Kitabı oku: «Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung», sayfa 10
(b) Geschäftsleiter und Institut/Gruppe
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Aus dem Verweis in § 25c Abs. 4a und b KWG folgt, dass sich nur Geschäftsleiter strafbar machen können, wobei auf die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 KWG zurückgegriffen werden kann. Es handelt sich um ein Sonderdelikt.[205]
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§ 54a KWG erstreckt sich auf sämtliche Institute im Sinne des § 1 Abs. 1b KWG, womit Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, daneben aber auch übergeordnete Unternehmen und gruppenangehörige Institute erfasst sind. Für das übergeordnete Unternehmen findet sich die Legaldefinition in § 10a Abs. 1 KWG. Ein gruppenangehöriges Institut liegt vor, wenn es entweder als nachgeordnetes Unternehmen Teil einer Institutsgruppe nach § 10a Abs. 1 KWG oder Teil einer horizontalen Institutsgruppe nach § 10a Abs. 2 KWG ist; der Sitz muss stets im Inland belegen sein.[206]
(c) Nicht-dafür-Sorge-Tragen
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Der Täter wird bestraft, weil er nicht dafür Sorge trägt, dass ein Institut oder eine Gruppe entgegen § 25c Abs. 4a KWG bzw. § 25c Abs. 4b S. 2 KWG über eine dort genannte Strategie, einen dort genannten Prozess, ein dort genanntes Verfahren, eine dort genannte Funktion oder ein dort genanntes Konzept verfügt.
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Unter Bestimmtheitsgesichtspunkten sind vor allem die in Bezug genommenen Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen oder Konzepte problematisch, denn hier wird nicht mehr auf Regeln, sondern auf unscharfe Organisationsprinzipien verwiesen.[207] Die in Bezug genommenen Normen folgen einer im Vergleich zu tradierten strafrechtlichen Verhaltensnormen anderen Rationalität und führen gleichermaßen zu Unbestimmtheiten in der Art und Weise der Zielerreichung wie auch der Zielvorgabe selbst.[208] Das Sorgetragen selbst wird man im Sinne eines Bemühens deuten müssen, den Vorgaben der § 25c Abs. 4a KWG und § 25c Abs. 4b S. 2 KWG zu genügen.[209] Allerdings lässt sich der Vorwurf, nicht hinreichend Sorge getragen zu haben, im Nachhinein leicht formulieren, weshalb eine wesentliche Aufgabe der Verteidigung darin besteht, einem solchen Hindsight Bias (Rückschaufehler) entgegenzutreten. Dies gilt umso mehr, als der Vorschrift eine gewisse Verschleifungstendenz zu eigen ist, indem aus dem Eintritt einer Bestandsgefährdung auf einen Pflichtenverstoß geschlossen werden kann (und umgekehrt).[210]
(d) Bestandsgefährdung
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Der Gefährdungserfolg besteht darin, dass eine Bestandsgefährdung des Instituts, des übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts eintreten muss. Nach der Legaldefinition des § 48b Abs. 1 S. 1 KWG ist hierunter die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen zu verstehen (vgl. ferner § 48o KWG).[211] Die Bestandsgefährdung ist nicht erst bei unmittelbar bevorstehender Überschuldung oder Zahlungsausfall gegeben, sondern bereits dann, wenn ohne korrigierende Maßnahmen der Eintritt von Insolvenzgründen absehbar ist.[212] In keinem Falle kann im strafrechtlichen Kontext auf die Vermutungsregeln in § 48b Abs. 1 S. 2 KWG zurückgegriffen werden – anderenfalls käme es innerhalb des Strafverfahrens zu einer Umkehr der Beweislast, was gegen die Unschuldsvermutung verstieße.[213]
(e) Kausalität und Zurechnungszusammenhang
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Die Bestandsgefährdung muss gerade auf der Verletzung der Sorgetragungspflicht basieren. Unter Kausalitätsgesichtspunkten ist maßgeblich, dass das unterlassene Sorgetragen zu der Bestandsgefährdung führt: Bei einem Hinzudenken der Handlung müsste der Gefährdungserfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeblieben sein (sog. Quasi-Kausalität; siehe Rn. 46 ff., 74 ff.). Über den bloßen Kausalzusammenhang hinaus ist ein normativer Zusammenhang zu fordern, was sich bereits aus der Formulierung „und hierdurch“ (vgl. § 54a Abs. 1 KWG) ergibt.[214] Daran kann es fehlen, wenn der Erfolg auch bei Einhaltung der geforderten Pflichten eingetreten wäre, so dass ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang bestehen muss.[215]
(f) Vorsatz und Fahrlässigkeit
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§ 54a KWG stellt eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination dar, wobei als Referenzmaßstab auf die Figur eines sorgfaltsgemäß handelnden Geschäftsleiters abzustellen ist. Während im Hinblick auf das Tatverhalten des Nicht-dafür-Sorge-Tragens Vorsatz erforderlich ist, genügt in Bezug auf das Merkmal der Bestandsgefährdung Fahrlässigkeit (§ 54a Abs. 2 KWG).
