Kitabı oku: «Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung», sayfa 9
(4) Vorsatz oder Fahrlässigkeit
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Vorsatz und Fahrlässigkeit müssen sich auf die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes beziehen. Maßgeblicher Inhalt des Vorsatzes sowie Anknüpfungspunkt für die Fahrlässigkeit ist allein das Unterlassen der erforderlichen und zumutbaren Aufsichtsmaßnahmen, nicht aber die konkrete Zuwiderhandlung des Mitarbeiters.[139] Dies bedeutet insbesondere, dass der Vorsatz nicht die konkrete Zuwiderhandlung erfassen muss. Lediglich die betriebstypische Zuwiderhandlungsgefahr muss von Vorsatz und Fahrlässigkeit umfasst sein.[140]
(5) Objektive Bedingung der Ahndung
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Neben der Begehung einer gegen unternehmensbezogene Pflichten gerichteten sanktionsbedrohten Zuwiderhandlung (= Anknüpfungstat) setzt die Vorschrift voraus, dass die Anknüpfungstat durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre (= Zurechnungszusammenhang).
(a) Anknüpfungstat
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Die Anknüpfungstat stellt eine objektive Bedingung der Ahndung dar, die nicht von Vorsatz und Fahrlässigkeit des Inhabers erfasst sein muss.[141] Nicht jeder Rechtsverstoß reicht aus, vielmehr muss die Zuwiderhandlung spezifischer Ausdruck der Verletzung der dem Inhaber in dieser Eigenschaft obliegenden Aufsichtspflichten sein.[142] Der Bezugspunkt der Pflichten ist somit für Inhaber und Mitarbeiter identisch, nur dass die sich auf die Mitarbeiter beziehende Aufsichtspflicht des Inhabers für jenen eine Ausprägung in spezifische Handlungs- oder Unterlassungspflichten erfährt. Sofern der Unternehmensbezug des Pflichtverstoßes gegeben ist,[143] kommen als Anknüpfungstaten auch Zuwiderhandlungen außerhalb des räumlichen Bereichs des Unternehmens und sogar von Personen in Frage, die (wie Sachverständige)[144] lediglich in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Unternehmens handeln, ohne selbst Unternehmensangehörige zu sein.[145] Der Zuwiderhandelnde muss nicht einmal ermittelt werden, sofern nur eine unternehmensbezogene Zuwiderhandlung vorliegt.[146] Darüber hinaus erleichtert die Vorschrift die Ahndung insofern, als es nicht auf die Ahndbarkeit der Straftat oder Ordnungswidrigkeit in der Person des Handelnden ankommt. Es genügt, wenn das Verhalten seinem äußeren Ablauf nach eine Zuwiderhandlung darstellt.[147] Dies wird insbesondere dann relevant, wenn der unmittelbar Handelnde in eigener Person nicht die spezifische Tätereigenschaft (Sonderdelikt) oder Pflichtenstellung (Pflichtdelikte) innehat und daher nicht tatbestandsmäßig handelt.[148]
(b) Zurechnungszusammenhang
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Weil die Haftung daran anknüpft, dass die Zuwiderhandlung „durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre“, setzt der Gesetzgeber einen Zurechnungszusammenhang voraus, womit die Zuwiderhandlung gerade das Resultat der Verletzung der Aufsichtspflicht sein muss.[149] Über die Formulierung „oder wesentlich erschwert worden wäre“ hat an diesem Punkt die Risikoverringerungslehre im Gesetz Niederschlag gefunden.[150]
(6) Rechtsfolgen
