Dafür wendet sich Kniebusch an den Schulzen, der lang und knitterig, stumm, wie er meistens ist, in seinem Ohrenstuhl gesessen und sich den Knaatsch, ohne eine Miene zu verziehen, angehört hat. Er fragt ihn gar nicht freundlich: Ach, Schulze, wo ich mal hier bin, wollte ich dich doch fragen, wie ist das mit uns und mit meinen Zinsen? In fünf Tagen sind sie fällig, und ich muß doch nun wissen, wie du es machen willst.
Weißt du das denn nicht? fragt der Schulze und sieht achtsam nach dem Leutnant hinüber. Der aber ißt ruhig weiter und kümmert sich um nichts als um seine Spiegeleier und die Brotflöckchen, die er über den Teller treibt. Das steht doch alles im Hypothekenbrief.
Aber Schulze, sagt der Förster fast flehend, wir wollen uns doch nicht erzürnen, alte Leute, wie wir beide sind.
Wie können wir uns da erzürnen, Kniebusch? fragt der Schulze erstaunt. Du bekommst, was geschrieben steht, und so alt wie du bin ich übrigens auch noch lange nicht.
Meine zehntausend Mark, sagt der Förster mit zitternder Stimme, die ich dir auf deinen Hof gegeben habe, waren gutes Friedensgeld – über zwanzig Jahre habe ich gespart, ehe ich sie zusammen hatte. Und am vorigen Zinstage hast du mir so einen Lappen gegeben – er liegt noch daheim in der Schieblade, nicht eine Briefmarke, nicht einen Nagel habe ich mir dafür kaufen können …
Kniebusch kann sich nicht helfen, und es ist dieses Mal nicht nur das schwache Alter, es ist auch ehrlicher Kummer, der ihm die Tränen in die Augen treibt. So sieht er den Schulzen Haase an, der langsam die Hände zwischen den Knien reibt, und grade zur Antwort ansetzt, als die scharfe Stimme vom Sofa her befiehlt: Förster!
Der Förster fährt herum, jäh aus seinem Kummer und aus seinem Flehen gerissen. Zu Befehl, Herr Leutnant?
Geben Sie mir mal Feuer, Förster!
Der Herr Leutnant ist mit seiner Esserei fertig. Er hat die letzte Spur Fett von seinem Teller aufgetrocknet, die Neige vom Kaffee getrunken – nun liegt er, bequem ausgestreckt, mit seinen Schmutzstiefeln auf dem Haaseschen Kanapee, hat die Augen geschlossen, aber eine Zigarette zwischen den Lippen, und verlangt Feuer.
Der Förster gibt es ihm. Als der Leutnant den ersten Rauch einzieht, öffnet er die Lider und sieht grade in das tränende Auge des Försters. Na, was denn?! sagt der Leutnant. Ich glaube gar, Sie heulen, Kniebusch?
Es ist nur der Rauch, Herr Leutnant, antwortet Kniebusch verlegen.
Na, denn ist es ja gut, sagt der Leutnant, schließt die Augen wieder und wirft sich auf die Seite.
Ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich mir dein ewiges Meckern anhöre, Kniebusch, sagt der Schulze, als der Förster wieder zu ihm zurückkommt. Zweihundert Mark hast du nach dem Hypothekenbrief zu kriegen. Und das vorige Mal habe ich dir schon einen Tausendmarkschein gegeben, und weil du nicht rausgeben konntest, habe ich ihn dir ganz gelassen …
Nicht einen Nagel habe ich mir dafür kaufen können! wiederholt der Förster verbissen.
Und diesmal will ich auch nicht so sein. Ich hab mir schon einen Zehntausender für dich parat gelegt, und ich will wieder nicht so sein: du sollst mir auch nichts rausgeben müssen, trotzdem zehntausend so viel sind wie deine ganze Hypothek …
Aber Schulze! ruft der Förster. Das ist doch alles lauter Spott und Hohn! Du weißt ganz gut, daß diese zehntausend noch viel weniger sind als die tausend vor einem halben Jahr! Und ich habe dir mein gutes Geld gegeben … Der Kummer bricht ihm fast das Herz.
Aber was geht das mich an! ruft jetzt auch der Schulze Haase ärgerlich. Habe ich dein gutes Geld schlecht gemacht? Da mußt du dich an die Herren in Berlin wenden, ich habe doch keine Schuld daran! Geschrieben ist geschrieben …
Aber es muß doch nach der Gerechtigkeit gehen, Schulze! bittet der Förster. Ich kann nicht zwanzig Jahre gespart und mir nichts gegönnt haben, daß du mir jetzt einen Arschwisch dafür gibst!
