Kitabı oku: «BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil», sayfa 24

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c) Vertragstreues Verhalten des Schuldners

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§ 320 setzt zusätzlich voraus, dass sich der Schuldner selbst vertragstreu verhält: Nur wer selbst erfüllungsbereit ist und am Vertrag festhalten möchte, kann die Einrede aus § 320 geltend machen.[45] § 320 dient gerade der Erzwingung der Gegenleistung, die im Synallagma aber auch Erfüllungsbereitschaft des Leistenden voraussetzt. Wenn also der Schuldner seine eigene Leistung gänzlich und endgültig verweigert – vielleicht, weil er meint, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein –, muss er weitergehende Rechtsbehelfe geltend machen (etwa Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 281 verlangen oder gem. § 323 zurücktreten). Daher besteht kein Zurückbehaltungsrecht, wenn der Schuldner ablehnt, seine eigene Leistung zu erbringen oder auch die Gegenleistung anzunehmen.[46] Denn dann wird ja der Zweck des § 320 gerade nicht erreicht, nämlich die Erfüllung der gegenseitigen Pflichten. Es ist allerdings erforderlich, dass die Weigerung des Schuldners unmissverständlich, ernstlich und endgültig ist.[47] Nicht vertragstreu handelt der Schuldner auch dann, wenn er sich im Schuldnerverzug befindet.[48] Dabei ist § 320 nicht nur dann ausgeschlossen, wenn Schuldnerverzug bereits vorliegt, sondern auch dann, wenn die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung den Verzug erst begründet (weil die Mahnung gem. § 286 Abs. 2 Nr 3 dann entbehrlich ist).

d) Kein Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts

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Das Zurückbehaltungsrecht darf nicht ausgeschlossen sein. Der wichtigste Fall ist die Vorleistungspflicht des Schuldners, die § 320 Abs. 1 S. 1 aE ausdrücklich anspricht. Die Parteien können individualvertraglich auch bei synallagmatischen Pflichten vorsehen, dass eine der Parteien vorleistungspflichtig ist. Vorleistungspflicht bedeutet, dass eine Pflicht früher als die andere fällig ist. Ein Beispiel bietet der Ratenkauf, bei dem der Verkäufer vorleistungspflichtig ist. Strenge Grenzen gelten allerdings für Vereinbarungen in AGB: § 309 Nr 2 lit. a schließt Vereinbarungen aus, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Einrede des nicht erfüllten Vertrags genommen wird oder durch die § 320 eingeschränkt wird. Die Vorleistungspflicht kann sich auch aus gesetzlichen Bestimmungen ergeben. Beispiele sind die §§ 579, 614 und 641 Abs. 1. Wenn eine Seite vorleistungspflichtig ist, greift § 321 ein.[49]

4. Schranken (§ 320 Abs. 2, § 320 Abs. 1 S. 3)

a) § 320 Abs. 2

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§ 320 Abs. 2 ist ein besonderer Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glauben. Wenn die andere Seite eine Teilleistung erbringt, kann der Schuldner die Gegenleistung nicht verweigern, wenn dies treuwidrig wäre. Eine Teilleistung – also etwa die Zahlung von 495.000 Euro statt der geschuldeten 500.000 Euro für das verkaufte Grundstück – muss der Gläubiger freilich nach § 266 nicht annehmen, soweit nicht ausnahmsweise § 242 eingreift. Der Gläubiger kann sich aber auch für die Annahme entscheiden. Wenn er das tut, kann sich aus den Umständen ergeben, dass die Verweigerung der eigenen Leistung nach § 320 Abs. 1 treuwidrig wäre. Das ist eine Frage des konkreten Falls unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls wie etwa des Umfangs der Teilleistung und der Bedeutung der eigenen Leistung. Die Auflassung des Grundstücks kann etwa gegebenenfalls nicht verweigert werden, wenn nur ein relativ geringfügiger Betrag (im Verhältnis zum Wert der eigenen Leistung) gezahlt wird. § 320 Abs. 2 dient so dazu, einen beiderseits gerechten Interessenausgleich im Einzelfall zu ermöglichen. So darf auch etwa der Mieter den Mietzins nicht wegen fehlender Mangelbeseitigung monatelang zurückhalten, wenn das dazu führen würde, dass er über einen längeren Zeitraum praktisch mietfrei wohnt.[50]