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Rechtsfolge ist die Verhängung einer Geldbuße. Ausgangspunkt für die Bußgeldbemessung ist § 17 Abs. 1 OWiG, der einen allgemeinen Sanktionsrahmen von 5,00 € bis 1.000 € eröffnet, sofern nicht das Gesetz – wie in § 130 Abs. 3 OWiG – etwas anderes bestimmt. Dieser speziellere Bußgeldrahmen differenziert danach, ob die Anknüpfungstat eine Straftat (§ 130 Abs. 3 S. 1 OWiG: Geldbuße bis 1 Mio. €) oder eine Ordnungswidrigkeit ist (§ 130 Abs. 3 S. 3 OWiG: Geldbuße bis zum Höchstmaß der Geldbuße für die Anknüpfungstat). Über den in § 130 Abs. 3 S. 2 OWiG erfolgenden Verweis auf § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG verzehnfacht sich der Bußgeldrahmen. In Fällen, in denen die Anknüpfungstat sowohl eine Straftat als auch eine Ordnungswidrigkeit darstellt und das Höchstmaß der Geldbuße das der Straftat übersteigt, richtet sich der Bußgeldrahmen nach dem Höchstmaß der Geldbuße (§ 130 Abs. 3 S. 4 OWiG). Dies gilt sogar, wenn die Ordnungswidrigkeit durch die Straftat verdrängt wird (vgl. § 21 OWiG).[151]
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Für die innerhalb des von § 130 Abs. 3 OWiG festgelegten Rahmens erfolgende Bußgeldbemessung ist nach allgemeinen Regeln zwischen dem Ahndungs- (§ 17 Abs. 3 OWiG) und Abschöpfungsteil (§ 17 Abs. 4 OWiG) zu differenzieren. Bei der Ahndung können die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters Berücksichtigung finden (§ 17 Abs. 3 S. 2 OWiG). Im Gegensatz zur Strafe kommt der Geldbuße eine Gewinnabschöpfungsfunktion zu, weshalb das gesetzliche Höchstmaß der Geldbuße in Gestalt des Ahndungsanteils nach § 17 Abs. 4 S. 1 und 2 OWiG überschritten werden kann.
gg) Haftung für unterlassenes Risikomanagement
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Derzeit sind Tendenzen auszumachen, das Unterlassen von Risikomanagement, welches auch auf die Unterbindung von Sanktions- und Schadensersatzrisiken gerichtet sein kann, straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlich zu sanktionieren. Derartige Maßnahmen können nur bedingt als Reprivatisierung des Strafrechts interpretiert werden, bei der die Wirtschaft selbst organisatorische Vorkehrungen für die Einhaltung staatlicher Normen trifft.[152] Schon wegen ihrer Bezugnahme auf staatlich gesetztes Recht bilden sie nur eine Ergänzung zu Vorgaben des Gesetzgebers.[153] Mit ihnen geht tendenziell sogar eine Verdichtung der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verbotsmaterie, aber auch der darauf bezogenen Sozialkontrolle einher.[154] Die Vorstellung, namentlich mit Compliance werde die organisatorische Überwachung rechtlicher Vorgaben in die Hände des Überwachten gelegt, trifft demnach die Sache nicht: Es ist vielmehr so, dass derartige Regelungen zunehmend wieder in das staatliche Recht inkorporiert oder mitunter sogar neue Straftatbestände geschaffen werden,[155] die in gewisser Weise die Überwachung der Überwachung straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlicher Vorgaben absichern. Indes ist nicht zu verkennen, dass hierdurch der eigentliche Tatvorwurf umgeformt wird: Anstatt die konkrete Rechtsgutsverletzung zu sanktionieren, wird das Unterlassen von Vorkehrungen, die eine solche Rechtsgutsverletzung verhindert hätten, zum Anlass der Sanktion (siehe auch Rn. 51 ff.).
(1) Strafrechtliche Haftung über Untreue gem. § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB
(a) Bestehen einer generellen Compliance-Pflicht?