So?! sagt der Schulze giftig. Sagst du das, Kniebusch? Und wie war’s im Dürrejahr damals, als ich das Geld nicht zusammenkriegen konnte – wer hat da gesagt: geschrieben ist geschrieben?! Und wie war es, als die fetten Schweine achtzehn Mark der Zentner kosteten, und ich sagte: Das Geld ist zu teuer, du mußt etwas nachlassen, Kniebusch! – Wer hat mir da geantwortet: Geld ist Geld, und wenn du nicht zahlst, Schulze, laß ich pfänden. – Wer hat das gesagt?! Bist du das gewesen, Kniebusch, oder war’s ein anderer?
Aber das war doch etwas ganz anderes, Schulze, sagt der Förster ziemlich kleinlaut. Damals waren es kleine Unterschiede, aber heute ist es doch so, daß du mir überhaupt nichts geben willst. Ich verlange ja nicht, daß du mir den vollen Wert ersetzt, aber wenn du mir statt der zweihundert Mark zwanzig Zentner Roggen geben wolltest.
Zwanzig Zentner Roggen! Haase bricht in ein schallendes Gelächter aus. Ich glaube, Kniebusch, du bist verrückt geworden! Zwanzig Zentner Roggen, das sind ja über zwanzig Millionen Mark …
Und sind noch nicht annähernd das, Schulze, was du mir zahlen müßtest, beharrt Kniebusch. Im Frieden waren’s meistens dreißig Zentner.
Ja, im Frieden! sagt der Schulze ganz aufgebracht, da er merkt, der Förster läßt sich nicht einfach abspeisen, sondern will ihm ernstlich an den Beutel. Aber jetzt haben wir keinen Frieden, sondern die In-Fla-Ti-On – und da muß jeder für sich selber sorgen. Und nun will ich dir sagen, daß ich deine ewige Meckerei über habe, Kniebusch. Im Dorf klatschst du auch ewig über uns rum, und neulich hast du beim Bäcker gesagt, wieso der Schulze Gänsebraten essen kann, wo er seine Zinsen nicht ehrlich bezahlt. (Red nicht, Kniebusch, das hast du gesagt, ich erfahr alles.) Aber nun radle ich morgen nach Meienburg und mit dem Anwalt schicke ich dir die Zinsen, genau zweihundert Mark, wie es sein muß, und die Kündigung von der Hypothek bekommst du dazu, und zu Silvester kriegst du dann dein Geld wieder, genau zehntausend Mark – und wieviel du dir dann dafür kaufen kannst, das soll mir egal sein. Ja, das tue ich, Kniebusch, denn ich habe es satt mit dir, dein ewiges Gejammer um deine Ersparnisse. Ich tue es und ich mache es …
Das werden Sie nicht tun, Schulze Haase, kam eine scharfe Stimme vom Sofa her. Und es wird auch so gehen.
Der Leutnant saß wieder aufrecht, völlig wach, die noch qualmende Zigarette im Mundwinkel.
Sie werden am Letzten dem Förster seine zwanzig Zentner Roggen geben, und wir werden jetzt einen Wisch aufsetzen, daß Sie sich auch weiterhin, so lange dieses Dreckgeld umläuft, zu der gleichen Zahlung verpflichten …
Nee, Herr Leutnant, das schreibe ich nicht, sagt der Schulze entschlossen. Zu so was können Sie mich nun doch nicht kommandieren. Sonst ja, aber dies nicht.
Wenn ich das dem Herrn Major erzähle … gibt er Ihnen einen Tritt in den Hintern und schmeißt Sie raus. Oder stellt Sie auch als Verräter an die Wand, möglich ist das alles, Schulze. – Mann Gottes! rief der Leutnant lebhafter, sprang auf, ging zum Schulzen und faßte ihn am Rockknopf. Sie wissen doch, worum es geht, und Sie altgedienter Mann wollen dabei noch schnell vor Toresschluß an den Schweinereien von den Brüdern in Berlin profitieren! Schämen Sie sich was, Schulze! Er drehte sich um, ging an den Tisch, nahm sich eine neue Zigarette. Er kommandierte: Feuer, Förster!
Kniebusch, tausendfältig erleichtert, sklavisch dankbar, stürzte herzu. Er flüsterte, indes er den Leutnant mit Feuer bediente: Es müßte auch geschrieben werden, daß die Hypothek nicht gekündigt werden darf. Sonst zahlt er mich jetzt mit dem Drecksgeld aus – und es ist doch all mein Erspartes!
Das Mitleid mit sich selbst überwältigte ihn, die Freude über den unerwarteten Retter machte ihn noch weicher: Förster Kniebusch weinte schon wieder.