(g) Objektive Strafbarkeitsbedingung: § 54a Abs. 3 KWG
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Erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde § 54a Abs. 3 KWG eingefügt, der – entgegen der gesetzgeberischen Einordnung als Strafausschließungsgrund –[216] eine objektive Bedingung der Strafbarkeit darstellt.[217] Nach § 54a Abs. 3 KWG ist die Tat nur strafbar, wenn die Bundesanstalt dem Täter durch Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG die Beseitigung des Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a oder § 25c Abs. 4b S. 2 KWG aufgegeben hat, der Täter dieser vollziehbaren Anordnung zuwiderhandelt und hierdurch die Bestandsgefährdung eintritt. Somit sind allein Pflichtverstöße relevant, bei denen zuvor eine entsprechende BaFin-Anordnung erlassen wurde.[218] Trotz der damit einhergehenden Verringerung der Strafbarkeitsrisiken wirft der Umstand Fragen auf, dass nunmehr die BaFin als Aufsichtsbehörde über den Inhalt der materiellrechtlichen Verbotszone bestimmt, obwohl hierfür nach Art. 103 Abs. 2 GG primär der parlamentarische Gesetzgeber zuständig ist.[219]
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Eine Anordnung liegt vor, wenn die Maßnahme Verwaltungsaktsqualität i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG hat.[220] Sie muss gegenüber dem Täter selbst ergehen, um ihre Warnfunktion zu erfüllen; nicht ausreichend ist, wenn sie gegenüber anderen Geschäftsleitern oder dem Institut erfolgt.[221] Ob die Anordnung rechtmäßig oder rechtswidrig ist, ist unerheblich, da es allein auf ihre Vollziehbarkeit i.S.d. § 49 KWG ankommt.[222] Der Täter muss der Anordnung zuwiderhandeln; teilweises Zuwiderhandeln genügt.[223]
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Da sich Abs. 3 von Abs. 1 eigentlich nur darin unterscheidet, dass die BaFin die zu ergreifenden Maßnahmen gegenüber dem Anordnungsadressaten noch einmal konkretisiert hat, ist maßgeblich, ob die Nichtbefolgung der Anordnung kausal und unter dem Blickwinkel des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs zurechenbar zu einer Bestandsgefährdung führt.[224] Die Verpflichtung lastet auf allen Geschäftsleitern. Ungeachtet der Gesamtverantwortung ist aus Verteidigungssicht auch in diesem Zusammenhang an das Ressortprinzip zu erinnern, das nicht über den Hinweis auf eine Krisen- und Ausnahmesituation allzu leicht um seinen Anwendungsbereich gebracht werden darf, was der Idee der Arbeitsteilung widerspräche.[225] Überdies wird wegen § 54a Abs. 3 KWG allein dem Adressaten die Verantwortung für die Befolgung jener Anordnung auferlegt.[226] Dies stellt jedoch keine Haftungsbeschränkung dar, wenn sie von vornherein an alle Geschäftsleiter gerichtet ist. Erneut kommt es aus Verteidigungssicht darauf an, einer pauschalierten Zurechnung entgegenzuwirken, indem eine ressortmäßige Aufgabenverteilung dargelegt und die mit Blick auf das Schuldprinzip erforderliche Individualisierung der Zurechnung durchgesetzt wird.