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Zunächst ist bei Unterlassen von Maßnahmen des Risikomanagements an Strafbarkeitsrisiken im Hinblick auf den Untreuetatbestand zu denken, wenn das Unternehmen aufgrund rechtswidriger Praktiken seiner Mitarbeiter Bußgeld- oder Schadensersatzforderungen ausgesetzt ist.[156] Anknüpfungspunkt ist die Treubruchsvariante nach § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB: Sofern aufgrund rechtswidriger Mitarbeiterpraktiken Bußgeld- oder Schadensersatzforderungen gegenüber dem Unternehmen geltend gemacht und realisiert werden, entstehen diese kraft Gesetzes und nicht – wie es die Missbrauchsvariante verlangt –[157] als Folge eines Rechtsgeschäfts. Der Treubruchstatbestand kann dabei nicht nur durch aktives Tun, sondern auch durch Unterlassen verwirklicht werden; eines Rückgriffs auf § 13 Abs. 1 StGB bedarf es nicht, da der Treuepflichtige in jedem Falle Garant ist.[158]
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Obwohl der Vorstand einer AG oder die Geschäftsführung einer GmbH im Grundsatz eine Vermögensbetreuungspflicht im Hinblick auf das Vermögen der Gesellschaft innehaben,[159] bestehen gleichwohl Bedenken, das Unterlassen von Compliance-Maßnahmen automatisch als Verletzung dieser Treuepflicht anzusehen. Da die dem Treunehmer obliegende Verpflichtung zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen in § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB selbst nicht inhaltlich konturiert wird, wäre für ihre inhaltliche Skizzierung akzessorisch an außerhalb des Strafrechts angesiedelte Rechtsmaterien anzuknüpfen.[160] Jenseits von Spezialnormen existiert jedoch keine generelle Verpflichtung zur Einrichtung von Compliance (siehe auch Rn. 640 ff.).[161] Sie resultiert insbesondere nicht aus § 91 Abs. 2 AktG,[162] der Ausstrahlungswirkung auf die GmbH entfaltet.[163] Danach hat die Unternehmensleitung geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Die Vorschrift ist nicht auf das Außenverhältnis der Gesellschaft gerichtet, sondern installiert einen im Unternehmensinteresse liegenden und das Innenverhältnis von Unternehmensleitung und Gesellschaft betreffenden Selbstregulierungsmechanismus, der der Leitung deutlich größere Freiräume in der Ausübung dieser Funktion belässt. Dem entspricht es, wenn die Vorschrift einhellig als Ausprägung der allgemeinen Leitungsaufgabe des Vorstands einer AG (§ 76 AktG) oder der Geschäftsführung einer GmbH (§ 35 GmbHG) verstanden wird.[164]
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Daher lässt sich aus der Norm allenfalls eine weniger weit reichende Verpflichtung ableiten, die darauf gerichtet ist, den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh zu erkennen und zu beseitigen. Hiervon wird freilich erst bei konkreten Insolvenzrisiken die Rede sein können,[165] weshalb diese Ausprägung des Risikomanagements erst relativ spät einsetzt. Die Verletzung der von § 91 Abs. 2 AktG statuierten Fortbestandssicherungspflicht kann dann allerdings grundsätzlich eine untreuerelevante Pflichtverletzung darstellen, weil solche Maßnahmen dazu dienen, wirtschaftlich nachteilige Folgen für das Unternehmen zu unterbinden.[166] Ergreifen Vorstand und Geschäftsführung diesbezüglich keinerlei Maßnahmen und nehmen ihre Unternehmensleitungsaufgabe nicht wahr, liegt hierin ein untreuerelevanter Pflichtverstoß, da das Ob der Erfüllung dieser Pflicht – wie der Wortlaut des § 91 Abs. 2 AktG zeigt („hat“) – nicht zur Disposition der Unternehmensleitung steht.