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Im Kaufrecht steht dem Käufer grundsätzlich die Einrede des nicht erfüllten Vertrags aus § 320 Abs. 1 S. 1 gegen den Kaufpreiszahlungsanspruch (§ 433 Abs. 2) zu, wenn der Verkäufer seine Pflicht zur mangelfreien Verschaffung der Kaufsache (§ 433 Abs. 1 S. 2) nicht erfüllt hat. Der Käufer kann also bei behebbaren Mängeln den Kaufpreis gem. § 320 Abs. 1 S. 1 so lange zurückbehalten, bis der Verkäufer den Mangel beseitigt.[51] Im Einzelfall kann sich aus Treu und Glauben etwas anderes ergeben: Der Käufer darf die Kaufpreiszahlung nicht gem. § 320 Abs. 1 S. 1 verweigern, wenn dies nach den Gesamtumständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit der Pflichtverletzung des Verkäufers, treuwidrig ist. Der BGH stützt dies auf § 242 bzw den „Gedanken des § 320 Abs. 2“.[52] Überzeugender ist, § 320 Abs. 2 direkt anzuwenden: Auch die Leistung einer mangelbehafteten Sache ist ein Fall der (qualitativen) Teilleistung.[53] Für die Anwendung des § 320 Abs. 2 genügt aber nicht, dass der Mangel mit verhältnismäßig wenig Aufwand beseitigt werden kann (wie etwa Kratzer im Lack eines Fahrzeugs), während der Kaufpreis sehr hoch ist.[54] Denn § 320 verfolgt nicht nur den Zweck, den Anspruch auf die Gegenleistung zu sichern. Vielmehr soll die Norm auch als Druckmittel dazu dienen, den Gläubiger zur vertragsgemäßen Leistung anzuhalten.[55]

b) Keine Abwendung durch Sicherheitsleistung

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§ 320 Abs. 1 S. 3 bestimmt ausdrücklich, dass § 273 Abs. 3 nicht zur Anwendung kommt. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags kann deshalb im Gegensatz zum Zurückbehaltungsrecht nach § 273 nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden. Auch darin kommt die enge Verbindung der synallagmatischen Pflichten zum Ausdruck.

5. Rechtsfolgen

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§ 320 ist wie § 273 als Einrede ausgestaltet.[56] Das ergibt sich aus der amtlichen Überschrift zu § 320 (Einrede des nicht erfüllten Vertrags) und aus dem Wortlaut des § 322 Abs. 1 („kannverweigern“). Gem. § 322 Abs. 1 führt die Erhebung der Einrede dazu, dass der Schuldner nur zur Leistung Zug um Zug verurteilt wird.[57] In der Zwangsvollstreckung gilt gem. § 322 Abs. 3 auch für die Einrede des nicht erfüllten Vertrags § 274 Abs. 2.

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Wenn eine Partei vorleistungspflichtig ist, kann sie gem. § 322 Abs. 2 auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen, wenn die andere Partei im Annahmeverzug (§§ 293 ff) ist. Zuvor – wenn die vorleistungspflichtige Partei die Vorleistung noch nicht erbracht hat und auch kein Annahmeverzug vorliegt – ist eine Leistungsklage auf die Gegenleistung mangels Fälligkeit abzuweisen.[58]

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Allerdings besteht ein zentraler Unterschied zu § 273: Der Schuldnerverzug ist auch dann ausgeschlossen, wenn lediglich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 320 Abs. 1 vorliegen. Im Gegensatz zu § 273 ist nicht erforderlich, dass der Schuldner die Einrede auch erhebt.[59] Der Gläubiger kann den Schuldnerverzug nur herbeiführen, indem er die seinerseits geschuldete Gegenleistung entweder erbringt oder zumindest anbietet.[60] Im Prozess bedeutet das: Die Richterin muss von Amts wegen prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 320 erfüllt sind oder nicht. Auch im Rahmen von § 323 und § 281 besteht ein ähnlicher Unterschied: Unabhängig vom Erheben der Einrede liegt keine Verletzung einer durchsetzbaren Leistungspflicht im Sinne dieser Normen vor, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 320 Abs. 1 erfüllt sind.