(3) Ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung über § 130 OWiG
(a) Allgemeines
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Die zentrale Vorschrift zur Sanktionierung unterlassenen Risikomanagements stellt § 130 OWiG dar, deren besondere Brisanz sich daraus ergibt, dass die Verletzung von Aufsichtspflichten eine Anknüpfungstat für § 30 OWiG bildet und dann die Sanktionierung von Verbänden trägt (siehe Rn. 303 f., 314 ff.).[227] Compliance kann eines der Instrumente sein, um jene den Inhaber treffenden Aufsichtspflichten zu erfüllen, die sich aus der notwendigen Delegation von Pflichten ergeben (siehe Rn. 101 ff.).[228] Es liegt dabei nicht von vornherein neben der Sache, das Unterlassen von Risikomanagement über § 130 OWiG zu sanktionieren, zumal die Norm nicht unspezifisch Normkonformität sichert, sondern konkreten Gefahren für Rechtsgüter entgegenwirken soll (siehe Rn. 101 ff.).[229] Allerdings bildet abermals nicht die eigentliche Rechtsgutsverletzung, sondern das Unterlassen diesbezüglicher Vorkehrungen den Anlass für die Sanktion, womit es zu jener denkwürdigen Umformung des Tatvorwurfs kommt (siehe auch Rn. 74 ff. bzw. Rn. 115 ff.).
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Die praktische Relevanz von § 130 OWiG ergibt sich auch im Compliance-Zusammenhang zu einem guten Teil daraus, dass der Nachweis einer vorsätzlichen Aktivbeteiligung der Unternehmensleitung an Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nur schwer gelingt (siehe Rn. 101 ff.). Demgegenüber verlangt der Bußgeldtatbestand allein die Verletzung einer Aufsichtspflicht, die ihren Ausdruck in fehlender oder unzureichender Compliance findet.[230]
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Compliance spielt im Rahmen des § 130 OWiG nicht nur auf Ebene der Rechtsfolgen, sondern auch bereits auf Ebene der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Rolle, was Ansatzpunkte für Verteidigungsstrategien bieten kann. Im Mittelpunkt stehen die Verletzung der Aufsichtspflicht, die subjektive Beziehung des Täters zur Tat und schließlich die objektive Bedingung der Ahndung.
(b) Verletzung der Aufsichtspflicht
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Die sichtbare Compliance-Relevanz der Vorschrift lässt sich daran erkennen, dass die Sanktion an das Unterlassen beispielhaft, aber nicht abschließend (vgl. § 130 Abs. 1 S. 2 OWiG: „auch“) benannter Aufsichtsmaßnahmen anknüpft, die sich auf die Verhinderung von Zuwiderhandlungen gegen inhaberbezogene Pflichten richten.[231] Da jenseits weniger Ausnahmeregeln keine generelle Compliance-Pflicht existiert (siehe Rn. 116 ff.),[232] sind Aufsicht und Compliance keine synonymen Begriffe.[233] Fehlt es gänzlich an entsprechenden Maßnahmen oder sind sie unzureichend, kann hierin nur dann eine Verletzung der allgemeinen Aufsichtspflicht gesehen werden, soweit Compliance das im Einzelfall gebotene Instrument zur Erfüllung dieser Pflicht ist. Dies ist keineswegs selbstverständlich, so dass aus Verteidigungssicht die Betonung der Unterschiede von Aufsicht und Compliance notwendig sein kann. Da § 130 Abs. 1 S. 1 OWiG ein Dauerdelikt darstellt, liegt im Übrigen nur eine einzige Aufsichtspflichtverletzung vor, wenn es als Folge fehlender oder unzureichender Compliance zu mehreren Zuwiderhandlungen kommt.[234]
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Selbst wenn Compliance das gebotene Instrument zur Erfüllung der Aufsichtspflicht ist, bestehen Grenzen, da § 130 OWiG dem Inhaber keine Totalkontrolle, sondern lediglich erforderliche und zumutbare (vgl. § 130 Abs. 1 S. 1 OWiG „gehörige“) Aufsichtsmaßnahmen abverlangt.[235] Aus dem Merkmal der Erforderlichkeit ist abzuleiten, dass von mehreren gleich wirksamen Compliance-Maßnahmen diejenige gewählt werden kann, die Unternehmen und Mitarbeiter am wenigsten belastet.[236] Insoweit wird man unter Verteidigungsaspekten insbesondere auf die erheblichen Kosten von Compliance-Tätigkeiten hinweisen dürfen, die keineswegs von allen Unternehmen aufgebracht werden können. Darüber hinaus begrenzt die Voraussetzung der Zumutbarkeit den Kreis erforderlicher Aufsichtsmaßnahmen, weshalb insbesondere Reaktionen wie die Belohnung von Denunziantentum ausscheiden; die Grenzen zum Whistle-Blowing sind jedoch fließend.