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Werden nur unzureichende Maßnahmen ergriffen, lässt sich nicht ohne Weiteres ein untreuerelevanter Pflichtverstoß annehmen. Insoweit kommt der Wertung der in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG statuierten Business Judgement Rule maßgebliche Bedeutung zu.[167] Eine gesellschaftsrechtlich rechtswidrige Ermessensausübung scheidet demnach aus, wenn die Unternehmensleitung bei der getroffenen Auswahl an Fortbestandssicherungsmaßnahmen vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen und zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Selbst wenn man im konkreten Fall von einem Verstoß gegen die Business Judgement Rule ausginge, könnte hieraus noch immer nicht zwingend auf einen untreuerelevanten Pflichtverstoß geschlossen werden, da insoweit das Merkmal der gravierenden Pflichtverletzung relevant wird.[168] Will man dieses Kriterium nicht darauf reduzieren, ein Überschreiten des unternehmerischen Entscheidungs- und Handlungsspielraums anzuzeigen,[169] muss eine spezifisch strafrechtliche „Höhenmarke“ des Unrechts erreicht werden.[170] Gravierend wäre die Pflichtverletzung nur bei evidenter Überschreitung des unternehmerischen Beurteilungs- und Ermessensspielraums in der Auswahl der zu treffenden Maßnahmen. Hiervon kann jedoch erst ausgegangen werden, wenn die getroffenen Maßnahmen derart unzureichend wären, dass sie auch unter Rücksicht auf die insoweit zu konzedierenden Freiheitsgrade nicht mehr als ex ante im Interesse des Unternehmens liegend gedacht werden könnten.[171]
(b) Herbeiführung eines unmittelbaren Vermögensnachteils?
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Allerdings wird selbst in diesen Fällen im Regelfall kein untreuerelevanter Vermögensnachteil vorliegen. Im Ausgangspunkt ist an den Schadensbegriff des Betrugstatbestandes anzuknüpfen,[172] so dass bei einer Gesamtsaldierung von einem Nachteil ausgegangen werden kann, wenn der Wert des Vermögens infolge der Pflichtverletzung gemindert und diese Minderung nicht durch Zufluss eines vermögenswerten Äquivalents ausgeglichen wurde.[173] Allerdings führt der Verstoß gegen die Fortbestandssicherungspflicht selbst noch nicht zu einer realen Vermögenseinbuße, da etwaige Bußgeld- und Schadensersatzansprüche erst infolge rechtswidriger Verhaltensweisen von Unternehmensmitarbeitern durch Sanktionsinstanzen oder Geschädigte geltend gemacht werden. In Betracht kommt ein untreuerelevanter Vermögensnachteil allenfalls, wenn man eine durch die Treuepflichtverletzung bewirkte schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung ausmachen kann,[174] deren Anwendbarkeit auf die Untreue insbesondere nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „Berliner Bankenskandal“ Grenzen gesetzt sind.[175] Insbesondere ist dem spezifischen Deliktscharakter der Untreue und den Unterschieden zum Betrugstatbestand Rechnung zu tragen.[176] Zu berücksichtigen ist nicht nur die ausschließlich fremdschädigende Stoßrichtung der Untreue, sondern vor allem die fehlende Strafbarkeit des Versuchs.[177] Um über eine ausufernde Interpretation der schadensgleichen konkreten Vermögensgefahr nicht jede Vorfeldgefahr als untreuerelevanten Vermögensnachteil zu werten, bedarf es somit eines Korrektivs.