6. Unsicherheitseinrede bei Vorleistungspflicht (§ 321)

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Vorleisten ist gefährlich: Wenn der andere Teil nicht auch leisten kann, hat der Vorleistende die eigene Leistung „verloren“, ohne die ihm geschuldete zu erlangen. § 321 schützt den Vorleistenden, wenn sein Gegenleistungsanspruch durch die mangelnde Leistungsfähigkeit des anderen Teils gefährdet wird. Man kann in dieser Regelung auch einen Sonderfall der Geschäftsgrundlage erblicken: Regelmäßig wird die Leistungsfähigkeit des anderen Teils Geschäftsgrundlage der Vorleistungspflicht sein. Daraus folgt auch, dass die fehlende Leistungsfähigkeit bei Vertragsschluss für den Schuldner nicht erkennbar gewesen sein durfte.[61] Die Leistungsfähigkeit kann beispielsweise bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens fehlen.[62] Auch drohende Kriegsereignisse oder Importverbote können im Einzelfall genügen.[63] Der andere kann dieses Leistungsverweigerungsrecht aber durch Sicherheitsleistung oder natürlich auch die Bewirkung der Gegenleistung abwenden (§ 321 Abs. 1 S. 2).

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§ 321 Abs. 2 eröffnet dem Vorleistungspflichtigen auch den Weg zu einem besonderen Rücktrittsrecht: Nach erfolgloser Fristsetzung zur Bewirkung der Gegenleistung oder Sicherheitsleistung (Zug um Zug gegen die Leistung) kann der Vorleistungspflichtige vom Vertrag zurücktreten; § 323 findet dann entsprechende Anwendung (§ 321 Abs. 2 S. 3).

7. Lösung Fall 32

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K könnte zur Zahlung des Kaufpreises (§ 433 Abs. 2) nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung der Weinflaschen verpflichtet sein. Das setzt voraus, dass ihm die Einrede des nicht erfüllten Vertrags aus § 320 zusteht.

I. Der Kaufvertrag bildet den dafür erforderlichen gegenseitigen Vertrag. Die beiden Hauptleistungen des K und des V, die Kaufpreiszahlung und die Übergabe und Übereignung der Weinflaschen, stehen auch im Synallagma zueinander.

II. Die Forderung des K ist zudem gemäß § 271 Abs. 1, 2 fällig und mangels entgegenstehender Einrede durchsetzbar.

III. V dürfte noch nicht geleistet haben. V hat indes bereits vier der zehn Flaschen übergeben und übereignet (quantitative Teilleistung). Bei solchen Teilleistungen kann der Vertragspartner grundsätzlich seine gesamte Gegenleistung zurückbehalten. Allerdings durfte K die Kaufpreiszahlung gem. § 320 Abs. 2 nicht zurückhalten, wenn dies nach den Umständen des Falls gegen Treu und Glauben (§ 242) verstoßen würde. Treuwidrig wäre etwa, die Kaufpreiszahlung wegen einer ganz geringfügigen Teilleistung zurückzuhalten. Hier wurden aber lediglich vier von zehn Flaschen geliefert, also nicht einmal die Hälfte. § 320 Abs. 2 greift daher nicht ein.

IV. Ungeschriebene Voraussetzung des § 320 ist, dass sich der Vertragspartner selbst vertragstreu verhält. Diese Voraussetzung ist gegeben, denn K war ohne Weiteres zur Zahlung des Kaufpreises in der Lage und bereit. Sonstige Gründe, an seiner Vertragstreue zu zweifeln, gibt es nicht.

V. Sonstige Ausschlussgründe sind ebenfalls nicht erkennbar.

Ergebnis: K hat somit ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 Abs. 1. Er muss den Kaufpreis gemäß § 322 Abs. 1 nur Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung der Weinflaschen zahlen.

Anmerkungen

[1]

BGH NJW 2014, 55 (Rn 36).