[237] Ein strukturelles Problem besteht darin, dass die Sanktionsinstanz im Wissen um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung ex post über die im Vorfeld einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu treffenden Compliance-Maßnahmen entscheidet: Zwar hat sie die zu ergreifenden Maßnahmen konkret darzulegen,[238] im Nachhinein lassen sich jedoch leicht „erforderliche“ und „zumutbare“ Aufsichtsmaßnahmen benennen, durch die eine Zuwiderhandlung vermieden oder wesentlich erschwert worden wäre.[239] Vor diesem Hintergrund ist aus Verteidigungssicht stets zu hinterfragen, ob aus einer ex ante-Sicht wirklich Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nach Art und Intensität nahe lagen, die einen Anlass für die später postulierten Aufsichtsmaßnahmen darstellten.[240]
(c) Vorsatz und Fahrlässigkeit
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Subjektiv setzt die Haftung Vorsatz oder Fahrlässigkeit im Hinblick auf das Unterlassen erforderlicher Aufsichtsmaßnahmen und wegen der Klassifikation als konkretes Gefährdungsdelikt die Erfassung einer konkreten (betriebstypischen) Zuwiderhandlungsgefahr voraus (siehe Rn. 109). Eines Erkennens oder Erkennen-Könnens der später als Folge der Aufsichtspflichtverletzung konkret begangenen Zuwiderhandlung bedarf es nicht, da es sich insoweit um eine objektive Bedingung der Ahndung handelt.[241] Wurden seitens der Unternehmensleitung angemessene Compliance-Maßnahmen ergriffen, dürfte es vielfach an dem auf die Verletzung der Aufsichtspflicht bezogenen Vorsatz oder einer darauf bezogenen Fahrlässigkeit fehlen. Insofern können installierte Maßnahmen der Compliance für die Unternehmensleitung nicht nur im Hinblick auf eine mögliche Verletzung der Aufsichtspflicht, sondern auch im Hinblick auf Vorsatz und Fahrlässigkeit entlastend wirken.
(d) Objektive Bedingung der Ahndung
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Als objektive Bedingung der Ahndung verlangt § 130 Abs. 1 S. 1 OWiG eine Zuwiderhandlung, die bei gehöriger Aufsicht verhindert oder erschwert worden wäre (siehe Rn. 110 ff.).[242] Hierfür genügt nicht jede beliebige Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sondern diese muss mit Blick auf den Schutzzweck der Vorschrift Ausdruck der Verletzung inhaberbezogener Aufsichtspflichten sein.[243] Compliance-Maßnahmen können für den hier relevanten Zurechnungszusammenhang bedeutsam werden und einer Zurechnung der von Mitarbeitern begangenen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf die Unternehmensleitung entgegenstehen: Sofern sachgerechte Compliance-Maßnahmen ergriffen wurden, wird man eine Zuwiderhandlung tendenziell schwerer als Ausdruck unzureichender Aufsicht ansehen können.[244] Denn in dem Maße, in dem gebotene Compliance-Maßnahmen installiert sind, erscheinen von Unternehmensmitarbeitern begangene Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten als individueller Exzess. Dies gilt ähnlich für den Pflichtwidrigkeitszusammenhang, der durch sachgerechte Compliance-Maßnahmen prinzipiell durchbrochen werden kann.[245] Allerdings besteht auch hier das Problem, dass Sanktionsinstanzen unter Hinweis auf potentielle Aufsichtsmaßnahmen ex post einen Zurechnungszusammenhang attribuieren, zumal angesichts der hierfür ausreichenden wesentlichen Erschwerung der Zuwiderhandlung die Zurechnung umso leichter erscheint.[246] Da jedoch durch die installierten Compliance-Maßnahmen die Zuwiderhandlung zwar nicht verhindert, aber doch wesentlich erschwert wurde, kann hier ebenfalls ein Ansatzpunkt für effektives Verteidigungshandeln gesehen werden.
(e) Rechtsfolge
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Abgesehen von der Ebene der tatbestandlichen Voraussetzungen können Compliance-Maßnahmen auf der Ebene der Rechtsfolge Bedeutung erlangen, wobei zwischen Ahndungs- und Abschöpfungsteil der Geldbuße zu differenzieren ist.