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Obschon § 266 StGB im Gegensatz zum Betrug kein Selbst-, sondern ein Fremdschädigungsdelikt darstellt und deswegen das für den Begriff der Vermögensverfügung zentrale Merkmal der Unmittelbarkeit keine vergleichbare Bedeutung haben kann,[178] wird man es zumindest unter zwei Gesichtspunkten nutzbar machen können: Im Rahmen der Gesamtsaldierung spielt das Merkmal der Unmittelbarkeit zunächst auf der Nachteilsseite der Saldierung insoweit eine Rolle, als der Pflichtverstoß unmittelbar zu der Vermögensgefährdung führen muss, die dementsprechend nicht von weiteren wesentlichen Zwischenschritten abhängen darf.[179] Der Rekurs auf dieses Kriterium ist angezeigt, weil auf der Vorteilsseite der Saldierung gleichermaßen nur unmittelbar, nicht aber mittelbar auf den Pflichtverstoß zurückgehende Vermögenszuflüsse berücksichtigungsfähig sind und eine unterschiedliche Behandlung beider Saldierungsseiten nicht einleuchtet.[180] Darüber hinaus kann das Merkmal der Unmittelbarkeit Bedeutung für die Bestimmung des schadensbegründenden Konkretisierungsgrades der Vermögensgefährdung insofern haben, als diese Gefahr nur hinreichend konkret ist, wenn sie unmittelbar in einen endgültigen Schaden übergehen kann, woran es jedenfalls bei solchen Gefährdungslagen fehlt, in denen der endgültige Vermögensverlust noch von weiteren eigenmächtigen Handlungen des Täters, Opfers oder eines Dritten abhängt.[181]
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Obwohl gegen ein Unternehmen gerichtete Bußgeld- oder Schadensersatzansprüche prinzipiell eine schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung begründen können,[182] führt der Rückgriff auf das Unmittelbarkeitsmerkmal im hier interessierenden Zusammenhang dazu, einen untreuerelevanten Nachteil abzulehnen. Zwar mag der dem Vorstand oder der Geschäftsführung anzulastende Verstoß gegen die Fortbestandssicherungspflicht eine Situation schaffen, die eine Gefahr für die Ausübung rechtswidriger Mitarbeiterpraktiken herbeiführt. Jedoch stehen zwischen dieser Treuepflichtverletzung und dem endgültigen Vermögensverlust nicht nur die Ausübung dieser Praktiken, sondern die erfolgreiche Festsetzung bzw. Geltendmachung etwaiger Bußgeld- oder Schadensersatzansprüche durch die Sanktionsbehörden oder die Geschädigten. Selbst wenn dem Unmittelbarkeitskriterium nicht zuwiderläuft, dass der endgültige Schadenseintritt faktisch noch von Handlungen des Opfers oder Dritter abhängt, wird man im Falle derartiger Ansprüche nur dann eine konkrete Vermögensgefahr annehmen können, wenn die Norm sich gleichsam selbst vollstreckt, so dass keine relevante Eigenmacht auf Seiten der Sanktionsinstanz oder eines geschädigten Opfers besteht.[183] Angesichts der insoweit feststellbaren und gerade durch entsprechende Eigenmacht der Sanktionsinstanz oder des Opfers gekennzeichneten Zwischenschritte liegt allenfalls eine mittelbare – genauer: abstrakte – Vermögensgefährdung vor. Insbesondere fehlt es daran, dass sich die den Bußgeld- oder Schadensersatzanspruch tragende Norm selbst vollstreckt, weil die Entscheidung über ihre Festsetzung im Wesentlichen vom (Entschließungs- und Auswahl-)Ermessen der Bußgeldbehörde oder des Geschädigten abhängt, wobei die Bußgeldbehörde im Bereich des Rechts der Ordnungswidrigkeiten nicht einmal auf der Grundlage des Legalitäts-, sondern des Opportunitätsprinzips operiert (§ 47 OWiG). Auf dieser Linie liegt es, wenn der Bundesgerichtshof in der Entscheidung über die Strafbarkeit des gegen rechtswidrige Mitarbeiterpraktiken nicht einschreitenden Leiters der Rechtsabteilung und Innenrevision erklärt, dass mögliche Ersatzansprüche und Prozesskosten nach Aufdeckung des Betruges keinen unmittelbaren Schaden begründen können, da insoweit noch die Aufdeckung der Tat als Zwischenschritt erfolgen müsse.[184]
(2) Strafrechtliche Sanktionierung über § 54a KWG
(a) Allgemeines