[2]

OLG Frankfurt NJW 1985, 3083.

[3]

Vgl BGHZ 87, 277.

[4]

Jauernig/Stadler, BGB17, § 273 Rn 3.

[5]

Vgl BGHZ 171, 30.

[6]

Zu § 320 im Einzelnen unten Rn 363 ff.

[7]

Vgl zB BGH NJW-RR 2005, 1041.

[8]

Vgl zB BGH NJW-RR 2005, 1041; BGH, WM 1971, 1020.

[9]

Jauernig/Stadler, BGB17, § 273 Rn 22; BGH NJW-RR 1995, 564 (zu § 320).

[10]

Zur Relativität der Schuldverhältnisse allgemein oben Rn 49 ff.

[11]

OLG Karlsruhe NJW-RR 2012, 1442.

[12]

Dazu näher unten Rn 1229 ff.

[13]

Zur Aufrechnung Rn 1346 ff.

[14]

BGH NJW 2000, 278.

[15]

Vgl oben Rn 342.

[16]

BGHZ 92, 194, 196; BGH NJW 1991, 2645, 2645.

[17]

BGH NJW 1991, 2645, 2645.

[18]

OLG München BeckRS 2009, 9845.

[19]

Vgl BGH NJW-RR 1990, 847, 848.

[20]

BGH NJW-RR 1986, 543.

[21]

Rn 349.

[22]

Vgl BGH NJW 1990, 2067, 2068.

[23]

BGH NJW 1979, 1203.

[24]

Teils kritisch zur Begründung von § 215 MünchKomm/Grothe, BGB8, § 215 Rn 1; BeckOGK/Bach, BGB (1.10.2019), § 215 Rn 7.

[25]

Vgl MünchKomm/Häublein, BGB7, § 570 Rn 1.

[26]

Vgl etwa zu § 1379 BGB OLG Stuttgart BeckRS 2010, 1324 mwN.

[27]

Beispiel: BGH WM 2007, 1188, 1189 (Mietkaution).

[28]

BGH NJW 1987, 3254, 3255.

[29]

BAG NJW 1968, 565.

[30]

BGH NJW 2014, 55, 57.

[31]

BGH NJW 2004, 3484, 3485.

[32]

BGH NJW 2017, 1100.

[33]

S. oben Rn. 359

[34]

Lat. „Ich gebe, damit du gibst“.

[35]

S. schon oben Rn 343.

[36]

Vgl BGH NJW 2017, 1100, 1101.

[37]

BGH NJW 1982, 2242; zur zeitlichen Begrenzung des Zurückbehaltungsrechts des Mieters NZM 2011, 197 und NJW 1982, 874, 875.

[38]

BGH NJW 2015, 3087, 3090 ff (besprochen von Emmerich JuS 2016, 169).

[39]

BGHZ 116, 244, 249.

[40]

RGZ 105, 111; BGH NJW 2017, 1100, 1102; MünchKomm/Westermann, BGB8, § 433 Rn 65.

[41]

RGZ 57, 105, 112 (Massenprodukte im Großhandel); vgl auch BGH BeckRS 1975, 31118441 (hohe Lagerkosten); Schulze/Saenger, BGB10, § 433 Rn 15 (Lagerräumung, leicht verderbliche Ware).

[42]

A. Arnold ZGS 2002, 438, 441 f; MünchKomm/Emmerich, BGB8, § 320 Rn 4 f; zum Zurückbehaltungsrecht bei mangelhafter Werkleistung siehe BeckOGK/Rüfner, BGB (1.10.2019), § 320 Rn 44.

[43]

Vgl BGH NJW 1993, 461.

[44]

Vgl BGH NJW 2006, 2773.

[45]

BGH NJW 2002, 3541 f; NJW-RR 2013, 1458, 1459; MünchKomm/Emmerich, BGB8, § 320 Rn 36.

[46]

RGZ 58, 174, 175 ff; BGH NJW 1982, 874, 875; MünchKomm/Emmerich, BGB8, § 320 Rn 37.

[47]

BGH NJW 1968, 1873.

[48]

BGH NJW-RR 1995, 564, 565.