Angewidert sah es der Leutnant. Kniebusch, altes Waschweib, sagte er. Hau ab – sonst rede ich kein Wort mehr. Glaubst du, es geht mir um dich?! Du und deine filzigen Kröten – ihr seid mir ja soo egal. Es ist um der Sache willen, die Sache muß sauber sein.
Der Förster ging betreten in den Fensterwinkel – war nicht sein Recht sonnenklar? Warum mußte er angeschnauzt werden?
Der Leutnant wandte sich an den Schulzen. Na, wie ist es, Haase? fragte er qualmend.
Herr Leutnant, sagte der fast bittend. Warum soll ich schlechter gestellt sein als die andern? Alle hier in der Gegend stoßen jetzt ihre Hypotheken ab. Und der Kniebusch ist wirklich keiner, auf den man Rücksicht nehmen muß.
Diesmal sagte der Leutnant: Es geht nicht um den Kniebusch, es geht um Sie, Haase. Sie können nicht Ihren Schnitt durch die Betrügereien der Berliner machen und sie wegen dieser Betrügereien stürzen wollen. Das ist sonnenklar, das versteht jedes Kind, das verstehen Sie auch, Haase – und da drinnen, er tippte ihm leicht auf die Weste, und unbehaglich zog sich der Schulze zurück, da drinnen wissen Sie auch recht gut, daß Sie unrecht haben.
Der Schulze Haase stand in schwerem Kampf. Er hatte in einem langen, arbeitsreichen Leben gelernt, festzuhalten; fortzugeben hatte er nicht gelernt. Endlich sagte er langsam: Ich will schreiben, daß ich ihm die Hypothek nicht kündige und daß ich ihm alle halben Jahre den Wert von zehn Zentnern Roggen zahle … Mehr trägt der Hof nicht, Herr Leutnant, es sind schlimme Zeiten …
Pfui, Schulze! sagte der Leutnant leise und sah den alten Mann sehr ernst an. Die ganze Schweinerei trauen Sie Ihrem Gewissen nicht zu, aber die kleine wird’s schon verdauen, was? – Sehen Sie mich an, Mann! Ich bin sonst wirklich nicht des Rühmens wert, aber in diesem Punkt … Ich habe gar nichts, Schulze, seit fünf Jahren habe ich nichts, als was ich auf dem Leibe trage. Manchmal kriege ich Sold, manchmal kriege ich keinen. Es ist auch egal. Entweder glaubt man an eine Sache, dann gibt man alles dafür, oder man glaubt nicht daran – na, und wenn das der Fall ist, Schulze, dann haben wir beide nicht mehr viel miteinander zu reden.
Der Schulze Haase war lange stumm. Schließlich sagte er verdrossen: Sie sind ein junger Mann, und ich bin ein alter. Ich habe einen Hof, Herr Leutnant, ich muß auf den Hof passen. Wir Haases sitzen schon unendlich lange hier, ich möchte mich vor Vater und Großvater nicht sehen lassen, wenn ich den Hof verluderte.
Aber wenn Sie ihn durch einen Betrug erhalten – das macht gar nichts, was, Schulze?
Es ist kein Betrug! rief der Schulze wieder hitzig. Jeder tut es. Und außerdem, Herr Leutnant, sagte er und feixte sachte mit den Fältchen um den Augen, wir sind doch alle Menschen und keine Engel. Der Vater hat auch mal ein Pferd als zugfest verkauft, was es nicht war. Wir werden betrogen, und wir betrügen auch mal – ich denke, daß Gott auch verzeihen kann, steht nicht nur auf dem Papier von der Bibel.
Der Leutnant war schon wieder bei der nächsten Zigarette. Was der Schulze über Gott dachte, interessierte ihn nicht. Ihm lag daran, daß es erst einmal auf dieser Welt besser wurde. Feuer, Förster! befahl er, und der Förster, der mit den Bommeln an den Gardinen gespielt hatte, sprang.
Zurück in Deckung! befahl der Leutnant, und Kniebusch sprang wieder in die Gardinen.
Wenn Sie nicht tun, was ich Ihnen sage, erklärte der Leutnant verbissen – denn er konnte mindestens ebenso hartköpfig sein wie ein alter Bauernschulze –, wenn Sie nicht tun, was einfache Pflicht jedes anständigen Kerls ist, dann kann ich Sie auch bei unserer Sache nicht brauchen, Schulze.
Ich dachte immer, Sie hätten uns nötig, sagte der Schulze ungerührt.
Und wenn Sie bei unserer Sache nicht mitgemacht haben, Schulze, fuhr der Leutnant völlig unbeirrt fort, und wir sind dann in vier Wochen oder zwei Monaten die Herren – glauben Sie, es wird dann sehr vorteilhaft für Sie aussehen? Wie?