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Sichtbarster Ausdruck für die Tendenz, das Unterlassen von Maßnahmen des Risikomanagements strafrechtlich zu sanktionieren, ist die als Reaktion auf die Finanzkrise entstandene Vorschrift des § 54a KWG. Sie ist im Zuge des Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (Trennbankengesetz)[185] in das KWG aufgenommen worden. Vormals in den Rundschreiben der BaFin zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) formulierte Pflichten, die nach h.M. norminterpretierende Verwaltungsvorschriften darstellten,[186] wurden auf diese Weise in Gesetzesrang erhoben. Inwieweit außerstrafrechtliche Pflichten in den Rang strafrechtlich sanktionierter Pflichten aufrücken dürfen, ist im Prinzipiellen jedoch nach wie vor ungeklärt.[187] In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass zwischen außerstrafrechtlichem Recht und Strafrecht grundsätzlich ein Verhältnis asymmetrischer Akzessorietät besteht und Strafsanktionen für die Verletzung außerstrafrechtlicher Pflichten zwar möglich, aber begründungsbedürftig sind.[188]
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Für den Gesetzgeber leitend war die Erwägung, dass eine strafrechtliche Sanktionierung unterbliebenen Risikomanagements kaum möglich ist.[189] Dies legitimiert für sich jedoch keine Kriminalisierung, da derartige Maßnahmen kein Selbstzweck sind. Unabhängig davon ist der legitimatorische Bezug auf die Finanzkrise ungereimt, die weniger durch unzureichende Compliance als durch die Tätigung extremer Risikogeschäfte selbst verursacht wurde; insofern wird auch hier der eigentliche Vorwurf umgeformt (siehe Rn. 115 ff.).[190] Die Ungereimtheit fällt umso deutlicher ins Auge als einschränkungslos alle und keineswegs nur „systemrelevante“ Institute erfasst werden.[191]
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Die Strafnorm ist allenthalben auf deutliche Ablehnung gestoßen.[192] Die Kritik ist berechtigt, weil § 54a KWG wegen der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und der für das Kapitalmarktstrafrecht typischen exzessiven Blanketttechnik Bedenken hinsichtlich Art. 103 Abs. 2 GG aufwirft.[193] Die Leistungsfähigkeit einer außerstrafrechtlichen Regulierung wurde nicht einmal erwogen, was Zweifel mit Blick auf die dem Strafrecht eigene Ultima ratio-Funktion aufwirft.[194] Unterhalb der verfassungsrechtlichen Ebene ist einzuwenden, dass geschütztes Rechtsgut[195] und Deliktscharakter[196] kaum erkennbar sind. Der noch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügte § 54a Abs. 3 KWG wird immerhin dazu führen, dass es sich um weitgehend „totes Recht“ handelt.[197] Dies gilt umso mehr, als die nahezu unüberschaubaren Pflichtenkataloge aus § 25c Abs. 4a KWG sowie § 25c Abs. 4b S. 2 KWG kaum justiziabel sind.[198]
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Das zu schützende Rechtsgut ist letztlich in der unter Umständen auch durch die Bestandsgefährdung eines einzelnen Instituts auf dem Spiel stehenden Funktionsfähigkeit des Finanzsystems zu sehen.[199] Darüber hinaus wird das individuelle Vermögen des Instituts geschützt, was Bedeutung mit Blick auf § 823 Abs. 2 BGB hat.[200] Compliance dient nämlich gerade der Vermeidung von Rechtsverstößen im vermeintlichen Interesse eines Unternehmens, dem Sanktionen oder Imageschäden drohen.[201]
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Nach dem Gesetzgeber soll es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handeln.[202] Das Erfordernis der Herbeiführung einer Bestandsgefährdung spricht jedoch für die Klassifizierung als konkretes Gefährdungsdelikt.[203] Der Tatbestand hat eine zweiaktige Struktur, indem zu dem strafrechtlich relevanten Verhalten noch ein von Vorsatz oder Fahrlässigkeit (vgl. § 54a Abs. 2 KWG) umfasster Gefährdungserfolg treten muss. Das strafrechtlich relevante Verhalten als solches besteht in einem Nicht-dafür-Sorge-Tragen; es handelt sich also um ein echtes Unterlassungsdelikt.[204] Die Norm stellt zugleich ein Dauerdelikt dar, bei dem der rechtswidrige Dauerzustand erst durch Vornahme der geforderten Compliance-Maßnahmen beendet wird.