[49]

Zu § 321 näher Rn 380.

[50]

BGH NJW 2015, 3087.

[51]

BGH NJW 2017, 1100.

[52]

BGH NJW 2017, 1100, 1101.

[53]

Zur qualitativen Teilleistung schon oben Rn 332.

[54]

BGH NJW 2017, 1100, 1101.

[55]

BGH NJW 1992, 556, 558; 2017, 1100, 1101.

[56]

MünchKomm/Emmerich, BGB8, vor § 320 Rn 11 f.

[57]

Zu Einzelheiten oben Rn 342.

[58]

BAG NJW 1978, 2215.

[59]

BGH NJW 1982, 2242; BGHZ 116, 244, 249; BGH NJW-RR 2003, 1318.

[60]

BGH NJW 1966, 200.

[61]

BT-Drs. 14/6040, S. 179.

[62]

Vgl BGH WM 1960, 377.

[63]

Vgl Jauernig/Stadler, BGB17, § 321 Rn 5.

Teil III Leistungsstörungsrecht

Inhaltsverzeichnis

§ 8 Einführung und Grundlagen

§ 9 Nicht oder nicht vertragsgemäße Leistung: Das Rücktrittsrecht aus § 323 und aus § 324

§ 10 Rücktrittsfolgenrecht (§§ 346-354)

§ 11 Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281, 282 und Aufwendungsersatz (§ 284)

§ 12 Unmöglichkeit der Leistung

§ 13 Schuldnerverzug und Gläubigerverzug

Teil III Leistungsstörungsrecht › § 8 Einführung und Grundlagen

§ 8 Einführung und Grundlagen

Inhaltsverzeichnis

I. Begriff, Zwecke und Regelungsorte

II. Pflichtverletzung als facettenreicher Zentralbegriff

III. Kategorien von Leistungsstörungen

IV. Die Systematik des § 280

V. Die Abgrenzung der Schadenskategorien

VI. Vertretenmüssen

Teil III Leistungsstörungsrecht › § 8 Einführung und Grundlagen › I. Begriff, Zwecke und Regelungsorte

I. Begriff, Zwecke und Regelungsorte

383

Das Leistungsstörungsrecht hat Leistungsstörungen zum Gegenstand. Mit Leistungsstörungen sind ganz verschiedene Phänomene gemeint. Von Leistungsstörungen spricht man immer dann, wenn eine oder mehrere der geschuldeten Leistungen aus irgendwelchen Gründen nicht oder nicht wie geschuldet vorgenommen werden. Es gibt viele verschiedene Arten von Störungen. Zunächst kann sich die Störung auf unterschiedliche Pflichten des Schuldners beziehen: Hauptleistungspflichten, Nebenleistungspflichten, Schutzpflichten. Vor allem die Hauptleistungspflichten können dabei gänzlich oder auch nur zum Teil unerfüllt bleiben. Das wiederum kann verschiedene Gründe haben, sei es, dass der Schuldner nicht leisten will oder auch, dass er nicht leisten kann (Unmöglichkeit). Denkbar ist auch, dass die Hauptleistungspflicht zwar erbracht wird, aber später als geschuldet, so dass die Leistung verzögert wird (Leistungsverzögerung). Oder die Hauptleistung wird zwar irgendwie erbracht, aber nicht so wie geschuldet (Schlechtleistung).

384

Für Störungen dieser Art hält das Leistungsstörungsrecht Lösungen bereit, die in unterschiedlicher Weise differenzieren. Dahinter stehen vielfältige Regelungszwecke. Zum einen geht es um einen beiderseits gerechten Interessenausgleich (vor allem zwischen den Vertragsparteien). Das Leistungsstörungsrecht verfolgt zum anderen aber auch verhaltenssteuernde Anreize.[1] Dahinter können beispielsweise Effizienzerwägungen liegen. Vor allem bei Hauptleistungspflichten kann die rechtliche Lösung in Mechanismen zu finden sein, die den Schuldner zur Leistungserbringung motivieren. Das zeigt sich beispielsweise in den Fristsetzungserfordernissen der § 281 Abs. 1 und § 323 Abs. 1. Das Leistungsstörungsrecht hält aber auch Mechanismen bereit, die dem Gläubiger die Lösung vom Vertrag oder Schadensausgleich ermöglichen (vgl §§ 323, 346 ff und §§ 281-283). So versucht das Gesetz, den spezifischen Besonderheiten der jeweiligen Phänomene angemessen Rechnung zu tragen.