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Obwohl die Abschöpfung nach h.M. dem Nettoprinzip folgt und insofern tatbezogene Aufwendungen vorteilsmindernd in Ansatz gebracht werden können (vgl. § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG: „wirtschaftlicher Vorteil“),[247] müssten im Rahmen der Saldierung Compliance-Maßnahmen an sich unberücksichtigt bleiben.[248] Denn die hiermit verbundenen Aufwendungen werden unabhängig von der Ordnungswidrigkeit getätigt und sind der Sache nach „Sowieso-Kosten“.[249] Allerdings deuten empirische Befunde darauf hin, dass auch in Bezug auf den Abschöpfungsteil die Installierung von Compliance-Maßnahmen mindernd in Ansatz gebracht werden kann.[250]
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Im Rahmen des Ahndungsteils können Compliance-Maßnahmen demgegenüber sowohl im Hinblick auf das Merkmal der „Bedeutung“ der Ordnungswidrigkeit als auch auf den „Vorwurf“, der den Täter trifft, relevant werden (vgl. § 17 Abs. 3 S. 1 OWiG). Obwohl es um unterschiedliche Aspekte geht, bestehen Wechselbezüge: Die Bedeutung der Tat nimmt mit dem Grad des Vorwurfs zu und umgekehrt fällt der Vorwurf umso größer aus, je bedeutender die Ordnungswidrigkeit ist.[251]
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Dem Merkmal der Bedeutung liegen erkennbar generalpräventive Zielsetzungen zugrunde,[252] weshalb entscheidend ist, inwieweit durch eine Sanktionierung generalpräventiv künftige Aufsichtspflichtverletzungen verhindert werden. Insbesondere bei strukturell ungenügender Compliance, die fortwährend Zuwiderhandlungen herausfordert oder in der Vergangenheit bereits herausgefordert hat, kommt der Ordnungswidrigkeit eine größere Bedeutung zu.[253] Ferner besteht ein Zusammenhang zwischen dem Merkmal der Bedeutung und dem Rang der betroffenen Rechtsgüter, da es anders zu werten ist, ob infolge einer Aufsichtspflichtverletzung lediglich Eigentum und Vermögen oder sogar Leib und Leben geschädigt werden.[254] Mildernd dürfte demgegenüber ins Gewicht fallen, wenn der Inhaber im Anschluss an eine Tat nunmehr Compliance-Programme erstmalig installiert oder zumindest verbessert, da angesichts eines solchen Nachtatverhaltens generalpräventive Bedürfnisse schwinden.[255]
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Das Merkmal des den Täter treffenden Vorwurfs adressiert den Gedanken der Tatproportionalität. Zum gesetzlichen Tatbestand zählende Umstände sind ebenso wie beim strafrechtlichen Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB nicht berücksichtigungsfähig.[256] Daher kann zwar nicht auf die in fehlender oder unzureichender Compliance liegende Aufsichtspflichtverletzung als solche, wohl aber auf deren Intensität abgestellt werden: Je gravierender der Verstoß oder je stärker der Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsgrad, desto mehr wird man dem Inhaber die Tat individuell zum Vorwurf machen können.[257] Sanktionserhöhend dürfte sich insbesondere auswirken, wenn der Inhaber Compliance lediglich im Sinne eines Windowdressings betreibt, da hier ein prinzipiell taugliches Instrument zur Sicherung von Normkonformität zweckentfremdet wird.[258] Umgekehrt mag sich mildernd auswirken, wenn der Inhaber aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht das Optimum an kostenintensiver Compliance betreiben konnte, die Unternehmen an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bringen kann.[259]
b) Haftung für Sachgefahren
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Neben der Haftung für Personengefahren kommt eine Haftung der Leitungsperson wegen Sachgefahren in Frage. Im Ausgangspunkt wird man von einer Garantenpflicht des Betriebsinhabers zur Unterbindung von Gefahren für außenstehende Dritte ausgehen müssen, soweit diese auf Sachen zurückgehen, die im Zuge der Entfaltung unternehmerischer Tätigkeit genutzt werden und ein betriebstypisches Risiko darstellen.[260] Konkret lässt sich diese Garantenstellung auf eine der Leitungsperson obliegende Verkehrssicherungspflicht zurückführen.[261] Indes ist daran zu erinnern, dass die dem Zivilrecht entspringenden Verkehrssicherungspflichten nicht deckungsgleich mit strafrechtlichen Garantenpflichten sind.[262] Vor diesem Hintergrund kommt der Verteidigung insbesondere die Aufgabe zu, einer ungefilterten Transformation zivilrechtlicher Verkehrssicherungspflichten in das Strafrecht entgegenzuwirken und herauszuarbeiten, ob zwingende, spezifisch strafrechtliche Gründe für die Statuierung einer Garantenstellung bestehen (siehe Rn. 21 ff.). Die in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme potenzieren sich im Bereich der strafrechtlichen Produkthaftung, bei der neben der Frage der Garantenpflicht noch weitere Themenkreise betroffen sind (siehe dazu Rn. 151 ff.).