Gott, sagte der Schulze Haase gemächlich, wenn Sie alle, die nicht mitgemacht haben, bestrafen wollen, Herr Leutnant – das wird ein Wehgeschrei durch alle Dörfer geben. Und, spottete er, Sie werden ja wohl auch nicht grade der Landwirtschaftsminister werden, Herr Leutnant.
Schön! meinte der Leutnant kurz und fischte seine Mütze vom Kanapee. Sie wollen also nicht, Schulze?
Ich hab gesagt, was ich will, wiederholte der Schulze hartnäckig. Nicht kündigen und zehn Zentner Roggen Wert.
Wir beide sind fertig miteinander, Schulze, sagte der Leutnant. Kommen Sie, Förster, ich sage Ihnen noch, wo heute die Versammlung stattfindet. Hier jedenfalls nicht.
Der Schulze Haase hätte gern noch etwas gesagt, aber er kniff die schmalen Lippen fest zusammen. Der Leutnant war kein Händler, er ließ sich nichts abhandeln, er verlangte alles oder nichts. Da der Schulze alles nicht bewilligen wollte, schwieg er lieber.
Der Leutnant stand in der Tür des Schulzenhauses und sah auf die Hofstatt hinaus. Hinter ihm standen stumm der Förster Kniebusch und sein Hund. Es sah aus, als scheue sich der Leutnant, in den schwächer, aber immer noch kräftig genug fallenden Gewitterregen hinauszutreten. Aber er dachte gar nicht an den Regen, er sah gedankenverloren auf die offene Scheunentenne, wo sie noch schnell vor Feierabend das letzte vor dem Unwetter geborgene Roggenfuder abluden.
Herr Leutnant, sagte der Förster Kniebusch vorsichtig, man könnte die Versammlung vielleicht bei Bauer Bentzien abhalten …
Bentzien, jawohl, Bentzien … sagte der Leutnant nachdenklich und sah weiter dem Fuderabladen zu. Das krachtrockene Stroh raschelte bis zu ihm herüber. Der Leutnant war nicht mehr im Felde gewesen, dafür war er zu jung, aber auch im Baltikum, auch in Oberschlesien hatte man lernen können; daß letzten Endes die größere Zähigkeit entschied. Der Leutnant hatte zum Schulzen gesagt, sie seien beide fertig miteinander, aber wenn Haase das auch glauben mochte, der Leutnant war noch nicht mit dem Schulzen fertig. Grade nicht. Benzin … murmelte er noch einmal, und dann barsch: Sie warten hier, Förster!
Damit macht der Leutnant kehrt und geht wieder ins Haus.
Kaum fünf Minuten später wird auch der Förster hineingerufen. Der Schulze sitzt am Tisch und schreibt seine Bestätigung, daß er auf Kündigung der Hypothek verzichtet und sich zu einer Zinszahlung von vierzig Zentner Roggen, zahlbar in zwei Halbjahresraten, verpflichtet. Dem Schulzen sieht man nichts an, und dem Leutnant sieht man auch nichts an. Der Förster möchte vor Glück heulen, aber das darf er nicht, sonst geht die Sache womöglich noch wieder zurück. So verbeißt er seine Gefühle und macht dabei ein Gesicht wie ein rotlackierter Nußknacker.
So, Laden geht in Ordnung, sagt der Leutnant und unterschreibt auch noch ›als Zeuge‹ mit einem Krakel. Und nun bestellen Sie die Leute, Kniebusch. Hierher, natürlich hierher. Bauer Bentzien? Benzin kommt hier nicht in Frage!
Und er lacht, ein wenig bösartig, während der Schulze schweigt.
***
Die Unterredung zwischen dem Leutnant und dem Schulzen war nur sehr kurz gewesen.
Sagen Sie mal, Schulze, hatte der Leutnant hereinschlendernd gefragt, was mir eben noch eingefallen ist: wie ist es denn mit der Feuerversicherung?
Mit der Feuerversicherung? hatte der Schulze ganz verblüfft gefragt.
Na ja doch! hatte der Leutnant ungeduldig gemeint, als müsse ein Kind das verstehen. Wie sind Sie denn versichert?
Vierzigtausend, sagte der Schulze.
Papiermark, was?
Jaaa … Sehr lang gedehnt.
Ich denke, das sind so etwa vierzig Pfund Roggen, wie?
Jaaa …
Ist das nicht verflucht leichtsinnig? Wo Sie jetzt die Scheune voll von dem trockenen Heu und Stroh haben, wie?
Aber es gibt doch keine andere Versicherung! hatte der Schulze verzweifelt ausgerufen.
Doch, Schulze, doch, hatte der Leutnant gesagt. Nämlich, wenn Sie jetzt den Förster Kniebusch reinrufen und schreiben, was ich Ihnen sage.
Worauf der Förster Kniebusch hereingerufen wurde.