385

Zentrale Regelungen des Leistungsstörungsrechts finden sich im Allgemeinen Schuldrecht. Diese Normen greifen grundsätzlich bei allen Leistungsarten und -pflichten ein, wenn keine vorrangig anwendbaren Sonderregeln bestehen oder ihr Anwendungsbereich spezifisch beschränkt ist (wie etwa die §§ 320-326 auf gegenseitige Verträge). Man bezeichnet die im Allgemeinen Schuldrecht befindlichen Regeln über Leistungsstörungen auch als „Allgemeines Leistungsstörungsrecht“.

386

Die zentralen Regelungsinhalte beginnen bei § 275. Dieser regelt den Wegfall der Leistungspflicht bei Unmöglichkeit. Die §§ 276-278 betreffen die Verantwortlichkeit des Schuldners, die vor allem für Schadensersatzansprüche relevant ist. § 280 bildet die Grundnorm für Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Pflichten aus Schuldverhältnissen. Sie wird von den §§ 281-285 und 311a Abs. 2 flankiert, in denen Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung (sowie Surrogatsherausgabe und Aufwendungsersatz, vgl §§ 284, 285) besonderen Voraussetzungen unterstellt werden. Auch § 286 (Verzug) ergänzt § 280 für Schadensersatzansprüche wegen Leistungsverzögerung. Zum Verzug gehören auch die §§ 287 und 288, die das rechtliche Verhältnis zwischen den Parteien während des Verzuges näher ausdifferenzieren. Eine besondere Kategorie der Leistungsstörung bildet der Gläubigerverzug, der in den §§ 293-304 geregelt ist. Das allgemeine Leistungsstörungsrecht wird von den §§ 306-310 (Recht der AGB) durchbrochen. Die § 311 Abs. 2 und Abs. 3 gehören ebenso zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht wie § 311a. Die Anpassung und Beendigung von Verträgen ist Gegenstand der §§ 313 und 314. Die §§ 320-326 beinhalten praktisch sehr wichtige Bestimmungen für gegenseitige Verträge. Wie wir schon bei § 320[2] gesehen haben, stehen hier Leistung und Gegenleistung in einem besonders engen Verhältnis, das man als „Synallagma“ bezeichnet. Schließlich lässt sich auch das in den §§ 346-354 geregelte Rücktrittsfolgenrecht als Teil des Leistungsstörungsrechts verstehen: Es bestimmt, in welcher Form Schuldverhältnisse rückabzuwickeln sind, wenn es zu einem Rücktritt gekommen ist.

387

Auch im Besonderen Schuldrecht finden sich wichtige Normen des Leistungsstörungsrechts, die grundsätzlich gegenüber dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht vorrangig sind. Oft verweisen zentrale Brückennormen aber auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht, das dann ergänzend anwendbar ist. Im Kaufrecht bildet § 437 die Brückennorm zur Rückbindung des Gewährleistungsrechts an das allgemeine Leistungsstörungsrecht. Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht ist anwendbar, wenn ein Sachmangel bei Gefahrübergang vorliegt.[3] Es regelt wichtige Fragen, etwa den Mangelbegriff (§§ 434 und 435), den Gefahrübergang (§§ 446, 447), den Nacherfüllungsanspruch (§§ 437 Nr 1, 439) und die Minderung (§§ 437 Nr 2, 441). Schon der sog „Vorrang der Nacherfüllung“ folgt aber keineswegs aus dem Kaufrecht selbst, sondern aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht – nämlich aus § 323 Abs. 1 und § 281 Abs. 1. Die werkvertragliche Parallelnorm zu § 437 ist § 634.

Teil III Leistungsstörungsrecht › § 8 Einführung und Grundlagen › II. Pflichtverletzung als facettenreicher Zentralbegriff

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